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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 926

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 121/24, Beschluss v. 12.06.2024, HRRS 2024 Nr. 926


BGH 1 StR 121/24 - Beschluss vom 12. Juni 2024 (LG Mosbach)

Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis (Bedeutung der gesetzlichen Freigrenzen für Strafzumessung, Berechnung der nicht-geringen Menge und Einziehung; Schuldspruchänderung wegen Einführung des KCanG).

§ 34 Abs. 1 Nr. 1, 2, 12, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 46 StGB; § 37 KCanG, § 74 Abs. 2 StGB; § 354 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG normierten Einschränkungen der Strafbarkeit des Besitzes, Anbaus und Erwerbs von Cannabis stellen Freigrenzen dar. Dies hat zur Folge, dass bei Überschreiten derselben die Handlung hinsichtlich des gesamten besessenen, angebauten oder erworbenen Cannabis strafbewehrt ist und das Cannabis als Bezugsgegenstand auch vollständig der Einziehung unterliegt (§ 37 KCanG, § 74 Abs. 2 StGB).

2. Der geänderten Bewertung des Umgangs mit Cannabis durch den Gesetzgeber ist jedoch auf der Strafzumessungsebene Rechnung zu tragen. Denn die Wertung des Normgebers, den Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum in einem bestimmten Maß zu erlauben und damit einhergehend den Besitz, Anbau und Erwerb zum Eigenkonsum nur bei Überschreiten bestimmter Grenzen unter Strafe zu stellen, wirkt sich auf den Schuldumfang aus. Die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG genannten Freigrenzen sind daher innerhalb der Straftatbestände des Besitzes, Anbaus und Erwerbs von Cannabis bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen.

3. Gleiches gilt für die innerhalb der Strafzumessungsregelung des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG zu bestimmende „nicht geringe Menge“. Der 1. Strafsenat schließt sich insoweit den Erwägungen des 6. Strafsenats in seiner Entscheidung vom 30. April 2024 (6 StR 536/23 Rn. 29 f.) an, wonach in Bezug auf die Besitztatbestände des § 34 KCanG die nicht unter Strafe gestellten Mengen von 60 bzw. 30 Gramm oder - im Zusammenhang mit Anbauvereinigungen - von 25 bzw. 50 Gramm im Monat bei der Berechnung der „nicht geringen Menge“ außer Betracht bleiben müssen. Diese Wertung ist auf den Erwerbstatbestand des § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG zu übertragen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 27. Dezember 2023

a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit Erwerb von mehr als 25 Gramm Cannabis in zwei Fällen und des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit Handeltreiben mit Cannabis und mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis verurteilt ist,

b) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; jedoch werden die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln in zwei Fällen sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat ferner die Einziehung des sichergestellten Bargelds im Wert von 16.225 Euro sowie des Smartphones „Ass. 1.20" angeordnet. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Schuldspruch ist neu zu fassen.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte Anfang 2021 dazu, sich durch den Handel mit Betäubungsmitteln eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Gewicht zur Finanzierung seines Lebensbedarfs zu schaffen. In den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe bediente er sich hierzu der Verschlüsselungssoftware „ANOM“.

a) Am 12. April 2021 erwarb der Angeklagte vier Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens fünf Prozent THC zum Preis von 19.200 Euro, wovon er mindestens 3.900 Gramm Gewinn bringend weiterveräußern und 100 Gramm selbst konsumieren wollte (Fall II.1. der Urteilsgründe).

b) Am 22. Mai 2021 erwarb er 2,5 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens fünf Prozent THC zum Preis von 14.000 Euro, wovon er mindestens 2.400 Gramm Gewinn bringend weiterveräußern und 100 Gramm selbst konsumieren wollte (Fall II.2. der Urteilsgründe).

c) Am 25. Juli 2023 bewahrte der Angeklagte an seiner Wohnanschrift im Keller 416,05 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 15,1 Prozent auf, was einer Wirkstoffmenge von 62,823 Gramm THC entspricht. Hiervon waren 316,05 Gramm zum Gewinn bringenden Weiterverkauf und 100 Gramm zum Eigenkonsum bestimmt. Im ersten Obergeschoss des Anwesens lagerte er darüber hinaus 33,05 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 76,06 Prozent, was einer Wirkstoffmenge von 28,15 Gramm Kokainhydrochlorid entspricht. 19,05 Gramm hiervon beabsichtigte der Angeklagte Gewinn bringend zu veräußern, 14 Gramm wollte er selbst konsumieren. Zur Verteidigung seines Kokainvorrats bewahrte der Angeklagte in unmittelbarer Nähe hierzu ein einschneidiges Springmesser mit einer 8,5 Zentimeter langen Klinge und eine ungeladene SRS-Pistole, Kaliber neun Millimeter PTB im Kreis, mit Austritt des Explosionsdrucks nach vorne nebst 71 Knallkartuschen Munition auf (Fall II.3. der Urteilsgründe).

2. Die Strafkammer hat wegen dieser Taten gegen den Angeklagten Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten (Fall II.1. der Urteilsgründe), zwei Jahren (Fall II.2. der Urteilsgründe) sowie drei Jahren (Fall II.3. der Urteilsgründe) festgesetzt und diese auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren zurückgeführt.

II.

1. Die Verfahrensrüge, mit der die Verwertung der „ANOM-Daten“ beanstandet wird, ist aus den in der Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend ausgeführten Gründen unzulässig.

2. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zur durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 (BGBl. I 2024, Nr. 109; nachfolgend: Cannabisgesetz) erforderlich gewordenen Neufassung des Schuldspruchs und zur überwiegenden Aufhebung des Strafausspruchs.

a) Das vom Landgericht in den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe festgestellte Tatgeschehen stellt sich als im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG verbotenes Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG), jeweils in Tateinheit mit nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 KCanG verbotenem Erwerb von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG) dar. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

Bei Marihuana handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des KCanG als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 KCanG).

Für die in § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG beschriebene Tathandlung des „Handeltreibens“ sowie die konkurrenzrechtliche Beurteilung ist auf die bisherige Rechtslage abzustellen (BGH, Beschluss vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24 Rn. 5). Auch in Bezug auf den „Erwerb“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 12 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 12 KCanG wollte sich der Gesetzgeber an die Begrifflichkeit des Betäubungsmittelgesetzes anlehnen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 130).

Hinsichtlich der Mengengrenzen des straffreien Besitzes von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 und 2 KCanG ist entsprechend der Gesetzesbegründung auf das konsumfähige getrocknete Pflanzenmaterial (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 96), mithin nicht die darin enthaltene Wirkstoffmenge abzustellen. Da der Gesetzgeber die Regelungen zum straffreien Erwerb flankierend zu denen des straffreien Besitzes treffen wollte, gilt hinsichtlich der Grenzen des straffreien Erwerbs das Gleiche. In den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe überschritten die durch den Angeklagten erworbenen Mengen demgemäß jeweils die Grenze zur Strafbarkeit im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. a) und b) KCanG.

Der Schuldspruch im Fall II.3. der Urteilsgründe erweist sich auch nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes als zutreffend, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen des bei ihm aufgefundenen Kokains des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Soweit es ihn darüber hinaus des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Bezug auf das sichergestellte Marihuana schuldig gesprochen hat, ist der Schuldspruch anzupassen. Der Angeklagte hat neben dem Tatbestand des § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG auch den des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) KCanG verwirklicht, da er neben dem zum Handel bestimmten Marihuana auch solches zum Eigenkonsum aufbewahrte, dessen Menge die Grenze zur Strafbarkeit (60 Gramm) überschritt.

Hinsichtlich der Tathandlung des „Besitzes“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG, die der Normgeber auch in Bezug auf das Konsumcannabisgesetz als „tatsächliche Sachherrschaft“ (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 96) verstanden wissen will, hat er sich ebenfalls an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt. Zur Bestimmung der Mengengrenze wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

b) Im Strafausspruch kann das angefochtene Urteil mit Ausnahme der im Fall II.3. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe infolge des gegenüber der bisherigen Rechtslage niedrigeren Strafrahmens keinen Bestand haben.

aa) Zwar sind nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Handeltreibens mit Cannabis in den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe jeweils die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG erfüllt, weil sich die Handlungen in beiden Fällen auf eine nicht geringe Menge bezogen (zur nicht geringen Menge im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG s. BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24 Rn. 7 ff. und vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24 Rn. 11 ff.). Allerdings weicht der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 4 KCanG von dem bisher maßgeblichen des § 29a Abs. 1 BtMG erheblich zugunsten des Angeklagten ab, so dass die Strafe daran ausgerichtet neu zu bemessen ist.

bb) Der Senat kann nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei Anwendung des Strafrahmens aus § 34 Abs. 3 Satz 1, Abs.1 Nr. 4 KCanG in den Fällen II.1. und II.2. der Urteilsgründe niedrigere Strafen gegen den Angeklagten verhängt hätte.

cc) Hingegen hält der Strafausspruch im Fall II.3. der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung stand, denn es ist auszuschließen, dass die Strafkammer unter Anwendung des Konsumcannabisgesetzes eine für den Angeklagten günstigere Einzelstrafe verhängt hätte. Der Strafrahmen ist auch weiterhin § 30a Abs. 1 und 2 BtMG zu entnehmen. Das Landgericht ist zu Gunsten des Angeklagten von dem nach § 30a Abs. 3 BtMG gemilderten Strafrahmen ohne die Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG ausgegangen. Zwar hat es bei der Festsetzung der Einzelfreiheitsstrafe die tateinheitliche Verwirklichung des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG wegen des Handeltreibens mit Cannabis berücksichtigt, dem indes mit Blick auf die nicht sehr hohe Menge kein entscheidendes Gewicht beigemessen.

dd) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch sind aufrechtzuerhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind zulässig, sofern sie den bestehenden nicht widersprechen.

c) Auf die rechtsfehlerfrei getroffene Einziehungsentscheidung wirkt sich das Inkrafttreten des Cannabisgesetzes nicht aus. Sie kann bestehen bleiben.

3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:

Die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG normierten Einschränkungen der Strafbarkeit des Besitzes, Anbaus und Erwerbs von Cannabis stellen Freigrenzen dar. Dies hat zur Folge, dass bei Überschreiten derselben die Handlung hinsichtlich des gesamten besessenen, angebauten oder erworbenen Cannabis strafbewehrt ist und das Cannabis als Bezugsgegenstand auch vollständig der Einziehung unterliegt (§ 37 KCanG, § 74 Abs. 2 StGB).

a) Für dieses Verständnis ist zunächst der Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG heranzuziehen. Denn die Formulierung „mehr als“ …"besitzt“, „anbaut“ oder „erwirbt“ bedeutet lediglich, dass eine Strafbarkeit nur dann in Betracht kommt, wenn die jeweils genannte Menge überschritten ist. Dass die „erlaubten“ Mengen in jedem Fall aus der Strafbarkeit ausgenommen sein sollen, ergibt sich hieraus indes nicht. Aus der Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG folgt nichts Anderes. Nach § 2 KCanG ist der Umgang mit Cannabis grundsätzlich verboten.

b) Auch die Systematik des Konsumcannabisgesetzes und der Wille des Gesetzgebers sprechen hierfür; insbesondere führt die Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte Besitzmengen in §§ 3, 4 KCanG von dem in § 2 KCanG normierten Verbot des Umgangs mit Cannabis auszunehmen, zu keiner anderen Bewertung. Der Normgeber hat in §§ 3, 4 KCanG infolge einer „geänderten Risikobewertung“ von Cannabis für Erwachsene den Besitz bestimmter Mengen zum Eigenkonsum von dem grundsätzlichen Umgangsverbot des § 2 KCanG ausgenommen (BT-Drucks. 20/8704, S. 93). Zwar teilt die Gesetzesbegründung nicht mit, von welchen Erwägungen sich der Gesetzgeber bei der Festlegung der Mengen konkret hat leiten lassen. Angesichts dessen, dass das Konsumcannabisgesetz nach seiner Präambel einen verbesserten Gesundheitsschutz und die Stärkung eines „verantwortungsvolle[n] Umgang[s] mit Cannabis“ (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1) zum Ziel hat, ist jedoch davon auszugehen, dass sich die festgesetzten Mengen hieran orientieren und das äußerste Maß dessen darstellen, was mit Blick auf die - auch aus der Sicht des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1) - grundsätzlich weiterhin gegebene Gefährlichkeit von Cannabis vor dem Hintergrund des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung noch verantwortet werden kann. Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber den gleichzeitigen Besitz größerer als in §§ 3, 4 KCanG genannter Mengen als gefährlich angesehen und daher verboten hat (vgl. dazu BT-Drucks. 20/8704, S. 131: „erst bei Überschreiten…strafbar“). Da die Straftatbestände des § 34 KCanG der Durchsetzung der gesetzgeberischen Wertungen - mithin auch dem strikten Verbot, mehr als die in §§ 3, 4 KCanG genannten Mengen zu besitzen - dienen sollen, sind die Regelungen des § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG als Freigrenzen zu verstehen.

c) Der geänderten Bewertung des Umgangs mit Cannabis durch den Gesetzgeber ist jedoch auf der Strafzumessungsebene Rechnung zu tragen. Denn die Wertung des Normgebers, den Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum in einem bestimmten Maß zu erlauben und damit einhergehend den Besitz, Anbau und Erwerb zum Eigenkonsum nur bei Überschreiten bestimmter Grenzen unter Strafe zu stellen, wirkt sich auf den Schuldumfang aus (vgl. BGH, Beschluss vom 30. April 2024 - 6 StR 536/23 Rn. 27). Die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG genannten Freigrenzen sind daher innerhalb der Straftatbestände des Besitzes, 25 Anbaus und Erwerbs von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG) bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO).

Gleiches gilt für die innerhalb der Strafzumessungsregelung des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG zu bestimmende „nicht geringe Menge“. Der 1. Strafsenat schließt sich insoweit den Erwägungen des 6. Strafsenats in seiner Entscheidung vom 30. April 2024 (6 StR 536/23 Rn. 29 f.) an, wonach in Bezug auf die Besitztatbestände des § 34 KCanG die nicht unter Strafe gestellten Mengen von 60 bzw. 30 Gramm oder - im Zusammenhang mit Anbauvereinigungen - von 25 bzw. 50 Gramm im Monat bei der Berechnung der „nicht geringen Menge“ außer Betracht bleiben müssen. Diese Wertung ist auf den Erwerbstatbestand des § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG zu übertragen.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 926

Bearbeiter: Christoph Henckel