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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1079

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 632/23, Urteil v. 04.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1079


BGH 5 StR 632/23 - Urteil vom 4. Juli 2024 (LG Berlin)

Hang zu erheblichen Straftaten als Voraussetzung der Anordnung von Sicherungsverwahrung.

§ 66 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein „Hang“ im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB erfordert einen eingeschliffenen inneren Zustand, der den Täter immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Ein Hang liegt danach bei demjenigen vor, der dauerhaft zur Begehung von Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.

2. Hangtäter ist auch derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Die Entfaltung eines besonderen Aufwands, das Überwinden von Hindernissen oder eine Risikobereitschaft sind mithin keine Voraussetzungen eines Hangs.

3. Das Vorliegen eines Hangs hat der Tatrichter unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände darzulegen. Diese Würdigung bedarf in den Fällen von § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB, bei denen Vortaten und Vorverbüßungen fehlen, besonderer Sorgfalt.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Juli 2023 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

im Strafausspruch,

soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung oder deren Vorbehalts sowie von der Verhängung eines Berufsverbots abgesehen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses in 70 Fällen jeweils in Tateinheit mit der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen, davon in 47 Fällen in Tateinheit mit Vergewaltigung, in zwei Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung und in 21 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Übergriff, wegen Herstellens eines kinderpornographischen Inhalts in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit dem Verschaffen von dessen Besitz und wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte verurteilt und Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu sieben Jahren verhängt, aus denen es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren gebildet hat. Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung oder ihres Vorbehalts sowie eines Berufsverbots hat es abgesehen.

Die mit sachlich-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Beanstandungen geführte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zugleich - insoweit allein zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - zur Aufhebung des Strafausspruchs.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte beging im Zeitraum von Juli 2020 bis September 2022 im Rahmen seiner Tätigkeit als Pflegekraft in einer Wohneinrichtung für Behinderte insgesamt 70 sexuelle Übergriffe auf sechs dort lebende Personen, wobei er drei weibliche Geschädigte mit Gegenständen, insbesondere Lebensmitteln (Wiener Würsten, Gewürzgurken, Bockwurst u.a.), aber auch mit dem Finger und seiner Zunge vaginal penetrierte, in zwei Fällen auch anal, und an zwei männlichen Geschädigten den Oralverkehr ausübte. Im Übrigen manipulierte er mit der Hand oder durch Lecken an den Geschlechtsteilen der Geschädigten beiderlei Geschlechts. In fünf der genannten Fälle unterband der Angeklagte unter Anwendung einfacher Gewalt Abwehrreaktionen der Opfer gegen seine Übergriffe. Von allen Taten nahm er Videos und Fotos mit seinem Mobiltelefon auf, die in 37 Fällen die Hilflosigkeit der schwer körperlich und geistig behinderten, entkleideten Opfer bewusst in den Mittelpunkt der Aufnahme stellten. Die Geschädigten waren, wie der Angeklagte wusste, wegen ihrer Behinderungen nur eingeschränkt in der Lage, einen ablehnenden Willen zu bilden oder zu äußern. In einigen Fällen kam es gleichwohl zu solchen Willensbekundungen, über die der Angeklagte sich bewusst hinwegsetzte.

Im Tatzeitraum nahm er außerdem zwei Fotos des zwei-, später dreijährigen Sohnes eines damals mit ihm befreundeten Arbeitskollegen auf, wobei der Fokus der Bilder auf dem nackten Penis des Kindes lag; eines davon übersandte der Angeklagte über einen Messenger-Dienst an einen Chatpartner. Am Tag seiner Festnahme hatte er auf seinem Mobiltelefon fünf kinderpornographische Bilddateien abgespeichert.

Beim 34 Jahre alten Angeklagten besteht eine Pädophilie ausschließlicher Natur, die auf vor- und frühpubertäre Jungen ausgerichtet ist. Der Angeklagte beging die Missbrauchstaten, da er die pädophile Neigung als Teil seiner Person nicht akzeptieren konnte, und hoffte, zumindest auch auf Erwachsene, vorzugsweise Frauen, sexuell ansprechbar zu sein, um den von ihm empfundenen familiären und gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden. Die Taten stellten sich als Versuch dar, Anteile der nach seiner Vorstellung dem „Normalbild“ entsprechenden Sexualität zu entdecken oder zu wecken. Zu sexuellen Missbrauchshandlungen an Kindern kam es nicht. Seine Aktivitäten beschränkten sich insoweit auf täglich mehrstündigen Austausch in Chat-Foren, über die er mit Gleichgesinnten kommunizierte, kinderund jugendpornographisches Bildmaterial herunterlud und dieses auch anderen Interessierten zur Verfügung stellte. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Angeklagten am 20. Mai 2020 wegen Besitzes und Verbreitens kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, die es zur Bewährung aussetzte. Die Entscheidung war im Zeitpunkt der hiesigen Taten noch nicht rechtskräftig.

2. Das sachverständig beratene Landgericht hat von der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB gegen den Angeklagten abgesehen. Nach Wertung der von einem sexualwissenschaftlichen Sachverständigen beratenen Strafkammer liege beim Angeklagten trotz der großen Anzahl gleichgelagerter schwerwiegender Übergriffe auf die Geschädigten über einen Zeitraum von zwei Jahren kein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB vor, noch sei er - einen Hang hilfsweise unterstellt - für die Allgemeinheit gefährlich. Von einer Anordnung der Sicherungsverwahrung hätte die Strafkammer jedenfalls im Rahmen der Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens abgesehen. Gleichfalls seien die Voraussetzungen eines Vorbehalts der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 1 und 2 StGB nicht erfüllt. Die Strafkammer hat ferner davon abgesehen, ein Berufsverbot nach § 70 Abs. 1 StGB gegen den Angeklagten zu verhängen. Zwar lägen auch dessen formelle Voraussetzungen vor. Der Angeklagte habe die Missbrauchstaten zum Nachteil der von ihm gepflegten und betreuten Bewohner unter Missbrauch seines Berufes als Heilerziehungspfleger begangen und hierfür bewusst und planmäßig die ihm durch seinen Beruf gegebene Möglichkeit zur Tatbegehung ausgenutzt. Die Gesamtwürdigung des Angeklagten und seiner Taten lasse jedoch nicht die naheliegende Wahrscheinlichkeit erkennen, dass er bei weiterer Berufsausübung erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art unter Missbrauch seines Berufs begehen werde.

II.

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf das Unterbleiben der Maßregelanordnung nach § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB oder ihres Vorbehalts gemäß § 66a Abs. 1 und 2 StGB sowie die Nichtanordnung eines Berufsverbots nach § 70 Abs. 1 StGB beschränkt. Dies folgt aus dem durch Auslegung zu ermittelnden maßgeblichen Inhalt der Revisionsbegründung (vgl. BGH, Urteil vom 3. August 2022 - 5 StR 203/22 Rn. 13 f.).

Die Beschränkung ist unwirksam, soweit sie auch den Strafausspruch umfasst. Denn das Landgericht hat im Rahmen seiner (hilfsweisen) Erwägungen zur Gefährlichkeitsprognose gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB und zur Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB sowie bei Ablehnung der Anordnung eines Berufsverbots unter anderem auf die Wirkungen der verhängten langjährigen Haftstrafe abgestellt. Damit hat es Strafhöhe und Maßregelanordnung, zwischen denen in der Regel keine Wechselwirkung besteht (vgl. BGH, Urteile vom 8. August 2017 - 5 StR 99/17, NStZRR 2017, 310; vom 1. Juli 2008 - 1 StR 183/08 jeweils mwN), in einen inneren Zusammenhang gesetzt, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. BGH, Urteile vom 26. Mai 2020 - 1 StR 538/19, NStZ-RR 2020, 308, 309; vom 11. Juli 2013 - 3 StR 148/13; vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10; vom 4. September 2008 - 5 StR 101/08).

2. In der Sache beanstandet die Staatsanwaltschaft zu Recht die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB oder deren Vorbehalts gemäß § 66a Abs.1 und 2 StGB. Dies hat der Senat schon auf die Sachrüge hin zu berücksichtigen. Auf die mit der gleichen Zielrichtung erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.

a) Zutreffend hat das Landgericht die formellen Voraussetzungen für die fakultative Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB bejaht. Der Angeklagte wurde wegen Taten der in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB bezeichneten Art in 51 Fällen jeweils zu Freiheitsstrafen von über zwei Jahren verurteilt.

b) Die Begründung, mit der es einen Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB (oder die Wahrscheinlichkeit eines solchen im Sinne des § 66a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 StGB) verneint hat, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

aa) Das Landgericht hat seiner Begründung zwar den zutreffenden rechtlichen Maßstab vorangestellt.

Demzufolge bezeichnet der Hang einen eingeschliffenen inneren Zustand, der den Täter immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Ein Hang liegt danach bei demjenigen vor, der dauerhaft zur Begehung von Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2020 - 1 StR 502/19 Rn. 24; Beschlüsse vom 25. September 2018 - 4 StR 192/18; vom 24. Mai 2017 - 1 StR 598/16, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 15). Das Vorliegen eines solchen Hangs hat der Tatrichter unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände darzulegen. Diese Würdigung bedarf in den Fällen von § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB, bei denen Vortaten und Vorverbüßungen fehlen, besonderer Sorgfalt (vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 2022 - 4 StR 75/22, NStZ-RR 2023, 42 f.; vom 29. November 2018 - 3 StR 300/18, NStZ-RR 2019, 140 f.).

bb) Diesen Maßgaben ist die Strafkammer aber nicht gerecht geworden, weil ihre Prüfung des Hangs teils auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht und die erforderliche Gesamtwürdigung Lücken aufweist.

(1) Die Strafkammer hat den für einen Hang sprechenden Umständen, wie dem Tatbild, der hohen Zahl schwerwiegender Sexualstraftaten zum Nachteil mehrerer Geschädigter über einen Zeitraum von gut zwei Jahren in teils dichter Folge unter Missachtung der „normalerweise gegebenen Hemmschwelle“ gegenüber hilflosen Personen und der aktiven, planvollen Inszenierung der Taten, aus ihrer Sicht „gewichtige“ gegenläufige Faktoren entgegengesetzt. Unter anderem hat sie hierbei hervorgehoben, dass der Angeklagte keinen Aufwand habe entfalten müssen, weil sich die Tatgelegenheiten an seinem Arbeitsplatz ergaben, teilweise im Zusammenhang mit den zu verrichtenden Pflegeleistungen standen, er die Gegenstände zur Penetration in der Küche vorfand und für die Film- und Fotoaufnahmen sein ohnehin mitgeführtes Handy nutzen konnte. Ferner hätte die Tatbegehung keine Risikobereitschaft erfordert, da er eine Entdeckung nicht habe fürchten müssen.

Weshalb es gegen das Vorliegen eines Hangs sprechen soll, dass ein Täter seine Taten lediglich bei günstiger Gelegenheit begeht, erschließt sich nicht. Denn Hangtäter ist - wie das Landgericht in seinen eigenen Obersätzen zutreffend ausgeführt hat - auch derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 - 4 StR 75/22, NStZ-RR 2023, 42 f.). Die Entfaltung eines besonderen Aufwands, das Überwinden von Hindernissen oder eine Risikobereitschaft sind mithin gerade keine Voraussetzungen eines Hangs.

(2) Die erforderliche Gesamtwürdigung (vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 2022 - 4 StR 75/22, NStZ-RR 2023, 42 f.; vom 29. November 2018 - 3 StR 300/18, NStZ-RR 2019, 140 f.) erweist sich als lückenhaft.

(a) Die Strafkammer hat ihren Blick verengt, indem sie ihren Fokus auf die vom Sachverständigen diagnostizierte sexuelle Orientierung des Angeklagten gerichtet und andere - von ihr festgestellte - potentiell für einen Hang sprechende Umstände bei der Gesamtwürdigung ausgeblendet hat.

Dem Sachverständigen folgend hat sie das verbindende Motiv aller Taten (nur) darin erkannt, dass der Angeklagte auf der Suche nach Selbstbestätigung und Vergewisserung über seine sexuelle Identität Erfahrungen habe sammeln und mit verschiedenen sexuellen Praktiken experimentieren wollen. Die bei Tatbegehung vorhandene „Experimentierspannung“ liege nicht mehr vor. Seine Vorstellung, durch sexuelle Handlungen an Erwachsenen eine entsprechende Präferenz bei sich entdecken oder wecken zu können, sei durch die Taten widerlegt worden. Er beginne zu akzeptieren, dass seine sexuelle Neigung ausschließlicher Natur sei, auch wenn sein Erkenntnisprozess insoweit noch nicht abgeschlossen und eine therapeutische Behandlung dringend erforderlich sei.

An dieser Stelle hat das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass die Tathandlungen - zumindest auch - dem Frustabbau gedient haben könnten. Denn der Angeklagte war im besonders anstrengenden Früh- und Spätdienst in einer regelmäßig unterbesetzten Wohngruppe der Pflegeeinrichtung, deren Bewohner einen außerordentlich hohen Pflegeaufwand erforderten, bei gleichzeitig geringer bis nicht vorhandener Kommunikation eingesetzt. Auslöser der Tatserie ab Februar 2021 war ein Zerwürfnis mit einem Freund und Arbeitskollegen und die in der Folge empfundene Ausgrenzung innerhalb des Pflegeteams, was den Angeklagten seiner Arbeit weiter entfremdet und sonst vorhandene Hemmschwellen zeitweise beinahe völlig beseitigt habe.

Zudem hat das Landgericht unerörtert gelassen, dass die frühere Freundschaft des Angeklagten mit dem Arbeitskollegen schon vor den Taten zu einer Verrohung gegenüber den zu pflegenden Bewohnern geführt und damit die Hemmschwelle zur Tatbegehung herabgesetzt habe. Gleiches gilt für die Feststellung, dass der Angeklagte die Taten auch beging, weil er nach Auffassung des Sachverständigen den schwer behinderten Geschädigten gegenüber eine geringere Wertschätzung entgegenbrachte, als der von ihm idealisierten Altersgruppe der Kinder. Einen Anhalt dafür könnten auch die demütigenden Filmaufnahmen der pflegebedürftigen Opfer bieten. Wie diese Feststellungen mit der sachverständigen Einschätzung, beim Angeklagten seien keine antisozialen Denkstile zu finden, in Einklang zu bringen ist, wird nicht nachvollziehbar dargestellt.

(b) Nicht eingestellt in seine Gesamtwürdigung hat das Landgericht darüber hinaus Besonderheiten in der Persönlichkeit des Angeklagten. Nach den Feststellungen verbrachte er weite Teile seiner Freizeit im Internet, um sich dort mit Dritten über sexuelle Themen auszutauschen, wobei nach Einschätzung des Sachverständigen die Onlinepräsenz für ihn „identitätsstiftend“ gewesen sei. Hinzu kommen die vor seinen Eltern schließlich verheimlichte Spielsucht, die damit zusammenhängenden finanziellen Probleme, sein unkontrolliertes Essverhalten, sein Gefühl, im Beruf von den Kollegen gemobbt zu werden.

(c) Soweit das Landgericht gegen einen Hang sprechende Aspekte, wie seine Herkunft aus geordneten Familienverhältnissen, die Fürsorge seiner Eltern und seine gesellschaftliche Verankerung in Familie, Freundeskreis, Freizeitaktivitäten und Beruf angeführt hat, hat es sich nicht damit auseinandergesetzt, dass diese Faktoren schon vor der Begehung der Taten wirksam waren.

cc) Die aufgezeigten Rechtsfehler bei der Prüfung des Hangs entziehen den Hilfserwägungen zur Gefährlichkeitsprognose gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB und zur Ermessensausübung gemäß § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB die Grundlage.

3. Die Entscheidung des Landgerichts, kein Berufsverbot anzuordnen (§ 70 StGB), weil die Gesamtwürdigung des Angeklagten und seiner Taten nicht die Gefahr erkennen lasse, dass er bei weiterer Ausübung seines Berufs erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art unter Missbrauch seines Berufs begehen werde, kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil sich das Landgericht insoweit maßgeblich von den bereits bei der Prüfung der Anordnung der Sicherungsverwahrung berücksichtigten Aspekten hat leiten lassen.

4. Um dem neuen Tatgericht - unter naheliegender Heranziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen - eine umfassende Prüfung der Maßregelanordnungen (§ 66 Abs. 2 und 3, § 66a Abs. 1 und 2, § 70 StGB) zu ermöglichen, hebt der Senat die hierzu getroffenen Feststellungen insgesamt auf. Dies beinhaltet die Feststellungen zu den Tatmotiven.

5. Die gebotene Aufhebung des Urteils im tenorierten Umfang führt wegen des dargestellten untrennbaren Zusammenhangs - allein zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - zur Aufhebung der verhängten Einzelfreiheitsstrafen und des Gesamtstrafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen, um dem neuen Tatgericht eine widerspruchsfreie Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1079

Bearbeiter: Christian Becker