HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 726
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 24/24, Beschluss v. 18.04.2024, HRRS 2024 Nr. 726
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 30. August 2023 dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II.1b der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Cannabis zu einer Geldstrafe von fünf Tagessätzen à zehn Euro festgesetzt wird.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung, wegen Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, sowie wegen unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die auf die Sachrüge hin veranlasste umfassende Überprüfung führt zu einer Änderung des Schuldspruchs in Fall II.1b der Urteilsgründe.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts portionierte der Angeklagte in seiner Wohnung am Tattag 15 Gramm Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Zugleich bewahrte er weitere 16 Gramm Marihuana für den Eigenkonsum auf.
b) Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit nach dem zur Zeit seiner Entscheidung geltenden Recht rechtsfehlerfrei wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 BtMG, § 52 Abs. 1 StGB). Allerdings ist in der Zwischenzeit das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom 27. März 2024 (BGBl. I Nr. 109; Konsumcannabisgesetz - KCanG) am 1. April 2024 in Kraft getreten. Dies ist vom Revisionsgericht bei der Überprüfung des Strafausspruchs nach § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen.
aa) Die Maßgaben des Konsumcannabisgesetzes erweisen sich bei der nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Betrachtung (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1964 - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75) als milderes Gesetz. Mit der Gesetzesänderung wurde Cannabis, so wie es in den Anlagen des BtMG definiert war, aus diesen entnommen und in das neue KCanG überführt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 130). Für cannabisbezogene Handlungen finden nicht mehr die Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG, sondern die in § 34 KCanG geregelten geringeren Strafrahmen Anwendung (vgl. BT-Drucks. aaO). Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum ist nach § 3 KCanG erlaubt.
bb) Der Angeklagte hat sich deshalb in Fall II.1b der Urteilsgründe allein nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG strafbar gemacht. Bei Marihuana handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des KCanG als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 KCanG). Die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes hat zu entfallen, weil die Menge den Grenzwert aus § 3 Abs. 1 KCanG nicht überstieg. Derhalben ist der Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen. Der Senat schließt aus, dass sich der Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der für Fall II.1b der Urteilsgründe verhängten Strafe nach sich. Um jede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, setzt der Senat aus Gründen der Prozessökonomie diese entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf das gesetzliche Mindestmaß von fünf Tagessätzen (§ 40 Abs. 1 StGB) und die Tagessatzhöhe - entsprechend den übrigen verhängten Geldstrafen - auf zehn Euro fest.
3. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat Bestand. Eingedenk der hohen Einsatzstrafe von drei Jahren sowie der weiteren Strafen lässt die Herabsetzung der Strafe im Fall II.1b die Gesamtfreiheitsstrafe unberührt (§ 337 Abs. 1 StPO).
4. Angesichts des lediglich geringen Erfolges der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 726
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede