hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1404

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 237/24, Beschluss v. 07.08.2024, HRRS 2024 Nr. 1404


BGH 3 StR 237/24 - Beschluss vom 7. August 2024 (LG Oldenburg)

Betäubungsmittelstrafrecht (Konkurrenzen); Handeltreiben mit Cannabis; Besitz von Cannabis; zeitliche Geltung von Strafgesetzen (lex mitior; milderes Gesetz).

§ 29 BtMG; § 34 KCanG; § 2 Abs. 3 StGB; § 53 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 24. Januar 2024

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Cannabis, und des Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen schuldig ist,

b) aufgehoben in den Aussprüchen über aa) die Einzelstrafen zu den Taten 2 und 4 der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe, bb) die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt sowie unter anderem die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel angeordnet. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin führt zu einer Änderung des Schuldspruchs, soweit die Straftaten den Umgang mit Marihuana betreffen und die nach Urteilsverkündung durch das Cannabisgesetz vom 27. März 2024 (BGBl. I Nr. 109) mit Wirkung vom 1. April 2024 geschaffenen Straftatbestände gegenüber den vom Landgericht angewendeten günstiger und daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO maßgeblich sind. Dies entzieht dem Strafausspruch teilweise die Grundlage.

a) In Bezug auf die Taten unter II. 2 und II. 4 der Urteilsgründe, bei denen der Angeklagte im Jahr 2023 jeweils rund 2 Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 200 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) beziehungsweise 233,87 Gramm THC zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwarb und es in einem Fall vollständig, im anderen teilweise absetzte, ist der Schuldspruch jeweils in Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG zu ändern. Diese Strafvorschrift ist, selbst unter Berücksichtigung des Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall nach § 34 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 4 KCanG, milder als der vom Landgericht insoweit herangezogene Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. Juni 2024 - 3 StR 83/24, juris Rn. 5 f. mwN).

b) Bei der Tat unter II. 5 der Urteilsgründe, bei welcher der Angeklagte am 23. August 2023 neben 30,43 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 21,17 Gramm Kokainhydrochlorid zum gewinnbringenden Weiterverkauf rund 64 Gramm einer 0,56 Gramm THC enthaltenden Substanz sowie 6,85 Gramm Marihuana mit 0,9 Gramm THC zum Eigenkonsum vorrätig hielt, tritt nunmehr zu dem unveränderten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) tateinheitlich der Besitz von Cannabis - statt zuvor von Betäubungsmitteln - hinzu (vgl. zum Günstigkeitsvergleich nach § 2 Abs. 3 StGB bei Tateinheit BGH, Beschluss vom 26. Juni 2024 - 3 StR 167/24, juris Rn. 5). Die Gesamtmenge des vom Angeklagten an seinem Wohnsitz besessenen Cannabis im Sinne des § 1 Nr. 8 KCanG beträgt mehr als 60 Gramm und erfüllt mithin den Tatbestand des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG.

c) Im Übrigen ist der Schuldspruch nicht zu beanstanden. Insbesondere weist die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, es seien insgesamt fünf in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zueinander stehende Taten gegeben, keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf. Dadurch, dass er am 23. August 2023 neben den zuvor genannten Rauschmitteln noch nicht verkaufte Mengen Ecstasy, Amphetamin und Marihuana aus den Fällen unter II. 1, 3 und 4 der Urteilsgründe lagerte, sind die Taten unter den gegebenen Umständen nicht zu einer einheitlichen Tat (§ 52 StGB) verbunden. Die Art und Weise der Besitzausübung geht nicht über eine bloße Gleichzeitigkeit hinaus. Es liegt somit keine Sachlage vor, bei der die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die tatsächliche Verfügungsgewalt über die andere darstellt und so ein teilweises Überschneiden der tatbestandlichen Ausführungshandlungen begründet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2018 - 3 StR 95/18, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 4 Rn. 6). Aus den Feststellungen ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine über eine Gleichzeitigkeit hinausgehende Verknüpfung, etwa dahin, dass der Angeklagte über die verschiedene Betäubungsmittel betreffenden Mengen einheitliche Verfügungen vornahm.

Dass der Generalbundesanwalt insofern eine Änderung des Schuldspruchs unter Aufrechterhaltung der Gesamtstrafe als Freiheitsstrafe beantragt hat, steht einer Entscheidung nach § 349 Abs. 2 StPO nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2021 - 3 StR 184/20, juris Rn. 12; vom 23. Juni 2022 - 5 StR 490/21, juris Rn. 25, jeweils mwN).

d) Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der zu Taten Nr. 2 und 4 unter V. der Urteilsgründe aufgeführten Einzelstrafen und in der Folge der Gesamtstrafe nach sich; denn angesichts des gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG deutlich milderen Strafrahmens ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht insoweit geringere Strafen bestimmt hätte. Demgegenüber kann die Einzelstrafe zu Tat Nr. 5 bestehen bleiben, weil sie weiterhin dem Rahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zu entnehmen und der zugleich gegebene Besitz von Cannabisprodukten angesichts des THC-Gehalts von insgesamt rund 1,5 Gramm gegenüber dem Handeltreiben mit Kokain in nicht geringer Menge für die konkrete Strafbemessung von ersichtlich untergeordneter Bedeutung gewesen ist.

2. Die Einziehungsanordnung ist in Bezug auf die sichergestellten Betäubungsmittel aufzuheben, da diese nicht bestimmt ist. Aus der bloßen Nennung von 25 Asservatennummern im Tenor des angefochtenen Urteils geht nicht hervor, welche Gegenstände tatsächlich der Einziehung unterliegen (vgl. zu den Anforderungen etwa BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2023 - 3 StR 477/22, StV 2024, 440 Rn. 5 mwN; vom 5. März 2024 - 6 StR 61/24, juris Rn. 2). Daher ist nicht entscheidungserheblich, ob im Falle eines strafoder bußgeldbewehrten Besitzes von Cannabis bei Überschreitung der Menge, deren Besitz erlaubt ist (§ 3 KCanG), nach § 37 KCanG die Gesamtmenge oder lediglich ein die erlaubte Menge übersteigender Teil eingezogen werden kann (vgl. einerseits BGH, Beschluss vom 12. Juni 2024 - 1 StR 121/24, juris Rn. 22 ff.; andererseits Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 37 KCanG Rn. 1).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1404

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede