HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 7
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 322/19, Urteil v. 31.10.2019, HRRS 2020 Nr. 7
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 28. November 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit es die Angeklagte H. betrifft.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen freigesprochen. Drei weitere Mitangeklagte hat es zu Freiheitsstrafen und einer Jugendstrafe verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen den Freispruch der Angeklagten. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
Zu der der Angeklagten angelasteten Tat hat das Landgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Der Mitangeklagte M. berichtete der Angeklagten am 25. März 2018, dass er in der Vergangenheit einen Kiosk überfallen habe und ein solcher Überfall eine gute Möglichkeit sei, sich Geld zu beschaffen. Beide vereinbarten, sich am Folgetag erneut zu treffen, um nach weiterer Planung eine solche Tat durchzuführen. Die Angeklagte sagte zu, zu dem Treffen den Mitangeklagten A. mitzubringen, mit dem sie sich bereits zuvor über Geldprobleme und die Möglichkeit eines Überfalls unterhalten hatte. Dementsprechend verabredete sie am nächsten Tag mit A. ein Treffen bei M. Dabei ging sie davon aus, dass der früher angegangene Kiosk Ziel eines noch näher zu planenden Überfalls werden sollte.
Die Angeklagte befand sich sodann wegen eines anderweitigen Termins nicht in der Wohnung des Mitangeklagten M., als dieser mit den Mitangeklagten A. und Ah. sowie weiteren Anwesenden das Vorgehen besprach und sich zu einem Überfall auf eine nahegelegene Spielhalle entschloss. Als die Angeklagte später zu der Wohnung zurückkehrte, schilderte ihr A. die Planungen, ohne aber den vorgesehenen Einsatz eines Teleskopschlagstockes und von Reizgas zu erwähnen. Zwar verlangte die Angeklagte nachdrücklich, selbst teilzunehmen. Dies redete A. ihr aber aus, so dass sie enttäuscht allein in der Wohnung verblieb. Die drei Mitangeklagten betraten maskiert die Spielhalle, sprühten dem dortigen Mitarbeiter Reizgas in die Augen, schlugen ihn mit einem Teleskopschlagstock auf den Kopf und entnahmen der Kasse 215 €. Die Angeklagte erhielt keinen Anteil an der Beute.
2. Entgegen der Darstellung im Anklagesatz hat nach Würdigung der Strafkammer nicht nachgewiesen werden können, dass die Angeklagte die Tat geplant und deren Begehung den Mitangeklagten in allen Details am Abend des Tattages vorgestellt habe, sie als Beifahrerin mit zur Spielhalle gefahren sei, sich während der Tat in deren Nähe aufgehalten habe und anschließend mit den anderen im Fahrzeug geflüchtet sei.
3. Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, das festgestellte Verhalten der Angeklagten sei nicht strafbar. Sie sei weder Mittäterin, noch liege Beihilfe zu einem Raub- oder Körperverletzungsdelikt vor. Durch die vor der eigentlichen Tatplanung geführten Gespräche oder ihre Anwesenheit in der Wohnung habe sie die Tat weder konkret gefördert noch erleichtert. In die Tatplanung sei sie nicht eingebunden gewesen. Zu dem Zeitpunkt, als sie den Mitangeklagten A. zu dem Treffen in der Wohnung veranlasst habe, sei die konkrete Tat noch nicht hinreichend klar umrissen gewesen. Daher liege auch keine Verabredung zum Verbrechen (§ 30 Abs. 2 StGB) bei der Vereinbarung des Treffens vor. Vom Versuch der Beteiligung unmittelbar vor der Tat sei sie zurückgetreten, da sie ihr Vorhaben freiwillig aufgegeben habe.
Der Freispruch der Angeklagten hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Strafkammer hat ihrer Entscheidung unzutreffende Anforderungen an die Annahme einer Tatbeteiligung zugrunde gelegt. Nach den von ihr getroffenen Feststellungen scheiden weder die objektiven noch die subjektiven Voraussetzungen für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) aus.
1. Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 - 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 27 Rn. 40). Die Beihilfe kann schon im Vorbereitungsstadium der Tat geleistet werden, selbst wenn der Haupttäter zur Tatbegehung noch nicht entschlossen ist (s. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252 Rn. 17).
Eine solche Förderung der verwirklichten Straftat ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen insofern gegeben, als die Angeklagte das gemeinsame Treffen der Mitangeklagten M. und A. organisierte, das Ausgangspunkt der folgenden Tat war. Diese Vermittlungstätigkeit erleichterte die Tatbegehung zumindest, wenn sie nicht sogar eine unerlässliche Voraussetzung war, ohne die es zu dem konkreten Überfall nicht gekommen wäre (vgl. zu anwerbenden und vermittelnden Tätigkeiten etwa BGH, Beschlüsse vom 6. August 2019 - 3 StR 189/19, juris Rn. 7; vom 25. Februar 2015 - 4 StR 16/15, NStZ 2015, 346, 347; vom 27. März 2014 - 4 StR 20/14, juris Rn. 6; Urteil vom 18. März 2004 - 4 StR 533/03, NStZ 2004, 499, 500). Einen derartigen objektiv fördernden Beitrag hat das Landgericht selbst nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich - augenscheinlich mit Blick auf den subjektiven Tatbestand - angeführt, die konkrete Tat sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht hinreichend klar umrissen gewesen.
2. Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern. Einzelheiten der Haupttat muss er dabei nicht kennen und keine bestimmten Vorstellungen von ihr haben. Allerdings ist ein Mindestmaß an Konkretisierung erforderlich. Der Hilfeleistende muss die zentralen Merkmale der Haupttat, namentlich den wesentlichen Unrechtsgehalt und die wesentliche Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen. Zudem muss der Hilfeleistende wissen, dass seine Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern (BGH, Beschluss vom 22. August 2019 - StB 21/19, juris Rn. 30 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. Februar 2017 - 3 StR 430/16, NStZ 2017, 274, 275).
Eine entsprechende Kenntnis und Billigung lässt sich nach den getroffenen Feststellungen nicht verneinen. So ging die Angeklagte davon aus, dass ein Kiosk in W. überfallen werden sollte. Sie wusste, dass das von ihr vereinbarte Treffen dazu dienen sollte, sich „weiter zu besprechen und im Anschluss mit der Hilfe und der Erfahrung des Angeklagten M. einen Überfall durchzuführen“. Damit waren nach den Gesamtumständen der Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der künftigen Tat unabhängig davon umrissen, dass die genauen Tatmodalitäten sowie ein konkretes Tatobjekt noch nicht feststanden und die Angeklagte anfangs einen Kiosk statt der später angegangenen Spielhalle als Angriffsziel in den Blick nahm. Hat der Gehilfe bestimmte Vorstellungen, so ist es unschädlich, wenn diese in den Einzelheiten unzutreffend sind, sofern - wie hier - der Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der vorgestellten und der begangenen fremden Tat im Wesentlichen übereinstimmen (BGH, Beschluss vom 28. November 2017 - 3 StR 272/17, juris Rn. 34 mwN). Dass die Angeklagte über die Vorbereitung der Zusammenkunft hinaus ursprünglich beabsichtigte, an dieser teilzunehmen und im Anschluss den Überfall selbst mit auszuführen, es hierzu jedoch nicht kam, lässt ihren Vorsatz in Bezug auf die bereits erbrachten Unterstützungshandlungen nicht entfallen.
3. Die Sache bedarf demnach im Hinblick auf die Angeklagte insgesamt der neuen Verhandlung und Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 2019 - 3 StR 133/19, juris Rn. 26 mwN). Hierfür kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob eine Strafbarkeit wegen eines - gegenüber der Beihilfe subsidiären (s. BGH, Beschluss vom 11. März 1999 - 4 StR 56/99, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 4 mwN; Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., 11 12 § 30 Rn. 38) - Sich-Bereiterklärens zu einem Verbrechen nach § 30 Abs. 2 Variante 1 StGB ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei abgelehnt worden ist. Insoweit und im Hinblick auf eine fehlende Strafbarkeit nach § 138 StGB (vgl. dazu auch BGH, Urteile vom 10. August 2016 - 2 StR 493/15, BGHR StGB § 138 Anzeigepflicht 8; vom 19. Mai 2010 - 5 StR 464/09, BGHSt 55, 148) weist der Senat auf die entsprechenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts hin.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 7
Bearbeiter: Christian Becker