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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 986

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 181/21, Beschluss v. 18.05.2022, HRRS 2022 Nr. 986


BGH 3 StR 181/21 - Beschluss vom 18. Mai 2022 (LG Duisburg)

Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit (Vorbefassung: Mitwirkung an Urteil über dieselbe Tat gegen andere Beteiligte; Rechtsprechung des EGMR; Entscheidungsfrist im Ablehnungsverfahren); Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Nachholung von Verfahrensrügen; Postlaufzeiten); Revisionsbegründungsschrift (Übernahme des Textes von Mitangeklagten); Bandenhandel mit Betäubungsmitteln (Anforderungen an die Bandenabrede; Mitwirkung von Bandenmitgliedern).

§ 30a Abs. 1 BtMG; § 24 StPO; § 29 Abs. 3 StPO; § 44 StPO; § 338 Nr. 3 StPO; § 345 StPO; Art. 6 Abs. 1 EMRK

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters ist, regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters im Sinne des § 24 Abs. 2 StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen.

2. Die Mitwirkung an einem Urteil über dieselbe Tat gegen einen anderen Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren ist grundsätzlich unbedenklich. Das gilt selbst dann, wenn das Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung oder aus sonstigen Gründen abgetrennt wird und in dem abgetrennten Verfahren ein Schuldspruch gegen frühere Mitangeklagte wegen eines auch die verbliebenen Angeklagten betreffenden Tatgeschehens mit Feststellungen ergeht, zu denen sich das Gericht im Ursprungsverfahren gegen diese später ebenfalls noch eine Überzeugung zu bilden hat.

3. Im Rahmen der gebotenen konventionsfreundlichen Auslegung des deutschen Rechts und damit des § 24 Abs. 2 StPO ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen. Die Judikatur des Gerichtshofs erfordert es indes nicht, die von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Besorgnis der Befangenheit wegen Vorbefassung aufzugeben; diese bedürfen lediglich der Ergänzung: Besorgnis der Befangenheit eines Richters, der an einem früheren Urteil gegen einen Mitbeschuldigten wegen desselben Tatgeschehens mitgewirkt hat, kann danach bei einer Gesamtabwägung aller Umstände im Einzelfall auch vorliegen, wenn das frühere Urteil Feststellungen zur Beteiligung des jetzigen Angeklagten trifft, die dort rechtlich nicht geboten waren, also zur Beschreibung des strafrechtlich relevanten Handels des früheren Angeklagten, zu dessen rechtlicher Einordnung und für die Rechtsfolgenentscheidung nicht erforderlich waren.

4. Die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seine Gesamtbetrachtung eingestellten Kriterien, ob das Tatgericht die Verurteilung des Beschwerdeführers in einem späteren Verfahren ohne Rückgriff auf die Beweisergebnisse des früheren Verfahrens auf eine neue Beweisaufnahme und eigenständige Beweiswürdigung gestützt hat bzw. das erkennende Gericht im späteren Urteil zu im Detail vom ersten Erkenntnis abweichenden Feststellungen gelangt ist, haben bei der Beurteilung einer Befangenheitsrüge nach § 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 StPO außer Betracht zu bleiben. Denn das Revisionsgericht prüft die Begründetheit der Rüge der zu Unrecht beschlossenen Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs zwar nach Beschwerdegrundsätzen, aber unter Zugrundelegung der Sachlage zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, mit dem das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen worden ist; später hinzugekommener Tatsachenstoff darf nicht berücksichtigt werden.

5. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen ist ausnahmsweise dann zu gewähren, wenn sie zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn eine Revisionsbegründungsschrift so frühzeitig zur Post gebracht worden ist, dass auf einen fristgemäßen Eingang bei Gericht vertraut werden darf; eine außergewöhnlich lange Postlaufzeit von 14 Tagen ist insoweit nicht in Rechnung zu stellen.

6. Es ist nicht grundsätzlich zu beanstanden, wenn ein Verteidiger für seine Revisionsbegründung den Text der Revisionsbegründungsschrift eines Mitangeklagten übernimmt oder die Verteidiger mehrerer Angeklagter gemeinsam eine Revisionsbegründungsschrift erarbeiten und jeweils als Revisionsbegründung des eigenen Mandanten vorlegen. Erforderlich für eine zulässige Revisionsbegründung ist allerdings stets, dass der sie vorlegende Verteidiger eigene Verantwortung für das gesamte Vorbringen übernimmt sowie selbst gestaltend an diesem mitwirkt, und zwar zumindest insoweit, als er den Text dahin prüft, ob dieser den rechtlichen Anforderungen an eine Begründung des Rechtsmittels des eigenen Angeklagten genügt, und gegebenenfalls erforderliche Änderungen, Ergänzungen oder Streichungen vornimmt. Die schlichte Übernahme eines ersichtlich auf einen anderen Angeklagten zugeschnittenen Textes durch den Verteidiger eines Mitangeklagten ohne erforderliche Modifikationen in Bezug auf den eigenen Mandanten ist dagegen nicht gestattet und kann zur Unzulässigkeit der Revision oder einzelner Rügen führen.

7. Der Ablauf der Frist des § 29 Abs. 3 StPO für die Entscheidung über die Ablehnung eines Richters hat weder die Unzulässigkeit einer Entscheidung über das Befangenheitsgesuch noch ein (Weiter-)Verhandlungsverbot im betreffenden Verfahren zur Konsequenz. Eine Hauptverhandlung darf auch nach Ablauf der Frist des § 29 Abs. 3 StPO fortgesetzt werden. Der reine Fristverstoß bleibt ohne revisionsrechtliche Folgen.

8. Der Annahme einer Bande steht nicht entgegen, dass weitere Bandenmitglieder nach der getroffenen Abrede allein untergeordnete Tatbeiträge erbringen und diese daher rechtlich als Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge einzuordnen sind. Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dessen Tatbeiträge sich in einer Gehilfentätigkeit erschöpfen. Auch genügt es, wenn ein Betäubungsmittelgeschäft als Ausfluss der Bandenabrede im Rahmen der Bandenstruktur abgewickelt wird. Für eine Strafbarkeit wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln ist nicht erforderlich, dass unter Mitwirkung anderer Bandenmitglieder agiert wird.

Entscheidungstenor

1. Der Angeklagten S. wird auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Verfahrensrügen aus dem Schriftsatz vom 10. März 2021 gewährt.

Die Angeklagte S. hat die Kosten der Wiedereinsetzung zu tragen.

2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 14. Dezember 2020 werden verworfen.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten F. G. wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, ihn im Übrigen freigesprochen und eine ihn betreffende Einziehungsentscheidung getroffen. Den Angeklagten A. G. hat das Landgericht wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Angeklagten K. und S. sind vom Landgericht jeweils unter Freispruch im Übrigen wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen verurteilt worden; der Angeklagte K. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten; die Angeklagte S. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die vier Angeklagten mit ihren jeweils auf Verfahrensbeanstandungen und die nicht ausgeführte allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen vereinbarten die Angeklagten F. G., K. und S. 2018, zusammen organisiert und arbeitsteilig über zwei von ihnen betriebene Trinkhallen in D. auf unbestimmte Zeit gewinnbringend Marihuana in größerem Umfang an Konsumenten zu verkaufen. Anführer dieser Bande mit alleiniger Bestimmungsmacht war der Angeklagte F. G. Er beschaffte die zum Weiterverkauf vorgesehenen Betäubungsmittel, nahm sie entgegen und lagerte sie zunächst in der von diesen drei Angeklagten gemeinsam bewohnten Wohnung der Angeklagten S. Er organisierte die Portionierung und verkaufsfertige Verpackung sowie den Abverkauf und hatte die volle Kontrolle über die Geschäfte von der Beschaffung der Betäubungsmittel bis zu deren Weiterveräußerung. Sämtliche Verkaufserlöse wurden von ihm vereinnahmt. Die Angeklagten K. und S. unterstützten den Angeklagten F. G. Nach dessen Weisungen übernahmen sie das Portionieren und Verpacken des Marihuanas in der Wohnung, den Transport der Drogen zu den Verkaufsstellen und das Auskehren von Verkaufserlösen an den Angeklagten F. G. Ferner wurden sie - neben weiteren Personen, darunter vier frühere Mitangeklagte, deren Verfahren abgetrennt und die gesondert verurteilt worden sind - in den beiden Trinkhallen als Verkäufer tätig und veräußerten dort neben den Alltagsgeschäften der Kioske das Marihuana, das jeweils einen Wirkstoffgehalt von mindestens 10 Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) hatte, an Endabnehmer. Sie erhielten für ihre Mitwirkung ein festes Entgelt vom Angeklagten F. G. .

Vom 20. November 2018 bis zum 20. Dezember 2018 befand sich der Angeklagte F. G. in anderer Sache in Untersuchungshaft. In dieser Zeit übernahm sein Bruder, der Angeklagte A. G., auf eigene Rechnung die Geschäfte und trat - zunächst auf unbestimmte Zeit - einvernehmlich in die Bande und in vollem Umfang in die Funktionen des Angeklagten F. G. ein. Nach dessen Rückkehr beendete sein Bruder die Mitwirkung.

2. Wegen folgender in diesem Rahmen verübter Taten hat das Landgericht die Angeklagten verurteilt:

a) Am 30. November 2018 erwarb der Angeklagte A. G. 693 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 69,3 Gramm THC zum Weiterverkauf an Kleinabnehmer. Die Angeklagte S. portionierte und verpackte die Betäubungsmittel. Anschließend wurden diese in den beiden Trinkhallen verkauft (Fall II. 3. a) der Urteilsgründe).

b) Am 15. Dezember 2018 erwarb der Angeklagte A. G. 200 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 20 Gramm THC. Die Betäubungsmittel wurden von einem Kurier in die Wohnung der Angeklagten S. geliefert und dort von dem Angeklagten K. in Empfang genommen, der dem Kurier auf Weisung des A. G. 1.000 € als Entgelt übergab, welches er zuvor von A. G. zu diesem Zweck erhalten hatte. Die Angeklagte S. portionierte und verpackte die Betäubungsmittel, die sodann verkauft wurden (Fall II. 3. b) der Urteilsgründe).

c) Am 17. Dezember 2018 erwarb der Angeklagte A. G. 400 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 40 Gramm THC. Die Betäubungsmittel wurden in der Wohnung zwischengelagert und dort von dem Angeklagten K. hinsichtlich ihrer Qualität geprüft, portioniert und in Einzelverkaufsmengen verpackt. Auch dieses Marihuana wurde über die Trinkhallen veräußert (Fall II. 3. c) der Urteilsgründe).

d) Nach seinem Wiedereinstieg in den Bandenhandel erwarb der Angeklagte F. G. am 14. Februar 2019 300 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 30 Gramm THC, die sodann im Rahmen der Bandenstruktur in den Trinkhallen verkauft wurden, ohne dass hinsichtlich dieses Betäubungsmittelgeschäfts eine Mitwirkung der Angeklagten K. und S. hat festgestellt werden können (Fall II. 3. d) der Urteilsgründe).

e) Am 2. Juli 2019 wurden bei einem polizeilichen Zugriff in einem zu einer der Trinkhallen gehörenden Lager 501 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 58,4 Gramm THC verkaufsfertig verpackt sichergestellt. Der Angeklagte F. G. hatte das Marihuana zuvor erworben und im Rahmen seiner Bandentätigkeit in dem Lagerraum zum späteren Weiterverkauf in der Trinkhalle deponieren lassen (Fall II. 3. e) der Urteilsgründe).

3. Schließlich hat das Landgericht den Angeklagten A. G. wegen einer weiteren, außerhalb der Bandenstruktur begangenen Tat verurteilt: Am 3. Dezember 2018 erwarb er 500 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 50 Gramm THC zum gewinnbringenden Weiterverkauf und veräußerte die Gesamtmenge sodann unmittelbar an einen gesondert verfolgten Dritten (Fall II. 4. der Urteilsgründe).

II.

Der Angeklagten S. ist antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Erhebung der Verfahrensrügen aus dem Schriftsatz vom 10. März 2021 zu gewähren.

1. Das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 14. Dezember 2020 ist den beiden Verteidigern der Angeklagten S. am 22. Februar 2021 zugestellt worden. Mit einer am 22. März 2021 beim Landgericht eingegangenen Revisionsbegründungschrift hat der Verteidiger Rechtsanwalt Kl. die Revision der Angeklagten S. form- und fristgerecht mit der nicht ausgeführten allgemeinen Sachrüge begründet. Die umfangreiche, auf mehrere Verfahrensrügen gestützte Revisionsbegründungsschrift der Verteidigerin Rechtsanwältin Gr. vom 10. März 2021 ist dagegen erst am 29. März 2021 und damit nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO beim Landgericht eingegangen. Dies ergibt sich aus dem auf dem Schriftsatz angebrachten Posteingangsstempel des Gerichts, der als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO Beweis für das Eingangsdatum erbringt und dessen Beweiswirkung durch den Vortrag der Verteidigerin nicht erschüttert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2018 - 3 StR 181/18, BGHR StPO § 346 Abs. 2 Antrag 2 Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 44 Rn. 5).

Nachdem die Verteidigerin der Angeklagten S. und diese selbst durch den Revisionsverwerfungsantrag des Generalbundesanwalts vom 21. August 2021 von der Verfristung der Revisionsbegründung Kenntnis erlangt hatten, hat die Verteidigerin am 25. August 2021 - mithin innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO - einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Mit diesem ist vorgetragen worden, die Revisionsbegründung der Verteidigerin Rechtsanwältin Gr. sei am 10. März 2021 fertiggestellt und am 15. März 2021 zur Post gebracht worden. Eine Abfrage des Sendungsverlaufs durch die Kanzlei am 22. März 2021 habe ergeben, dass das Paket zugestellt worden sei. Zur Glaubhaftmachung sind mit dem Wiedereinsetzungsantrag ein vom 15. März 2021 datierender Paketeinlieferungsbeleg der Post sowie ein Ausdruck aus dem elektronischen Vorgangsbearbeitungsprogramm der Rechtsanwaltskanzlei mit einer zeitlich aufgeschlüsselten Dokumentation einzelner Schritte der Sachbearbeitung vorgelegt worden.

2. Zwar kommt eine Wiedereinsetzung zur Anbringung von Verfahrensrügen grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Revision bereits - wie hier - form- und fristgerecht begründet worden ist (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. November 2020 - 5 StR 308/20, juris Rn. 1; vom 23. Juli 2019 - 3 StR 498/18, juris Rn. 3; vom 21. Februar 1951 - 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46 f.; KK-StPO/Maul, 8. Aufl., § 44 Rn. 13; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 44 Rn. 7). Denn eine Versäumnis der Frist zur Revisionsbegründung ist bei dieser Fallgestaltung nicht gegeben; vielmehr sind lediglich innerhalb der Frist nicht im beabsichtigten Umfang Rügen erhoben worden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 2021 - 4 StR 61/21, wistra 2022, 200 Rn. 1; vom 28. September 2016 - 4 StR 311/16, juris Rn. 3). Der Ausschluss der Wiedereinsetzung gilt auch dann, wenn ein Verteidiger die Revision fristgemäß lediglich mit der Sachrüge begründet und ein weiterer Verteidiger seine (darüber hinaus) auf Verfahrensrügen gestützte Revisionsbegründung verfristet übermittelt hat. Denn es handelt sich bei der Revision eines Angeklagten unabhängig von der Zahl seiner Verteidiger und der von diesen vorgelegten Revisionsbegründungen um ein einheitliches Rechtsmittel mit einer einheitlichen Begründungsfrist (BGH, Beschlüsse vom 23. Juli 2019 - 3 StR 498/18, juris Rn. 3; vom 19. Februar 2019 - 3 StR 525/18, juris Rn. 3; vom 10. Juli 2008 - 3 StR 239/08, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 14 Rn. 2; BeckOK StPO/Cirener, 43. Ed., § 44 Rn. 23).

Vorliegend ist jedoch eine Ausnahmekonstellation gegeben, in der - wie vom Generalbundesanwalt beantragt - ungeachtet der bereits mit der Sachrüge fristgemäß begründeten Revision die Gewährung von Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist in Bezug auf die Verfahrensrügen aus dem Schriftsatz der Verteidigerin vom 10. März 2021 geboten ist. Denn Wiedereinsetzung zur Nachholung von Verfahrensrügen ist ausnahmsweise dann zu gewähren, wenn sie zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 4. März 2021 - 4 StR 209/20, juris Rn. 5; vom 2. Dezember 2020 - 2 StR 267/20, NStZ 2021, 753 Rn. 2; vom 23. Juli 2019 - 3 StR 498/18, juris Rn. 3; vom 19. Februar 2019 - 3 StR 525/18, juris Rn. 3; vom 24. Oktober 2018 - 2 StR 578/16, NStZ-RR 2019, 25; vom 10. Juli 2008 - 3 StR 239/08, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 14 Rn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 44 Rn. 7a).

Hier ist der Schriftsatz so frühzeitig zur Post gebracht worden, dass die Verteidigerin auf einen fristgemäßen Eingang bei Gericht hat vertrauen dürfen; eine sich aus dem Eingangsstempel des Landgerichts ergebene Postlaufzeit von 14 Tagen hat sie nicht in Rechnung stellen müssen. Bei einem solchen Sachverhalt einer außergewöhnlich langen Postlaufzeit ist daher die Gewährung von Wiedereinsetzung zur Nachholung von Verfahrensrügen veranlasst (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1980 - 1 StR 235/80, NStZ 1981, 110; Beschluss vom 10. Juni 1960 - 2 StR 132/60, BGHSt 14, 330; MüKo-StPO/Valerius, § 44 Rn. 32; s. ferner BGH, Beschlüsse vom 28. September 2021 - 5 StR 140/21, juris Rn. 2; vom 13. September 2000 - 3 StR 342/00, juris). Dies gilt deshalb, weil der Schriftsatz mit den Verfahrensrügen rechtzeitig vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erstellt und auf den Weg gebracht worden ist, so dass kein Fall einer der Ordnung des Revisionsverfahrens widerstreitenden Anbringung oder Ergänzung von Verfahrensrügen nach Fristablauf in Reaktion auf Hinweise - namentlich in einer Antragsschrift der Staatsanwaltschaft - auf nicht oder nicht ordnungsgemäß erhobene Verfahrensrügen gegeben ist (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2020 - 2 StR 267/20, NStZ 2021, 753 Rn. 3; vom 11. April 2019 - 1 StR 91/18, NStZ 2019, 625 Rn. 4; vom 24. Oktober 2018 - 2 StR 578/16, NStZ-RR 2019, 25).

3. Die mit der Revisionsbegründung der Angeklagten S. vom 10. März 2021 vorgebrachten Verfahrensrügen gelten damit als innerhalb der Revisionsbegründungsfrist erhoben.

III.

Hinsichtlich der Zulässigkeit der Revisionen beziehungsweise einzelner Rügen der Angeklagten F. G. und A. G. ist Folgendes auszuführen:

1. Für den Angeklagten F. G. haben seine beiden Verteidiger jeweils fristgemäß umfangreiche Revisionsbegründungen vorgelegt, die inhaltlich identisch und nahezu wortgleich sind. Es wirkt sich deshalb nicht aus, dass die vor dem Inkrafttreten der Pflicht zur elektronischen Einreichung (§ 32d StPO) statthaft per Telefax übersandte Revisionsbegründungsschrift des Verteidigers Rechtsanwalt A. nicht unterschrieben und daher - anders als die formgerechte Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Sc. - unwirksam ist (vgl. zur Unwirksamkeit einer nicht unterschriebenen und in Papierform oder per Telefax vorgelegten Revisionsbegründungsschrift BGH, Urteil vom 9. März 1982 - 1 StR 817/81, BGHSt 31, 7; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 345 Rn. 23; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 345 Rn. 12 ff.; MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, § 345 Rn. 25; s. zu den Anforderungen an die Signatur einer als elektronisches Dokument übermittelten Revisionsbegründung BGH, Beschluss vom 3. Mai 2022 - 3 StR 89/22, juris Rn. 7 ff.).

2. Die Verfahrensrüge des Angeklagten F. G. betreffend ein Befangenheitsgesuch gegen die Mitglieder des erkennenden Gerichts vom 4. September 2020 (näher hierzu unten IV. 1.), das vom Landgericht Duisburg mit Beschluss vom 14. Oktober 2020 als unbegründet zurückgewiesen worden ist, ist zulässig erhoben. Ihr steht die Regelung des § 336 Satz 2 StPO nicht entgegen. Zwar hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 27. November 2020 über eine sofortige Beschwerde des Angeklagten F. G. gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 14. Oktober 2020 gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO in der Sache entschieden und diese als unbegründet verworfen. Dabei hat das Oberlandesgericht allerdings verkannt, dass die Beschwerde nach § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht statthaft gewesen ist. In einer solchen Konstellation gilt § 336 Satz 2 StPO indes nicht; dieser Ausschluss der Revision erfasst nur Entscheidungen, gegen die das Gesetz das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde vorsieht (vgl. KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 336 Rn. 12; MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, § 336 Rn. 8).

3. Die vom Verteidiger des Angeklagten A. G., Rechtsanwalt B., neben der Sachbeschwerde vorgebrachten Verfahrensrügen sind sämtlich nicht zulässig erhoben.

a) Rechtsanwalt B. hat, wie ein Textvergleich zeigt, die von Rechtsanwalt A. für den Angeklagten F. G. eingereichte Revisionsbegründung in vollem Wortlaut, also textidentisch, übernommen. Jedwede inhaltliche Anpassung des Schriftsatzes an den Angeklagten A. G. ist unterblieben. Mithin hat Rechtsanwalt B. eine für den Angeklagten F. G. verfasste und auf diesen und dessen verfahrensrechtliches Verhalten in der Hauptverhandlung bezogene Schrift ohne eigenes gestalterisches Wirken als Begründung (auch) der Revision des Angeklagten A. G. vorgelegt. Spezifisch auf den Angeklagten A. G. bezogene Angaben, die für die mit dem Text vorgebrachten Verfahrensrügen erforderlich gewesen wären, um den Darlegungserfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu genügen, fehlen.

b) Die schlichte Übernahme des Textes der Revisionsbegründung des Angeklagten F. G. führt in der vorliegenden Konstellation zur Unzulässigkeit aller Verfahrensrügen des Angeklagten A. G. .

aa) Zwar ist nicht generell ausgeschlossen, dass mehrere Angeklagte, soweit ihre Rügen inhaltlich deckungsgleich sind, diese mit textidentischen Revisionsbegründungsschriften wortgleich vorbringen. Daher ist nicht grundsätzlich zu beanstanden, wenn ein Verteidiger für seine Revisionsbegründung den Text der Revisionsbegründungsschrift eines Mitangeklagten übernimmt oder die Verteidiger mehrerer Angeklagter gemeinsam eine Revisionsbegründungsschrift erarbeiten und jeweils als Revisionsbegründung des eigenen Mandanten vorlegen. Statthaft ist es auch, wenn die Verteidiger verschiedener Angeklagter einen gemeinsamen, erkennbar von allen Verteidigern verantworteten Schriftsatz als gemeinschaftliche Revisionsbegründung für die Angeklagten einreichen (vgl. BGH, Urteil vom 12. August 1997 - 1 StR 449/97, NStZ 1998, 99). Dies kann sich sogar als sachdienlich und der Verfahrenseffizienz förderlich erweisen.

Erforderlich für eine zulässige Revisionsbegründung ist allerdings stets, dass der sie vorlegende Verteidiger eigene Verantwortung für das gesamte Vorbringen übernimmt sowie selbst gestaltend an diesem mitwirkt, und zwar zumindest insoweit, als er den Text dahin prüft, ob dieser den rechtlichen Anforderungen an eine Begründung des Rechtsmittels des eigenen Angeklagten genügt, und gegebenenfalls erforderliche Änderungen, Ergänzungen oder Streichungen vornimmt (vgl. zu den Erfordernissen der Verantwortungsübernahme und gestalterischen Mitwirkung BVerfG, Beschlüsse vom 7. Dezember 2015 - 2 BvR 767/15, NJW 2016, 1570 Rn. 20; vom 17. Mai 1983 - 2 BvR 731/80, BVerfGE 64, 135, 152; BGH, Beschlüsse vom 2. Juli 2014 - 4 StR 215/14, NJW 2014, 2664 Rn. 3; vom 2. November 2005 - 3 StR 371/05, NStZ-RR 2006, 84; vom 26. Juli 2005 - 3 StR 36/05, juris Rn. 3; vom 17. November 1999 - 3 StR 385/99, NStZ 2000, 211 f.; Urteil vom 22. Januar 1974 - 1 StR 586/73, BGHSt 25, 272, 273 f.; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 345 Rn. 15 f.; MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, § 345 Rn. 36; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 345 Rn. 16 mwN).

Vollständig oder teilweise wortlautidentische Revisionsbegründungsschriften und auch gemeinsame Revisionsbegründungsschriften für mehrere Angeklagte sind mithin statthaft, sofern das Vorbringen inhaltlich nicht spezifisch auf einen Angeklagten bezogen ist oder der Schriftsatz - gegebenenfalls durch entsprechende Anpassungen eines übernommenen Textes - erforderliche Konkretisierungen in Bezug auf den jeweiligen Revisionsführer erkennen lässt. Die schlichte Übernahme eines ersichtlich auf einen anderen Angeklagten zugeschnittenen Textes durch den Verteidiger eines Mitangeklagten ohne erforderliche Modifikationen in Bezug auf den eigenen Mandanten ist dagegen nicht gestattet und führt zur Unzulässigkeit der Revision, zumindest aber, sofern die Revision auch mit der nicht ausgeführten Sachrüge begründet worden ist beziehungsweise ansonsten einzelne Teile - etwa Ausführungen zur Sachrüge - von dem Rechtsmangel nicht betroffen sind, zur Unzulässigkeit einzelner Rügen (vgl. zur Beschränkung der Unwirksamkeit auf die vom Mangel betroffenen Teile einer Revision BGH, Urteil vom 22. Januar 1974 - 1 StR 586/73, BGHSt 25, 272, 274 ff.; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 345 Rn. 28).

bb) Hieran gemessen sind die Verfahrensrügen des Angeklagten A. G. nicht zulässig erhoben. Eine inhaltliche Anpassung des auf den Angeklagten F. G. zugeschnittenen Schriftsatzes an den Angeklagten A. G., deren Erforderlichkeit offensichtlich ist, ist unterblieben. So ist etwa der Revisionsbegründung zu entnehmen, dass sich der Angeklagte F. G. den für die Verfahrensrügen relevanten Anträgen der Angeklagten S. in der Hauptverhandlung angeschlossen hat; dazu, ob auch der Angeklagte A. G. dies getan hat, verhält sie sich nicht. Auch teilt der Schriftsatz in Bezug auf erhobene Befangenheitsrügen lediglich mit, wann der Angeklagte F. G. Kenntnis von den Umständen erlangt hat, auf die in der Hauptverhandlung gestellte Ablehnungsanträge wegen Besorgnis der Befangenheit gestützt worden sind. Wann der Angeklagte A. G. von diesen Umständen erfahren und ob er damit das Unverzüglichkeitserfordernis des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO gewahrt hat, lässt sich der Revisionsbegründung dagegen nicht entnehmen. Damit hat der Verteidiger Rechtsanwalt B. erkennbar nicht in erforderlichem Maße selbst gestaltend an den Verfahrensrügen der Revisionsbegründung mitgewirkt und keine eigene Verantwortung für das diesbezügliche Vorbringen übernommen. Die Zulässigkeit der allgemeinen, nicht ausgeführten Sachrüge bleibt dagegen unberührt.

c) Im Übrigen wären die Verfahrensrügen des Angeklagten A. G., mit denen in der Sache dieselben Beanstandungen vorgebracht worden sind wie mit den ordnungsgemäß erhobenen Formalrügen der Angeklagten F. G. und S., ihre Zulässigkeit unterstellt, unbegründet. Insofern wird auf die untenstehenden Ausführungen zu den Verfahrensrügen der Angeklagten F. G. und S. Bezug genommen.

IV.

Soweit die Verfahrensrügen zulässig erhoben sind, bleibt ihnen der Erfolg versagt.

1. Die Angeklagten F. G. und S. beanstanden jeder mit zwei - jeweils inhaltsgleichen - Rügen den instanzgerichtlichen Umgang mit einem Befangenheitsgesuch gegen die drei Berufsrichter und beiden Schöffen der erkennenden Strafkammer vom 4. September 2020. Zum einen sei über das Befangenheitsgesuch verspätet entschieden worden (hierzu b)), zum anderen sei es zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesen worden (hierzu c)).

a) Den Rügen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: Die am 5. Mai 2020 begonnene Hauptverhandlung wurde ursprünglich gegen acht Angeklagte durchgeführt. Den vier früheren Mitangeklagten wurde im Wesentlichen zur Last gelegt, für die Bande als Verkäufer in einer der beiden Trinkhallen tätig gewesen zu sein und dabei neben den regulären Waren Marihuana an Konsumenten veräußert zu haben. Das Verfahren gegen diese Mitangeklagten wurde nach dem ersten Hauptverhandlungstag abgetrennt, weil sie (teil-)geständige Einlassungen in Aussicht gestellt hatten und die wegen der Corona-Pandemie erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen einer gemeinsamen Hauptverhandlung gegen acht Angeklagte mit einer Vielzahl von Verteidigern entgegenstanden. Die Strafkammer verurteilte die vormaligen Mitangeklagten am 8. Juni 2020 jeweils wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das schriftliche Urteil wurde den Verteidigern der hiesigen Angeklagten am 3. September 2020 übermittelt und den Angeklagten am Folgetag zur Kenntnis gebracht. In der Hauptverhandlung am 4. September 2020 lehnte die Angeklagte S. die Mitglieder der Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Befangenheitsgesuch war auf die Vorbefassung der drei Berufsrichter und zwei Schöffen mit dem Prozessgegenstand im abgetrennten Verfahren bezogen: Sie hätten mit der Verurteilung der früheren Mitangeklagten zum Ausdruck gebracht, bereits von der Schuld der hiesigen Angeklagten überzeugt zu sein. Der Angeklagte F. G. schloss sich dem Befangenheitsgesuch an (womit er beschwerdebefugt ist; vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 283/14, NStZ 2015, 46; Urteil vom 21. März 1985 - 1 StR 417/84, juris Rn. 36; s. zur grundsätzlich fehlenden Befugnis der Beanstandung einer Zurückweisung von Befangenheitsgesuchen von Mitangeklagten BGH, Urteil vom 20. Juni 1985 - 1 StR 682/84, juris Rn. 3; MüKo-StPO/Conen/Tsambikakis, § 28 Rn. 28; MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, § 338 Rn. 56; KK-StPO/Scheuten, 8. Aufl., § 28 Rn. 10).

Die Hauptverhandlung wurde an drei weiteren Tagen fortgesetzt, und zwar am 7. September 2020, 14. September 2020 und 5. Oktober 2020. Sodann wurde das Befangenheitsgesuch mit Beschluss des Landgerichts vom 14. Oktober 2020, also mehr als fünf Wochen nach dessen Anbringung, ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter als unbegründet zurückgewiesen.

b) Die Beschwerdeführer rügen als absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 3 StPO einen Verstoß gegen die Entscheidungsfrist des § 29 Abs. 3 StPO sowie die Missachtung eines hieraus resultierenden Entscheidungshindernisses und Weiterverhandlungsverbots. Die Beanstandung dringt nicht durch.

aa) Die Revisionen machen geltend, über das Befangenheitsgesuch hätte gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 StPO innerhalb von zwei Wochen, mithin spätestens am 18. September 2020, befunden werden müssen. Nach Fristablauf sei eine Entscheidung nicht mehr statthaft gewesen. Das Fristende begründe ein Entscheidungshindernis, so dass das Befangenheitsgesuch nicht mehr als unbegründet hätte zurückgewiesen werden dürfen. Aus dem dauerhaften Entscheidungshindernis resultiere ein (Weiter-)Verhandlungsverbot im betreffenden Verfahren unter Beteiligung der abgelehnten Richter. Daher hätte die Hauptverhandlung nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 29 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht fortgesetzt werden dürfen, sondern ausgesetzt werden müssen. Die Unzulässigkeit einer Entscheidung über ein Befangenheitsgesuch und das Verbot der Fortsetzung der Hauptverhandlung nach Ablauf der Frist des § 29 Abs. 3 StPO seien deren notwendige Rechtsfolgen. Wäre eine Entscheidung über ein Befangenheitsgesuch auch noch nach Fristablauf statthaft und dürfte die Hauptverhandlung ohne zeitliche Beschränkung bis zur Entscheidung fortgesetzt werden, bliebe ein Fristverstoß ohne jede Konsequenz. Die gesetzliche Frist hätte dann entgegen der Intention des Gesetzes, dass über Befangenheitsgesuche schnellstmöglich entschieden werde, lediglich den Charakter einer „unverbindlichen Empfehlung“ und liefe leer.

bb) Zwar liegt ein Verstoß gegen die Entscheidungsfrist des § 29 Abs. 3 StPO vor. Über das Befangenheitsgesuch vom 4. September 2020 hätte innerhalb von zwei Wochen, mithin spätestens am 18. September 2020, entschieden werden müssen. Die Regelung des § 29 Abs. 3 Satz 3 StPO ist hier ohne Relevanz, weil der übernächste Verhandlungstag innerhalb der zweiwöchigen Frist stattgefunden hat. Der Ablauf der Frist des § 29 Abs. 3 StPO hat jedoch weder die Unzulässigkeit einer Entscheidung über das Befangenheitsgesuch noch ein (Weiter-)Verhandlungsverbot im betreffenden Verfahren zur Konsequenz (hierzu (1)). Zudem bleibt der reine Fristverstoß ohne revisionsrechtliche Folgen (hierzu (2)).

(1) Das Gesetz knüpft an den Fristablauf keine ausdrückliche Konsequenz. Demgegenüber gebietet § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO bei einer Überschreitung der Unterbrechungsfrist die Aussetzung der Hauptverhandlung. Schon das Fehlen einer vergleichbaren Regelung für den Fall eines Verstoßes gegen § 29 Abs. 3 StPO spricht gegen die von den Revisionsführern vertretene Rechtsauffassung. Zudem bestimmt § 29 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 StPO, dass die Hauptverhandlung „bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch“ durchgeführt werden darf. Die Befugnis zur (weiteren) Durchführung der Hauptverhandlung gilt mithin nach dem klaren Wortlaut der Norm bis zur tatsächlichen Entscheidung über ein Befangenheitsgesuch; sie ist nicht beschränkt auf den Zeitraum bis zum Ablauf der Frist des § 29 Abs. 3 StPO (so auch die Gesetzesbegründung; s. BT-Drucks. 19/14747, S. 23). Darin kommt der Wille des Gesetzes zum Ausdruck, an einen Fristverstoß kein (Weiter-)Verhandlungsverbot und keine Aussetzungspflicht zu knüpfen, was zur dann notwendigen Folge hat, dass nach Fristablauf noch über ein Befangenheitsgesuch entschieden werden darf und muss.

Auch der Zweck der gesetzlichen Regelung, dass über ein Befangenheitsgesuch innerhalb eines kurzen Zeitraumes entschieden werden muss, spricht gegen die von den Revisionen postulierten Fehlerfolgen bei einem Fristverstoß. Die Entscheidungsfrist soll bewirken, dass schnellstmöglich Klarheit darüber geschaffen wird, ob ein Verfahren mit den abgelehnten Richtern fortgesetzt werden darf oder diese wegen Besorgnis der Befangenheit von einer weiteren Mitwirkung ausgeschlossen sind und damit regelmäßig eine Hauptverhandlung neu angesetzt oder nach Aussetzung neu begonnen werden muss (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 23 f.). Die Frist dient mithin wesentlich der Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes und der Ressourcenschonung. Dürfte nach Fristablauf nicht mehr über einen Ablehnungsantrag entschieden werden, so dass ein abgelehnter Richter gemäß § 29 Abs. 1 StPO dauerhaft von einer Mitwirkung an dem betreffenden Verfahren ausgeschlossen wäre, und dürfte eine Hauptverhandlung nicht (weiter) unter Beteiligung des abgelehnten Richters durchgeführt werden, wäre das Beschleunigungsgebot im Falle eines unbegründeten Ablehnungsgesuchs jedoch vielfach massiv betroffen.

Zudem kann es Konstellationen geben, in denen äußere Umstände einer Einhaltung der Entscheidungsfrist des § 29 Abs. 3 StPO entgegenstehen. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall: Die zur Entscheidung über das Befangenheitsgesuch vom 4. September 2020 zuständigen Richter sahen sich außer Stande, fristgemäß über dieses zu befinden, weil zuvor mehrere andere Ablehnungsanträge angebracht worden waren, darunter zwei Befangenheitsanträge gegen eine an der Hauptverhandlung nicht beteiligte Richterin, die als geschäftsplanmäßige Vertreterin zur Mitwirkung an der Entscheidung über das Befangenheitsgesuch vom 4. September 2020 berufen war. Über die Ablehnungsgesuche gegen diese Richterin musste vorrangig entschieden werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 337; s. auch BGH, Beschluss vom 25. April 2014 - 1 StR 13/13, juris Rn. 37; MüKo-StPO/Conen/Tsambikakis, § 27 Rn. 27; KK-StPO/Scheuten, 8. Aufl., § 27 Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 27 Rn. 4). Anschließend war zunächst über zeitlich früher angebrachte weitere Befangenheitsgesuche gegen Richter der erkennenden Strafkammer zu befinden, die auf andere Gründe gestützt waren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. April 2014 - 1 StR 13/13, juris Rn. 36; vom 9. Oktober 1995 - 3 StR 324/94, NJW 1996, 1159, 1160; MüKo-StPO/Conen/Tsambikakis, § 27 Rn. 25; KK-StPO/Scheuten, 8. Aufl., § 27 Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 27 Rn. 4). Es erscheint vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgrundsatzes, aber auch des Prinzips des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG), nicht angängig, in einem solchen Fall eine - gesetzlich nicht vorgesehene - Pflicht zur Aussetzung einer Hauptverhandlung auch bei einem in der Sache unbegründeten Befangenheitsgesuch anzunehmen, nur weil nicht innerhalb der Frist des § 29 Abs. 3 StPO entschieden wurde und die Fortsetzung der Hauptverhandlung mit Ergänzungsrichtern beziehungsweise Ergänzungsschöffen nicht möglich ist. Tatgerichte wären gegebenenfalls gehalten, Hauptverhandlungstermine aufzuheben und die Hauptverhandlung zu strecken, um in Anwendung des § 29 Abs. 3 Satz 3 StPO eine Fristverlängerung herbeizuführen, was zu einer Verfahrensverzögerung führte, die bei unbegründeten Gesuchen gleichfalls dem Beschleunigungsgrundsatz widerstritte (vgl. insofern BT-Drucks. 19/14747, S. 23). Ginge man von einem Entscheidungs- und (Weiter-)Verhandlungsverbot nach Fristablauf aus, hätten es zudem antragsberechtigte Verfahrensbeteiligte häufig in der Hand, allein durch die Stellung einer Vielzahl unbegründeter Ablehnungsanträge und insbesondere durch „Kettenablehnungen“ auch der zur Entscheidung über Befangenheitsgesuche berufenen Vertreter die Aussetzung von Hauptverhandlungen und den Ausschluss missliebiger Richter zu erzwingen.

Die Überlegung der Revisionsführer, ein Fristverstoß müsse durch ein hieraus resultierendes Entscheidungs- und (Weiter-)Verhandlungshindernis sanktioniert sein, weil die Frist ansonsten nur „Empfehlungscharakter“ hätte und - so die implizit geäußerte Befürchtung - vielfach keine Beachtung fände, geht schon im Ansatz fehl. An das Gesetz gebundene (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG) Richter haben sich auch an diejenigen Vorgaben der Strafprozessordnung zu halten, deren Nichteinhaltung keine unmittelbaren Folgen für das Verfahren hat; von einer solchen Rechtstreue darf das Gesetz ausgehen. Der Strafprozessordnung ist daher der Gedanke, jeder Verfahrensfehler müsse eine (den Beschuldigten begünstigende) Konsequenz haben, fremd. So hat beispielsweise im besonderen Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO eine Vorlage der Akten erst nach Fristablauf nicht zur Folge, dass bei einer die Dauer von sechs Monaten übersteigenden Untersuchungshaft der Haftbefehl schon deshalb aufgehoben werden müsste (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 1976 - 2 BvR 618/75, BVerfGE 42, 1, 9 f.; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2018 - AK 4/18, StB 29/17, juris Rn. 63; OLG Hamm, Beschluss vom 21. August 2007 - 3 OBL 86/07, NJW 2007, 3220, 3221 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 121 Rn. 28 mwN). Hinzu kommt, dass eine derartige „Sanktionierung“ des Fristverstoßes, wie sie von den Beschwerdeführern für rechtlich geboten erachtet wird, bei unbegründeten Ablehnungsgesuchen primär den Angeklagten träfe, denn er müsste dann regelmäßig eine erhebliche Verfahrensverzögerung erdulden.

Ein Verstoß gegen die Entscheidungsfrist des § 29 Abs. 3 StPO hat mithin keine rechtliche Konsequenz für den Fortgang des Verfahrens über das Ablehnungsgesuch und das betreffende gerichtliche Erkenntnisverfahren. Er begründet kein Entscheidungshindernis im Ablehnungsverfahren und kein Verbot der (weiteren) Durchführung der Hauptverhandlung. Die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch und die Fortsetzung der Hauptverhandlung nach Fristablauf sind damit entgegen dem Revisionsvorbringen keine Verfahrensverstöße, die den Revisionen zum Erfolg verhelfen könnten.

(2) Der „schlichte“ Fristverstoß ist zwar für sich genommen ein Rechtsfehler, führt allerdings ebenfalls nicht zum Erfolg der auch hierauf gestützten Verfahrensrügen.

(a) Der Verstoß gegen die Entscheidungsfrist des § 29 Abs. 3 StPO ist kein absoluter Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 3 StPO. Dieser erfasst Rechtsmängel, die dem Beschluss selbst anhaften, nicht aber solche, die den Zeitpunkt der Entscheidung betreffen (BGH, Beschluss vom 4. März 1996 - 5 ARs 452/95, NStZ 1996, 398; KK-StPO/Scheuten, 8. Aufl., § 29 Rn. 13; LR/Siolek, StPO, 27. Aufl., § 29 Rn. 41).

(b) Da die Nichteinhaltung der Frist des § 29 Abs. 3 StPO ein relativer Revisionsgrund im Sinne des § 337 StPO ist, führt dieser Rechtsfehler nur dann zum Erfolg der Revision, wenn das Urteil auf ihm beruht (BGH, Beschluss vom 4. März 1996 - 5 ARs 452/95, NStZ 1996, 398; MüKo-StPO/Conen/Tsambikakis, § 29 Rn. 17; SK-StPO/Deiters, 5. Aufl., § 29 Rn. 19; KK-StPO/Scheuten, 8. Aufl., § 29 Rn. 13; LR/Siolek, StPO, 27. Aufl., § 29 Rn. 41; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 29 Rn. 35). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Das Ablehnungsgesuch vom 4. September 2020 ist - wie nachfolgend dargelegt wird - unbegründet gewesen. Es ist vom Landgericht zu Recht zurückgewiesen worden; Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter bestand zu keinem Zeitpunkt. Daher ist auszuschließen, dass das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn der Zurückweisungsbeschluss innerhalb der Frist des § 29 Abs. 3 StPO ergangen wäre.

c) Die auf die Gründe des Urteils gegen vier frühere Mitangeklagte vom 8. Juni 2020 und damit eine Vorbefassung der erkennenden Richter bezogenen Rügen, an der angefochtenen Entscheidung hätten mit den drei berufsrichterlichen Mitgliedern und den beiden Schöffen der erkennenden Strafkammer Richter mitgewirkt, bezüglich derer das auf die Besorgnis der Befangenheit (§ 24 Abs. 1 und 2 StPO) gestützte Ablehnungsgesuch vom 4. September 2020 zu Unrecht verworfen worden sei (§ 338 Nr. 3 StPO), dringen nicht durch.

aa) In dem nach Verfahrensabtrennung ergangenen Urteil vom 8. Juni 2020 wird - soweit für die Rügen von Relevanz - ausgeführt, die hiesigen vier Angeklagten hätten sich Ende 2018 zusammengeschlossen, um unter organisatorischer Führung der Brüder F. und A. G. in D. fortgesetzt mit Marihuana Handel zu treiben. Die Drogen seien über zwei Trinkhallen abverkauft worden. Die Aufgabe der Brüder G. habe darin bestanden, das Marihuana zu beschaffen sowie die Zwischenlagerung, das Portionieren beziehungsweise Abpacken und den Abverkauf zu organisieren. Die vier früheren Mitangeklagten hätten sich 2019 der von den Brüdern G. geleiteten Bande angeschlossen. Sie seien in einer der Trinkhallen als Verkäufer tätig geworden und hätten dort neben den regulären Kioskgeschäften auf Veranlassung der Brüder G. verkaufsfertig verpacktes Marihuana an Konsumenten veräußert. Entsprechend habe auch die hiesige Angeklagte S. agiert, die zudem zeitweilig Konzessionärin des Kiosks gewesen sei. Ferner hätten die früheren Mitangeklagten unterstützende Leistungen im Zusammenhang mit dem Portionieren und Abpacken des Marihuanas sowie dessen Lagerung erbracht. Darlegungen zu konkreten einzelnen Taten der hiesigen Angeklagten enthält das Urteil nicht. Eine (rechtliche) Würdigung deren Agierens beinhaltet es nur insofern, als dort zum einen festgestellt wird, die hiesigen Angeklagten hätten eine Bande zum Zwecke des fortgesetzten Handeltreibens mit Marihuana gebildet, zum anderen dargetan wird, die früheren Mitangeklagten hätten sich dieser Bande angeschlossen, die vorgenannten Tätigkeiten erbracht und sich damit jeweils wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht.

Die Beschwerdeführer rügen, die abgelehnten Richter hätten mit der Verurteilung der früheren Mitangeklagten zum Ausdruck gebracht, auch von der Schuld der hiesigen Angeklagten bereits überzeugt zu sein. Denn die im Urteil vom 8. Juni 2020 getroffenen Feststellungen zur Bandenmitgliedschaft und zur Tätigkeit der hiesigen Angeklagten seien denknotwendig mit einer Festlegung zu deren Schuld verbunden. Das begründe die Besorgnis der Befangenheit.

bb) Die von den Revisionen vorgetragenen Tatsachen, aufgrund derer allein der Senat nach Beschwerdegrundsätzen zu prüfen hat, ob das Ablehnungsgesuch zu Unrecht zurückgewiesen worden ist (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschluss vom 10. Januar 2018 - 1 StR 571/17, juris Rn. 4), sind auch mit Blick auf neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht geeignet gewesen, die Besorgnis der Befangenheit gegen die abgelehnten Richter zu begründen. Im Einzelnen:

(1) Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erkennenden Richters ist, sofern sie nicht den Tatbestand eines gesetzlichen Ausschlussgrundes erfüllt, regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des Richters im Sinne des § 24 Abs. 2 StPO zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 159/17, juris Rn. 56; Beschlüsse vom 10. Januar 2018 - 1 StR 571/17, NStZ 2018, 550; vom 10. Januar 2012 - 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519 Rn. 19 mwN; Urteil vom 30. Juni 2010 - 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44 Rn. 23; Beschluss vom 10. August 2005 - 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221). Das betrifft nicht nur die Vorbefassung mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, insbesondere etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftentscheidungen, sondern auch die Mitwirkung eines erkennenden Richters in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat.

Die Mitwirkung an einem Urteil über dieselbe Tat gegen einen anderen Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren ist somit grundsätzlich unbedenklich. Das gilt selbst dann, wenn - wie hier - das Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung oder aus sonstigen Gründen abgetrennt wird und in dem abgetrennten Verfahren ein Schuldspruch gegen frühere Mitangeklagte wegen eines auch die verbliebenen Angeklagten betreffenden Tatgeschehens mit Feststellungen ergeht, zu denen sich das Gericht im Ursprungsverfahren gegen diese später ebenfalls noch eine Überzeugung zu bilden hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 159/17, juris Rn. 56; Beschluss vom 10. Januar 2018 - 1 StR 571/17, NStZ 2018, 550; Urteil vom 10. Februar 2016 - 2 StR 533/14, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Vortätigkeit 3 Rn. 13; Beschluss vom 10. Januar 2012 - 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519 Rn. 20 mwN; Urteile vom 30. Juni 2010 - 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44 Rn. 24; vom 29. Juni 2006 - 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864 Rn. 20; vom 15. Mai 1997 - 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034, 3036). Das Gesetz geht, wie der Umstand zeigt, dass eine solche Vorbefassung keinen Ausschlussgrund nach § 23 StPO darstellt, davon aus, dass ein Richter grundsätzlich auch dann unvoreingenommen über einen Anklagevorwurf urteilt, wenn er sich zu dem betreffenden Sachverhalt im Rahmen einer früheren Entscheidung bereits eine Überzeugung gebildet hatte.

(2) Zwar sieht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die in Anbetracht insbesondere neuerer Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu präzisieren ist, Ausnahmen vor dem dargelegten Grundsatz vor. Eine solche ist jedoch hier nicht gegeben.

(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Besorgnis der Befangenheit erkennender Richter wegen einer solchen Vortätigkeit ausnahmsweise gegeben sein, wenn Umstände vorliegen, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen, namentlich in einem Urteil im abgetrennten Verfahren, hinausgehen. Dies ist etwa anzunehmen, wenn Ausführungen in dem Urteil gegen die früheren Mitangeklagten in dem abgetrennten Verfahren unnötige und sachlich unbegründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein Richter sich bei seiner Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 159/17, juris Rn. 56; Beschlüsse vom 28. Februar 2018 - 2 StR 234/16, NStZ-RR 2018, 186, 187; vom 10. Januar 2018 - 1 StR 571/17, NStZ 2018, 550; vom 19. August 2014 - 3 StR 283/14, NStZ 2015, 46; vom 10. Januar 2012 - 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519 Rn. 20; Urteile vom 30. Juni 2010 - 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44 Rn. 24; vom 29. Juni 2006 - 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864 Rn. 20; Beschluss vom 10. August 2005 - 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 221 f.).

Solche Umstände werden von den Beschwerdeführern nicht behauptet. Das mit den Revisionsbegründungen vorgelegte Urteil gegen die früheren Mitangeklagten vom 8. Juni 2020 enthält keine (unnötigen oder sachlich nicht begründeten) Werturteile über einen der Beschwerdeführer und keine sonstigen unsachlichen Äußerungen zum Nachteil der jetzigen Angeklagten.

(b) Die aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe bedürfen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Gewährleistungsgehalt des Rechts auf ein unparteiisches Gericht (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) der Präzisierung.

(aa) Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lässt sich die Besorgnis der Befangenheit nicht allein damit begründen, dass ein Richter an einer früheren Entscheidung wegen derselben Straftat mitgewirkt hat. Der Umstand, dass ein Richter an einem gesonderten Verfahren gegen einen Mitbeschuldigten und einem dort ergangenen Urteil beteiligt war, genügt danach nicht, um Zweifel an seiner Unparteilichkeit im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK in einem nachfolgenden Verfahren wegen desselben Tatgeschehens zu begründen (EGMR, Urteile vom 25. November 2021 - 63703/19 Rn. 49; vom 16. Februar 2021 - 1128/17, NJW 2021, 2947 Rn. 47 [vorhergehend: BGH, Urteil vom 10. Februar 2016 - 2 StR 533/14, BGHR StPO § 24 Abs. 2 Vortätigkeit 3]; Entscheidung vom 23. November 2010 - 21698/06, NJW 2011, 3633, 3634; Urteil vom 10. August 2006 - 75737/01, NJW 2007, 3553 Rn. 42). Der Gerichtshof hat ausdrücklich anerkannt, dass es geboten sein kann, gegen mehrere an einem Tatgeschehen Beteiligte getrennt zu verhandeln. Er hat es daher als grundsätzlich konventionskonform erachtet, wenn ein Gericht zur Beurteilung der Schuld eines Angeklagten in einem Urteil auf die Beteiligung eines Dritten eingeht, gegen den (später) ein gesondertes Verfahren geführt wird; das könne unerlässlich sein und genüge allein nicht, um in dem gesonderten Verfahren gegen den Dritten Zweifel an der Unparteilichkeit des Gerichts zu begründen (EGMR, Urteile vom 25. November 2021 - 63703/19 Rn. 49, 58; vom 16. Februar 2021 - 1128/17, NJW 2021, 2947 Rn. 47; Entscheidung vom 21. April 2015 - 4211/12 Rn. 32, 36; Urteil vom 24. März 2009 - 32271/04 Rn. 23, 26).

Objektiv berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit eines Spruchkörpers, die einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK in einem späteren Verfahren gegen einen Beschwerdeführer begründen können, hält der Gerichtshof allerdings für prinzipiell möglich, sofern das Gericht in einem früheren Urteil gegen einen Mitbeschuldigten ohne rechtliche Notwendigkeit eine detaillierte Beurteilung der Rolle des Beschwerdeführers vorgenommen hat. Dies gilt insbesondere, wenn das frühere Urteil nicht lediglich Tatsachen benennt, die (auch) den Beschwerdeführer betreffen, sondern - ohne dass dies für eine Beurteilung der Tat des Mitbeschuldigten erforderlich war - eine genaue rechtliche Bewertung seiner Beteiligung enthält (vgl. EGMR, Urteile vom 25. November 2021 - 63703/19 Rn. 49, 58; vom 16. Februar 2021 - 1128/17, NJW 2021, 2947 Rn. 48, 57, 61 mwN; Entscheidung vom 21. April 2015 - 4211/12 Rn. 32, 36; Urteil vom 11. Juli 2013 - 2775/07 Rn. 116; Entscheidung vom 23. November 2010 - 21698/06, NJW 2011, 3633, 3634; Urteil vom 24. März 2009 - 32271/04 Rn. 26, 28). Besorgnis der Unparteilichkeit eines Gerichts hat der Gerichtshof dagegen in Fällen verneint, in denen in einem früheren Urteil wegen derselben Tat die strafrechtliche Schuld des Beschwerdeführers nicht beurteilt worden ist (vgl. EGMR, Urteile vom 24. März 2009 - 32271/04 Rn. 28; vom 10. August 2006 - 75737/01, NJW 2007, 3553 Rn. 43; s. auch Urteil vom 16. Februar 2021 - 1128/17, NJW 2021, 2947 Rn. 49 mwN).

Ob in derart gelagerten Fällen einer Vorbefassung tatsächlich berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Tatgerichts im Verfahren gegen den Beschwerdeführer vorliegen und damit ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK gegeben ist, prüft der Gerichtshof unter Berücksichtigung insbesondere der vorgenannten Kriterien im Rahmen einer Gesamtwürdigung. Indiziell gegen eine Parteilichkeit eines beteiligten Richters spricht dabei, wenn sich aus dem späteren Urteil gegen den Beschwerdeführer ergibt, dass das Gericht dessen Tat neu und unabhängig von dem früheren Erkenntnis auf der Grundlage der in dem späteren Verfahren abgegebenen Einlassungen und erhobenen Beweise geprüft und sich nicht auf Feststellungen in dem früheren Urteil gestützt hat (vgl. EGMR, Urteile vom 25. November 2021 - 63703/19 Rn. 51; vom 16. Februar 2021 - 1128/17, NJW 2021, 2947 Rn. 50 mwN; Entscheidungen vom 21. April 2015 - 4211/12 Rn. 35; vom 23. November 2010 - 21698/06, NJW 2011, 3633, 3635; Urteil vom 10. August 2006 - 75737/01, NJW 2007, 3553 Rn. 43). Gleiches gilt, wenn der vorbefasste Richter ein Berufsrichter ist, weil ein solcher eher als ein ehrenamtlicher Richter in der Lage sei, sich von den im früheren Verfahren getroffenen Feststellungen freizumachen (EGMR, Urteile vom 25. November 2021 - 63703/19 Rn. 51; vom 16. Februar 2021 - 1128/17, NJW 2021, 2947 Rn. 51; Entscheidung vom 21. April 2015 - 4211/12 Rn. 38). Dagegen spreche für Zweifel an der Unparteilichkeit eines Richters, wenn dieser - etwa im Rahmen einer Anzeige nach § 30 StPO - selbst solche zum Ausdruck gebracht habe (vgl. EGMR, Urteile vom 16. Februar 2021 - 1128/17, NJW 2021, 2947 Rn. 52; vom 11. Juli 2013 - 2775/07 Rn. 118).

(bb) Im Rahmen der gebotenen konventionsfreundlichen Auslegung des deutschen Rechts und damit des § 24 Abs. 2 StPO ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 2 BvR 209/14 u.a., NJW 2015, 1083 Rn. 41; Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326, 367 f.; Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 317, 323 ff.). Die Judikatur des Gerichtshofs erfordert es indes nicht, die von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Besorgnis der Befangenheit wegen Vorbefassung aufzugeben (aA Rzadkowski, NJW 2021, 2951); diese bedürfen lediglich der Ergänzung: Besorgnis der Befangenheit eines Richters, der an einem früheren Urteil gegen einen Mitbeschuldigten wegen desselben Tatgeschehens mitgewirkt hat, kann danach bei einer Gesamtabwägung aller Umstände im Einzelfall auch vorliegen, wenn das frühere Urteil Feststellungen zur Beteiligung des jetzigen Angeklagten trifft, die dort rechtlich nicht geboten waren, also zur Beschreibung des strafrechtlich relevanten Handels des früheren Angeklagten, zu dessen rechtlicher Einordnung und für die Rechtsfolgenentscheidung nicht erforderlich waren (vgl. BeckOK StPO/Cirener, 43. Ed., § 24 Rn. 15a; König, StV 2022, 273, 274). Das kann etwa der Fall sein, wenn das frühere Urteil sich, was die Tatbeteiligung des jetzigen Angeklagten anbelangt, nicht auf eine Darstellung des tatsächlichen Geschehens und dessen für die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens des dortigen Angeklagten relevante rechtliche Einordnung beschränkt, sondern darüber hinausgehend eine rechtliche Würdigung des Verhaltens des jetzigen Angeklagten und Feststellungen zu dessen Schuld enthält.

Die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seine Gesamtbetrachtung eingestellten Kriterien, ob das Tatgericht die Verurteilung des Beschwerdeführers in einem späteren Verfahren ohne Rückgriff auf die Beweisergebnisse des früheren Verfahrens auf eine neue Beweisaufnahme und eigenständige Beweiswürdigung gestützt hat beziehungsweise das erkennende Gericht - wie es vorliegend der Fall ist - im späteren Urteil zu im Detail vom ersten Erkenntnis abweichenden Feststellungen gelangt ist (vgl. EGMR, Urteile vom 25. November 2021 - 63703/19 Rn. 51; vom 16. Februar 2021 - 1128/17, NJW 2021, 2947 Rn. 50, 56 mwN), haben bei der hier vorzunehmenden Beurteilung einer Befangenheitsrüge nach § 24 Abs. 1 und 2, § 338 Nr. 3 StPO allerdings außer Betracht zu bleiben. Denn das Revisionsgericht prüft die Begründetheit der Rüge der zu Unrecht beschlossenen Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs zwar nach Beschwerdegrundsätzen, aber unter Zugrundelegung der Sachlage zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, mit dem das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen worden ist; später hinzugekommener Tatsachenstoff darf nicht berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 5 StR 48/16, juris Rn. 9; Urteil vom 13. Juli 1966 - 2 StR 157/66, BGHSt 21, 85, 88; MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, § 338 Rn. 59; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 338 Rn. 27).

(cc) Auch hieran gemessen zeigt das Revisionsvorbringen keine Umstände auf, die geeignet gewesen wären, Besorgnis der Befangenheit der Beschwerdeführer gegen die Richter der erkennenden Strafkammer zu begründen.

Denn das Urteil gegen die früheren Mitangeklagten beinhaltet, soweit hier relevant, ausschließlich Feststellungen, die für die Begründung der Schuldsprüche gegen die dortigen Angeklagten wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, also wegen Beihilfe zu den Haupttaten der hiesigen Angeklagten F. G. und A. G., erforderlich waren. Die im früheren Urteil getroffenen Feststellungen zur Mitgliedschaft der Beschwerdeführer in einer Bande, deren Mitglieder sich zum fortgesetzten Handeltreiben mit Marihuana in D. verbunden hatten, und die Darlegungen zum Handeln der hiesigen Angeklagten und insbesondere zur leitenden Funktion des Angeklagten F. G., waren rechtlich geboten, um das strafbare Verhalten der dortigen Angeklagten im schuld- und strafzumessungsrelevanten Umfang zu beschreiben und zu belegen, also Darstellungsmängel zu vermeiden. Für die Verurteilung der dortigen Angeklagten nicht erforderliche Feststellungen zum Verhalten der hiesigen Angeklagten enthält das Urteil nicht. So nimmt es keine eigenständige strafrechtliche Würdigung des Verhaltens der hiesigen Angeklagten vor, sondern beschreibt lediglich deren tatsächliches Agieren, und auch dies nur insoweit, als es für die Strafbarkeit der früheren Mitangeklagten von Bedeutung war. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie derjenige der Bande verwendet wurden, diente dies erkennbar allein dazu, notwendige Feststellungen für die rechtliche Beurteilung des Tathandelns der dortigen Angeklagten zu treffen. Ausführungen zur Schuld der hiesigen Angeklagten finden sich in dem Urteil nicht.

(c) Weil die Feststellungen im Urteil vom 8. Juni 2020, die sich (auch) auf die hiesigen Angeklagten beziehen, zur Begründung der Verurteilungen der früheren Mitangeklagten notwendig waren, sich nicht zur Schuld der hiesigen Angeklagten verhalten sowie keine unnötigen oder sachlich nicht begründeten Werturteile oder sonstigen unsachlichen Äußerungen über einen der Beschwerdeführer enthalten, sind sie mithin zur Begründung der Besorgnis von Befangenheit ungeeignet, und zwar auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

2. Mit einer weiteren Verfahrensbeanstandung rügen die Angeklagten F. G. und S. als Verstoß gegen § 24 Abs. 2, § 338 Nr. 3 StPO, ein Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin der erkennenden Strafkammer vom 5. Oktober 2020 sei zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesen worden. Auch dieser Rüge liegt die nicht fristgemäße Entscheidung über das Ablehnungsgesuch vom 4. September 2020 (hierzu oben IV. 1.) zu Grunde.

a) Die Verteidiger der Angeklagten S. teilten der Vorsitzenden zu Beginn der Hauptverhandlung am 5. Oktober 2020 mit, die Hauptverhandlung dürfe nicht fortgesetzt werden, sondern sei auszusetzen, weil über das Ablehnungsgesuch vom 4. September 2020 nicht innerhalb der Frist des § 29 Abs. 3 StPO entschieden worden sei. Die Vorsitzende entgegnete, aus dem Gesetz ergebe sich nicht, dass nicht weiterverhandelt werden dürfe; die Fortsetzung der Hauptverhandlung sei unaufschiebbar, solange über das Ablehnungsgesuch nicht entschieden sei. Eine fristgemäße Entscheidung über das Befangenheitsgesuch sei wegen anderer, vorrangig zu bescheidender Ablehnungsanträge nicht möglich gewesen. Die Strafkammer halte eine Fortsetzung der Hauptverhandlung für zulässig. Gegebenenfalls müsse die Rechtsfrage, ob die Fristüberschreitung einem Weiterverhandeln entgegenstehe, in einem Revisionsverfahren geklärt werden. Die Hauptverhandlung wurde sodann fortgesetzt, woraufhin die Angeklagte S. ein Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit anbrachte und dieses damit begründete, die Entscheidung, mit der Hauptverhandlung fortzufahren, sei eklatant rechtswidrig und erwecke den Anschein der Willkür. Deshalb besorge die Angeklagte, die Vorsitzende Richterin sei ihr gegenüber voreingenommen. Das Ablehnungsgesuch, dem sich der Angeklagte F. G. anschloss, wurde mit Entscheidung des Landgerichts vom 26. Oktober 2020 - vor Beginn des nächsten Hauptverhandlungstages - ohne Beteiligung der abgelehnten Richterin als unbegründet zurückgewiesen.

b) Auch dieser Befangenheitsrüge bleibt der Erfolg versagt. Das Ablehnungsgesuch vom 5. Oktober 2020 ist zu Recht als unbegründet zurückgewiesen worden. Denn wie bereits ausgeführt worden ist, hat die Hauptverhandlung ungeachtet des Umstandes, dass über das Ablehnungsgesuch vom 4. September 2020 nicht bis zum 18. September 2020 und damit nicht innerhalb der Frist des § 29 Abs. 3 StPO entschieden worden ist, am 5. Oktober 2020 fortgesetzt werden dürfen. Die Entscheidung der Vorsitzenden Richterin, mit der Hauptverhandlung fortzufahren, hat mithin der Rechtslage entsprochen; Gleiches gilt für ihre Äußerungen in dem vorhergehenden Gespräch mit den Verteidigern der Angeklagten. Die Angeklagten F. G. und S. haben mithin keinen berechtigen Anlass gehabt, Zweifel an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Vorsitzenden Richterin zu hegen. Rechtliche Äußerungen und Entscheidungen eines Richters, die mit den geltenden Vorschriften im Einklang stehen, sind von vornherein nicht geeignet, Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

3. Die Angeklagten F. G. und S. machen jeweils mit einer vierten, inhaltsgleich erhobenen Rüge der Verletzung formellen Rechts geltend, das Landgericht habe gegen die Unterbrechungsfristen des § 229 StPO verstoßen.

a) Auch dieser Beanstandung liegt das Verfahrensgeschehen der nicht fristgemäßen Entscheidung über das Ablehnungsgesuch vom 4. September 2020 (hierzu oben IV. 1.) zu Grunde. Die Beschwerdeführer tragen vor, die Hauptverhandlung habe nach Ablauf der Frist zur Entscheidung über dieses Befangenheitsgesuch (18. September 2020) nicht fortgesetzt werden dürfen. Der letzte statthafte Hauptverhandlungstag sei der 14. September 2020 gewesen. Der nachfolgende Hauptverhandlungstermin am 5. Oktober 2020 sei rechtswidrig abgehalten worden. Er dürfe daher für die Frage der Wahrung der Unterbrechungsfrist keine Berücksichtigung finden. Erst nach der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs mit Beschluss vom 14. Oktober 2020 habe mit der Hauptverhandlung fortgefahren werden dürfen. Der nächste Hauptverhandlungstermin sei der 27. Oktober 2020 gewesen. Zwischen dem letzten noch statthaften Hauptverhandlungstag (14. September 2020) und dem nächsten zulässigen und „wirksamen“ Hauptverhandlungstag (27. Oktober 2020) habe ein die Fristen des § 229 Abs. 1 und 2 StPO übersteigender Zeitraum gelegen.

b) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die Hauptverhandlung durfte - wie ausgeführt (s. oben IV. 1. b)) - nach Ablauf der Frist des § 29 Abs. 3 StPO fortgesetzt werden, so dass mit dem Hauptverhandlungstermin am 5. Oktober 2020 die Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO eingehalten worden ist.

4. Die Verfahrensrüge des Angeklagten K. bleibt aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.

V.

Die auf die Sachrügen hin veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen.

1. Der Annahme einer Bande durch das Landgericht steht nicht entgegen, dass die weiteren Bandenmitglieder neben F. G. - beziehungsweise seinem Bruder A. G. - nach der getroffenen Abrede allein untergeordnete Tatbeiträge erbrachten und diese daher rechtlich als Beihilfe (zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB) einzuordnen sind. Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dessen Tatbeiträge sich in einer Gehilfentätigkeit erschöpfen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 - 3 StR 184/20, juris Rn. 18; Beschlüsse vom 5. Dezember 2018 - 4 StR 392/18, NStZ 2019, 416 Rn. 5; vom 28. September 2010 - 3 StR 359/10, NStZ 2011, 231, 232; vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 217; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 30 Rn. 31; MüKo-StGB/O?lakc?o?lu, 4. Aufl., § 30 BtMG Rn. 36 mwN).

2. Für die vom Landgericht rechtsfehlerfrei angenommene Strafbarkeit des Angeklagten F. G. wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG in den Fällen II. 3. d) und II. 3. e) der Urteilsgründe ist unerheblich, dass der Angeklagte hier ohne festgestellte Mitwirkung der weiteren Bandenmitglieder, der Angeklagten K. und S., tätig wurde. Es genügt, dass auch dieses Betäubungsmittelgeschäft als Ausfluss der Bandenabrede im Rahmen der Bandenstruktur über die Trinkhallen abgewickelt wurde. Für eine Strafbarkeit wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln ist nicht erforderlich, dass unter Mitwirkung anderer Bandenmitglieder agiert wird (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2019 - 1 StR 114/19, NStZ 2019, 657, 658; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 30 Rn. 86; MüKo-StGB/O?lakc?o?lu, § 30 BtMG Rn. 44; Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 30 Rn. 47).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 986

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede