HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 706
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 442/18, Urteil v. 25.04.2019, HRRS 2019 Nr. 706
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. Februar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbenannte Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm für die Dauer von vier Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Nach dem Ende eines Hoffests in Kr. am 7. September 2015 setzte sich der Angeklagte um 0.25 Uhr ans Steuer seines Pkw Mercedes Benz, um nach Hause zu fahren, obgleich er zu diesem Zeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,91 Promille und höchstens 1,23 Promille aufwies. Seine Freunde M. und H. nahmen auf dem Beifahrersitz und im Fond Platz. Der Angeklagte beabsichtigte, einen nahen Verkehrskreisel zu durchfahren, um sodann in der Gegenrichtung den Heimweg antreten zu können. Zu diesem Zeitpunkt kamen immer wieder Taxis, um wartende Festbesucher aufzunehmen. Die später getötete Th. und ihr Verlobter K., die ebenfalls das Hoffest besucht hatten, standen in diesem Moment am Eingang des Verkehrskreisels im Bereich eines mit Zebrastreifen versehenen Fußgängerüberweges ein Stück weit in der Fahrbahn, um ein Taxi anhalten zu können. Als sich der Angeklagte mit seinem Pkw dem Pärchen näherte, bedeutete ihm K. mit einer Armbewegung, dass er um ihn und seine Partnerin herumfahren solle, was dem Angeklagten unter teilweiser Benutzung der Gegenfahrbahn auch möglich gewesen wäre.
Der Angeklagte verstand diese Geste nicht ausschließbar dahingehend, dass er anhalten solle, und stoppte sein Fahrzeug. Die Fahrzeugfront befand sich zu diesem Zeitpunkt zwischen eineinhalb und zwei Meter von Th. und K. entfernt. Als Th. und K. stehen blieben, reagierte der Angeklagte gereizt und ließ sein Fahrzeug langsam vorrollen. Unmittelbar vor Th. und K. stoppte er erneut ab, wobei die Fahrzeugfront jetzt die Beine von K. berührte, was der Angeklagte jedoch nicht wahrnahm. Dadurch wollte der Angeklagte Th. und K. dazu bewegen, zur Seite zu gehen. Beide blieben jedoch eng umschlungen mittig vor dem Fahrzeug stehen, während M. und H. den Angeklagten aufforderten, sich zu beruhigen und „mit sowas“ aufzuhören.
Der Angeklagte fuhr nun „mit normaler Startgeschwindigkeit“ an und erfasste das Paar. Dies hatte er auch so vorausgesehen, wobei er davon ausging, dass sich beide als Folge des Zusammenstoßes mit dem Fahrzeug auch schwer verletzen könnten. Damit fand er sich ab. Ihm war auch bewusst, dass aus dem Zusammenstoß auch tödliche Folgen resultieren konnten, vertraute jedoch darauf, dass dies nicht geschehen würde.
K. wurde durch den Anstoß nach links abgewiesen und kam auf der Fahrbahn zu liegen. Th. wurde auf die Motorhaube aufgeladen und saß etwa mittig auf der Haube mit dem Rücken zur Frontscheibe. Sie versuchte, sich mit den Händen neben dem Körper abstützend auf dem Fahrzeug zu halten. Der Angeklagte erkannte dies, fuhr gleichwohl in den Kreisel ein und durchfuhr ihn sodann, wobei er auf eine Geschwindigkeit von höchstens 25 km/h beschleunigte. Nach einer Fahrstrecke von ca. 30 Metern - einer Viertel Umrundung des Kreisels - und einer Fahrzeit von mindestens fünf und maximal sieben Sekunden konnte sich die laut schreiende Geschädigte nicht mehr halten, rutschte von der Motorhaube herunter und kam vor dem Fahrzeug auf der Fahrbahn zu liegen. Sie gelangte sofort unter das bis dahin in gleicher Geschwindigkeit fahrende Fahrzeug, das dadurch eine wippende Auf- und Abbewegung machte.
Zwar bemerkte der Angeklagte diese Bewegung, ging aber davon aus, dass Th. nach rechts von der Motorhaube heruntergerutscht und ohne tödliche Verletzungen zu Boden gefallen war. Weil er die Wippbewegung wahrgenommen hatte, nahm er an, dass sie dabei mit seinem Fahrzeug jedenfalls in Berührung gekommen war. Trotzdem ging er nicht davon aus, dass sich die Geschädigte hierdurch tödlich verletzt haben könnte. Er erkannte jedoch, dass Th. in einer solchen Situation auf vielfältige Art (sofortiges Überfahren, Hängenbleiben an oder unter dem Fahrzeug und anschließende Weiterfahrt) zu Tode kommen könnte. Seine Mitfahrer forderten ihn zum sofortigen Anhalten auf und warfen ihm vor, die Frau angefahren oder überfahren zu haben.
Der Angeklagte fuhr dennoch, ohne zu bremsen oder seine Fahrt zu verlangsamen, weiter durch den Kreisel. Die Anhalteaufforderungen und Schreie seiner Mitfahrer hielt er für Unfug. Danach beschleunigte er auf eine Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h. Als er eine Bewegung im Lenkrad bemerkte, hielt er an. Die gesamte von ihm ab der Anstoßstelle am Eingang des Kreisels in etwa 30 bis 40 Sekunden zurückgelegte Fahrstrecke belief sich auf etwa 400 Meter. Th. war nach dem Absturz von der Motorhaube unter das Fahrzeug geraten und die gesamte weitere Fahrstrecke über mitgeschleift worden. Sie erstickte infolge einer durch den Fahrzeugboden ausgelösten Brustkorbkompression.
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) zum Nachteil von Th., vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zum Nachteil von K. und vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB) gewertet.
Einen (versuchten) Totschlag gemäß § 212 Abs. 1 StGB hat es sowohl in Bezug auf Th. als auch hinsichtlich K. verneint. Eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zum Nachteil des Nebenklägers K. hat es ebenso abgelehnt wie den Qualifikationstatbestand des § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a und Nr. 2 StGB.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Ablehnung eines bedingten Tötungsvorsatzes in Bezug auf die Getötete Th. und die Nichtannahme einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB zum Nachteil des Nebenklägers K. halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Schließlich hat das Landgericht auch den Qualifikationstatbestand des § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB rechtsfehlerhaft verneint.
1. Soweit die Strafkammer hinsichtlich der Herbeiführung des Todes von Th. lediglich ein bewusst fahrlässiges Handeln angenommen und einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, genügen die Urteilsgründe nicht den Anforderungen, die unter den hier gegebenen Umständen an die Begründung der inneren Tatseite zu stellen sind.
a) Die Strafkammer hat ihre Annahme, der Angeklagte habe weder in dem Moment, als er am Fußgängerüberweg anfuhr, „noch im weiteren Verlauf der Tat“ mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, auf die folgenden Erwägungen gestützt:
Es sei nicht erwiesen, dass der Angeklagte das Mitschleifen von Th. unter seinem Fahrzeug während der Fahrt wahrgenommen habe. Für die Annahme des Willenselementes spreche zwar, dass er von seiner Persönlichkeit her zu Aggressivität im Straßenverkehr neige und die Aufforderungen seiner Mitfahrer ignoriert habe. Auch habe er seine Weiterfahrt fortgesetzt, nachdem er bemerkt habe, dass Th. von der Motorhaube gerutscht sei und sein Fahrzeug eine Wippbewegung vollzogen habe. Dies sei ein Indiz dafür, dass ihm das weitere Schicksal des Opfers „einerlei“ gewesen sei und er sich auch mit dessen Tod abgefunden habe. Gegen die Annahme des Willenselementes spreche aber, dass der Angeklagte die Geschädigten ohne Anfahrtstrecke aus dem Stand angefahren und sodann - bis zum Abrutschen von Th. - sein Fahrzeug nur auf höchstens 25 km/h beschleunigt habe, der Nebenkläger K. bei der Kollision zur Seite abgewiesen worden sei und keine tödlichen Verletzungen erlitten habe, dem Angeklagten Delikte gegen die körperliche Integrität oder gar das Leben anderer Menschen wesensfremd seien, ein Tötungsmotiv nicht sicher habe festgestellt werden können, der Tatentschluss spontan gefasst worden sei, die Tat in Anwesenheit vieler neutraler Zeugen begangen worden sei und der Angeklagte danach panisch aufgeregt gewirkt habe. Bei einer „gewichtenden Würdigung“ dieser Umstände blieben erhebliche Restzweifel daran, dass der Angeklagte den Tod von Th. billigend in Kauf genommen oder sich mit ihm abgefunden habe.
b) Diese Erwägungen sind lückenhaft, weil sie die festgestellten objektiven Tatumstände und das damit einhergehende Verhalten des Angeklagten nicht in ihrer Gesamtheit in den Blick nehmen und unter dem Gesichtspunkt der Gleichgültigkeit gegenüber dem als möglich erkannten Todeseintritt einer Gesamtwürdigung unterziehen. Auch werden einzelne vorsatzkritische Umstände nicht erschöpfend erörtert.
aa) Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und auf deren Ausbleiben vertraut, während der bedingt vorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des schädlichen Erfolges um des erstrebten Zieles willen billigend in Kauf nimmt oder sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (vgl. nur BGH, Urteil vom 1. März 2018 - 4 StR 399/17, NJW 2018, 1621, 1622 f.; Urteil vom 14. Januar 2016 - 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80, jeweils mwN). Dabei kann schon eine Gleichgültigkeit gegenüber dem zwar nicht angestrebten, wohl aber hingenommenen Tod des Opfers die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes rechtfertigen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 1 StR 248/16, NStZ 2017, 25, 26; Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 131/60, NJW 1960, 1821, 1822, weitere Nachweise bei Schneider in MünchKomm. z. StGB, 3. Aufl., § 212 Rn. 73). Dazu ist eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2016 - 5 StR 498/15, NStZ-RR 2016, 204 f. mwN).
bb) Danach hätte sich das Landgericht auf der Grundlage einer zusammenfassenden Würdigung des Verhaltens des Angeklagten und der von ihm wahrgenommenen Tatumstände mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob ihm der als möglich erkannte Eintritt des Todes von Th. gleichgültig war.
Der Angeklagte hat das Geschehen durch ein bewusstes Anfahren des Nebenklägers und der später Getöteten Th. eingeleitet, wobei er schon an dieser Stelle in Kauf nahm, dass sich beide als Folge des Zusammenstoßes mit seinem Fahrzeug auch schwer verletzen könnten. Bereits zu diesem Zeitpunkt war er von seinen Mitfahrern dazu aufgefordert worden, jede weitere Eskalation zu unterlassen. Nachdem er Th. infolge des von ihm herbeigeführten Anstoßes aufgeladen hatte, fuhr er, ohne seine Fahrt zu verlangsamen, weiter und beschleunigte im Anschluss an ihren Absturz sein Fahrzeug zuletzt auf 40 bis 50 km/h. Mit dieser Geschwindigkeit setzte er seine Fahrt auch noch fort, obgleich er erkannt hatte, dass Th. beim Absturz mit seinem Fahrzeug in Berührung gekommen war und in einer solchen Situation auf vielfältige Art und Weise zu Tode kommen konnte. Unmittelbar nach dem Absturz des Tatopfers nahm er die Wippbewegung seines Fahrzeugs wahr, die auch aus Sicht des Angeklagten nicht durch einen Anstoß an den Bordstein erklärbar war. Zudem wurde er von seinen Mitfahrern weiterhin und mit zunehmender Intensität (Schreie) zum Anhalten aufgefordert, weil er die Frau angefahren oder überfahren habe. Dieses durch eine fortschreitende Risikoverschärfung einerseits und ein gleichbleibendes Ignorieren immer intensiver werdender Warnungen andererseits gekennzeichnete Verhalten hat die Strafkammer nicht in seiner Gesamtheit in den Blick genommen und bewertet. Dabei hätte insbesondere erörtert werden müssen, ob darin in der Gesamtschau eine Haltung zum Ausdruck gekommen ist, die durch eine Gleichgültigkeit gegenüber dem als möglich erkannten Tod der Geschädigten gekennzeichnet ist. Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass die Weiterfahrt des Angeklagten nach dem Abrutschen von Th. darauf hindeute, dass ihm ihr Schicksal „einerlei“ gewesen sei, greift dies unter den hier gegebenen Umständen zu kurz, weil damit nur ein Teilaspekt des Tatgeschehens erfasst wird.
cc) Auch werden mehrere von der Strafkammer herangezogene vorsatzkritische Umstände nicht erschöpfend erörtert.
(1) Soweit die Strafkammer darauf abgehoben hat, dass sich ein Tötungsmotiv nicht habe feststellen lassen, hat sie zutreffend erkannt, dass dies der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes für sich genommen nicht entgegensteht, weil mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter kein Tötungsmotiv haben und es stattdessen auf die Stärke des anderweitigen Handlungsantriebes ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 149; Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 445). Dabei hat sie jedoch nur einen Bezug zu der ersten Tatphase (Anfahren der dem Angeklagten unbekannten Geschädigten auf dem Zebrastreifen) und deren Vorgeschichte hergestellt und darauf verwiesen, dass der Angeklagte die Geschädigten nicht gekannt habe und das Fest friedlich verlaufen sei. Dass aufgrund der dramatischen Entwicklung in den sich anschließenden Tatphasen gewichtige weitere Tatimpulse (Flucht, Angst vor den Folgen oder Übergriffen umstehender Personen nach dem Anfahren von Th. und dem Nebenkläger etc.) entstanden sein und die Inkaufnahme schwerster Folgen bedingt haben könnten, ist unerörtert geblieben, obwohl sich dies hier nach den Umständen aufgedrängt hat.
(2) Schließlich hat das Landgericht die „panische Aufregung“ des Angeklagten bei seinem Notruf nach dem Geschehen als weiteren vorsatzkritischen Gesichtspunkt in die Abwägung eingestellt, ohne zu erörtern, ob dieser Umstand nicht auch von der Sorge um das eigene Wohl geleitet gewesen sein konnte und deshalb keinen Rückschluss auf seine innere Haltung in den Tatsituationen zuließ (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444 mwN). Nach den Feststellungen war der Angeklagte zuvor um sein Fahrzeug herumgegangen und hatte die Beine der Geschädigten aus dem Radkasten herausragen sehen. Bei seinem anschließenden Notruf gab er einen unzutreffenden, ihn entlastenden Tatablauf an (eine Person sei vor sein Auto gelaufen etc.). Danach liegt es nahe, dass seine „Panik“ eher der unmittelbaren Wahrnehmung der dramatischen Tatfolgen und einem dadurch hervorgerufenen Ernüchterungseffekt geschuldet war.
2. Die unterbliebene Prüfung einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zum Nachteil des Nebenklägers K. und die Ablehnung einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB halten revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
a) Eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB liegt vor, wenn der Täter in einer Weise vorgeht, die nach den Umständen des Einzelfalls (generell) geeignet ist, das Leben zu gefährden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 4 StR 123/06, NStZ 2007, 34, 35, weitere Nachweise bei Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 224 Rn. 12) und er die Umstände kennt, aus denen sich die Lebensgefährlichkeit seines Tuns in der konkreten Situation ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 - 3 StR 190/08, NStZ 2009, 92, 93). Danach hätte das Landgericht hier in eine Prüfung der Voraussetzungen einer gefährlichen Körperverletzung in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB eintreten müssen. Denn nach den Feststellungen wurde der Nebenkläger von dem Angeklagten in einer Weise angefahren, dass sogar tödliche Verletzungen möglich waren (UA 44/45). Auch nahm er dabei an, dass aus dem Zusammenstoß tödliche Folgen resultieren könnten.
b) Eine gefährliche Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) begeht, wer seinem Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eine Körperverletzung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB beibringt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2012 - 4 StR 30/12, NStZ 2012, 697, 698 mwN). Ein fahrendes Kraftfahrzeug, das zur Verletzung einer Person eingesetzt wird, ist in der Regel als ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - 4 StR 266/11, Rn. 5; Beschluss vom 16. Januar 2007 - 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405). Wird eine Person durch ein gezieltes Anfahren zu Fall gebracht, kann darin eine gefährliche Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegen, wenn bereits durch den Anstoß eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine körperliche Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB ausgelöst worden ist.
Das Landgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass danach erst durch den Sturz des Nebenklägers verursachte Verletzungen den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht erfüllen können (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - 4 StR 266/11, Rn. 5; Beschluss vom 16. Januar 2007 - 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405). Es hätte aber auch prüfen müssen, ob nicht bereits durch den Anstoß des Fahrzeugs eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens des Nebenklägers ausgelöst wurde, die den objektiven Tatbestand einer körperlichen Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB erfüllte.
3. Schließlich hat das Landgericht auch die Voraussetzungen des § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB rechtsfehlerhaft für nicht gegeben erachtet.
Für die nach § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB erforderliche Absicht reicht es aus, dass der Täter einen Unglücksfall durch einen verkehrsfremden (verkehrsfeindlichen) Eingriff gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 - 4 StR 25/01, NStZ-RR 2001, 298, 299; Ernemann in SSW-StGB, 4. Aufl., § 315 Rn. 16 mwN). Dies ist hier der Fall, denn der Angeklagte fuhr nach den Feststellungen auf die mittig vor seinem Fahrzeug stehenden Geschädigten zu, wobei er davon ausging, dass diese sicher von seinem Fahrzeug erfasst würden.
4. Im Übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
a) Soweit das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz in Bezug auf den Nebenkläger K. in der ersten Tatphase verneint hat, zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37, 38 f.).
b) Die Verneinung der Qualifikation des § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung stand. Dass es bei der Geschädigten zwischen dem mit dem Anfahren beginnenden gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB und dem Todeseintritt durch Ersticken infolge einer Brustkorbkompression zu einer schweren Gesundheitsschädigung mit eigenständiger Bedeutung (vgl. dazu König in Leipziger Kommentar z. StGB, 12. Aufl., § 315 Rn. 120; Ernemann in SSW-StGB, 4. Aufl., § 315 Rn. 18) kam, ergeben die Feststellungen nicht. Die Verursachung des Todes ist im Gegensatz zu den vergleichbaren Regelungen in § 306b Abs. 1 i.V.m. § 306c, § 308 Abs. 2 und 3, § 309 Abs. 3 und 4, § 312 Abs. 3 und 4, § 318 Abs. 3 und 4 StGB nicht tatbestandsmäßig (vgl. König in Leipziger Kommentar z. StGB, 12. Aufl., § 315 Rn. 122; Ernemann in SSW-StGB, 4. Aufl., § 315 Rn. 18; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 315 Rn. 24; Zieschang in NK-StGB, 5. Aufl. § 315 Rn. 67).
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass es bei der Erörterung eines bedingten Tötungsvorsatzes auch angezeigt sein kann, gegebenenfalls in Bezug auf alle drei Tatphasen (Anfahren des Nebenklägers und der später getöteten Th. auf dem Zebrastreifen, Weiterfahrt mit der aufgeladenen Th. durch den Kreisel, Weiterfahrt nach dem Abwurf und Mitschleifen von Th.) im Einzelnen zu erörtern, von welchen Risiken der Angeklagte für das Leben der Geschädigten jeweils ausging.
Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten in seine Bewertung eingestellt, dass es ihm in jedem Fall möglich und zumutbar gewesen wäre, auf die Freigabe der Fahrbahn in anderer Weise hinzuwirken. Seine Entscheidung, stattdessen in dem sicheren Wissen loszufahren, dass er die Geschädigten erfassen werde, offenbare eine besonders verkehrswidrige Gesinnung.
2. Diese Strafzumessungserwägung begegnet mit Blick auf § 46 Abs. 3 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Zwar hat sich die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung am sachlichen Gehalt der Ausführungen des Tatrichters zu orientieren und nicht an dessen möglicherweise missverständlichen Formulierungen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.). Das Landgericht hat hier aber auch darauf abgestellt, dass der Angeklagte von der Tat hätte absehen können und müssen. Dies stellt eine strafschärfende Verwertung des Umstandes dar, dass die Tat überhaupt begangen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2018 - 4 StR 325/18, NStZ 2019, 8 [Ls]; Urteil vom 9. Oktober 2013 - 2 StR 119/13, NStZ 2014, 512 ff.; Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 532/10, StV 2011, 224 f.).
b) Der Senat kann unter den hier gegebenen Umständen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass die Strafbemessung auf diesem Rechtsfehler beruht. Der Maßregelausspruch bleibt hiervon unberührt.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 706
Externe Fundstellen: NStZ 2019, 608
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner