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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 25/01, Beschluss v. 22.02.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 25/01 - Beschluß v. 22. Februar 2001 (LG Frankfurt a.M)

Ähnlicher ebenso gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr zur Ermöglichung einer Straftat; Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalles; Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen; Nötigung; Härteausgleich bei vollstreckter Strafe (Gesamtstrafenbildung)

§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB; § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB; § 240 StGB; § 55 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Zu einem Einzelfall des ähnlichen ebenso gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB durch das Rammen eines anderen Fahrzeuges (Mißbrauch als erheblich auf einen anderen Verkehrsteilnehmer einwirkendes Nötigungsmittel; vgl. BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff, erheblicher 4).

2. Will der Angeklagte mit dem zweckwidrigen Einsatz seines Kraftfahrzeugs einen Verkehrsteilnehmer zum Anhalten zwingen, war dieser Eingriff in die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht Mittel, um die Nötigungshandlung zu ermöglichen; vielmehr stellt er sich rechtlich als die Nötigungshandlung im Sinne des § 240 StGB dar (vgl. BGH VRS 89, 366); hierin liegt nicht die Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen.

3. Für die nach § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB erforderliche Absicht reicht es aus, daß der Täter den Verkehrsunfall (und damit unter gegebenen Umständen einen Unglücksfall) durch einen verkehrsfremden (verkehrsfeindlichen) Eingriff gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGH NStZ 1992, 182, 183). Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß er dabei ein weiter gehendes Ziel verfolgte.

4. Kann eine Strafe, weil sie bereits vollstreckt ist, nicht mehr zur Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 StGB herangezogen werden, so ist die darin liegende Härte im Rahmen der Strafzumessung auszugleichen (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 1 m.w.N.).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2000 im Gesamtstrafenausspruch dahin geändert, daß der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und elf Monaten verurteilt wird.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Nötigung, gefährlicher Körperverletzung und Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen gefährlicher Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es eine Sperrfrist von fünf Jahren für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Herabsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit der Angeklagte mit seinem Pkw Mercedes in Höhe der Autobahn-Anschlußstelle Niederrad mindestens zweimal den auf der Standspur vor ihm fahrenden Opel Kadett mit einer relativen Aufprallgeschwindigkeit von 40 bis 50 km/h (UA 16) von hinten rammte, um Sukrije M., die den Opel Kadett führte, zum Anhalten zu zwingen, hat sich der Angeklagte jedoch entgegen der rechtlichen Wertung des Landgerichts nicht eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Ermöglichung einer Straftat (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB) schuldig gemacht, sondern eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalles gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB:

Nach den Feststellungen hat der Angeklagte sein Fahrzeug zweckwidrig als gefährliches, gewichtig auf einen anderen Verkehrsteilnehmer einwirkendes Nötigungsmittel mißbraucht und damit einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgenommen (vgl. BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff, erheblicher 4; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 315 b Rdn. 5 b, jew. m.w.N.). Das zweimalige Rammen des Opel Kadett beeinträchtigte die Sicherheit des Straßenverkehrs, wodurch andere Menschen. insbesondere die sechs Insassen des Opel Kadett (vier Frauen und zwei Kleinkinder), konkret gefährdet wurden. Der Angeklagte war sich dessen bewußt, nahm "eventuelle Verletzungen jedoch billigend in Kauf, um sein Ziel zu erreichen" (UA 8). Durch den vom Angeklagten verursachten Unfall erlitt Fidana S., eine der Insassinnen des Opel Kadett ein Halswirbelsäulenschleudertrauma. Zudem wurde der Opel Kadett durch das Rammen erheblich beschädigt. Wie sich den Urteilsausführungen zu dem Gutachten des Sachverständigen zum Hergang des Unfalls in Verbindung mit den Lichtbildern entnehmen läßt (SA Bd. III Bl. 472 ff.), auf die im Urteil in zulässiger Weise verwiesen wird (UA 16), wurden unter anderem die hintere Stoßstange abgerissen, das Fahrzeugheck abgeknickt und der Kofferraum eingedrückt und verformt. Zwar verhält sich das Urteil nicht dazu, ob der Angeklagte auch in bezug auf die mit dem zweckwidrigen Einsatz seines Fahrzeugs verbundene Gefährdung des Opel Kadetts vorsätzlich handelte. Dies versteht sich aber hier nach den Feststellungen zum Unfallhergang von selbst. Nachdem es dem Angeklagten nicht gelungen war, die Fahrerin auf andere Weise (Handzeichen, mehrfacher Spurwechsel) dazu zu bringen, ihr Fahrzeug anzuhalten, kam es ihm nunmehr darauf an, das Fahrzeug zu rammen, um seine Weiterfahrt zu verhindern. Der Vorsatz des Angeklagten umfaßte mithin nicht nur die Gefährdung des Opel Kadett, sondern auch eine - mit einem Auffahren mit einer relativen Aufprallgeschwindigkeit von mindestens 40 km/h notwendigerweise verbundene - Beschädigung des Fahrzeugs.

Der Angeklagte handelte dabei jedoch nicht - wovon das Landgericht ausgeht - in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen. Zwar wollte er mit dem zweckwidrigen Einsatz seines Kraftfahrzeugs die Fahrerin des Opel Kadett zum Anhalten zwingen, was ihm schließlich auch gelang. Gleichwohl war dieser Eingriff in die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht Mittel, um die Nötigungshandlung zu ermöglichen; vielmehr stellt er sich rechtlich als die Nötigungshandlung im Sinne des § 240 StGB dar (vgl. BGH VRS 891 366). Die gefährliche Körperverletzung, die der Angeklagte nach dem Anhalten der Fahrzeuge begangen hat, kommt als andere Straftat im Sinne des § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB nicht in Betracht, da der Angeklagte Sukrije M. nach den Feststellungen zunächst nur zum Anhalten zwingen wollte. Den Entschluß, auf sie mit dem mitgeführten Klappmesser einzustechen, faßte er erst im Verlauf des weiteren Tatgeschehens (UA 8). Der Schuldspruch kann jedoch auch insoweit bestehen bleiben, da der Qualifikationstatbestand des § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB erfüllt ist. Der Angeklagte hat durch den zweckwidrigen Einsatz seines Fahrzeugs, nämlich das gezielte Auffahren auf den Opel Kadett, absichtlich einen Unglücksfall herbeigeführt. Dem steht nicht entgegen, daß er nur mit bedingtem Körperverletzungsvorsatz handelte und daß es ihm im Rahmen der verfolgten Absicht, das vor ihm fahrende Fahrzeug zu rammen, möglicherweise nicht entscheidend darauf ankam, einen hohen Fremdschaden zu verursachen. Für die nach § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB erforderliche Absicht reicht es aus, daß der Täter den Verkehrsunfall - und damit unter den hier gegebenen Umständen einen Unglücksfall - durch einen verkehrsfremden (verkehrsfeindlichen) Eingriff gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGH NZV 1992, 325; NStZ 1992, 182, 183). Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß er dabei ein weiter gehendes Ziel verfolgte (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 315 Rdn. 22).

Der Senat kann daher den Schuldspruch mit der Maßgabe bestehen lassen, daß insoweit die Verurteilung nicht nach dem Qualifikationstatbestand des § 315 Abs, 3 Nr. 1 Buchst. b StGB, sondern wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls im Sinne von Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a dieser Vorschrift erfolgt. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte in der Hauptverhandlung darauf hingewiesen wurde, "daß auch eine Verurteilung nach § 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Ziff. 1 a StGB in Betracht kommt" (Protokollband Bl. 18).

Die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse hält rechtlicher Nachprüfung stand. Selbst wenn - insoweit - zugunsten des Angeklagten, wie die Revision meint, davon auszugehen wäre, daß er den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vornahm, um dadurch den nachfolgenden Einsatz des Messers gegen Sukrije M. zu ermöglichen, würde dies nicht zur Annahme von Tateinheit führen. Der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr war bereits beendet, als der Angeklagte auf Sukrije M. einstach, und mithin nicht zugleich auch Mittel zur Begehung dieser gefährlichen Körperverletzung (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 306 b Rdn. 14).

2. Zur Bemessung der Einzelstrafen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 1. Februar 2001.

Der Gesamtstrafenausspruch kann dagegen nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht den im Hinblick auf den Strafbefehl des Amtsgerichts Lünen vom 5. Juli 1999 notwendigen Härteausgleich nicht vorgenommen hat. Eine Einbeziehung der durch diesen Strafbefehl wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verhängten Geldstrafe von 50 Tagessätzen in die vom Landgericht gebildete Gesamtstrafe kam nur deshalb nicht in Betracht, weil die Vollstreckung in jener Sache bereits erledigt war. Kann aber eine Strafe, weil sie bereits vollstreckt ist, nicht mehr zur Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 StGB herangezogen werden, so ist die darin liegende Härte im Rahmen der Strafzumessung auszugleichen (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 1 m.w.N.).

Der Senat kann den Härteausgleich ausnahmsweise selbst vornehmen, da hier als Härteausgleich von der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren nur der Abzug von einem Monat in Betracht kommt (§ 39 StGB). Der Senat setzt die Gesamtfreiheitsstrafe deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO auf nunmehr sechs Jahre und elf Monate fest. Der Angeklagte ist hierdurch unter keinen Umständen beschwert.

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2001, 298

Bearbeiter: Karsten Gaede