HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2006
7. Jahrgang
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IV. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

486. BGH 5 StR 453/05 - Urteil vom 9. Mai 2006 (LG Wuppertal)

BGHSt; Amtsträgerschaft kommunaler Mandatsträger bei Betrauung mit konkreten Verwaltungsaufgaben, die über ihre Mandatstätigkeit in der kommunalen Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen hinausgehen; Vorrang der Abgeordnetenbestechung gegenüber den Bestechungsdelikten; Steuerhinterziehung (umsatzsteuerpflichtiger Empfang von Schmiergeldzahlungen durch Abgeordnete).

§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB; § 108e StGB; § 331 StGB; § 332 StGB; § 333 StGB; § 334 StGB; § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG; § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO

1. a) Kommunale Mandatsträger sind keine Amtsträger, es sei denn, sie werden mit konkreten Verwaltungsaufgaben betraut, die über ihre Mandatstätigkeit in der kommunalen Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen hinausgehen. (BGHSt)

b) Die Vorschrift des § 108e StGB enthält eine im Verhältnis zu den §§ 331 ff. StGB abschließende Sonderregelung. (BGHSt)

2. Der Empfang von Schmiergeldzahlungen durch Abgeordnete kann umsatzsteuerpflichtig sein. (BGHSt)

3. Bei Zweifelsfällen kann für die Abgrenzung zwischen bloßer Mitwirkung an der politischen Willensbildung in der gemeindlichen Volksvertretung einerseits und dem Betrautsein mit der Erfüllung konkreter Verwaltungsaufgaben auf kommunaler Ebene andererseits insbesondere auf zwei Kriterien zurückgegriffen werden: Zum einen ist zu fragen, ob der Mandatsträger in der konkreten Entscheidungssituation ersetzbar ist oder ob es rechtlich zwingend auf seine persönliche Entscheidung ankommt. Zum anderen ist zu untersuchen, ob die Entscheidung inhaltlich eher dem politischen oder dem verwaltenden Bereich zuzuordnen ist; dies bestimmt sich danach, ob die zur Entscheidungsfindung Berufenen ausschließlich den Interessen der Gesamtheit verpflichtet sind oder sich auch von (partei-)politischen Gesichtspunkten leiten lassen dürfen (vgl. BGHSt 8, 21, 23 f.). (Bearbeiter)

4. Strafbar nach § 108e Abs. 1 StGB ist lediglich das Unternehmen des Stimmenkaufs und -verkaufs. Die Tathandlung muss also zumindest im Versuch einer ausdrücklichen oder konkludenten Unrechtsvereinbarung in Bezug auf ein künftiges Abstimmungsverhalten in einer Volksvertretung der Gemeinden oder Gemeindeverbände durch das Angebot oder das Fordern von Vorteilen bestehen. Die Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB erfasst - anders als die §§ 331, 333 StGB - nicht das "Anfüttern" im Sinne der Vorteilszuwendung für allgemeine Gewogenheit beim Verhalten in Wahlen und Abstimmungen, sondern nur eine konkrete "Unrechtsvereinbarung" (Stimmenkauf und -verkauf). Allgemeine oder belohnende Zuwendungen an kommunale Mandatsträger können nur strafbar sein, wenn sie zumindest auch einem von §§ 331 ff. StGB erfassten Verwaltungshandeln gelten und nicht nur dem politischen Handeln in Wahlen und Abstimmungen innerhalb der Volksvertretung bzw. bei deren Vorbereitung. (Bearbeiter)

5. Straflos sind bei § 108e StGB im Gegensatz zu §§ 331 ff. StGB auch nachträgliche "belohnende" Zuwendungen für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten in der Volksvertretung. Nachträgliche Zuwendungen können allerdings ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine vorherige ausdrückliche oder konkludente Unrechtsvereinbarung sein. (Bearbeiter)

6. Im Zusammenhang mit der ohnehin aufgrund internationaler Abkommen notwendigen Modifizierung des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung sollte der Gesetzgeber deshalb nach Auffassung des Senats für entsprechende Abhilfe sorgen, insbesondere auch hinsichtlich einer Einbeziehung kommunaler Mandatsträger in strafbewehrte Verschwiegenheitspflichten (vgl. § 203 Abs. 2 StGB). (Bearbeiter)


Entscheidung

446. BGH 2 ARs 44/06 / 2 AR 40/06 - Beschluss vom 3. Mai 2006

Abgabe des Verfahrens (Zweckmäßigkeit).

§ 42 JGG

Von einer Abgabe des Verfahrens nach § 42 JGG ist regelmäßig abzusehen, wenn dies keine sachlichen Vorteile für das Verfahren bringt und zu dessen Verzögerung führt.