HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2006
7. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen


Das kleine Einmaleins des Rechtsstaats und die Fallstricke der Terrorbekämpfung in England

Zugleich Besprechung von A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1)[2004]UKHL 56 (House of Lords, 16. Dezember 2004) und A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2)[2005]UKHL 71 (House of Lords, 8. Dezember 2005). *

Von Antje du Bois-Pedain (MJur (Oxon.), Law Faculty, University of Cambridge und Fellow, Magdalene College, Cambridge).

I. Einleitung

Die beiden in diesem Beitrag besprochenen Entscheidungen lassen sich nur vor dem Hintergrund der politischen Reaktion der englischen Regierung auf die Terroranschläge in den USA und des wachsenden Unmuts der britischen Öffentlichkeit über "den Preis von Menschenrechten" verstehen. Geschürt von einer unverantwortlichen Presse, wird in Großbritannien gerne der Eindruck erweckt, dass die hausgemachten Sicherheitsdefizite des Landes, und insbesondere die Vollzugsprobleme für einwanderungsrechtliche Regelungen, auf die strikte Anwendung der "exzessiven" Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), und nicht auf die Inkompetenz der staatlichen Sicherheitsdienste und die Unfähigkeit der politischen Klasse, vernünftige Reformen des Strafverfahrensrechts in die Wege zu leiten, zurückzuführen seien. Das jahrzehntelange Zögern sukzessiver britischer Regierungen, die Europäische Menschenrechtskonvention innerstaatlich umzusetzen - ihre grundrechtlichen Bestimmungen wurden erst im Oktober 2000 mit Inkrafttreten des Human Rights Act 1998[1] in England geltendes Recht - rächt sich heute dreifach: mit einer Regierung, die ganz offensichtlich große Schwierigkeiten hat, sich mit der gerichtlichen Kontrolle ihrer Entscheidungen anzufreunden;[2] mit einer Bevölkerung, die sich mit Grundrechtsschutz allenfalls dann identifiziert, wenn sich dieser auf die Magna Charta und nicht, wie ihn die Gerichte nun selbstverständlich herleiten, auf europäische Menschenrechtsstandards zurückführen lässt und mit einem Juristenstand, der, von Randfiguren aus dem Umfeld von Nichtregierungsorganisationen abgesehen, das kleine Einmaleins des Rechtsstaats nicht sicher beherrscht. Dies sei der nachfolgenden Fallbesprechung als einführende Bemerkung vorangestellt.

II. Der Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001

Unter dem Eindruck der Anschläge auf die Twin Towers in New York am 11. September 2001 verabschiedete das englische Parlament im Dezember 2001 den so genannten Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001[nachfolgend auch abgekürzt: ATCSA], mit dem unter anderem die Möglichkeit geschaffen wurde, Ausländer, die einer Beteiligung an terroristischen Machenschaften stark verdächtig waren, die aber aus irgendwelchen Gründen weder mit strafrechtlichen Mitteln verfolgt noch in ihr Herkunftsland abgeschoben werden konnten, befristet oder unbefristet in Haft zu nehmen.

Juristischem Erfindungsgeist waren bei diesem von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch, eine rechtsstaatlich akzeptable Form von Schutzhaft einzuführen, kaum Grenzen gesetzt. Das Gesetz gab dem englischen Innenminister (dessen englische Amtsbezeichnung Secretary of State for the Home Department, kurz SSHD, lautet) die Möglichkeit, einen in Großbritannien lebenden Ausländer förmlich per Zertifikat zu einem "Terrorverdächtigen" (international terror suspect) zu erklären, wenn er hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dieser in terroristische Aktivitäten verstrickt sei und eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstelle.[3] Eine

solche Erklärung war im Regelfall mit einer Ausweisung und Abschiebung des Betroffenen verbunden.[4] Für den Fall, dass der Betroffene aber aus Rechtsgründen nicht ausgewiesen und abgeschoben werden konnte, etwa weil ihm im Zielland Folter drohte, war der Innenminister dazu ermächtigt, den Betroffenen stattdessen in Haft zu setzen (so genannte preventive detention order).[5] Eine solche Schutzhaftanordnung konnte, musste aber nicht zeitlich befristet werden.

Die mit dem Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 eingeführte Schutzhaft war also ursprünglich als Alternative zur Ausweisung und Abschiebung bei Vorliegen unüberwindlicher Hinderungsgründe für eine erfolgreiche Abschiebung konzipiert.[6] Demgemäß war es betroffenen Personen möglich, statt der Schutzhaft die Ausreise zu wählen, und in der Tat sind zwei der insgesamt sechzehn mit Schutzhaftanordnungen belegten Personen schlicht legal ausgereist.[7]

Den Gesetzesverfassern war nur zu bewusst, dass diese Form der Haft - da weder durch Strafurteil verhängt noch zur Durchsetzung der Einreiseverweigerung oder Abschiebung dienend (diese beiden Erlaubnistatbestände aus dem Katalog des Artikel 5 Abs. 1 EMRK kämen unter Umständen in Betracht) - gegen Artikel 5 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstieß. Die britische Regierung legte dem britischen Parlament deshalb auch eine "designated derogation order" vor, mit der die Regierung die in Artikel 5 Abs. 1 EMRK garantierten Rechte aus Gründen eines nationalen Sicherheitsnotstands gemäß den Vorschriften des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 einzuschränken suchte.[8] Eine entsprechende Erklärung wurde auch gegenüber Straßburg abgegeben.[9]

Wer nicht ausreisen wollte, konnte gegen die Zertifizierung als "Terrorverdächtiger" (und damit gleichzeitig auch gegen die Schutzhaftanordnung) Einspruch einlegen.[10] Ein solcher Einspruch wurde von der so genannten Special Immigration Appeals Commission (kurz SIAC), beschieden. Diese Kommission hat den Rechtsstatus eines höheren Gerichts.[11] Sie tagt in dreiköpfiger Besetzung, wobei ein Mitglied ein amtierender oder pensionierter Richter an einem höheren englischen Gericht, und ein weiteres Mitglied entweder ein amtierender oder ehemaliger leitender Sachbearbeiter (chief adjudicator) in Einwanderungssachen oder ein Mitglied des Widerspruchsausschusses in Einwanderungsangelegenheiten (Immigration Appeals Tribunal) sein muss.[12]

Die Special Immigration Appeals Commission hatte die Erklärung zum Terrorverdächtigen aufzuheben, wenn sie zu der Überzeugung gelangte, dass es an hinreichenden Verdachtsgründen gegen den Betroffenen fehlte oder die Verfügung aus anderen Gründen nicht hätte erlassen werden sollen.[13] Die Tatsachenfeststellungen der SIAC waren endgültig. Gegen die Entscheidung der SIAC war eine auf Rechtsfehler gestützte Berufung zum Court of Appeal und die weitere Berufung zum House of Lords statthaft. Der ordentliche Rechtsweg, insbesondere die Haftbeschwerde (habeas corpus) gegen die Schutzhaftanordnung, war ausgeschlossen.

Das Verfahren vor der SIAC war von weiteren Besonderheiten geprägt. Unter anderem konnte dem Beschwerdeführer und seinem anwaltlichen Bevollmächtigten "aus Sicherheitsgründen" Einsicht in das Beweismaterial, auf das die Erklärung zum Terrorverdächtigen gestützt war, verweigert werden.[14] Da unter diesen Umständen eine effektive Rechtsverfolgung durch den Betroffenen selbst oder seinen Anwalt nicht mehr möglich war, wurde ein special advocate eingesetzt, der "als neutraler Beobachter" die Beweise einsehen und der SIAC bei deren Beurteilung zur Seite stehen sollte.[15] Dem special advocate war aber im Anschluss an die Einsichtnahme in das Beweis-

material jede Kommunikation mit dem Betroffenen oder seinem rechtlichen Vertreter untersagt.[16] Außerdem war die SIAC befugt, sich auf Beweismaterial zu stützen, das vor den ordentlichen Gerichten einem Verwertungsverbot unterliegen würde.[17] Der Innenminister legte diese Vorschrift dahingehend aus, dass er der SIAC selbst Beweismaterial unterbreiten könnte, das von den Beamten anderer, unabhängiger Staaten möglicherweise durch Folter erlangt worden sei; und dass einer Verwertung solchen Materials durch die SIAC keine rechtlichen Hinderungsgründe entgegenstünden.[18]

Der Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 war ursprünglich als eine vorübergehende Maßnahme gedacht. Gemäß Section 29 (1) sollten die Vorschriften des 4. Teils, in dem die besonderen Maßnahmen gegen ausländische "Terrorverdächtige" geregelt waren, spätestens am 10. November 2006 und vorher bereits dann außer Kraft treten, wenn ihre Fortgeltung nicht periodisch durch Rechtsverordnung des Innenministers, die der Zustimmung von Unter- und Oberhaus bedurfte, jeweils für längstens ein weiteres Jahr angeordnet würde.[19] Das Gesetz sah ferner vor, dass dem Parlament spätestens nach zwei Jahren ein Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes vorgelegt werden sollte.[20] Die Berichterstatter waren vom Innenminister auszuwählen und mussten dem Privy Council (einem beratenden Organ der britischen Regierung, dessen Mitglieder häufig dem House of Lords angehören und von der Königin ernannt werden) angehören.[21] Section 123 des Gesetzes gab den Berichterstattern auch die Rechtsmacht, in ihrem Bericht Gesetzesvorschriften zu benennen, die 6 Monate nach Vorlage des Berichts an das Parlament außer Kraft treten würden, sofern das Parlament nicht ihre Fortgeltung beschließen würde.

Das Privy Counsellor Review Committee legte dem House of Commons am 18. Dezember 2003 den erbetenen Bericht vor.[22] Der Bericht riet von einer Beibehaltung der Vorschriften im 4. Teil des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 (d.h. derjenigen Vorschriften, die die Erklärung von Ausländern zu Terrorverdächtigen, Schutzhaftanordnungen und das darauf zugeschnittene gerichtliche Überprüfungsverfahren vorsahen) dringend ab.[23] In der Hoffnung, so das Parlament zu einer echten Debatte über die Notwendigkeit solch breit gestreuter illiberaler Maßnahmen bringen zu können, entschloss sich das Privy Counsellor Review Committee sogar zu dem ungewöhnlichen Schritt, das gesamte Gesetz gemäß Section 123 dem drohenden Geltungsverfall anheim zu stellen.[24] Die Hoffnung der Berichterstatter, das Parlament möge die im Gesetz enthaltenen Maßnahmen überdenken, erwies sich allerdings als verfehlt. Der Bericht wurde vom Parlament nicht "zustimmend begrüßt", sondern nur "zur Kenntnis genommen",[25] und ohne Debatte sprach sich das Parlament, Blair-gefolgsam, wenige Tage später mit großer Mehrheit für eine Fortgeltung des 4. Teils des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 aus.[26] Diese Vorschriften wurden

erst mit dem Prevention of Terrorism Act 2005 mit Wirkung vom 14. März 2005 aufgehoben.[27] Damit wurde aber keineswegs dem Modell zeitlich unbefristeter Freiheitsbeschränkungen am Strafverfahren vorbei eine Absage erteilt. Im Gegenteil: Der Prevention of Terrorism Act 2005 schaffte zwar (als Konsequenz aus der ersten Entscheidung des House of Lords zum Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 vom 16. Dezember 2004, die im nächsten Abschnitt besprochen wird) die Schutzhaft in ihrer ursprünglichen Form wieder ab, führte aber stattdessen die Möglichkeit ein, andere freiheitsbeschränkende Verfügungen weitreichender Art (so genannte control orders oder Kontrollverfügungen) zu erlassen. Der potentielle Anwendungsbereich dieser control orders ist auf alle der britischen Staatsgewalt unterworfenen Personen ausgedehnt. Zwei Varianten sind vorgesehen: einfache control orders, die nach Auffassung der britischen Regierung als bloße Freiheitsbeschränkungen von Artikel 5 der EMRK nicht erfasst werden, und derogating control orders, bei denen sich die dem Betroffenen auferlegten Beschränkungen zu einer Freiheitsentziehung verdichten und hinsichtlich derer die Absicht, die Garantien von Artikel 5 EMRK unter Notstandsgesichtspunkten einzuschränken, unverändert fortbesteht.[28]

III. Die erste Entscheidung des House of Lords zum Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 vom 16. Dezember 2004

Die Berufungsführer in der Rechtssache A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1)[29] waren neun Ausländer, die von dem englischen Innenminister zu Terrorverdächtigen erklärt und, da sie Abschiebungsschutz genossen, mit unbefristeten Schutzhaftverfügungen belegt und in Haft genommen worden waren. Die tatsächlichen Feststellungen, auf denen diese Anordnungen beruhten, waren im Berufungsverfahren unangreifbar. Vor dem House of Lords (wie auch schon zuvor vor dem Court of Appeal) konnte die Rechtsgültigkeit der gegen sie erlassenen Verfügungen nur noch auf Rechtsfehler hin überprüft werden.

Die Berufungsführer rügten im Wesentlichen die Konventionswidrigkeit der gegen sie erlassenen Verfügungen. Diese Konventionswidrigkeit ergebe sich aus der Unvereinbarkeit von Section 23 des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 mit Artikel 5 der EMRK, in Verbindung mit der Unvereinbarkeit der erlassenen "designated derogation order"[30] mit Artikel 15 der EMRK.[31] Berufungsziel war also die Aufhebung der gemäß Section 14 des Human Rights Act 1998 erlassenen "designated derogation order" (zu der das Gericht, da es sich dabei um eine Rechtsverordnung der Exekutive handelte, befugt war), sowie eine gerichtliche Feststellung, dass die Vorschriften im 4. Teil des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 mit Artikel 5 der EMRK unvereinbar seien.[32]

Dabei war klar, dass es an einer wirksamen Rechtsgrundlage für die gegen die Berufungsführer erlassenen Verfügungen selbst dann nicht fehlen würde, wenn das House of Lords den Anträgen der Berufungsführer stattgeben sollte. Der Human Rights Act 1998 erklärt die Menschenrechte der EMRK zwar zu in England unmittelbar geltendem Recht, ermächtigt die Gerichte aber nur, konventionswidrige Gesetzesvorschriften, die sich auch nicht EMRK-konform auslegen lassen, für mit der EMRK unvereinbar zu erklären.[33] Durch eine solche Erklärung verliert die Gesetzesvorschrift nichts von ihrer Geltungskraft.[34] Regierung und Parlament wird nur eine Prüfungspflicht auferlegt.[35] Die gegen die Berufungsführer auf der Grundlage von Section 23 des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 erlassenen Verfügungen verlören daher auch in dem Fall, dass Berufungsführer mit ihren Argumenten vor dem House of Lords durchdringen sollten, nichts von ihrer Wirksamkeit.[36]

Das House of Lords maß dieser Rechtssache so große Bedeutung bei, dass es sie in neunköpfiger Besetzung (einem Großen Senat des BGH vergleichbar) entschied. Die Senatsmehrheit hob, wie beantragt, die "designated derogation order" des Innenministers auf, und erklärte Section 23 des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 mit Artikeln 5 und 14 der EMRK für unvereinbar.[37] Die auf Section 14 des Human Rights Act 1998 gestützte "designated derogation order", mit der die englische Regierung ihrer Einschränkung von Artikel 5 EMRK auch innerstaatlich Geltung verliehen hatte, sei mit den in Artikel 15 EMRK niedergelegten Voraussetzungen für eine Einschränkung nicht notstandsfester Konventionsrechte unvereinbar. Selbst wenn man der Regierung zuerkenne, den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob eine Notstandssituation vorläge, nicht überschritten zu haben,[38] so seien die getroffenen ausländerrechtlichen Maßnahmen weder geeignet noch erforderlich, um diese zu bekämpfen. Falls die Regierung mit ihrer Annahme, dass es sich bei den Personen, gegen die Verfügungen unter dem 4. Teil des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 erlassen würden, mit großer Wahrscheinlichkeit um gefährliche Unterstützer internationaler terroristischer Gruppierungen handele, so mache es wenig Sinn, diese Gefahr mit einer Abschiebung der Verdächtigen in andere Länder beikommen zu wollen: Die Betroffenen könnten ihre Aktivitäten schließlich von fremdem Boden aus weiter betreiben. Auch gäbe es keinen Grund anzunehmen, dass alle gefährlichen Terroristen Ausländer seien. Wie die jüngste Geschichte gezeigt habe, seien durchaus auch britische Staatsbürger in terroristische Machenschaften verwickelt. Eine Maßnahme, die sich nur gegen Ausländer richte, verstoße deshalb auch gegen das Diskriminierungsverbot.

Diese in liberalen Kreisen sowohl wegen ihres Ergebnisses als auch wegen ihres scharfen Tons[39] als Niederlage für die Regierung gefeierte Entscheidung erwies sich schnell als Pyrrhussieg für die Freiheit. Auf Menschenrechtsfragen spezialisierte Juristen, die im Vorfeld der Entscheidung ihre Kritik an dem Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 nicht auf das logisch wenig überzeugende[40] und politisch (wie sich nur zu schnell zeigen sollte) gefährliche Argument der "Ausländerdiskriminierung", sondern auf die Rechtsnatur der Maßnahme als Inhaftierung in Umgehung des Strafverfahrens gestützt hatten, hielten sich mit öffentlicher Kritik an der Begründung der Entscheidung zurück - wahrscheinlich in der Hoffnung, die britische Regierung möge diese indirekte Einladung zur Ausweitung ihres Schutzhaftmodells auf britische Staatsangehörige überlesen. Das tat sie natürlich nicht, sondern bedankte sich für die Anregung mit Einbringung des Prevention of Terrorism Act 2005, der, wie bereits oben ausgeführt, eine breite Palette freiheitsbeschränkender und freiheitsentziehender Maßnahmen auch gegen Inländer zulässt.

IV. Die zweite Entscheidung des House of Lords zum Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 vom 8. Dezember 2005

In A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2)[41] hatte das House of Lords über einen

weiteren Teilaspekt des Katalogs von Maßnahmen gegen ausländische "Terrorverdächtige" unter dem Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 zu entscheiden. Nunmehr ging es um die Frage, ob in dem gerichtlichen Überprüfungsverfahren für die vom Innenminister erlassenen Verfügungen Informationen und Aussagen, die "möglicherweise" oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von Beamten dritter Staaten durch Folter erlangt wurden (im Urteil als "foreign torture evidence" bezeichnet), als Beweismittel eingeführt werden könnten. Obwohl die zugrunde liegenden Vorschriften des 4. Teils des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 bereits in der ersten Entscheidung des House of Lords in dieser Rechtssache für konventionswidrig erklärt und seitdem aufgehoben und durch die Bestimmungen über Kontrollverfügungen im Prevention of Terrorism Act 2005 ersetzt worden waren, wurde das Verfahren, wie von Section 16 (4) des Prevention of Terrorism Act 2005 ermöglicht, fortgesetzt. Dies war auch sinnvoll, weil das neue Regime zur Überprüfung von Kontrollverfügungen eine entsprechende beweisrechtliche Regelung enthält.[42]

Die Vorschrift, die dem Innenminister angeblich die Möglichkeit gab, in das gerichtliche Überprüfungsverfahren seiner Entscheidungen selbst Informationen und Beweise einzuführen, die möglicherweise oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von dritten Staaten durch Folter erlangt worden waren, lautete schlicht und einfach:

"In dem Verfahren vor der SIAC dürfen Beweise eingebracht werden, die in einem ordentlichen Gerichtsverfahren unzulässig wären".[43]

Diese Vorschrift bezieht sich auf eine breite Palette von im ordentlichen Gerichtsverfahren unzulässigen Beweismitteln, darunter Telefonabhörprotokolle,[44] Dokumente, die Aussagen zusammenfassen, und ähnliches. Dass sie dem Innenminister selbst die Einbringung von Aussagen, die von Beamten anderer Staaten durch Folter erlangt wurden, ermöglichen soll, ist eine auf den ersten Blick extrem erscheinende Auffassung. Nichtsdestotrotz hatte sich die Vorinstanz mit dem an sich auf der Hand liegenden Argument, dass man ohne ausdrückliche dahingehende Bestimmung dem Parlament nicht unterstellen sollte, die Verwertung der Früchte fremder Folter zulassen zu wollen, nicht anfreunden können.[45] Das House of Lords wollte es nicht dabei belassen, die Rechtsfrage auf dieser Basis zugunsten der Berufungsführer zu entscheiden, sondern setzte sich stattdessen eingehend mit den "verfassungsrechtlichen" Grenzen der Verwertung von "foreign torture evidence" auseinander.[46]

Der Innenminister stützte sich auf folgende Überlegung: Bei seiner Entscheidung, ob der Betroffene einer Verwicklung in terroristische Machenschaften verdächtig sei, die es notwendig mache, zum Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen seine Freiheit einzuschränken, könne und müsse er sich auf alle ihm verfügbaren Informationen stützen, wie auch immer diese erlangt worden seien. Wenn ihm nun später abverlangt werde, seine Entscheidung vor Gericht zu rechtfertigen, so könne er dies nur tun, wenn er dem Gericht dieselben Informationen und Beweise vorlegen dürfe, auf die er sich selbst bei seiner Entscheidung gestützt habe. Daher dürfe der Umstand, dass diese Beweise möglicherweise auf rechtlich ruchbaren Wegen erlangt wurden, ihre Verwertbarkeit für die Zwecke der Überprüfung seiner Verfügung nicht in Frage stellen (das so genannte "Mismatch"-Argument).[47]

Das House of Lords entschied diesmal in siebenköpfiger Besetzung. Die Gelegenheit, mit klingender Stimme die Jahrhunderte währende, ehrenvolle Tradition des englischen Common Law im Kampf gegen Inquisition und Folter zu beschwören (um sodann in einem knappen Nachsatz festzuhalten, dass der Rest der Welt seither nachgezogen habe),[48] ließen sich nur wenige der Richter

entgehen. Wie Professor A.T.S. Smith in seiner Urteilsbesprechung trocken bemerkt, ist das Urteil "eine Goldmine für Liebhaber großer Worte".[49] Der nicht im Geschichtsrausch schwelgende Leser fragt sich allerdings schnell, ob die Bewussthaltung der ehrenvollen Tradition eine fehlende Vertrautheit mit moderner Rechtstechnik und Völkerrechtsdogmatik ganz zu ersetzen vermag.

Zunächst überrascht, dass alle Lordrichter einhellig der Auffassung sind, dass der Innenminister selbst "foreign torture evidence" bei dem Erlass einer Schutzhaftverfügung verwerten darf. Lord Bingham z.B. stellte ausdrücklich fest, dass er bereit sei "zu akzeptieren, dass der Innenminister nicht rechtswidrig handelt, wenn er jemanden auf der Grundlage von erfolterten Beweisen aus dem Ausland zu einem Terrorverdächtigen erklärt, und ihn verhaften, durchsuchen und festhalten lässt."[50] Begründet wird diese erstaunliche Schlussfolgerung damit, dass es ja auch keinem Zweifel unterliegen könne, dass die Behörden, wenn sie etwa durch Folter von der Existenz einer Bombe erführen, hingehen und diese entschärfen könnten.[51] Dass diese zwei Arten der "Informationsverwertung" fundamental verschieden sind, entgeht den Lordrichtern. Im ersteren Fall wird die Information im Zusammenhang mit einem Verfahren gegen Einzelpersonen verwertet, gegen die freiheitsbeschränkende Maßnahmen getroffen werden sollen, während im letzteren Fall lediglich eine Gefahr beseitigt wird. Die Verwertung erfolterter Beweise ist aber in einem administrativen Verfahren gegen Einzelpersonen nach Artikel 15 der Anti-Folter-Konvention[52] ebenso verboten wie die Verwertung im gerichtlichen Verfahren. Jedes Verfahren (außer solchen, die dem Folterer die Folterhandlung nachweisen wollen) ist von Artikel 15 erfasst. Dem "Mismatch"-Argument des Innenministers hätte also richtigerweise entgegengehalten werden müssen, dass es auf einer Fehlauffassung über die von ihm selbst im Zertifikationsverfahren verwertbaren Beweismittel beruht. Richtigerweise gibt es keinen "Mismatch": und zwar deshalb nicht, weil auch der Innenminister solche Beweismittel nicht heranziehen darf, wenn er Verfügungen gegen Einzelpersonen erlässt, die diese offiziell zu gefährlichen Terrorverdächtigen erklären.

Das House of Lords sieht den Grund für das Beweisverwertungsverbot in Artikel 15 der Anti-Folter-Konvention allerdings vornehmlich in dem Schutz der Integrität des gerichtlichen Verfahrens. Ein Richter darf sich jedenfalls nicht durch die Beiziehung erfolterter Beweise beschmutzen. Daher kommt das House of Lords jedenfalls für das gerichtliche Überprüfungsverfahren zu dem einzig richtigen Schluss, dass erfolterte Beweise (gleichgültig, ob sie von den eigenen Sicherheitsdiensten oder von Beamten dritter Staaten auf diese Weise erlangt worden sind) vor Gericht einem absoluten Verwertungsverbot unterliegen.[53]

Damit kommen die Lordrichter endlich zur Crux des Problems: Was macht man mit "möglicherweise erfolterten" Aussagen? Hier rächt es sich bitter, dass die Parteien offenbar vereinbart haben, die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Innenministers nur an Artikel 5 der EMRK zu messen, während Argumente, die Artikel 6 EMRK betreffen, außen vor gelassen werden sollten.[54] Durchaus wortlautgerecht kommt die Mehrheit der Richter nämlich schnell zu dem Ergebnis, dass Artikel 15 der Anti-Folter-Konvention von Beweisen spricht, hinsichtlich derer "festgestellt wurde, dass sie durch Folter erlangt wurden". Dies setzt nach Auffassung dieser Richter Erwiesensein der Folter (nach dem Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit) voraus.[55] Während dieser Rechtsauffassung grundsätzlich nicht zu widersprechen ist, muss man sich allerdings vor Augen halten, dass sie im Kontext des außerordentlichen Überprüfungsverfahrens vor der SIAC das in Artikel 15 der Anti-Folter-Konvention niedergelegte Beweisverwertungsverbot komplett aushöhlt. Welche Chance hat schon ein Betroffener, vor Gericht zu beweisen, dass Beweismittel, die er nicht einmal zu sehen bekommt, durch Folter erlangt worden sind? Die Mehrheit versucht diesem Dilemma dadurch beizukommen, dass sie dem Gericht, sobald der Betroffene einen Folterverdacht konkret vorgetragen hat, eine eigene Ermittlungs- und Prüfungspflicht auferlegt.[56] Aber dies ist angesichts der Möglichkeit, dass der Betroffene die Beweise nicht einmal kennt, offensichtlich unzureichend.[57]

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass den Richtern an dieser Stelle die ganze Sache ganz einfach zu schwierig wird und sie sich nicht wirklich darauf einlassen wollen, das SIAC-Verfahren indirekt auf den Prüfstein des Fairnessgebotes zu stellen. Dass damit die eigentlichen Probleme nur aufgeschoben und nicht aufgehoben sind, hat sich bereits gezeigt: die erste Gerichtsentscheidung, mit der das Überprüfungsverfahren für control orders nach dem Prevention of Terrorism Act 2005 für unvereinbar mit dem Recht auf ein faires Verfahren erklärt wurde, ist bereits ergangen.[58]

Insgesamt gesehen, gibt es bei diesem Urteil kaum Grund zu Applaus. Noch vor wenigen Jahren wäre ein Verwertungsverbot für erfolterte Aussagen schlichtweg als selbstverständlich betrachtet worden: Das mindeste, was ein Staat tun kann, um das Folteropfer nach der erlittenen Rechtsverletzung nicht noch zu verhöhnen, die Schwere dieser Rechtsverletzung anzuerkennen und künftige Folterhandlungen von vornherein zu vermeiden, ist, den "rechtstaatlichen Totalausfall" im Ermittlungsstadium nicht noch durch Verwertung der erpressten Aussage zu belohnen.[59] Dass dies nicht nur für Staaten gilt, denen die Rechtsverletzung direkt zuzurechnen ist, sondern auch für Drittstaaten, die die Folterhandlungen nicht begangen haben, aber von ihren Ergebnissen profitieren, ist sowohl strafverfahrensrechtlich als auch menschenrechtsdogmatisch offensichtlich. Dass solche Fälle überhaupt höchste Gerichtshöfe erreichen, ist für sich gesehen bereits ein Zeichen dafür, wie sehr die Terrorbekämpfungshysterie, der die britische Regierung zum Opfer gefallen ist, schon zu einer Erosion rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze geführt hat.

Soll man das House of Lords nun dafür preisen, dass es in der jüngsten Runde in dieser Endlosschleife immer neuer Anti-Terror-Gesetze und gerichtlicher Überprüfungsverfahren bekräftigt hat, dass das Verwertungsverbot für erfolterte Aussagen (außer in Verfahren gegen den angeblichen Folterer) in Artikel 15 der Anti-Folter-Konvention tatsächlich meint, was es sagt? Vielleicht, wenn dies (wie angebracht) mit höchstens dreißig scharfen Worten klar zum Ausdruck gebracht worden wäre. Aber 80 Seiten Entscheidung nehmen die Argumente der Regierung, warum das Verwertungsverbot für erfolterte Aussagen in ihrem an sich schon rechtsstaatlich mehr als ruchbaren Überprüfungsverfahren[60] entweder nicht gelten oder wenigstens offen umgangen werden sollte, viel zu ernst. Den Schlag vor den Bug, den ein Minister verdient, der in ungenierter Selbstherrlichkeit erklärt, dass er "zwar gegenwärtig nicht vorhabe, vor Gericht von in Drittstaaten erfolterten Aussagen Gebrauch zu machen, sich aber die Möglichkeit vorbehalte, sich in Zukunft auf solche Beweise zu stützen",[61] ist diese Entscheidung nicht.

Beide Entscheidungen in der Rechtssache A and others v. Secretary of State for the Home Department leiden an demselben Mangel: dem Versäumnis, sich grundsätzlich mit dem Modell "Schutzhaft" oder "Quasi-Schutzhaft" auseinanderzusetzen. Die Gelegenheit, die sich in diesen beiden Entscheidungen geboten hatte, den Grundgedanken der Maßnahme (Freiheitsbeschränkung bis hin zur Freiheitsentziehung auf bloßen Verdacht hin, ohne die Verdichtung des Verdachts zum Beweis auch nur anzustreben) und den Charakter des vorgesehenen Überprüfungsverfahrens auf den Prüfstein der EMRK zu stellen, wurde nicht ergriffen. Das Diskriminierungsargument in der ersten House of Lords-Entscheidung kann durchaus auch als unglückliche Ausweichstrategie gesehen werden, um die viel grundsätzlichere Frage, ob es überhaupt jemals angebracht sein kann, Personen auf bloßen Verdacht (und ohne jedwede Absicht, diesen Verdacht jemals bis zum Schuldbeweis zu führen) in Haft zu setzen, nicht entscheiden zu müssen. Der Patzer in der Frage von Beweismaß und Beweislast in der zweiten House of Lords-Entscheidung ist ebenfalls dem Wunsch geschuldet, eine Auseinandersetzung mit dem Verfahrensmodell des SIAC-Verfahrens zu vermeiden. Aber was immer im Strafverfahren von einer Zulassung von Beweismitteln, bei denen sich nicht ausschließen, aber auch nicht beweisen lässt, dass sie von Beamten fremder Staaten durch Folter erlangt wurden, zu halten ist: in einem Verfahren, wo der Betroffene solche "Beweise" nicht mal zu sehen bekommt, gehören sie jedenfalls "auf Verdacht hin" ausgeschlossen.[62]

V. Schlussbemerkung

Die von vielen erhoffte Notbremse, mit der der Zug der Illiberalität zum Halten gebracht werden könnte, wurde mit diesen beiden Entscheidungen nicht gezogen. Sie hatten etwa so viel Wirkung wie ein festgebundener Koffer, den man als Anker aus einem fahrenden Zug

wirft. Der Zug wurde dadurch weder aufgehalten noch auch nur erkennbar abgebremst.

Nachdem der Gesetzgeber nach der ersten House of Lords-Entscheidung im Dezember 2004 mit dem Prevention of Terrorism Act 2005 im März 2005 bereits kräftig nachgelegt hatte, fiel der englischen Regierung als Reaktion auf die Terroranschläge in London am 7. Juli 2005, die 57 Menschenleben forderten, wiederum nichts Besseres als die Einbringung weiterer Gesetzesentwürfe im Parlament ein. Die jüngste legislative Trophäe ist der Terrorism Act 2006, der nicht nur einen neuen Straftatbestand der "Glorifizierung des Terrorismus" einführt, sondern es auch ganz generell der Polizei ermöglicht, Verdächtige bis zu 28 Tagen ohne konkreten Tatvorwurf in Haft zu setzen. Und damit die Botschaft, dass Terroristen, Terrorverdächtige, mögliche Sympathisanten des Terrors und so weiter und so fort in England nicht länger geduldet werden, auch nicht ungehört verhalle, werden flankierende legislative Fanfarenstöße in Richtung mutmaßlicher Staatsfeinde ausgestoßen: Gesetze, wonach Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit die britische wieder entzogen werden kann, wenn sie sich ihrer unwürdig erweisen,[63] Strafbestimmungen, die die "Anstachelung von Rassenhass und religiöser Intoleranz" (angemessen vage definiert) verbieten und (warum kleckern, wenn man auch klotzen kann…) mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu sieben Jahren bedrohen,[64] und ganz generell eine Atmosphäre, wo man selbst schuld ist, wenn man so verdächtig aussieht, dass man auf dem Weg zur U-Bahn von Polizeibeamten erschossen wird: All das ist in England gelebte Realität - von der großen Mehrheit der britischen Bevölkerung mit Gleichgültigkeit akzeptierter Alltag.

In den Erklärungen der Regierung, den offiziellen Gesetzesbegründungen und in den Äußerungen von Ministern während der Parlamentsdebatten wird der Rechtsstaat selbst als die größte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung hingestellt. Nach dem Motto, dass ein westlich orientierter Unrechtsstaat auf jeden Fall besser ist als ein islamisch-fundamentalistischer Unrechtsstaat, ist die kumulative Botschaft der Anti-Terror-Gesetze und ihrer respektvoll-schüchternen Behandlung durch die Obergerichte klar: Wenn es zu lästig wird mit dem Rechtsstaat, dann kann man das mit dem Rechtsstaat ja auch lassen.

Deutsche Juristen können aus diesen beiden Entscheidungen des House of Lords nichts lernen, was sie nicht schon vorher gewusst hätten über die Unakzeptabilität der Schutzhaft und das völkerrechtliche Verwertungsverbot für erfolterte Aussagen. Aber wir alle können derzeit von England lernen, worin die größte Gefahr für Freiheit und Sicherheit aller Bürger besteht: darin, dass uns der Rechtsstaat lästig wird.

***


* Die Entscheidungen sind im Internet verfügbar unter: http://www.parliament.uk/judicial_work/judicial_work.cfm.

[1] Englische Gesetze werden im Folgenden unter ihrem englischen Titel als "Act" zitiert. Einzelne Paragraphen werden, wie in England üblich, als "Section" bezeichnet.

[2] Der englische Premierminister Tony Blair hat zu verschiedenen Gelegenheiten in höchst unverantwortlicher Weise die Möglichkeit eines "Austritts" Großbritanniens aus der EMRK in die politische Debatte eingeführt, so zum Beispiel in einem BBC-Interview im Januar 2003 mit Blick auf den Abschiebungsschutz für abgelehnte Asylbewerber, denen im Herkunftsland Folter droht ("Prime Minister provokes outrage over possible Convention withdrawal", New Law Journal, 31 January 2003, S. 117). Kürzlich reagierte Blair auf die Serie von Gerichtsentscheidungen der britischen Obergerichte, mit denen bestimmte freiheitsbeschränkende Maßnahmen der Regierung für grundrechtswidrig erklärt wurden, mit der Ankündigung, den Human Rights Act 1998 wieder aufheben lassen zu wollen. Es ist bezeichnend für das politische Klima, dass ihm dieser Vorschlag sofort den Applaus des Vorsitzenden der größten Oppositionspartei einbrachte. Siehe Ted Nemko und Jamie Doward, "Revealed: Blair attack on human rights law", Observer, 14 May 2006, abrufbar unter http://observer.guardian.co.uk/politics/story/0,,1774399,00.html (zuletzt besucht am 29 May 2006 ).

[3] ATCSA, Section 21. Auf die vage Definition der "Verstrickung in terroristische Machenschaften", die hier Zugang zu dem Arsenal von Freiheitsbeschränkungen ermöglichen sollte, werde ich im Folgenden nicht näher eingehen. Sie verstärkte aber die gegen die Regelung ohnehin bestehenden Bedenken unter den Gesichtpunkten von Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit. Genauer Helen Fenwick, "The Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001: A Proportionate Response to 11 September?", in: 65 Modern Law Review (2002), S. 724, S. 734 und Brice Dickson, "Law Versus Terrorism: Can Law Win?", in: European Human Rights Law Review (2005), S. 11, insb. S 12ff. Eine hilfreiche Zusammenfassung der frühen Anti-Terror-Gesetzgebung in England bietet das Kapitel von Rainer Grote in Christian Walter, Volker Röben, Frank Schorkopf und Silja Vöneky (Hrsg.), Terrorism as a Challenge for National and International Law: Security versus Liberty?, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 169 (Springer Verlag, Heidelberg 2003).

[4] ATCSA, Section 22.

[5] ATCSA, Section 23.

[6] Haftgrund ist in diesen Fällen nicht (wie bei der Untersuchungshaft) die Sicherung der Durchführung eines Strafverfahrens, oder (wie bei der Auslieferungs- oder Abschiebehaft) die Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, sondern die vorübergehende oder dauerhafte Beschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit des Betroffenen mit dem Ziel, seine als wahrscheinlich erachteten Aktivitäten im terroristischen Umfeld für die Zukunft sicher zu unterbinden.

[7] Mary Arden, "Human Rights in the Age of Terrorism", in: 121 Law Quarterly Review (2005), S. 604, S. 606 (dort Fn. 6).

[8] The Human Rights Act (Designated Derogation) Order 2001, Statutory Instrument 2001 No. 3644 vom 11. November 2001. Derogation orders werden vom Innenminister aufgrund von Section 14 (1) und (6) des Human Rights Act 1998 erlassen und dem Parlament zur Kenntnisnahme vorgelegt.

[9] Die Erklärung wurde zurückgenommen, nachdem Sections 21 bis 32 des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 durch Section 16 (2) (a) des Prevention of Terrorism Act 2005 mit Wirkung vom 14. März 2005 aufgehoben wurden. Zum Prevention of Terrorism Act 2005 siehe unten.

[10] ATCSA, Section 25.

[11] Special Immigration Appeals Tribunal Act 1997 , Section 1 (as amended by ATCSA, Section 35).

[12] Special Immigration Appeals Tribunal Act 1997, Schedule 1 , para. 5.

[13] ATCSA, Section 25.

[14] Auf Antrag des Innenministers, soweit diesem von der SIAC stattgegeben wurde. Eine genaue Beschreibung des Verfahrensablaufs, der im 3. Abschnitt der Special Immigration Appeals Commission (Procedure) Rules 2003 (SI 2003/1034) geregelt war, findet sich in dem Urteil in Sachen A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2)[2005]UKHL 71 (House of Lords, 8. Dezember 2005), para. 7.

[15] Special Immigration Appeals Commission (Procedure) Rules 2003 (SI 2003/1034), Part 3, Rule 37.

[16] Special Immigration Appeals Commission (Procedure) Rules 2003 (SI 2003/1034), Part 3, Rule 36.

[17] Special Immigration Appeals Commission (Procedure) Rules 2003 (SI 2003/1034) , Part 3, Rule 44 (3).

[18] Vgl. die Angaben in A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2)[2005]UKHL 71 (House of Lords, 8. Dezember 2005), para. 1.

[19] Interessant liest sich die von dem Öffentlichrechtler Adam Tomkins ganz ohne ironischen Unterton gegebene Beschreibung des parlamentarischen Beratungsprozesses, der zu diesem Kontrollregime geführt hatte: "While Parliament was unable to persuade the government to amend[the provision which entitled the Secretary of State to issue a fresh certificate after the previous one has been quashed by the court], two modest safeguards were imposed on the government during the passage of the Bill…" (Adam Tomkins, "Legislating against terror: the Anti-terrorism, Crime and Security Act 2001", in: Public Law (2002), S. 205, S. 218). ("Während das Parlament außerstande war, die Regierung davon zu überzeugen, die Vorschrift abzuändern, wonach der Innenminister berechtigt sein sollte, eine vom Gericht aufgehobene Verfügung durch eine neue Verfügung gleiches Inhalts zu ersetzen, wurden der Regierung im Gesetzgebungsverfahren zwei bescheidene zusätzliche Kontrollmechanismen auferlegt…"). Die Machtverteilung zwischen Parlament und Regierung ist in der Tat klar, wenn das Parlament die Regierung von gewünschten Gesetzesänderungen überzeugen muss, anstatt umgekehrt.

[20] ATCSA, Section 122 (4), (5).

[21] ATCSA, Section 122 (1)-(3).

[22] Privy Counsellor Review Committee , Anti-terrorism, Crime and Security Act 2001 Review: Report (HC 100) ( London: The Stationery Office, 18 December 2003 ). Nach dem Vorsitzenden, Lord Newton of Braintree, wird dieser Bericht auch als "Newton Committee Report" bezeichnet.

[23] Ibid, S. 11, Ziff. 25.

[24] Im Bericht heißt es hierzu: "We recognise that this means that the Act would cease to have effect unless Parliamentary time was made available to debate the content of the Report, but we are sure that the Government will ensure that such a debate takes place. So our specification should not be taken as a recommendation to repeal the whole Act - there are a number of Parts of the Act which we welcome - but as a way of making clear our support for the principle of making emergency legislation subject to periodic review and renewal by Parliament." (Ibid., S. 9, Ziff. 13). ("Uns ist klar, das dies bedeutet, dass das gesamte Gesetz außer Kraft treten würde, falls nicht genügend Zeit für eine parlamentarische Debatte zur Verfügung gestellt wird, aber wir sind uns sicher, dass die Regierung dafür sorgen wird, dass eine solche Debatte stattfinden kann. Unsere Benennung des gesamten Gesetzes[als von der Geltungsbefristung in Section 123 erfasst, d.V.]sollte nicht als Empfehlung verstanden werden, das gesamte Gesetz aufzuheben - es gibt Teile, die wir begrüßen -, sondern als Klarstellung, dass wir es grundsätzlich für notwendig halten, dass Notstandsgesetze Gegenstand periodischer Beratung und Bestätigung durch den Parlamentsgesetzgeber sind.").

[25] Zum Abstimmungsergebnis siehe The Public Whip, Anti-terrorism, Crime and Security Act 2001 - Privy Counsellor Review Committee Report - 25 Feb 2004 at 18:43 - Commons Division No. 59, abrufbar unter http://www.publicwhip.org.uk/division.php?date=2004-02-25&number=59 (zuletzt besucht am 29. Mai 2006).

[26] Zum Abstimmungsergebnis (Ja-Stimmen: 370; Nein-Stimmen: 49) siehe The Public Whip, Anti-terrorism, Crime and Security Act 2001 - Renewal of Part 4 - Deferred Division - 3 Mar 2004 at 19:50 - Commons Division No. 71, abrufbar unter http://www.publicwhip.org.uk/division.php?date=2004-03-03&number=71 (zuletzt besucht am 29. Mai 2006). Dem Parlament lag bei Beschlussfassung nur der "Sixth Report from the Joint Committee on Human Rights" vom 23. Februar 2004 vor, in dem der gemeinsame Ausschuss für Menschenrechtsfragen des englischen Unter- und Oberhauses sich insgesamt für die Weitergeltung der Vorschriften im 4. Teil des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001, jedenfalls für einen Zeitraum von weiteren sechs Monaten, ausgesprochen hatte.

[27] Prevention of Terrorism Act 2005 , Section 16 (2). Zur Diskussion siehe unten.

[28] Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass die britische Regierung ihre Einschränkungserklärung von Artikel 5, die sie dem Council of Europe gegenüber abgegeben hatte, ersatzlos zurückgezogen hat. Möglicherweise ist man der Auffassung, eine solche Erklärung erst wieder abgeben zu müssen, wenn von der Möglichkeit, eine derogating control order zu erlassen, tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Bisher sind nur einfache control orders erlassen worden.

[29] Aktenzeichen[2004]UKHL 56, veröffentlicht in[2005] 1 AC 68,[2005]1 WLR 87 (Urteil vom 16. Dezember 2004 in der Rechtssache A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1)). Die Entscheidung wird besprochen von Adam Tomkins, " Readings of A v Secretary of State for the Home Department", in: Public Law (2005), S. 259.

[30] Dazu schon oben Fußnote 8 und dazugehöriger Text.

[31] Der Rechtsvortrag der Berufungsführer wies an dieser Stelle einen (von den meisten Lordrichtern geflissentlich übersehenen) logischen Bruch auf: Artikel 15 EMRK gehört nicht zu den Konventionsvorschriften, denen nach den Bestimmungen des Human Rights Act 1998 innerstaatlich Geltung verliehen wird. Explizit angesprochen wird diese Schwierigkeit von Lord Scott of Foscote, der sich dann aber lapidar darauf beschränkt zu sagen, dass der Rechtsvertreter der Regierung die Prämisse des Arguments der Berufungsführer insoweit akzeptiert habe (A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1), para. 151; siehe auch para. 160).

[32] Siehe A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1), para. 143.

[33] Human Rights Act 1998 , Section 4 (so genannte "declaration of incompatibility").

[34] Human Rights Act 1998 , Section 4 (6).

[35] Ist eine Gesetzesvorschrift in einem rechtskräftigen Urteil für mit der EMRK unvereinbar erklärt worden, ist der zuständige Staatsminister gemäß Section 10 (2) des Human Rights Act 1998 ermächtigt, per Rechtsverordnung das Gesetz so abzuändern, dass es mit der EMRK vereinbar ist. Eine solche Rechtsverordnung ("remedial order") muss Unter- und Oberhaus im Entwurf zur Beschlussfassung vorgelegt werden (Human Rights Act 1998, Schedule 2, para. 2 (a)).

[36] Dies wird näher erklärt von dem Lordrichter Lord Scott of Foscote: A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1), para. 144.

[37] A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1) , para. 73 (Lord Bingham of Cornhill); para. 85 (Lord Nicholls of Birkenhead); para 97 (Lord Hoffmann, der sich aber ausdrücklich nicht auf Artikel 14 EMRK stützt); para. 139 (Lord Hope of Craighead); para 160 (Lord Scott of Foscote); para 190 (Lord Rodger of Earlsferry); para. 239 (Baroness Hale of Richmond, mit leichter Abweichung in der Formulierung - Inkompatibilität nur auf Artikel 5 Abs. 1 der EMRK gestützt) und para. 240 (Lord Carswell). Der neunte Richter, Lord Walker of Gestingthorpe, war abweichender Meinung und wollte die Berufung der Berufungsführer zurückweisen.

[38] In diesem Punkt war nur Lord Hoffmann abweichender Auffassung und vertrat die Ansicht, dass offensichtlich keine relevante Notstandssituation, die zur Einschränkung von Konventionsrechten berechtige, gegeben sei (A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1), para. 97).

[39] Lord Hoffmann hatte seine Urteilsbegründung mit dem Satz beendet: "The real threat to the life of the nation, in the sense of a people living in accordance with its traditional laws and political values, comes not from terrorism but from laws such as these." (A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1), para. 97). ("Die wahre Bedrohung für die innere Ordnung eines Landes, im Sinne des Zusammenlebens eines Volkes im Einklang mit seinen althergebrachten Gesetzen und politischen Grundwerten, geht nicht vom Terrorismus aus, sondern von Gesetzen wie diesem."). Lord Scott of Foscote hatte bemerkt: "Indefinite imprisonment in consequence of a denunciation on grounds that are not disclosed and made by a person whose identity cannot be disclosed is the stuff of nightmares, associated … with France before and during the Revolution, with Soviet Russia in the Stalinist era and now associated, as a result of section 23 of the 2001 Act, with the United Kingdom…" (Ibid, para. 155). ("Unbefristete Haft aufgrund von Denunziationen, deren Quelle nicht verraten wird und die von jemandem stammen, dessen Identität geheim gehalten werden muss, ist die Art von Albtraum, die man mit Frankreich … vor und während der Revolution, mit Stalins Russland und jetzt, dank Section 23 des Gesetzes von 2001, mit Großbritannien assoziiert…").

[40] Die Schutzhaft war Teil eines ausländerrechtlichen Maßnahmenpakets. Man kann dieses spezielle Maßnahmenpaket aus allen vom House of Lords zutreffend angegebenen Gründen für unverhältnismäßig halten. Aber eine unverhältnismäßige ausländerrechtliche Maßnahme ist deshalb noch kein Verstoß gegen Artikel 14 EMRK. In Fragen des Aufenthaltsrechts (und darum handelte es sich hier im Kern) ist eine Differenzierung nach Staatsangehörigkeit der Betroffenen unbestreitbar angebracht. Die Senatsmehrheit im House of Lords hat sich (mit Ausnahme von Lord Hoffmann, der den Bumerangeffekt dieser Argumentation vorausahnte: A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1), para. 97) davon verwirren lassen, dass es die mit dem 4. Teil des Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001 eingeführten Maßnahmen ausschließlich als Maßnahmen der Gefahrenabwehr verstanden hat. Dass Abschiebung keine Probleme löst, sondern sie nur anderen Ländern zuschiebt, ist allgemein bekannt und hat die Berechtigung ausländerrechtlicher Maßnahmen bisher nie in Frage gestellt.

[41] Aktenzeichen[2005]UKHL 71, veröffentlicht in[2005] 3 WLR 1249 (House of Lords, Urteil vom 8. Dezember 2005 in der Rechtssache A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2)). Die Entscheidung wird besprochen von Nicholas Grief, "The Exclusion of Foreign Torture Evidence: A Qualified Victory for the Rule of Law", in: European Human Rights Law Review (2006), S. 200-216.

[42] Unter dem Prevention of Terrorism Act 2005 ist der High Court (ein ordentliches Gericht) für die Überprüfung von "einfachen", sowie für die "Genehmigung" des Erlasses von "notstandsrechtlichen" (derogating) control orders zuständig. Die verfahrensrechtlichen Sonderregeln, die in dem Verfahren vor der SIAC galten (Möglichkeit der Geheimhaltung von Beweisen gegenüber dem Betroffenen und Einsetzung eines special advocate, Verwertbarkeit von Beweismitteln, die im Straf- und Zivilverfahren unzulässig wären, etc.) sind aber in das Kontrollverfahren vor dem High Court überführt worden. Die Regel über die grundsätzliche Verwertbarkeit von Beweismitteln, die in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten ansonsten unzulässig sind, ist in Rule 76.26(4) der "Civil Procedure Rules" enthalten; Rechtsgrundlage ihres Erlasses ist der Prevention of Terrorism Act 2005, Schedule 2, Para. 4.

[43] Special Immigartion Appeals Commission (Procedure) Rules 2003 (SI 2003/1034) , Part 3, Rule 44(3).

[44] Die Verwertung von Abhörprotokollen in Gerichtsverfahren ist in England gemäß Section 17 des Regulation of Investigatory Powers Act 2000 unzulässig.

[45] Die Entscheidung des Court of Appeal ist veröffentlicht unter: A and others v Secretary of State for the Home Office[2004]EWCA Civ 1123;[2005]1 WLR 414. Lord Bingham bemerkte hierzu: "I am startled, even a little dismayed, at the suggestion (and the acceptance by the Court of Appeal majority) that this deep-rooted tradition[of the inadmissibility of evidence gained through torture]and an international obligation solemnly and explicitly undertaken can be overridden by a statute and a procedural rule which makes no mention of torture at all." (A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1), para. 51). ("Ich bin überrascht, sogar ein wenig besorgt, wenn hier argumentiert wird (und dies von der Mehrheit der Richter des Court of Appeal akzeptiert wird), dass eine tief verwurzelte Tradition[durch Folter erlangte Beweise nicht zuzulassen]und eine ernsthaft und ausdrücklich eingegangene völkerrechtliche Verpflichtung einfach durch ein Gesetz und eine Verfahrensregel, die Folter nicht einmal erwähnt, eingeschränkt worden sein sollen.").

[46] Wie Lord Bingham in para. 12 des Urteils ausführte: "This condemnation[of torture]is more aptly categorised as a constitutional principle than as a rule of evidence". (A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 1)). ("Diese kompromisslose Ablehnung[der Folter]ist eher als Verfassungsprinzip denn als Beweisregel aufzufassen.").

[47] Argument der fehlenden Entsprechung der Beweisgrundlage im Zertifizierungs- und im gerichtlichen Überprüfungsverfahren. Zum Rechtsvortrag des Innenministers siehe A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2), para. 46.

[48] Zum Beispiel: "[T]he English common law has regarded torture and its fruits with abhorrence for over 500 years, and that abhorrence is now shared by over 140 countries which have acceded to the Torture Convention". (Ibid, para. 40).

[49] A.T.H. Smith, "Disavowing Torture in the House of Lords", in: 65 Cambridge Law Journal (2006), S. 251, S. 252 ("…for the connoisseur of the spacious phrase, the speeches are a goldmine").

[50] A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2) , para. 47.

[51] Ibid , para. 47.

[52] Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment vom 10. Dezember 1984 (General Assembly Res. 39/46) (in Kraft getreten am 26. Juni 1987), Artikel 15: "Each State Party shall ensure that any statement which is established to have been made as a result of torture shall not be invoked as evidence in any proceedings, except against a person accused of torture as evidence that the statement was made." (Hervorhebung durch den Verfasser).

[53] Dem "Mismatch"-Argument des Innerministers können die Richter wegen ihrer unangebracht engen Auslegung von Artikel 15 der Anti-Folter-Konvention nur lahm entgegenhalten, dass das Common Law "inneren Widersprüchen nicht abgeneigt" ("not intolerant of anomaly") sei: A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2), para. 48.

[54] Siehe Grief (fn. 41), S. 202 (dort fn. 22). Eine Beschränkung von Berufungen auf bestimmte Rechtsfragen ist nach englischem Verfahrensrecht möglich.

[55] Dieser Auffassung sind: Lord Hope, Lord Carswell, Lord Rodger und Lord Brown. Die Minderheit (Lord Bingham, Lord Nicholls und Lord Hoffmann) wollte alle Beweismittel ausschließen, bei denen die SIAC nicht nach dem Maßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugt war, dass diese nicht durch Folter erlangt worden waren.

[56] A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2) , para. 116 (Lord Hope).

[57] So auch Lord Bingham, der sich aus diesem Grund auch von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg im Fall El Motassadeq (NJW 2005, 2326) distanziert (wobei er allerdings anerkennt, dass der Kontext ein anderer ist, weil der Angeklagte im Strafverfahren die Beweise kennt). (A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2), para. 59 und 60).

[58] Re MB [2006]EWHC 1000 (Admin), Urteil vom 12. April 2006 (Richter Sullivan; High Court, Queen’s Bench Division, The Administrative Court).

[59] Besorgniserregend daher auch die Diskussion in Deutschland im Anschluss an den Frankfurter Kindesentführer-Fall.

[60] Um erneut A.T.H Smith zu zitieren: "[T]he SIAC … inhabits a most peculiar if not unreal world of shadows and half lights in which the ordinary rules of evidence and procedure have been displaced." ("Disavowing Torture in the House of Lords" (oben fn. 49), S. 253).

[61] Das Urteil in A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2) fasst den Rechtsvortrag des Innenministers in para. 1 wie folgt zusammen: "He … states that it is not his intention to rely on, or present to SIAC or to the Administrative Court in relation to control orders, evidence which he knows or believes to have been obtained by a third country by torture. This intention is, however, based on policy and not on any acknowledged legal obligation. Like any other policy it may be altered, by a successor in office or if circumstances change." Für eine sinngemäße Wiedergabe der entscheidenden Passagen siehe Text.

[62] Man kann dies nicht deutlicher sagen als Lord Bingham, der seinen Kollegen entgegenhielt: "It is inconsistent with the most rudimentary notions of fairness to blindfold a man and then impose a standard which only the sighted could hope to meet." (A and others v. Secretary of State for the Home Department (no 2), para. 59). ("Es ist mit rudimentärsten Gerechtigkeitsvorstellungen unvereinbar, einem Mann die Augen zu verbinden und dann von ihm etwas zu verlangen, was nur einem Sehenden gelingen kann".)

[63] Durch Section 4 des Nationality, Immigration and Asylum Act 2002 wurde in den British Nationality Act 1981 eine neue Bestimmung (Section 40) eingefügt, die es ermöglicht, Doppelstaatlern, die schwerwiegend gegen britische Interessen gehandelt haben, die britische Staatsangehörigkeit wieder zu entziehen.

[64] Racial and Religious Hatred Act 2006 , Section 29B ff. Zum Strafmaß siehe Section 29L (3).