HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 100
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 564/24, Beschluss v. 04.12.2024, HRRS 2025 Nr. 100
Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 10. April 2024 gewährt.
Mit der Zustellung des Beschlusses beginnt die Frist zur Begründung der Revision.
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 20 Fällen, davon in 18 Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, und wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.
Gegen das am 10. April 2024 verkündete Urteil hat der Verteidiger unter dem 16. April 2024 einen Revisionsschriftsatz gefertigt und diesen von einer Kanzleimitarbeiterin am 17. April 2024 in eingescannter Form mittels EGVP an das Landgericht übermitteln lassen.
Nachdem der Generalbundesanwalt auf Verwerfung der Revision als unzulässig angetragen hatte, hat der Verteidiger unter dem 22. Oktober 2024 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und erneut Revision eingelegt, wobei er den Schriftsatz nunmehr persönlich unter Verwendung seines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs versandte.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Verteidiger unter anwaltlicher Versicherung ausgeführt, vom Angeklagten noch am 10. April 2024 mit der Revisionseinlegung beauftragt worden zu sein. Erst bei Lektüre des Antrags des Generalbundesanwalts am 16. Oktober 2024 habe er realisiert, einem Rechtsirrtum unterlegen zu sein und bei seiner ursprünglichen Revisionseinlegung die Reichweite des § 32a Abs. 3 StPO verkannt zu haben. Den Angeklagten treffe am Versäumnis kein Verschulden.
2. Dem Angeklagten ist auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 10. April 2024 zu gewähren.
a) Das Wiedereinsetzungsgesuch ist zulässig. Der Angeklagte hat die Wochenfrist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO) versäumt, weil der Revisionsschriftsatz vom 16. April 2024 die Vorgabe des § 32d Satz 2 StPO nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2023 - 2 StR 162/22 Rn. 6; vom 24. Juli 2024 - 1 StR 238/24 Rn. 3).
Der Angeklagte hat durch seinen Verteidiger binnen Wochenfrist nach Wegfall des Hindernisses Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist beantragt und die versäumte Handlung zugleich formwirksam im Sinne der § 32a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 32d Satz 2 StPO nachgeholt (§ 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags hat er glaubhaft gemacht (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO). Angesichts der im Antrag geschilderten Abläufe war es nicht erforderlich, näher als geschehen zum fehlenden Verschulden des Angeklagten an der Fristversäumnis vorzutragen.
b) Das Wiedereinsetzungsgesuch ist auch begründet. Den Angeklagten traf an der Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision kein Verschulden (§ 44 Satz 1 StPO). Er hat seinen Verteidiger rechtzeitig mit der Revisionseinlegung beauftragt. Das Verschulden seines Verteidigers bei der formwidrigen Übermittlung von Schriftsätzen ist ihm nicht als eigenes zuzurechnen (BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2024 - 6 StR 609/23 Rn. 9; vom 24. Juli 2024 - 1 StR 238/24 Rn. 4).
3. Da das Landgericht bereits ein vollständiges Urteil abgefasst hat, das wirksam zugestellt worden ist, bedarf es keiner Rückgabe der Akten an das Landgericht zur Ergänzung der Urteilsgründe oder zur Zustellung des Urteils (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. August 2023 - 5 StR 322/23; vom 8. Mai 2024 - 5 StR 209/24). Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Frist zur Begründung der Revision (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 1982 - 2 StR 751/80, BGHSt 30, 335; vom 1. August 2023 - 2 StR 124/23).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 7 StPO.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 100
Bearbeiter: Christian Becker