HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juli 2006
7. Jahrgang
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Prozessdokumentation

Die gerichtliche Fürsorgepflicht zur Wahrung einer "tatsächlichen und wirksamen" Verteidigung im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK

(Reihe Strafprozessuale Leitfälle zur EMRK)

Von Oberassistentin Dr. Daniela Demko (LLM), Zürich

I. Einleitung

Anliegen der nachfolgenden Ausführungen ist es darzustellen, in welcher Art und Weise sich der EGMR mit dem Thema der staatlichen Fürsorgepflicht im Zusammenhang mit der Wahrung einer effektiven Verteidigung im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK auseinandersetzt. Dabei wird anhand der Entscheidungen Czekalla gegen Portugal und Daud gegen Portugal aufgezeigt, welche Prüfungsreihenfolge der EGMR wählte und auf welche Beurteilungskriterien er in Fällen zurückgriff, in denen der Beschuldigte zwar einen Verteidiger hatte, sich dem Gerichtshof aber aufgrund fehlenden und/oder fehlerhaften Verteidigerverhaltens dennoch die Frage stellte, ob der Beschuldigte tatsächlich in den Genuss einer effektiven Verteidigung gekommen war. Im Rahmen der Darstellung von Czekalla gegen Portugal und Daud gegen Portugal, aber auch unter Bezugnahme auf weitere Entscheidungen, etwa Artico gegen Italien, Imbrioscia gegen die Schweiz und Quaranta gegen die Schweiz soll zugleich deutlich gemacht werden, dass das Thema der staatlichen Fürsorge- und Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der "Wahrung wirksamer Verteidigungsrechte" eine Vielzahl von Fragen aufwirft, die nicht nur für Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK, sondern auch für die anderen Verteidigungsgarantien des Abs. 3 von Art. 6 EMRK von Bedeutung sind und nach einer Antwort suchen.

II. Die Prüfung einer Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK im Zusammenhang mit der Verantwortung des Staates für Versäumnisse und Fehler der Verteidigung

1. Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK als besonderer Aspekt des in Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten fairen Verfahrens

Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK beinhaltet drei verschiedene Rechte: das Recht, sich selbst zu verteidigen, das Recht auf den Beistand eines Verteidigers seiner Wahl und bei Mittellosigkeit das Recht auf Beistand eines unentgeltlichen Pflichtverteidigers, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Jenen drei Rechten des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK - wie überhaupt allen Verteidigungsgarantien des Abs. 3 von Art. 6 EMRK - liegt ungeschrieben ein gemeinsamer, alle Garantien des Art. 6 Abs. 3 EMRK verbindender Anspruch des Beschuldigten auf Gewährleistung einer tatsächlichen und effektiven Verteidigung zugrunde.[1]

Jene Wahrung einer effektiven Verteidigung, auf die die einzelnen Garantien des Art. 6 Abs. 3 EMRK ausgerichtet sind, stellt einen wesentlichen unverzichtbaren Aspekt eines fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 EMRK dar. Diesen Gesichtspunkt betonend, stellte der EGMR auch an den Beginn seiner Prüfung einer Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK stets den Hinweis, dass das Vorliegen einer Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK nicht isoliert zu beurteilen ist, sondern im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 EMRK.

Bereits im Urteil Artico gegen Italien hieß es insoweit, dass Art. 6 Abs. 3 EMRK eine "Aufzählung einzelner Anwendungsfälle des in Abs. 1 dieses Artikels niedergelegten allgemeinen Grundsatzes"[2] enthalte. Jene, in Abs. 3 in nicht erschöpfender Weise aufgezählten, verschiedenen Rechte würden "einzelne Aspekte des Begriffs eines fairen Gerichtsverfahrens in strafrechtlichen Angelegenheiten"[3] darstellen, so dass bei einer Überprüfung der Einhaltung von Art. 6 Abs. 3 EMRK weder dessen Grundanliegen vernachlässigt noch dieser aus dem Zusammenhang gerissen werden dürfe. Jene Ausführungen wurden in der nachfolgenden Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK wiederholt aufgegriffen. In der Entscheidung Goddi gegen Italien sprach der EGMR beispielsweise von Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK, "dessen Garantien ebenfalls Bestandteile des allgemeinen Begriffs des fairen Verfahrens darstellen, wie er in Absatz 1 niedergelegt ist ".[4] Im Fall Imbrioscia gegen die Schweiz hieß es, das in Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK enthaltene Recht sei "eines von mehreren Elementen des Konzeptes eines fairen Verfahrens in Strafsachen, wie es in Abs. 1 enthalten ist".[5]

Auch in der Entscheidung Czekalla gegen Portugal [6] vom 10.10.2002, in der sich der EGMR der Frage der Verantwortung des Staates für Fehler eines Pflichtverteidigers zuwandte, stellte er jenen Gesichtspunkt des zu beachtenden Verhältnisses von Art. 6 Abs. 1 zu Art. 6 Abs. 3 EMRK an den Anfang seiner Prüfung einer Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK. Zunächst in Erinnerung rufend, dass es sich bei den Erfordernissen des Abs. 3 um "besondere Aspekte des nach Abs. 1 garantierten Rechts auf ein faires Verfahren"[7] handele, sei daher die Rüge des Beschwerdeführers, nach welcher der ihm gewährte anwaltliche Beistand eines Verteidigers unzulänglich gewesen sei, "unter dem Gesichtspunkt von Abs. 3 lit. c in Verbindung mit den Grundsätzen nach Abs. 1"[8] zu prüfen.

2. Die Gewährleistung von praktischen und effizienten Konventionsrechten und deren Konkretisierung mit Bezug auf Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK

Für die nachfolgende Beurteilung des Vorliegens einer Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK wies der EGMR sodann auf seine bisherige Rechtsprechung zur Pflichtverteidigung hin und griff dabei in der Entscheidung Czekalla gegen Portugal nur kurz wiederholend jene Grundsätze auf, die er bereits in seiner Entscheidung Artico gegen Italien formuliert und dort näher begründet hatte. Jene schlichte Übernahme seiner früheren Spruchpraxis sei deshalb betont, weil der Fall Artico gegen Italien von der Sache her die Gewährleistung unentgeltlichen Rechtsbeistands eines mittellosen Beschuldigten betraf, während im Fall Czekalla gegen Portugal das Vorliegen einer tatsächlichen und wirksamen Verteidigung losgelöst von der Mittellosigkeit des Beschuldigten beurteilt wurde. Angesprochen ist damit die Frage, ob und inwieweit der EGMR seine von ihm entwickelten Kriterien zur Beurteilung, ob "im Interesses der Rechtspflege" ein unentgeltlicher Rechtsbeistand eines mittellosen Beschuldigten erforderlich ist, in entsprechender Weise für die Beurteilung heranzieht, ob einem nicht mittellosen Beschuldigten eine effektive Verteidigung gewährt worden ist.[9]

Das Ziel der Konvention herausstellend, "nicht nur theoretische oder scheinbare, sondern vielmehr tatsächliche und wirksame Rechte zu schützen …", konkretisierte der EGMR dies anschließend speziell mit Blick auf Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK: Es hieß insoweit in der Entscheidung Czekalla gegen Portugal, dass "… die Bestellung eines Rechtsbeistands nicht für sich allein die Wirksamkeit des Rechtsbeistandes, die er einem Angeklagten geben kann",[10] gewährleiste. Jenes Vorgehen, zunächst das Erfordernis wirksamer Konventionsrechte im Allgemeinen zu betonen, um im Anschluss daran zu untersuchen, was dieses Erfordernis konkret für Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK bedeutet, fand sich ebenso in der Entscheidung Artico gegen Italien wieder. Aber auch in der Entscheidung Imbrioscia gegen die Schweiz, welche wie Czekalla gegen Portugal die Frage des Vorliegens einer mangelhaften Verteidigung losgelöst von der Mittellosigkeit des Beschuldigten untersuchte,[11] war jene Prüfungsweise des EGMR zu beobachten:

In Artico gegen Italien führte der EGMR insofern aus, dass die Konvention nicht dazu bestimmt sei, theoretische oder illusorische, sondern eben solche Rechte zu garantieren, "die konkret sind und Wirksamkeit entfalten …". Dies gelte "… insbesondere für Rechte der Verteidigung im Hinblick auf die herausragende Stellung, die das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren in einer demokratischen Gesellschaft einnimmt, dem jene Rechte entstammen".[12] Mit Bezug auf Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK konkretisierte der EGMR dies sodann dahingehend, dass "Art. 6 Abs. 3 c) von "Beistand" und nicht von "Bestellung" (spricht). Die Bestellung alleine gewährleistet eben keinen solchen wirksamen Beistand, denn der zum Pflichtverteidiger bestimmte Anwalt mag sterben, schwer krank werden, für einen ausgedehnten Zeitraum verhindert sein oder sich seinen Aufgaben entziehen".[13] Jenes Erfordernis einer tatsächlichen wirksamen Verteidigung aufgreifend, hieß es ebenso im Fall Imbrioscia gegen die Schweiz, dass "die Beigabe eines Verteidigers für sich allein noch nicht die Effizienz des Beistandes, den er einem Besch leisten soll, gewährleistet".[14]

Jenes Erfordernis eines effizienten Verteidigerbeistandes und dass der Beschuldigte tatsächlich "in den Genuß der Dienste"[15] des Verteidigers gekommen sein müsse, stellte der EGMR nicht nur als allgemeinen Grundsatz auf, sondern füllte diesen im Rahmen seines anschließenden dritten Beurteilungsschritts mit Leben, indem er dort inhaltlich näher untersuchte, wann und aus welchem Grunde umgekehrt eben kein wirksamer Rechtsbeistand

mehr gegeben ist.[16] Zuzustimmen ist dem EGMR dahingehend dass eine einschränkende, sich mit der bloßen Bestellung eines Verteidigers begnügende Auslegung ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit des Rechtsbeistandes "unvernünftig und weder mit dem Wortlaut des Abs. 3 c) noch mit der Struktur des Art. 6 insgesamt vereinbar"[17] ist und zu einer, in einer Vielzahl von Fällen wertlosen Verteidigungsgarantie führen würde . Dabei sei hervorgehoben, dass das Erfordernis eines wirksamen Rechtsbeistandes nicht nur für die Frage relevant ist, ob im Interesse der Rechtspflege ein unentgeltlicher Rechtsbeistand für einen mittellosen Beschuldigten erforderlich ist, sondern ebenso für die weitergehende Frage, ob einem Beschuldigten losgelöst von seiner finanziellen Lage eine wirksame Verteidigung eingeräumt worden ist.

3. Das Bestehen gerichtlicher Sorgfalts- und Fürsorgepflichten zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsbeistands

Für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlende oder mangelhafte Verteidigung dem Staat zuzurechnen ist und staatliche Sorgfaltspflichten zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsbeistandes begründet, hat der EGMR ein Grundsatz-Ausnahmeverhältnis aufgestellt.

a. Grundsatz der fehlenden Zurechnung von Versäumnissen des Verteidigers

Unter konsequenter Herausstellung "völliger Rücksichtsnahme auf das grundlegende Prinzip der Unabhängigkeit der Anwaltschaft"[18], dessen wichtige Rolle der EGMR in ständiger Rechtssprechung in einer Vielzahl von Entscheidungen zu Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK wiederholte, führte er auch in Czekalla gegen Portugal aus, dass dem Staat "allerdings nicht die Verantwortung für jedes Versäumnis eines Pflichtverteidigers angelastet werden"[19] könne. Denn aus der "Unabhängigkeit der Anwaltschaft vom Staat ergibt sich, dass die Führung der Verteidigung im Wesentlichen dem Angeklagten und seinem Rechtsanwalt obliegt, einerlei, ob er im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet oder von seinem Mandanten bezahlt"[20] werde. Jenen Grundsatz bzw. Ausgangspunkt, wonach ein "möglicherweise falsches oder fehlerhaftes Verhalten der Verteidigung durch einen Pflichtverteidiger die Verantwortung des Staats nach der Konvention nicht begründen"[21] könne, wurde vom Gerichtshof im Fall Czekalla gegen Portugal in Bezug auf einen bestellten Pflichtverteidiger betont. Dass insoweit zwischen einem bestellten Verteidiger und einem Wahlverteidiger jedoch kein Unterschied besteht, scheinen aber die früheren Entscheidungen Imbrioscia gegen die Schweiz einerseits und Daud gegen Portugal[22] andererseits zu belegen, ging es doch in Daud gegen Portugal um die Beurteilung der Verteidigung eines bestellten Verteidigers, hingegen in Imbrioscia gegen die Schweiz (u.a.) um die eines Wahlverteidigers. Ausdrücklich hieß es insoweit in Imbrioscia gegen die Schweiz, dass ein Staat nicht für jeden Mangel auf Seiten des Anwalts verantwortlich gemacht werden könne, "der zum Zweck der Verfahrenshilfe bestellt wurde …oder vom Angeklagten gewählt wurde".[23]

b. Ausnahmsweise Zurechnung der Versäumnisse des Verteidigers

Es nicht bei obigem Grundsatz belassend, sondern das zuvor betonte Erfordernis tatsächlicher und wirksamer Konventionsrechte ernst nehmend, entließ der EGMR den Staat nun aber nicht endgültig aus dessen Pflicht, im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK zur Wahrung einer eben solchen wirksamen Verteidigung aktiv beizutragen. Vielmehr prüfte und entwickelte er bereits in den Entscheidungen Imbrioscia gegen die Schweiz und Daud gegen Portugal Kriterien, bei dessen kumulativem Vorliegen dem Staat ausnahmsweise Versäumnisse des Verteidigers angelastet werden und infolge dessen eine Pflicht des Staates zum aktiven Eingreifen begründet wird. Jene Kriterien, die aktive Eingriffspflichten des Staates begründen, wurden vom EGMR in Czekalla gegen Portugal aufgegriffen und hier in einer Art Verfeinerung weiterentwickelt.

aa. Die "Drei-Schritt-Prüfung" des EGMR

Aus allen drei Entscheidungen geht dabei eine Art Drei-Schritt-Prüfung hervor, wobei die ersten beiden Schritte die Frage betreffen und beantworten, "ob" für den Staat eine Pflicht zum aktiven Eingreifen bestand,[24] während sich der EGMR in einem dritten Schritt zu der Frage äußert, "wie" und in welcher Weise der Staat zur Gewährleistung einer effektiven Verteidigung aktiv zu werden hat.

Kritisch hingewiesen sei bereits an dieser Stelle jedoch darauf, dass sich den dritten Schritt, das "Wie" des erforderlichen staatlichen Eingreifens betreffend bisher eher vorsichtig formulierte Ausführungen des EGMR wieder finden, in denen er in einer Art vorschlagenden

und Beispiele nennenden Weise einzelne, mögliche staatliche Maßnahmen zur Gewährleistung einer wirksamen Verteidigung anführt. Verallgemeinerungswürdige und näher strukturierte Überlegungen grundsätzlicher Art dazu, was ein Staat an aktiven Maßnahmen zur Wahrung wirksamer Verteidigungsrechte vorzunehmen hat und welche Behörden und Gerichte im Einzelnen inwieweit tätig werden müssen, sind jenen drei Entscheidungen nicht zu entnehmen.[25] Dies ist nicht nur in Bezug auf Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK bedauerlich, sondern auch hinsichtlich der anderen, in Absatz 3 des Art. 6 EMRK genannten Verteidigungsgarantien, stellt sich doch bei nicht gewahrten Verteidigungsrechten stets die Frage, was der Staat seinerseits zu tun hat, um einer gegebenen Einschränkung der Verteidigungsrechte entgegenzuwirken. Das Erfordernis wirksam gewahrter Verteidigungsrechte, das der EGMR nicht nur bei Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK, sondern beispielsweise auch im Zusammenhang mit dem Konfrontationsrecht des Angeklagten nach Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK betont, ernst nehmend, hätte es daher wünschenswert gemacht, wenn sich der Gerichtshof zur Ausgestaltung der staatlichen Fürsorge- und Eingriffspflichten im Einzelnen nicht nur näher, sondern überhaupt in grundsätzlicher Weise geäußert hätte . Es bleibt insofern mithin die zukünftige Spruchpraxis abzuwarten, um der Frage, "wie" der Staat seiner Fürsorgepflicht nachzukommen hat, nachvollziehbarere Konturen zu vermitteln.

bb. Die zwei Voraussetzungen zur Begründung einer Verantwortung des Staates für Versäumnisse des Verteidigers - die Frage des "Ob"

Hinsichtlich der Frage, ob dem Staat ausnahmsweise eine Verantwortung für Versäumnisse eines Verteidigers anzulasten ist, stellte der EGMR zwei Voraussetzungen auf, die nicht nur kumulativ vorliegen müssen, sondern die er auch stets in derselben Reihenfolge prüfte.

Es hieß insofern bereits in den Entscheidungen Daud gegen Portugal und Imbrioscia gegen die Schweiz, dass die innerstaatlichen Behörden bzw. die Vertragsstaaten nach Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK "nur dann verpflichtet (sind) einzugreifen, wenn ein Mangel des Pflichtverteidigers in der wirksamen Vertretung"[26] bzw. " das Versäumnis des Verteidigers, eine wirksame Verteidigung zu bieten",[27] "offensichtlich ist oder ihnen ein solcher Mangel in hinreichender Weise anders zur Kenntnis gebracht wird".[28] Dies aufgreifend, hob der EGMR auch in der Entscheidung Czekalla gegen Portugal hervor, dass Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK die "zuständigen staatlichen Behörden nur zum Eingreifen (verpflichtet), wenn das Versagen des Pflichtverteidigers offenkundig ist oder wenn die Behörden in anderer Weise ausreichend davon unterrichtet werden".[29]

Die Begründungserwägungen jener Entscheidungen zeigen dabei auf, dass der EGMR zunächst untersuchte, ob dem Beschuldigten eine effektive Verteidigung gewährleistet worden war . Kam er zu dem Ergebnis, dass "keine tatsächliche und wirksame Verteidigung"[30] vorgelegen habe, sah er sich veranlasst, nunmehr[31] die zweite Voraussetzung zu prüfen: Hierbei untersuchte er unter dem Gesichtpunkt der Offenkundigkeit oder einer anderweitigen hinreichenden Kenntniserlangung von der mangelnden/mangelhaften Verteidigung, "ob die zuständigen Behörden verpflichtet waren, unter Beachtung des Grundsatzes der Unabhängigkeit der Anwaltschaft tätig zu werden, um dem Betroffenen die wirksame Ausübung des ihm zuerkannten Rechts zu gewährleisten".[32]

(1) Die erste Voraussetzung: Das Fehlen einer praktischen und wirksamen Verteidigung

Was die erste Voraussetzung betrifft, machte der EGMR hinsichtlich der Prüfung, ob der Beschuldigte nicht in den Genuss einer tatsächlichen und wirksamen Verteidigung gekommen war, in der Entscheidung Czekalla gegen Portugal auf die Unterscheidung zwischen einer unterlassenden, fehlenden Verteidigungshandlung einerseits und einer zwar getätigten, jedoch fehlerhaft und unter Missachtung von Rechtsvorschriften vorgenommenen Verteidigungshandlung andererseits aufmerksam.

(1 a) Die Entscheidung Daud gegen Portugal

Der EGMR verwies insofern auf die Entscheidung Daud gegen Portugal, in der das Nichtvorliegen einer effektiven Verteidigung im Unterschied zu Czekalla gegen Portugal mit einem Untätigbleiben, also mit fehlenden Verteidigungshandlungen des (ersten) bestellten Verteidigers begründet wurde: Auf die Vorbereitung der Führung des Falles durch die von Amts wegen beigegebenen

Verteidiger Bedacht nehmend, sei "das intendierte Ziel des Art. 6 Abs. 3 nicht erreicht …" worden, da der "… erste von Amts wegen beigegebene Verteidiger, bevor er sich krank meldete, keinerlei Schritte als Berater von Herrn Daud unternommen hat, welcher erfolglos versucht hat, seine eigene Verteidigung zu führen".[33] Die erste bestellte Verteidigerin hatte mehr als 8 Monate nach ihrer Bestellung immer noch keinen Kontakt mit dem Beschuldigten gesucht und jenes fehlende Kontaktieren über diesen langen Zeitraum und dass diese von Amts wegen beigegebene Verteidigerin seit ihrer Bestellung keinerlei Schritte zur Verteidigung des Beschuldigten gesetzt hatte, sah der EGMR als "offenkundiges Versäumnis"[34] an. Hinsichtlich der zweiten beigegebenen Verteidigerin, von deren Bestellung der Beschuldigte nur drei Tage vor Beginn der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht erfuhr, erachtete der EGMR den Zeitraum, den "sie brauchte, um den Akt zu studieren, ihren Klienten erforderlichenfalls im Gefängnis zu besuchen und dessen Verteidigung vorzubereiten"[35] nicht für ausreichend . Zur Begründung, warum seiner Ansicht nach die Zeit zwischen der Verständigung von der Bestellung eines neuen Verteidigers am 23.1.1993 und der Hauptverhandlung am 26.1.1993 zu kurz sei, verwies er darauf, dass es sich um einen schwierigen, komplexen Fall ohne gerichtliches Ermittlungsverfahren gehandelt habe und zudem eine hohe Freiheitsstrafe verhängt wurde.[36] Der EGMR kam damit zum Ergebnis, dass der Beschuldigte "nicht in den Genuß einer praktischen und wirksamen Verteidigung …, wie dies Art. 6 Abs. 3 lit. c verlangt"[37] gekommen ist.

Interessant und besonders hervorzuheben ist insoweit, dass der EGMR zur Beurteilung, ob eine "tatsächliche und wirksame" Verteidigung gegeben ist, auf Prüfungskriterien zurückgriff, die er in der Entscheidung Quaranta gegen die Schweiz auch zur Bestimmung der "Interessen der Rechtspflege" und der Frage, ob diese den unentgeltlichen Rechtsbeistand eines mittellosen Beschuldigten erforderlich machen, heranzog. In Quaranta gegen die Schweiz nahm der Gerichtshof dabei auf verschiedene Kriterien Bedacht, um zu entscheiden, ob die "Interessen der Rechtspflege" den unentgeltlichen Beistand eines Verteidigers für einen mittellosen Beschuldigten verlangen: In erster Linie sei auf die "Schwere der strafbaren Handlung …", deren der Beschuldigte angeklagt ist und "… auf die Strenge der Freiheitsstrafe, die er riskierte"[38] zu achten. Ein weiterer Faktor sei "die Komplexität des Falles",[39] wobei der Gerichtshof sowohl darauf abstellte, dass "der Fall keine besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich des Sachverhalts aufwarf …" als auch darauf, dass "… das Ergebnis der HV … jedoch von erheblicher Bedeutung für den Bf (war), weil die ihm zur Last gelegte Straftat während der Bewährungsfrist begangen wurde"[40] mit der Folge, dass das Strafgericht nicht nur über die neue Freiheitsstrafe, sondern auch über einen möglichen Widerruf der aufgeschobenen Freiheitsstrafe zu entscheiden hatte. Der EGMR betonte insofern, dass eine Teilnahme eines Verteidigers an der Hauptverhandlung "die besten Voraussetzungen für die Verteidigung des Bf, insb im Hinblick auf den Umstand geschaffen (hätte), daß dem Gericht eine lange Reihe von Maßnahmen zur Verfügung gestanden hätte".[41] Eben solche Fragen seien "bereits für sich kompliziert…", und wären - womit der Gerichtshof das dritte Kriterium nannte - für den Beschuldigten "… um so komplizierter … im Hinblick auf dessen persönliche Lage".[42] Bei dem Beschuldigten handelte es sich um einen erst vor kurzem volljährig gewordenen Ausländer mit einem unterprivilegierten Hintergrund ohne richtige Berufsausbildung, mit einem langen Vorstrafenverzeichnis und welcher längere Zeit Drogen nahm. Der Gerichtshof kam daher zum Ergebnis, dass "(U)nter den Umständen des Falls …" die persönliche Anwesenheit des Beschuldigten vor dem Untersuchungsrichter und vor dem Strafgericht "… ohne Beistand eines Verteidigers es ihm nicht ermöglicht (hat), seinen Fall in angemessener Weise zu führen"[43] und Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK damit verletzt sei.

Dazu, ob der Gerichtshof nun das Vorliegen einer "tatsächlichen und wirksamen" Verteidigung und die "Interessen der Rechtspflege" mittels derselben, d.h. übereinstimmenden Kriterien bestimmen und damit im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK einen einheitlichen Prüfungsmaßstab anlegen will, äußerte er sich in Daud gegen Portugal nicht ausdrücklich, sondern ließ diese Frage vielmehr - und dies bedauerlicherweise - offen. In Anbetracht der Tatsache jedoch, dass der EGMR in Czekalla gegen Portugal erneut auf einzelne jener Kriterien zurückgriff, die er in Quaranta gegen die Schweiz zur Beurteilung der "Interessen der Rechtspflege" angeführt hatte, lässt sich die Vermutung nicht gänzlich von der Hand weisen, dass der EGMR auf dem Weg ist, eine einheitliche Bewertungslinie für Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK zu entwickeln. Jedoch muss insofern jedoch wohl eher noch von einer sich vorerst vorsichtig abzeichnenden Tendenz "im Entwicklungsstadium" gesprochen

werden, die nicht mehr als die beschriebenen Vermutungen erlauben. Dies deshalb, weil der EGMR eben nicht ausdrücklich dazu Stellung nimmt, ob er die "tatsächliche und wirksame" Verteidigung und die "Interessen der Rechtspflege" nach einheitlichen oder zumindest ähnlichen Kriterien zu bestimmen beabsichtigt. In Anbetracht zu vermeidender Wertungswidersprüche[44] innerhalb der Verteidigungsgarantien wäre - und zwar nicht nur für Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK - die Klärung der Frage mehr als wünschenswert, ob die "Interessen der Rechtspflege" tatsächlich mit den zu "wahrenden wirksamen" Verteidigungsrechten schlicht gleichzusetzen und einheitlich zu beurteilen sind oder ob nicht doch etwaige Unterschiede bestehen, die eine vielleicht ähnliche, aber eben nicht gänzlich übereinstimmende Behandlung erfordern.[45] Die diesbezügliche zukünftige Rechtsprechungsentwicklung bleibt daher mit Spannung abzuwarten.

(1 b) Die Entscheidung Czekalla gegen Portugal

Lehnte der Gerichtshof eine effektive Verteidigung des Beschuldigten in Daud gegen Portugal aufgrund fehlender wirksamer Verteidigungshandlungen ab, so ging es in Czekalla gegen Portugal um ein zwar getätigtes, jedoch fehlerhaft und unter Missachtung von Rechtsvorschriften vorgenommenes Verteidigungshandeln.

Die bestellte Pflichtverteidigerin hatte "(A)nders als in der Sache Daud …" nicht "… versäumt …, dem Bf. ihren Beistand im Verfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht zu geben. Es fragt sich aber, ob die Tatsache, dass sie das Rechtsmittel unter Missachtung der vom staatlichen Recht und vom Obersten Gerichtshof verlangten Formvorschriften eingelegt hat, als ein "offenkundiges Versagen" angesehen werden"[46] könne. Interessant ist insofern, dass der Gerichtshof darauf hinwies, dass sich auch in Daud gegen Portugal ein "ähnliche(r) Aspekt",[47] also der Aspekt eines offenkundigen Versagens des Verteidigers durch Missachtung von Rechtsanforderungen stellte, der jedoch nur von der Kommission geprüft wurde.[48] Der Gerichtshof selbst aber hatte sich "zu diesem Aspekt nicht geäußert",[49] da ihm die übrigen Mängel - womit wohl die schlicht fehlenden Verteidigungshandlungen angesprochen sind - für eine Bejahung einer Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK bereits ausreichten.

In Czekalla gegen Portugal hatte der Gerichtshof nun über diesen Aspekt zu entscheiden und wiederholte insofern zunächst, dass ein "möglicherweise falsches oder fehlerhaftes Verhalten der Verteidigung durch einen Pflichtverteidiger die Verantwortung des Staates nach der Konvention nicht begründen"[50] könne. Sodann äußerte er sich aber näher zu den Kriterien, wann ein fehlerhaftes Verteidigerverhalten ausnahmsweise zu einer staatlichen Verantwortung führen könne, wenn insofern auch anzumerken ist, dass der EGMR hinsichtlich der Bestimmung jener Kriterien eher vorsichtig und unbestimmt blieb. Es hieß, dass "unter bestimmten Umständen die fahrlässige Missachtung einer reinen Formvorschrift nicht mit einem solchen Fehlverhalten oder einer einfachen Unzulänglichkeit der Begründung gleichgesetzt…" werden könne. Dies sei "… dann der Fall, wenn ein solcher Fehler zur Folge hat, dass dem Betroffenen ein Rechtsbehelf genommen wird, ohne dass dies von einem höherinstanzlichen Gericht berichtigt wird".[51] Zur Bestimmung, wann ein fehlerhaftes Verhalten in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass es die staatliche Verantwortung zu begründen geeignet ist, stellte der Gerichtshof damit auf den Gesichtspunkt der Folgen und Konsequenzen jener fehlerhaften Missachtung von Rechtsanforderungen für den Beschuldigten und dessen Situation im Verfahren ab. Ob die in Czekalla gegen Portugal und Daud gegen Portu-

gal eingetretene Konsequenz, dass dem Beschuldigten infolge des fehlerhaften Verteidigerverhaltens ein ihm an sich zustehendes Rechtsmittel genommen wurde, ohne dass dies berichtigt wurde, nun der einzige Fall der Begründung einer staatlichen Verantwortung sein soll, ließ der EGMR unbeantwortet. Angesichts seiner eher vage und offen gehaltenen Formulierung "unter bestimmten Umständen"[52] kann dies aber wohl zumindest bezweifelt werden und lässt umgekehrt die Vermutung zu, dass es durchaus weitere Fallkonstellationen geben wird, bei denen ein fehlerhaftes Verteidigerverhalten ausnahmsweise zu einer Verantwortung des Staates führen kann.[53] Auch insofern bleibt die zukünftige Rechtsprechungspraxis abzuwarten.

Wie schon in Daud gegen Portugal stellte der Gerichtshof in Czekalla gegen Portugal im Rahmen seiner Beurteilung, ob eine "praktische und wirksame" Verteidigung vorgelegen habe, sodann ebenfalls auf einige der Kriterien ab, der er in Quaranta gegen die Schweiz in Bezug auf die "Interessen der Rechtspflege" genannt hatte: So habe es sich bei dem Beschuldigten um einen die Gerichtssprache nicht kennenden Ausländer gehandelt, dem Straftaten zur Last gelegt wurden, welche zu einer schweren Gefängnisstrafe führen konnten und führten.[54] Offen gelassen wurde seitens der Gerichtshofs aber auch hier, ob und inwieweit die Kriterien zur Beurteilung der "Interessen der Rechtspflege" und des Vorliegens einer "praktischen und wirksamen" Verteidigung übereinstimmend heranzuziehen sind.

Der EGMR lehnte im Ergebnis "(W)egen aller dieser Umstände"[55] eine praktische und wirksame Verteidigung des Beschuldigten, wie das nach Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK erforderlich gewesen wäre, ab und ging zur Prüfung seiner zweiten Voraussetzung über.

(2) Die zweite Voraussetzung: Die Offenkundigkeit oder anderweitig hinreichende Kenntniserlangung

Im Rahmen der zweiten Voraussetzung untersuchte der EGMR nun anschließend, ob der Mangel bzw. das Versagen des Verteidigers offenkundig gewesen war oder die staatlichen Behörden in anderer Weise ausreichend davon unterrichtet wurden.

In Daud gegen Portugal ergab sich die Annahme jener zweiten Voraussetzung schon aus dem Verhalten des Beschuldigten selbst: Zum einen ersuchte der Beschuldigte das Gericht nach mehr als 8 Monaten "um ein Gespräch mit seinem Verteidiger, welcher ihn bis dahin noch nicht kontaktiert hatte".[56] Zwar schenkte der Richter diesem Antrag keine Beachtung, weil er in einer fremdem Sprache verfasst war, aber nach Auffassung des EGMR hätte dieser Antrag die zuständigen Behörden "darauf aufmerksam machen müssen, daß ein offenkundiges Versäumnis auf seiten der von Amts wegen beigegebenen Verteidigerin vorlag, vor allem weil letztere noch keinerlei Schritte seit ihrer Bestellung"[57] gesetzt habe. Aus diesem Grund und zudem aufgrund der Ablehnung von zwei weiteren, wiederum vom Beschuldigten selbst während des gleichen Zeitraumes gestellten Anträgen "hätte das Gericht Nachforschungen anstellen sollen, in welcher Art der Verteidiger seiner Pflicht nachkam und ihn möglicherweise früher ersetzen sollen, ohne darauf zu warten, daß er sich für unfähig erklärte, für Herrn Daud einzuschreiten".[58] Da die zuständigen Behörden damit nach Ansicht des EGMR wissen mussten, dass keine wirksame Verteidigung vorgelegen habe, waren diese unter Beachtung des Grundsatzes der Unabhängigkeit der Anwaltschaft zu einem Handeln verhalten, das gewährleistete, dass der Beschuldigten in den Genuss seines Rechtes kam.[59]

In Czekalla gegen Portugal wies der Gerichtshof ausdrücklich darauf hin, dass der Beschwerdeführer die zuständigen Behörden "nicht auf die Unzulänglichkeiten seiner Verteidigung aufmerksam gemacht hat".[60] An das Fehlen einer ausdrücklichen Rüge der mangelnden/mangelhaften Verteidigung durch den Beschuldigten gegenüber staatlichen Behörden knüpfte der Gerichtshof nun aber nicht den Schluss, dass der Beschuldigte dadurch sein Recht aus Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK verloren habe. Die Vermutung und Hoffnung, dass der EGMR nicht vom Bestehen einer etwaigen Rügepflicht des Beschuldigten ausgeht, lässt sich zum einen daraus ableiten, dass er eine solche in Czekalla gegen Portugal und Daud gegen Portugal nicht ausdrücklich positiv aufstellte und zum anderen daraus, dass er aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Rüge des Beschuldigten gegenüber den Behörden nicht ableitete, dass es infolgedessen automatisch an der zweiten Voraussetzung der "Offenkundigkeit oder anderweitig hinreichenden Kenntniserlangung" fehlt. Nicht zuletzt lässt sich gegen das Bestehen einer Rügepflicht des Beschuldigten auch anführen, dass dem EGMR vorliegend die anderen (nachfolgend beschriebenen) Umstände, die auf die mangelnde Verteidigung hinwiesen, genügten und er hinsichtlich der zweiten Voraussetzung wiederholt formulierte, "dass" den Behörden ein Versagen des Verteidigers "in anderer Weise ausreichend"[61] bzw. "in hinreichender Weise anders"[62] zur Kenntnis gebracht wird. Nicht hingegen legte er fest, "wie" und in welcher Weise die Behörden von den Versäumnissen des Verteidigers in Kenntnis gesetzt werden

müssen, und schon gar nicht, dass dies zwingend durch eine Rüge des Beschuldigten zu erfolgen habe.[63]

In Czekalla gegen Portugal stellte der EGMR vielmehr auf die Tatsache ab, dass der Beschuldigte selbst Berufung eingelegt hatte, was "bereits darauf hin(deutete), dass er mit der Führung der Verteidigung durch die Pflichtverteidigerin nicht voll einverstanden war".[64] Als "entscheidende(n) Punkt"[65] sah er insofern aber "die Missachtung einer einfachen Formvorschrift bei der Einlegung des Rechtsmittels … durch die Pflichtverteidigerin"[66] an, was nach Ansicht des Gerichtshofs "ein "offenkundiges Versagen", das positive Maßnahmen seitens der zuständigen Behörden erforderlich macht",[67] darstelle. Nicht nur aus dem Verhalten des Beschuldigten selbst, sondern auch aus dem des Verteidigers - hier in Form der Verletzung einer einfachen Rechtsvorschrift - leitete der EGMR also ab, dass den staatlichen Behörden das Versäumnis des Verteidigers ausreichend zur Kenntnis gebracht wurde.

Für den EGMR scheint es damit maßgebend zu sein, dass den staatlichen Behörden ein den Erfordernissen des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK nicht entsprechender Verteidigungsmangel zur Kenntnis gelangt, wobei dies nicht zwingend stets durch den Beschuldigten selbst, sondern auch etwa durch den Verteidiger und deren Verhalten oder durch andere Umstände der Vertretung erfolgen kann.[68]

cc. Das Erfordernis aktiver Maßnahmen der staatlichen Behörden - die Frage des "Wie"

Werden die beiden vorgängig dargestellten Voraussetzungen bejaht und damit eine Verantwortung des Staates für Mängel und Versäumnisse des Verteidigers begründet, so gebietet die "Achtung vor der Konvention aktive Schritte"[69] der staatlichen Behörden und diese sind zu positiven Handlungen bzw. einem Eingreifen verpflichtet, um den Beschuldigten in den Genuss einer "praktischen und wirksamen" Verteidigung zu bringen.[70]

In dem sich nun anschließenden Schritt äußerte sich der EGMR dazu, "wie" der Staat zur Gewährleistung einer effektiven Verteidigung aktiv zu werden hat, wobei er insofern - wie in den obigen Ausführungen unter Punkt II. 3. b. aa. bereits kritisch angemerkt - weder umfassende und abschließende noch fallübergreifende und damit verallgemeinerungswürdige Leitmaßstäbe für die Frage setzte, von welcher Art die staatlichen Maßnahmen sein müssen oder in welcher Weise etwa ein erforderliches aktives Handeln verschiedener Behörden miteinander zu verknüpfen wäre. Die diesbezüglichen Ausführungen des Gerichtshofs haben vielmehr einen eher beispielgebenden und vorschlagenden Charakter, mit denen der EGMR auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles Bezug nimmt.[71]

Trotz der in den Entscheidungen beispielhaft genannten und so zum Teil unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten des Staates, fällt jedoch die Gemeinsamkeit auf, dass der EGMR die Frage des "Wie" bezogen auf zwei Gesichtspunkte untersuchte: Zum einen prüfte er, welche Maßnahmen der Staat hinsichtlich des Verteidigers, dem die Versäumnisse oder Mängel in der Vertretung vorgeworfen wurden, ergreifen könnte, und zum anderen ging der EGMR auf die Ersetzung dieses Verteidigers ein:

Bereits in Artico gegen Italien hieß es, dass den Behörden "(Z)wei Wege …" offen gestanden hätten: entweder den Rechtsanwalt "… zu ersetzen oder, gegebenenfalls, ihn zur Erfüllung seiner Verpflichtungen zu veranlassen".[72] Die Behörden wählten jedoch den "dritten Weg, nämlich untätig zu bleiben"[73] und verletzten damit die Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK.

In Daud gegen Portugal hätten die Behörden nachforschen sollen, "in welcher Art der Verteidiger seiner Pflicht nachkam und ihn möglicherweise früher ersetzen sollen, ohne darauf zu warten, daß er sich für unfähig erklärte, für Herrn Daud einzuschreiten".[74] Zudem hätte das Strafgericht die Hauptverhandlung aus eigenem Antrieb verschieben können, da es "wissen mußte, daß der Bf bis zu diesem Zeitpunkt keinen ordentlichen Rechtsbeistand hatte, nachdem es die Ersetzung verfügt hatte ". [75] In Czekalla gegen Portugal wies der EGMR ausdrücklich auf den Beispielscharakter seiner Ausführungen zur Frage des "Wie" des staatlichen Tatigwerdens hin, indem er ausführte, dass das Gericht "zum Beispiel die Pflichtverteidigerin auffordern (hätte) können, ihren Schriftsatz zu ergänzen oder zu berichtigen, statt das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen".[76]

Besonders hingewiesen sei an dieser Stelle darauf, dass sich der EGMR im Zusammenhang mit der Frage des "Wie" des staatlichen Handelns auch zu zwei, das staatliche Eingreifen begrenzenden Grundsätzen geäußert hatte: Den entsprechenden Einwendungen der Regierung, wonach jene gerichtlichen Aufforderungen zur Schriftsatzergänzung/-berichtigung gegen die Unabhängigkeit der Anwaltschaft vom Staat sowie gegen den Grundsatz der Waffengleichheit verstoßen würden, stand der EGMR ablehnend gegenüber. Zunächst könne er nicht erkennen, "wie die Unabhängigkeit der Anwaltschaft beeinträchtigt werden könnte, wenn das Gericht lediglich dazu auffordert, einen Formfehler zu beheben. Auch der Grundsatz der Waffengleichheit würde nicht notwendig verletzt, weil eine solche Aufforderung vielmehr Ausdruck richterlicher Befugnisse zur Verfahrensführung im Interesse einer geordneten Rechtspflege"[77] sei.

Angesprochen ist mit jenen Ausführungen von der Sache her die Abgrenzung zwischen einer erforderlichen und zulässigen Erfüllung von Sorgfalts- und Fürsorgepflichten seitens des Staates einerseits und einer unzulässigen staatlichen Überwachung der Verteidigung des Beschuldigten andererseits.[78] Wann staatliche Behörden durch ein positives Eingreifen und wenn auch in der Absicht, dem Beschuldigten dessen Verteidigungsrechte zu gewähren, den Bereich zulässiger Sorgfaltspflichten verlassen und sich die staatlichen Maßnahmen unter Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit sowie den Grundsatz der Unabhängigkeit der Anwaltschaft als unzulässige Überwachung der Verteidigung darstellen, dürfte nicht immer einfach und eindeutig zu bestimmen sein. Es bleibt mithin zu hoffen, dass der EGMR in zukünftigen Entscheidungen, in denen er sich zu möglichen konstruktiven aktiven Maßnahmen staatlicher Behörden äußert, konkretere Leitlinien zur Grenzziehung zwischen noch zulässiger Fürsorge und bereits unzulässiger Überwachung seitens des Staates aufstellt.[79]

Trotz jener noch offenen Gesichtspunkte und trotz der nur beispielhaften Nennung von möglichen aktiven Maßnahmen des Staates, lassen die bisherigen Entscheidungen aber erkennen, dass sich alle vom Staat zu ergreifende Maßnahmen am dem Ziel auszurichten haben, dem Beschuldigten eine "praktische und wirksame" Verteidigung, wie sie Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK fordert, einzuräumen. Dies geht auf den in der Einleitung angesprochenen Gesichtspunkt zurück, dass hinter den drei Rechten des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK der eine allgemeine Anspruch des Beschuldigten auf eine konkrete und effektive Verteidigung steht.[80]

III. Zusammenfassung

Mit den vorangehenden Ausführungen sollte dargestellt werden, wie der EGMR vorgeht und auf welche Beurteilungskriterien er zurückgreift, wenn er die Verletzung des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK in Fällen prüft, in denen der Beschuldigte zwar einen Verteidiger hatte, jedoch aufgrund fehlenden und/oder fehlerhaften Verteidigerhandelns dennoch nicht praktisch und wirksam verteidigt wurde. Anliegen der Darstellung war es dabei zugleich, einige der Gesichtspunkte, wenn auch zum Teil nur kurz u./o. in "Frageform", aufzuzeigen, die in diesem Zu-

sammenhang thematisch angesprochen werden, für die es jedoch mangels eindeutiger Stellungnahmen des EGMR noch keine klar erkennbaren Lösungen gibt. Zu denken ist insoweit etwa an die Frage, ob und inwieweit zur Beurteilung, ob eine "tatsächliche und wirksame" Verteidigung gegeben ist, auf Prüfungskriterien zurückgegriffen werden kann, die auch zur Bestimmung der "Interessen der Rechtspflege" und der Frage, ob diese den unentgeltlichen Rechtsbeistand eines mittellosen Beschuldigten erforderlich machen, herangezogen werden. Neben der Frage einer Rügepflicht des Beschuldigten ist zudem von Bedeutung, wie die staatlichen Sorgfaltspflichten unter Beachtung der Unabhängigkeit der Anwaltschaft und des Grundsatzes der Waffengleichheit von einer Überwachung der Verteidigung des Beschuldigten abzugrenzen sind.

Hinsichtlich jener nur beispielhaft genannten Gesichtspunkte scheint eine zukünftige Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum nicht nur erforderlich, sondern - über Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK hinausgehend - insgesamt für die Verteidigungsrechte nach Abs. 3 des Art. 6 EMRK sehr lohnenswert. Dies deshalb, weil zum einen die Frage, wann von einer "Wahrung wirksamer Verteidigungsrechte" gesprochen werden kann sowie zum anderen die Frage, was und wie viel der Staat seinerseits tun darf und/oder muss, um den Beschuldigten in den Genuss seiner Verteidigungsrechte zu bringen, grundsätzliche Aspekte betreffen, die sich von der Sache her bei allen Verteidigungsgarantien des Art. 6 Abs. 3 EMRK stellen, wenn sich diese dann auch bezogen auf die verschiedenen inhaltlichen Anforderungen der einzelnen Verteidigungsgarantien des Art. 6 Abs. 3 EMRK in jeweils speziellen, auf die Besonderheiten der betreffenden Verteidigungsgarantie Bedacht nehmenden Lösungen zu konkretisieren haben.


[1] Darauf verweisen ebenso Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl., 2005, S. 327 N 104: "auf die Effektivität der Verteidigung gerichtet"; Peters, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention, 2003, S. 137: "ungeschriebener Aspekt"; Meyer-Ladewig, Hk-EMRK, 2003, Art. 6 N 91: "Pflichtverteidigung wirksam ist"; Esser, Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahrensrecht, 2002, S. 451, 457: "die Anerkennung eines allgemeinen Anspruchs des Beschuldigten auf eine angemessene und effektive Verteidigung"; Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1999, S. 331 N 521, S. 333 N. 524; Haefliger/Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 1999, S. 226: "wirksame Verteidigung"; Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, 2005, S. 387 N 187: "Zur Sicherung der Verteidigung als Grundvoraussetzung eines fairen Verfahrens" sowie S. 392 N 193: "wirksame Verteidigung"; Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 2004, Vogler, Art. 6 N. 537.

[2] EGMR, Artico gegen Italien, Urt. v. 13.5.1980, EuGRZ 1980, 662, 664 Z. 32.

[3] EGMR, Artico gegen Italien, EuGRZ 1980, 662, 664 Z. 32.

[4] EGMR, Goddi gegen Italien, Urt.v. 9.4.1984, EuGRZ 1985, 234, 236 Z 28.

[5] EGMR, Imbrioscia gegen die Schweiz, Urt. v. 24.11.1993, ÖJZ 1994, 517, 518 Z 37; vgl. auch EGMR, Quaranta gegen die Schweiz, Urt. v. 24.5.1991, ÖJZ 1991, 745, 746 Z 27.

[6] EGMR, Czekalla gegen Portugal, Urt. v. 10.10.2002, NJW 2003, 1229 ff.

[7] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 59.

[8] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 59.

[9] Auf jene Fragestellung ebenfalls hinweisend Esser (Fn. 1), S. 471 f. mit weiteren Ausführungen.

[10] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 60.

[11] Darauf verweist auch Esser (Fn. 1), S. 471.

[12] EGMR, Artico gegen Italien, EuGRZ 1980, 662, 664 Z. 33; v gl. zu dieser in Artico besonders deutlich zum Ausdruck gekommenen Auslegungsmaxime des EGMR demnächst auch die Zürcher Dissertation von Gaede, Fairness als Teilhabe - Das Recht auf konkret und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK: die derzeit bei Duncker & Humblot im Druck befindliche Abhandlung zur Verfahrensfairness im Strafprozess, die besonders auf Fragen der wirksamen formellen Verteidigung bezogen ist, untersucht u.a. den praktischen Gehalt dieser Auslegungsmaxime, vgl. Kap. 2 § 2 III 2; ebenso geht sie dem "herausragenden Rang" nach, der dem Recht auf ein faires Verfahren einschließlich der Verteidigungsrechte zukommen soll, vgl. Kap. 4 § 2 III.

[13] EGMR, Artico gegen Italien, EuGRZ 1980, 662, 664 Z. 33.

[14] EGMR, Imbrioscia gegen die Schweiz, ÖJZ 1994, 517, 518 Z 38; siehe dazu auch Haefliger/Schürmann (Fn. 1), S. 233.

[15] EGMR, Artico gegen Italien, EuGRZ 1980, 665, 664 Z. 33.

[16] Vgl. dazu die näheren Ausführungen unter II. 3. b. bb. (1) zur ersten Voraussetzung des Fehlens einer praktischen und wirksamen Verteidigung.

[17] EGMR, Artico gegen Italien, EuGRZ 1980, 662, 664 Z. 33.

[18] EGMR, Goddi gegen Italien, EuGRZ 1985, 234, 237 Z 31.

[19] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 60.

[20] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 60.

[21] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 65.

[22] EGMR, Daud gegen Portugal, Urt. v. 21.4.1998, ÖJZ 1999, 198 f.

[23] EGMR, Imbrioscia gegen die Schweiz, ÖJZ 1994, 517, 518 Z. 41; vgl. zudem EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z. 38: "nicht für jeden Mangel auf der Seite des Verfahrenshelfers" und "sei der Rechtsbeistand nun nach einem Verfahrenshilfesystem ernannt oder seien seine Kosten privat zu tragen"; vgl. weiter EGMR, Kamasinski gegen Österreich, Urt. v. 19.12.1989, ÖJZ 1990, 412, 414 Z 66.

[24] Esser (Fn.1), S. 458 sprach hinsichtlich der ersten beiden Voraussetzungen von einer "Zwei-Stufen-Prüfung", siehe dort die weiteren Ausführungen.

[25] Siehe dazu weiter unter II. 3. b. cc.

[26] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z. 38.

[27] EGMR, Imbrioscia gegen die Schweiz, ÖJZ 1994, 517, 518 Z 41.

[28] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z. 38; ebenso EGMR, Imbrioscia gegen die Schweiz, ÖJZ 1994, 517, 518 Z 41; vgl. zudem EGMR, Kamasinski gegen Österreich, ÖJZ 1990, 412, 414 Z 55.

[29] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 60.

[30] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 66.

[31] Vgl. zu jenem Übergang von der ersten zur zweiten Voraussetzung etwa EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 66: im Anschluss an die Feststellung, dass keine tatsächliche und wirksame Verteidigung vorlag, hieß es "Somit stellt sich die Frage …" und der EGMR ging über in die Prüfung der zweiten Voraussetzung; das selbe Vorgehen findet sich in EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 39-42 mit der kurzen Formulierung "Der GH muß daher prüfen …" (Z.40); vgl. auch EGMR, Goddi gegen Italien, EuGRZ 1985, 234, 236 Z. 27-31, wo zunächst geprüft und festgestellt wurde, dass "keine "konkrete und wirkliche" Verteidigung" (Z. 27) vorlag und daran anschließend "ferner ermittelt werden (muß), ob und inwieweit ein derartiger Tatumstand dem italienischen Staat zur Last gelegt werden kann" (Z. 28) und der EGMR sodann das Vorliegen der zweiten Voraussetzung untersuchte.

[32] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 66; ebenso EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 40.

[33] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 39.

[34] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 42.

[35] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 39.

[36] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 39, wo es weiter hieß, dass der OGH "diese Situation nicht saniert" habe, weil er in seinem Urteil das Rechtmittel wegen einer unzureichenden Darlegung der Gründe für unzulässig erklärte.

[37] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 39.

[38] EGMR, Quaranta gegen die Schweiz, Urt. v. 24.5.1991, ÖJZ 1991, 745, 746 Z 33.

[39] EGMR, Quaranta gegen die Schweiz, ÖJZ 1991, 745, 746 Z 34.

[40] EGMR, Quaranta gegen die Schweiz, ÖJZ 1991, 745, 746 Z 34.

[41] EGMR, Quaranta gegen die Schweiz, ÖJZ 1991, 745, 746 Z 34.

[42] EGMR, Quaranta gegen die Schweiz, ÖJZ 1991, 745, 746 Z 35; vgl. weiter Meyer-Ladewig (Fn. 1), Art. 6 N 91; Peters (Fn. 1), S. 137; Grabenwarter (Fn. 1), S. 330 N 111 mit differenzierenden Ausführungen; siehe zudem die Ausführungen von Haefliger/Schürmann (Fn. 1), die u.a. bezüglich der "Interessen der Rechtspflege" darauf hinweisen, dass "der Begriff dieses Interesses" von der Straßburger Praxis bis jetzt nicht näher umschrieben worden sei; siehe dazu ebenso Gollwitzer (Fn. 1), S. 396 N 203: "bisher noch kaum definierte Begriff" mit weiteren Ausführungen.

[43] EGMR, Quaranta gegen die Schweiz, ÖJZ 1991, 745, 746 Z 36.

[44] Siehe dazu die weiteren Ausführungen von Esser (Fn. 1), S. 471 f.

[45] Vgl. dazu auch die näheren Ausführungen von Gollwitzer (Fn. 1), S. 396 N 203, wonach der Begriff der Interessen der Rechtspflege "das öffentliche Interesse an der Findung eines gerechten Urteils als auch die Wahrung des Verteidigungsinteresses des Angeklagten" umschließe und beide sich "überschneiden"; siehe auch Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention (Fn. 1), Vogler, Art. 6 N. 528: wonach das Interesse der Rechtspflege auch die Interessen des Angeklagten "umfaßt" und nicht dazu in Gegensatz gestellt werden dürfe und zudem "sowohl das öffentliche Interesse an der Findung eines gerechten Urteils wie das Verteidigungsinteresse des Angeklagten" maßgebend sei; siehe auch Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2006, Art. 48 N 27 a.E.: "wie insbesondere vom öffentlichen Interesse an einer gerechten Urteilsfindung"; anzumerken sei insofern, dass jene Ausführungen von Gollwitzer und Vogler aufzeigen, dass die zu wahrenden Verteidigungsrechte und die "Interessen der Rechtspflege" nicht schlicht identisch sind, sondern letztere weitere (öffentliche) Interessen einschließen ; ein eindeutiger Schluss, dass sich die Beurteilung der "Interessen der Rechtspflege" sowie der "wirksamen Verteidigungsrechte" nach ein und den selben Kriterien bestimmt, kann den gewählten Formulierungen vom "Überschneiden" beider bzw. vom "Umfaßt"-Sein hingegen nach Ansicht der Verfasserin nicht entnommen werden; s iehe zum Ganzen auch Gaede (Fn. 12), Kap. 3 § 3 III 3 c, Kap. 5 § 4 III, Kap. 9 § 4, der die heutigen Tendenzen zur Auslegung der "interests of justice" aufarbeitet und auch für reine Wahlverteidigung eine prinzipiell gleiche Pflicht der Vertragsstaaten bejaht, konkrete und wirksame Verteidigung herzustellen.

[46] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 62.

[47] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 63

[48] In Daud gegen Portugal versäumte der Pflichtverteidiger, in seinem Rechtsmittel die angeblich verletzten Gesetzesvorschriften anzugeben, weshalb das Rechtsmittel vom Obersten Gerichtshof als unzulässig verworfen wurde. Die Kommission bewertete dies als "einen Fall, in dem das Versagen des Pflichtverteidigers offenkundig war und schwerwiegende Auswirkungen auf die Verteidigung des Bf. hatte, weil ihm der Zugang zum Obersten Gerichtshof verwehrt wurde", EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 63 mit Verweis auf diese Stellungnahme der Kommission in Daud gegen Portugal, EGMR, Slg. 1998, II-756 Nr. 50.

[49] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 64.

[50] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 65.

[51] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 65.

[52] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 65.

[53] Für eine über den Fall Czekalla hinausgehende Anwendbarkeit der Rechtsprechung eingehend Gaede (Fn. 12), Kap. 9 § 4.

[54] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 65.

[55] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 66.

[56] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 42.

[57] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 42.

[58] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 42.

[59] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 40, 42.

[60] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 67.

[61] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 60.

[62] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z. 38.

[63] Zu Zweifeln hinsichtlich einer solchen Rügepflicht geben jedoch die Formulierungen in den Entscheidungen Imbrioscia gegen die Schweiz und Kamasinski gegen Österreich Anlass, wo es hieß, dass "der Bf sich nicht über die Untätigkeit von Frau BG beschwert hat", EGMR, Imbrioscia gegen die Schweiz, ÖJZ 1994, 517, 518 Z . 41 bzw. dass das "Protokoll nichts darüber aussagt, daß Herr Kamasinski selbst um die Ablöse seines Verteidigers ersucht hat", EGMR, Kamasinski gegen Österreich, ÖJZ 1990, 412, 414 Z. 70; vgl. die entsprechenden Hinweise von Esser (Fn. 1), S. 468 f. bezüglich Imbrioscia gegen die Schweiz sowie S. 451 bezüglich Goddi gegen Italien; v gl. demnächst auch umfassender zur Behandlung von unterlassenen Rügen durch den EGMR Gaede (Fn. 12), Kap. 8 § 2.

[64] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 67 mit weiteren Ausführungen.

[65] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 68.

[66] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 68.

[67] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 68.

[68] Vgl. insofern auch die Formulierung in EGMR, Artico gegen Italien, EuGRZ 1980, 662, 664 Z. 33: "Falls den Behörden das Eintreten eines solchen Umstandes bekannt wird"; vgl. zudem EGMR, Kamasinski gegen Österreich, ÖJZ 1990, 412, 414 Z 70, wonach es nach Ansicht des Gerichtshof trotz der den staatlichen Behörden bekannten Unzufriedenheit des Beschuldigten an der Vorbereitung seiner Verteidigung und seiner entsprechenden Kritik sowie trotz eines Streits zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung, in dessen Folge der Verteidiger das Gericht um Enthebung von seinem Aufgaben ersuchte, "kein Anzeichen dafür (gibt), daß die österreichischen Behörden im Vorverfahren Grund zum Einschreiten gehabt hätten … Auf Grund der vorliegenden Beweismittel kann nicht gesagt werden, da sie die besondere Sicherung des rechtlichen Beistandes gem Abs. 3 lit c des Art 6 außer acht gelassen hätten oder die allgemeine Sicherstellung eines fairen Verfahrens gem Abs. 1"; zudem ließen trotz der Kritik des Beschuldigten "die Umstände seiner Vertretung in der HV nicht erkennen", dass der Vorsorge für den nach Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK verlangten Rechtsbeistand zuwider gehandelt oder ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK versagt worden sei; vgl. dazu auch Esser (Fn. 1), S. 472: "Eine denkbare Art der Kenntnisnahme …" sowie S. 473: dies muss nicht, kann aber durch den Beschuldigten geschehen"; siehe zudem Gollwitzer (Fn. 1), S. 397 N 206; Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 1996, Art. 6 N 198.

[69] So bereits in EGMR, Artico gegen Italien, EuGRZ 1980, 662, 664 Z. 36.

[70] Vgl. in diesem Sinne EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 60; EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 40; EGMR, Imbrioscia gegen die Schweiz, ÖJZ 1994, 517, 518 Z 41; siehe auch bereits EGMR, Artico gegen Italien, EuGRZ 1980, 662, 664 Z. 36; EGMR, Kamasinski gegen Österreich, ÖJZ 1990, 412, 414 Z 55; EGMR, Goddi gegen Italien, EuGRZ 1985, 234, 237 Z 31: "konstruktive Maßnahmen".

[71] Vgl. aber auch Gaede (Fn. 12), Kap. 9 § 4 III 3, der im Rahmen seiner Analyse der gesamten Rechtsprechung zu Art. 6 EMRK bereits erste Maßstäbe aus dem Gesamtkontext der EGMR-Rechtsprechung ableiten will.

[72] EGMR, Artico gegen Italien, EuGRZ 1980, 662, 664 Z. 36, ebenso Z. 33.

[73] EGMR, Artico gegen Italien, EuGRZ 1980, 662, 664 Z. 36.

[74] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 42.

[75] EGMR, Daud gegen Portugal, ÖJZ 1999, 198, 199 Z 42, wobei es nichts zur Sache tue, dass die zweite von Amts wegen bestellte Verteidigerin einen solchen Antrag nicht gestellt habe: vgl. auch EGMR, Goddi gegen Italien, EuGRZ 1985, 234, 237 Z 31: das Gericht hätte "die Verhandlung vertagen können … oder es hätte aus eigenem Antrieb die Unterbrechung der Sitzung für eine genügend lange Zeitspanne anordnen können".

[76] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 68.

[77] EGMR, Czekalla gegen Portugal, NJW 2003, 1229, 1230 Z. 68 mit weiteren Ausführungen.

[78] Vgl. insoweit demnächst für eine umfassendere Analyse, welche die Stellung und die Unabhängigkeit des Verteidigers einbezieht, Gaede (Fn. 12), Kap. 5 § 2, I § 4.

[79] Siehe dazu auch Grabenwarter (Fn. 1), S. 329 N 108 im Zusammenhang mit dem Recht auf ungehinderten Kontakt zwischen Verteidiger und Beschuldigten "ohne Überwachung"; Esser (Fn. 1), S. 473 mit weiteren Überlegungen; vgl. zu Sorgfaltspflichten der Behörden auch Villiger (Fn. 1), S. 330 N 518, S. 331 N 521; verwiesen sei zudem auf Gollwitzer (Fn. 1), S. 397 N 206, wo einerseits etwas missverständlich formuliert von "gewisse(n) Überwachungspflicht(en)", andererseits sodann aber etwas deutlicher werdend davon gesprochen wird, dass die zuständigen Stellen für eine tatsächliche Wahrnehmung der Aufgaben durch den Verteidiger durch "geeignete Maßnahmen … sorgen" müssen bzw. dass sie verpflichtet sind, "korrigierend einzugreifen"; Frowein/Peukert (Fn. 68), Art. 6 N 190: "dafür Sorge zu tragen" und N. 198: "darüber zu wachen" mit weiteren Ausführungen; siehe dazu auch Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Vogler (Fn. 1), Art. 6 N 539-541; Meyer (Fn. 45), Art. 48 N 25a: "Fürsorgepflicht des entscheidenden Gerichts".

[80] Vgl. dazu die entsprechenden Verweise unter Fußnote 1.