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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 562

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 201/24, Beschluss v. 15.01.2025, HRRS 2025 Nr. 562


BGH 4 StR 201/24 - Beschluss vom 15. Januar 2025 (LG Arnsberg)

Sichverschaffen kinderpornographischer Inhalte (Anwendung des falschen Strafrahmens: Meistbegünstigungsprinzip, tateinheitliche Verurteilung wegen schwererer Tat, Gesamtstrafenausspruch).

§ 2 Abs. 3 StGB; § 21 StGB; § 49 Abs. 1 StGB; § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB; § 54 StGB; § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB; § 184b Abs. 3 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 15. Februar 2024 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil im Strafausspruch dahin geändert, dass für die Taten in den Fällen II. 11, II. 12, II. 14 und II. 18 der Urteilsgründe jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Monat festgesetzt wird.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in zehn Fällen, davon in sieben Fällen tateinheitlich mit Sichverschaffen kinderpornographischer Inhalte (Fälle II. 2, II. 3, II. 6 bis II. 10 der Urteilsgründe), wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Inhalte in fünf Fällen (Fälle II. 11 bis 14 und Fall II. 18 der Urteilsgründe), davon in drei Fällen (II. 11, II. 12 und II. 18 der Urteilsgründe) tateinheitlich mit Verbreitung pornographischer Inhalte und in einem Fall (II. 13 der Urteilsgründe) „außerdem“ tateinheitlich mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind, ferner wegen Sichverschaffens jugendpornographischer Inhalte in drei Fällen und Verbreitung pornographischer Inhalte in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen ein, soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind verurteilt worden ist.

2. Der Strafausspruch ist in Teilen rechtsfehlerhaft und war daher teilweise abzuändern.

a) Soweit die Strafkammer in den Fällen II. 11, II. 12, II. 14 und II. 18 der Urteilsgründe - unter Beachtung von § 47 Abs. 1 StGB - Einzelfreiheitsstrafen von jeweils fünf Monaten verhängt hat, können diese Strafaussprüche nicht bestehen bleiben.

Die Strafkammer hat diese Taten jeweils als ein Sichverschaffen kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 3 StGB gewertet. In den Fällen II. 11, II. 14 und II. 18 der Urteilsgründe ist sie zudem von einer hierzu in Tateinheit stehenden Verbreitung pornographischer Inhalte gemäß § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausgegangen. Der Bestimmung der Einzelstrafen hat sie dann aber nicht den Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB in der im Tatzeitraum geltenden Fassung (ein Jahr bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe), sondern den Strafrahmen des § 184b Abs. 1 StGB aF (ein Jahr bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) zugrunde gelegt und diesen sodann unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB gemildert.

Dies hat zu einer Beschwer des Angeklagten geführt. Zwar sah § 184b Abs. 3 StGB in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung dieselbe Mindeststrafe vor, wie der zur Anwendung gelangte § 184b Abs. 1 StGB aF. Nach der Verkündung des angefochtenen Urteils wurde § 184b Abs. 3 StGB aber durch das am 28. Juni 2024 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Strafgesetzbuches vom 24. Juni 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 213) neu gefasst und die Mindeststrafe von einem Jahr auf drei Monate Freiheitsstrafe herabgesetzt. Die Strafrahmenobergrenze von fünf Jahren blieb unverändert. Dies hat der Senat unter den hier gegebenen konkreten Umständen gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO im Revisionsverfahren zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2024 - 5 StR 591/24 Rn. 2; Beschluss vom 6. November 2024 - 4 StR 436/24 Rn. 2; Beschluss vom 24. Juli 2024 - 1 StR 245/24 Rn. 9; Beschluss vom 11. Juli 2024 - 6 StR 298/24 Rn. 4; Beschluss vom 24. Juli 2024 - 1 StR 278/24 Rn. 3). Denn nunmehr weist § 184b Abs. 3 StGB - jedenfalls in der gesetzlichen Neufassung - sowohl in der Unter- als auch in der Obergrenze einen für den Angeklagten günstigeren Strafrahmen als der von der Strafkammer in Anwendung gebrachte § 184b Abs. 1 StGB aF auf. Bei einer Milderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wären die Einzelstrafen danach in den Fällen II. 11, II. 12, II. 14 und II. 18 der Urteilsgründe einem Strafrahmen von einem Monat bis zu drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe zu entnehmen gewesen.

Um jede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, setzt der Senat aus Gründen der Prozessökonomie die Einzelfreiheitsstrafen in diesen Fällen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf das gesetzliche Mindestmaß von jeweils einem Monat fest (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 - 6 StR 24/24 Rn. 7; Beschluss vom 5. März 2024 - 6 StR 45/24 Rn. 8; Beschluss vom 27. September 2023 - 5 StR 320/23 Rn. 3; Beschluss vom 15. März 2022 - 4 StR 10/22 Rn. 5).

b) In den Fällen II. 2, II. 3, II. 6 bis II. 10 der Urteilsgründe haben die Einzelstrafaussprüche hingegen Bestand. Diese Taten hat die Strafkammer zutreffend als Sichverschaffen kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 3 StGB in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt gemäß § 176a Abs. 1 Nr. 3 StGB bewertet. Zwar hat das Landgericht auch insoweit § 184b Abs. 1 StGB und nicht § 184b Abs. 3 StGB (in der Tatzeitfassung) in Anwendung gebracht. Die nachträgliche Herabsetzung der Mindeststrafe des § 184b Abs. 3 StGB wirkt sich gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB aber nicht aus, weil die Strafe nunmehr dem Strafrahmen des § 176a Abs. 1 StGB zu entnehmen ist, dessen Grundstrafrahmen eine Strafdrohung von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht. Unter der auch hier vorzunehmenden einfachen Milderung in Anwendung der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB sieht der zugrunde zu legende Strafrahmen danach die Verhängung von Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu sieben Jahren und sechs Monaten vor. Dies entspricht im Höchstmaß dem rechtsirrig von der Strafkammer zur Anwendung gebrachten einfach gemilderten Strafrahmen des § 184b Abs. 1 StGB aF. Im Mindestmaß sah dieser zwar eine Strafdrohung von drei Monaten - statt einem Monat - Freiheitsstrafe vor. Im Zuge ihrer für sich genommen rechtsfehlerfreien Strafzumessungserwägungen und vermöge der für diese Fälle verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr hat sich die Strafkammer aber signifikant von der Strafrahmenuntergrenze gelöst. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer, hätte sie sogleich den Strafrahmen des § 176a Abs. 1 StGB zur Anwendung gebracht, auf niedrigere Einzelfreiheitsstrafen erkannt hätte.

3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit die Strafkammer bei der Strafrahmenwahl zu den Taten II. 15 bis II. 17 der Urteilsgründe, die das Sichverschaffen jugendpornographischer Inhalte betreffen, statt des Strafrahmens des § 184c Abs. 3 StGB (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) im Erstzugriff rechtsirrig auf den Strafrahmen des § 184c Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren) zurückzugreifen scheint, ergibt die Zusammenschau mit der darauffolgenden, ausdrücklichen Berufung auf den angewandten Strafrahmen des § 184c Abs. 3 StGB und dem zutreffenden Schuldspruch, dass das Anführen des § 184c Abs. 1 StGB auf einem Redaktionsversehen beruht.

4. Die Verfahrenseinstellung im Fall II. 1 der Urteilsgründe - mit der Folge des Fortfalls der hierfür verhängten Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten - und die Herabsetzung der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II. 11, II. 12, II. 14 und II. 18 der Urteilsgründe von jeweils fünf Monaten auf einen Monat Freiheitsstrafe berühren den Gesamtstrafenausspruch nicht. Der Senat kann mit Blick auf die fortbestehende Einsatzstrafe von einem Jahr und drei Monaten (Fall II. 3 der Urteilsgründe) und die - über die genannten hinaus - weiteren 16 Freiheitsstrafen, davon sieben über jeweils ein Jahr, ausschließen, dass das Landgericht eine mildere Gesamtstrafe verhängt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2024 - 6 StR 462/24 Rn. 6).

5. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 562

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede