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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2006
7. Jahrgang
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1. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass jeder Straftäter schon nach dem Maß der verhängten Strafe die Gewissheit haben muss, im Anschluss an die Strafverbüßung in die Freiheit entlassen zu werden, gibt es nicht. Insbesondere kann sich aus dem hohen Lebensalter eines Angeklagten, etwa unter Berücksichtigung statistischer Erkenntnisse zur Lebenserwartung, keine Strafobergrenze ergeben. (BGHSt)
2. Einem Verurteilten muss aber unter Vollstreckungsgesichtspunkten grundsätzlich eine Chance verbleiben, wieder der Freiheit teilhaftig zu werden (vgl. BVerfGE 45, 187, 228 f., 239, 242, 245; 86, 288, 312). (Bearbeiter)
3. Auch für die Strafrahmenwahl gilt, dass die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist. Das Revisionsgericht kann daher auch insoweit - ebenso wie bei der Strafhöhenbemessung - nur eingreifen, wenn die durch den Tatrichter vorgenommene Bewertung Rechtsfehler aufweist, etwa weil die maßgeblichen Erwägungen rechtlich anerkannten Strafzumessungsgrundsätzen zuwiderlaufen, sie in sich widersprüchlich oder sie in dem Sinne lückenhaft sind, dass nahe liegende, sich aufdrängende Gesichtspunkte nicht bedacht wurden (st. Rspr.). (Bearbeiter)
1. Die zivilrechtlichen Ansprüche der im Urteil namentlich festgestellten Geschädigten genießen grundsätzlich Vorrang (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB; st. Rspr.). Anders kann es dann liegen, wenn die Geschädigten keinen Anspruch geltend machen und darauf verzichten, dem Angeklagten also keine doppelte Inanspruchnahme droht und den Geschädigten auch keine Ersatzmöglichkeit entzogen wird (BGH NStZ-RR 2004, 54, 55).
2. Eine "materiellrechtliche Rückgewinnungshilfe" ist mit dem geltenden Recht nicht vereinbar.
1. Ist dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch gegen den Täter oder Teilnehmer erwachsen, dessen Erfüllung diesem den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde, so ist die Anordnung des Verfalls und des Wertersatzverfalls gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB grundsätzlich allein schon durch die Existenz dieser Forderung ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Verletzte bekannt ist, er den Täter oder Teilnehmer tatsächlich in Anspruch nimmt oder hiermit zumindest noch zu rechnen ist.
2. Es ist jedenfalls dann nicht zu beanstanden, dass der Tatrichter in Betracht kommende Ersatzansprüche zivilrechtlich nicht näher spezifiziert, wenn sich von selbst versteht, dass durch die abgeurteilten Taten Ansprüche der Geschädigten gegen den Angeklagten jedenfalls gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB und § 826 BGB begründet wurden. In einem solchen Fall erübrigen sich insbesondere Erwägungen zu möglicherweise daneben bestehenden bereicherungsrechtlichen Ansprüchen.
3. Auch unabhängig vom Zustandekommen eines wirksamen Erlassvertrages zwischen dem Verletzten und dem Angeklagten steht § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB der Anordnung des Verfalls (von Wertersatz) dann nicht entgegen, wenn der Verletzte ausdrücklich auf seine Ersatzforderung verzichtet und in Übereinstimmung mit dieser Erklärung keine Ansprüche gegen den Angeklagten geltend macht (Forderungsverzicht mit Verwirkungsfolge). Abzustellen ist darauf, dass weder dem Verletzten durch die Anordnung des Verfalls eine Ersatzmöglichkeit entzogen wird noch umgekehrt dem Angeklagten eine doppelte Inanspruchnahme droht, weil eine erfolgreiche Durchsetzung der Forderung aus Rechtsgründen ausgeschlossen werden kann und nicht lediglich aus tatsächlichen Gründen nicht (mehr) zu erwarten steht.
4. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz wird durch § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht ausgeschlossen, wenn die Ersatzforderungen der jeweiligen Geschädigten bereits verjährt sind.
Auch Gelegenheits- und Augenblickstaten können als Symptomtaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB in Betracht kommen; die Anwendung des § 66 StGB ist nur dann ausgeschlossen, wenn eine äußere Tatsituation oder eine Augenblickserregung die Tat allein verursacht hat (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 7). Auch bei einer Gelegenheitstat ist deshalb regelmäßig im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten zu prüfen, ob die Tat Symptomcharakter zeigt (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 6).