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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 426

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 154/22, Urteil v. 26.01.2023, HRRS 2023 Nr. 426


BGH 3 StR 154/22 - Urteil vom 26. Januar 2023 (LG Koblenz)

Revisionsbegründung (Revisionsbeschränkung: Wirksamkeitsvoraussetzungen, Herausnahme der Maßregelanordnung); Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (beschränkte Revisibilität; Würdigung von Einlassungen des Angeklagten); Bestimmung des Wirkstoffgehalts im Betäubungsmittelstrafrecht (Maßgeblichkeit für Unrecht und Schuld; genaue Feststellungen; Schätzung).

§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG; § 46 Abs. 1 StGB; § 64 StGB; § 261 StPO; § 344 Abs. 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Rechtswirksamkeit einer Revisionsbeschränkung setzt voraus, dass die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils - losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil - rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden können, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen. Zudem muss gewährleistet sein, dass die nach Teilanfechtung stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleiben kann.

2. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB kann in zulässiger Weise von der Revision ausgenommen werden, wenn das Tatgericht Symptomtaten festgestellt hat, die vom Rechtsmittel nicht angegriffen werden und die Maßregelanordnung tragen.

3. Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, sind nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zu Grunde zu legen. Der Tatrichter hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen außer der nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen.

4. Da der Wirkstoffgehalt von Betäubungsmitteln sich regelmäßig auf den Schuldumfang der Taten auswirkt, hat ein Tatgericht in Ermangelung exakter Wirkstoffbestimmungen den Wirkstoffgehalt und die Wirkstoffmenge unter Berücksichtigung anderer sicher feststellbarer Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Qualität, Beanstandungen durch die Käuferin) gegebenenfalls durch Schätzung unter Anwendung des Zweifelssatzes zu ermitteln.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 30. November 2021 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Fall II.2.b der Urteilsgründe,

b) im gesamten Strafausspruch und

c) soweit von der Anordnung eines Vorwegvollzugs abgesehen worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen und wegen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit „unerlaubtem“ Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, von der Anordnung eines Vorwegvollzugs abgesehen sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrem auf die Sachrüge gestützten - und insoweit beschränkten - Rechtsmittel im Fall II.2.b der Urteilsgründe die Beweiswürdigung und erstrebt eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Daneben greift sie die Strafzumessung insgesamt an. Ihre vom Generalbundesanwalt vertretene Revision hat Erfolg. Sie hat die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.2.b der Urteilsgründe, des gesamten Strafausspruchs und des Absehens von der Anordnung des Vorwegvollzugs zur Folge.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Der Angeklagte fasste den Entschluss, sich durch den Verkauf von Marihuana eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen, um durch den Gewinn seinen Amphetaminkonsum zu finanzieren. Zu diesem Zweck verkaufte er am 14. September 2020 zehn Gramm Marihuana zum Preis von 100 € und am 23. Oktober 2020 50 Gramm Marihuana zum Preis von 425 € an eine Zeugin. Feststellungen zu Wirkstoffgehalt oder Wirkstoffmengen der gehandelten Drogen enthält das Urteil nicht (Fälle II.2.a der Urteilsgründe).

Anlässlich einer Durchsuchung seiner Wohnung am 6. Mai 2021 durch Zollbeamte wurden im Schrank des Schlafzimmers in einer Tasche 150,46 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 16,2 Gramm Amphetaminbase, mehrere Ecstasy-Tabletten, 81,5 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 0,4 Gramm THC und 83,49 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 13,4 Gramm THC sowie weitere 5,48 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 0,5 Gramm THC aufgefunden. In der Schublade des rechten Nachttisches befanden sich zudem ein Tütchen mit weiteren 4,01 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 0,7 Gramm Amphetaminbase, eine Feinwaage und ein Klappmesser mit Amphetaminanhaftungen, welches der Angeklagte benutzte, um eigene Konsumeinheiten aus dem Tütchen herauszuholen. Ebenfalls im Schlafzimmer befand sich - ca. vier Meter von den im Schrank gelagerten Drogen entfernt - rechts neben einem Nachttisch, verdeckt hinter einer Blume, in der hinteren Ecke des Raums ein kurzer Baseballschläger aus Aluminium. Im Schrank des Wohnzimmers, dessen Tür mindestens fünf Meter von der Tür des Schlafzimmers entfernt war, wurden ferner in einem geschlossenen Turnbeutel ein Nunjako, ein Waffenholster mit zwei Gaskartuschen, eine Gaspistole, zwölf Messer, drei Wurfmesser, eine Gabel und ein Drahtseil sichergestellt (Fall II.2.b der Urteilsgründe).

2. Das Landgericht hat die beiden Fälle II.2.a der Urteilsgründe jeweils als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG und den Fall II.2.b der Urteilsgründe als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 52 StGB gewertet. Hingegen hat es im letztgenannten Fall ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass weder das Klappmesser noch der Baseballschläger vom Angeklagten zur Verletzung von Personen bestimmt gewesen seien. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB angeordnet, von der Anordnung eines Vorwegvollzugs abgesehen und eine Einziehungsentscheidung nach §§ 73, 73c StGB getroffen.

II.

Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Beschwerdeführerin beanstandet zum einen zu Recht, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts im Fall II.2.b der Urteilsgründe sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht standhält (§ 261 StPO), soweit es sich nicht davon zu überzeugen vermocht hat, dass der im Schlafzimmer vom Angeklagten aufbewahrte Baseballschläger zur Verletzung von Personen im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bestimmt war. Zum anderen rügt sie erfolgreich die Strafzumessung in den beiden Fällen II.2.a der Urteilsgründe als rechtsfehlerhaft.

1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist trotz des gegenüber ihrer Begründung weitergehenden Antrags, das Urteil insgesamt aufzuheben, auf den Schuldspruch im Fall II.2.b der Urteilsgründe sowie den gesamten Strafausspruch beschränkt. Denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich eindeutig, dass weder der Schuldspruch in den beiden Fällen II.2.a der Urteilsgründe noch die Unterbringungsentscheidung als solche oder die Einziehungsanordnung angegriffen werden.

2. Diese Beschränkung ist wirksam; insbesondere ist der Schuldspruch in den Fällen II.2.a der Urteilsgründe und die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in zulässiger Weise von der Revision ausgenommen.

Die Rechtswirksamkeit einer Revisionsbeschränkung setzt voraus, dass die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils - losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil - rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden können, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Februar 2012 - 3 StR 7/12, NStZ 2012, 587, 588; vom 18. Dezember 2007 - 3 StR 516/07, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 18 Rn. 6 mwN). Zudem muss gewährleistet sein, dass die nach Teilanfechtung stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleiben kann (BGH, Beschluss vom 24. September 2013 - 2 StR 397/13, BGHR StPO § 341 Abs. 1 Beschränkung 1 Rn. 5; Urteil vom 2. März 1995 - 1 StR 595/94, BGHSt 41, 57, 59; Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 f.).

a) Die sich aus der Revisionsbegründung ergebende Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch in den Fällen II.2.a der Urteilsgründe ist wirksam. Zwar kann die Menge des Rauschmittels auch für den Schuldspruch von wesentlicher Bedeutung sein (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 3 StR 233/02, juris Rn. 2; KK-StPO/Paul, 9. Aufl., § 318 Rn. 7a mwN; KK-StPO/ Gericke, 9. Aufl., § 344 Rn. 10). Es ist jedoch auszuschließen, dass die fehlenden Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des gehandelten Marihuanas in Anbetracht der im Fall II.2.b der Urteilsgründe festgestellten Wirkstoffmengen, der Verkaufspreise in den Fällen II.2.a der Urteilsgründe sowie möglicher weiterer Abschläge im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung Auswirkungen auf den Schuldspruch haben.

b) Auch die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB ist in zulässiger Weise von der Revision ausgenommen worden. Soweit die Revisionsbeschränkung unter Ausklammerung eines Maßregelausspruchs dann für unwirksam erachtet wird, wenn zugleich der Schuldspruch angegriffen wird, der von der Maßregelfrage nicht getrennt werden kann, da die Feststellung der Symptomtat unerlässliche Voraussetzung der Maßregelanordnung und für die Anordnung des Vorwegvollzugs ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. September 2013 - 2 StR 397/13, BGHR StPO § 341 Abs. 1 Beschränkung 1 Rn. 5; vom 19. Januar 2010 - 4 StR 504/09, NStZ-RR 2010, 171, 172), steht dies der Beschränkung der Revision hier nicht entgegen. Denn die Strafkammer hat mit den Taten vom 14. September und 23. Oktober 2020 (II.2.a der Urteilsgründe) zwei Symptomtaten festgestellt, die vom Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen werden und die Maßregelanordnung - losgelöst von den Beschwerdepunkten - tragen. Lediglich die Frage des Vorwegvollzugs bedarf neuer Entscheidung.

3. Soweit das Landgericht im Fall II.2.b der Urteilsgründe auf der Grundlage der Feststellungen eine Strafbarkeit wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verneint hat, hält das Urteil sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Revision wendet sich zu Recht gegen die Beweiswürdigung der Strafkammer, nach der sie sich nicht zu überzeugen vermocht hat, dass der Baseballschläger zur Verletzung von Personen bestimmt war.

a) Der Angeklagte hat sich den Urteilsgründen zufolge dahin eingelassen, dass der Baseballschläger zuvor mit den anderen im Wohnzimmer sichergestellten gefährlichen Gegenständen in der Couch gelagert gewesen sei. Da seine Ehefrau bei ihrem Auszug die Wohnzimmercouch mitgenommen habe, habe er alle darin befindlichen Gegenstände in einen Turnbeutel verpackt und diesen im Wohnzimmerschrank verstaut. Nur der Baseballschläger sei für den Schrank zu lang gewesen. Da er aber für potentielle Besucher den Baseballschläger nicht offen im Wohnzimmer, Flur, Bad oder in der Küche habe platzieren wollen und das Kinderzimmer seines Sohnes ohnehin nicht in Betracht gekommen sei, habe er diesen in sein Schlafzimmer gestellt, da dieses von keiner anderen Person betreten werde. Hier habe er den Baseballschläger als „Dekoration“ neben sein Bett in der Ecke platziert und ihn mit LEDs farblich angeleuchtet. Er habe nie daran gedacht, mit dem Schläger jemand zu verletzen.

Das Landgericht ist dieser Einlassung mit der Begründung gefolgt, dass die Angaben des Angeklagten „nachvollziebar und nicht widerlegbar“ seien. Zwar sei die LED-Beleuchtung durch die Beweisaufnahme nicht bewiesen worden. Wäre der Baseballschläger durch den Angeklagten jedoch zur Verletzung bestimmt gewesen, wäre die Platzierung des Schlägers bereits zur Verteidigung „unpraktisch“. Dieser habe in der hinteren Ecke des Schlafzimmers gestanden und sei auf der linken Seite durch den Nachttisch, auf der rechten und hinteren Seite durch die jeweilige Wand sowie frontal durch eine Blume verdeckt gewesen. Dies hätte einen schnellen Zugriff erschwert. Auch hätte der Angeklagte im Verteidigungsfall erst um das Bett herumlaufen und dann hinter die ihn verdeckenden Gegenstände nach unten greifen müssen. Die „Dekorationsbestimmung“ des Baseballschlägers durch den Angeklagten sei zudem nachvollziehbar. Dieser sei aus Aluminium und entspreche optisch den metallischen Nachttischen neben seinem Bett. Der Dekorationsgedanke werde weiter dadurch unterstrichen, dass der Schläger „ästhetisch schräg gegen die Wand gelehnt“ worden sei.

b) Diese Ausführungen stoßen auch eingedenk des insoweit beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs auf durchgreifende rechtliche Bedenken.

aa) Das Revisionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht Zweifel an dem Vorliegen eines den Angeklagten belastenden Sachverhalts (hier: Verwirklichung eines Qualifikationstatbestandes) nicht zu überwinden vermag (BGH, Urteile vom 27. April 2022 - 5 StR 18/22, juris Rn. 6; vom 22. Juni 2017 - 1 StR 652/16, BGHR StGB Zusammenhang, symptomatischer 6; vom 12. Januar 2017 - 1 StR 394/16, NStZ 2017, 714 Rn. 12; vom 25. Oktober 2016 - 5 StR 255/16, NStZ-RR 2017, 5). Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich deshalb darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 12. August 2021 - 3 StR 441/20, BGHSt 66, 226 Rn. 29; vom 13. Oktober 2020 - 3 StR 322/20, juris).

Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass das Tatgericht solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus ihnen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 10. November 2021 - 2 StR 185/20, juris Rn. 38; vom 26. August 2020 - 2 StR 587/19, juris Rn. 5; vom 21. August 2008 - 3 StR 262/08, juris Rn. 3; vom 8. Mai 2008 - 3 StR 53/08, juris Rn. 2). Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, sind nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zu Grunde zu legen. Der Tatrichter hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen außer der nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 10. November 2021 - 2 StR 185/20, juris Rn. 43; vom 22. Mai 2019 - 2 StR 353/18, juris Rn. 40; vom 18. August 2009 - 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86 f.).

bb) Diesen Maßstäben genügt die Beweiswürdigung der Strafkammer nicht. Die Urteilsgründe sind vielmehr widersprüchlich und lückenhaft.

Die Beweiswürdigung weist zunächst einen unaufgelösten Widerspruch auf. So begründet das Landgericht die fehlende subjektive Zweckbestimmung des Baseballschlägers unter anderem damit, dass dieser allein zu Dekorationszwecken aufgestellt worden sei. An anderer Stelle führt die Strafkammer im Widerspruch hierzu aus, dass der in einer Ecke des Raumes stehende kurze Baseballschläger „auf der linken Seite durch den Nachttisch, auf der rechten und hinteren Seite durch die Wände sowie frontal durch eine Blume verdeckt“ gewesen sei. Dass diese Umstände zum konkreten Aufbewahrungsort des Baseballschlägers dem Dekorationszweck gerade entgegenstehen könnten, wird von der Strafkammer nicht erörtert. Fehlt jedoch nach den Umständen des Falles ein nachvollziehbarer Grund dafür, dass der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand griffbereit mit sich führt, liegt die Annahme einer Zweckbestimmung im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG regelmäßig nahe (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2019 - 5 StR 547/17, juris Rn. 30, zur Zweckbestimmung eines Baseballschlägers; Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99).

Sie ist zudem lückenhaft; denn auch die örtlichen Verhältnisse im Schlafzimmer sind nur unzureichend in die Gesamtwürdigung zur Zweckbestimmung des Baseballschlägers einbezogen worden. So musste der Angeklagte entgegen der Ansicht der Strafkammer nicht um das Bett herumlaufen, um diesen zu ergreifen. Vielmehr gelangt man nach der Schilderung der Örtlichkeit im Urteil und ausweislich der Lichtbilder vom Schlafzimmer, auf die in den Urteilsgründen gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO ergänzend verwiesen worden ist, ungehindert und auf direktem Weg vom Schrank, in dem die Drogen lagerten, zum Baseballschläger. Dass ein schneller Zugriff auf diesen aufgrund seines konkreten Aufbewahrungsortes erschwert war und dies gegen eine Zweckbestimmung spricht, erschließt sich daher nicht.

cc) Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht den Angeklagten bei rechtsfehlerfreier Würdigung im Fall II.2.b der Urteilsgründe des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG für schuldig befunden hätte. Die Verurteilung ist deshalb insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das gilt - aufgrund der vom Landgericht angenommenen Tateinheit - auch für die Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Es kann daher dahinstehen, ob die Strafkammer ein Handeltreiben mit Amphetamin rechtsfehlerfrei verneint hat.

dd) Dies führt zum Wegfall der betreffenden Einzelstrafe, was der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe sowie dem an sich rechtsfehlerfreien Absehen von der Anordnung des Vorwegvollzugs die Grundlage entzieht, da diese Frage gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB untrennbar mit der Höhe der verhängten (Gesamt-)Freiheitsstrafe verknüpft ist (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 1 StR 224/22, juris Rn. 5; Urteile vom 20. Dezember 2018 - 4 StR 395/18, juris Rn. 10; vom 21. Juni 2012 - 4 StR 77/12, juris Rn. 7).

4. Der Strafausspruch in den beiden Fällen II.2.a der Urteilsgründe kann ebenfalls keinen Bestand haben.

So hat die Strafkammer den Schuldgehalt der Taten mangels ausreichender Feststellungen zu den hierfür maßgeblichen Wirkstoffgehalten und Wirkstoffmengen der gehandelten Betäubungsmittel nicht bestimmt (BGH, Beschlüsse vom 31. Mai 2022 - 6 StR 117/22, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 48 Rn. 4; vom 20. Oktober 2021 - 3 StR 223/21, juris Rn. 3; vom 15. September 2020 - 3 StR 205/20, juris Rn. 4; vom 22. Mai 2018 - 4 StR 100/18, juris Rn. 6 mwN). Da der Wirkstoffgehalt sich regelmäßig auf den Schuldumfang der Taten auswirkt, ist hier nicht auszuschließen, dass dies Auswirkungen auf die Strafzumessung gehabt hätte.

Das neue Tatgericht wird den Wirkstoffgehalt und die Wirkstoffmenge der gehandelten Drogen unter Berücksichtigung anderer sicher feststellbarer Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Qualität, Beanstandungen durch die Käuferin) gegebenenfalls durch Schätzung unter Anwendung des Zweifelssatzes zu ermitteln haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2021 - 3 StR 223/21, juris Rn. 3; vom 22. Mai 2018 - 4 StR 100/18, juris Rn. 6; vom 31. Mai 2016 - 3 StR 138/16, StV 2017, 293 Rn. 3; vom 7. Dezember 2011 - 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339; jeweils mwN).

Der Strafausspruch in den Fällen II.2.a der Urteilsgründe ist daher mit den Feststellungen aufzuheben (§ 353 Abs. 2 StPO).

5. Im Übrigen hat die nach § 301 StPO gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten ergeben.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 426

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede