HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 289
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 430/16, Beschluss v. 07.02.2017, HRRS 2017 Nr. 289
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 16. Juni 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zu 65 tateinheitlich begangenen Fällen des Betrugs, von denen es in elf Fällen beim Versuch blieb, zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Dagegen richtet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen begingen die nicht revidierenden Angeklagten F., G. und A. H. Betrügereien mittels sog. Rechnungsofferten. Sie beobachteten Online-Veröffentlichungen von deutschen und österreichischen Behörden über Eintragungen in Marken-und Patentregistern im Internet und versendeten in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit Schein-Rechnungen an die jeweiligen Rechteinhaber. Die Schreiben waren so gestaltet, dass die Empfänger bei flüchtiger Betrachtung glauben sollten, dass es sich um eine amtliche Kostenrechnung für die Eintragung ihrer Marke bzw. ihres Patents in das behördliche Register handele. Nur durch genaue Lektüre des Kleingedruckten war ersichtlich, dass das Schreiben lediglich das kostenpflichtige Angebot enthielt, die Eintragung der Marke bzw. des Patents in ein privates Online-Register aufzunehmen; dieses existierte tatsächlich nicht. In 65 Fällen überwiesen die bei den Rechnungsempfängern zuständigen Mitarbeiter den in dem Schreiben geforderten Betrag auf das angegebene Konto der Mitangeklagten.
Der Angeklagte half den Mitangeklagten beim Anfertigen der Schreiben und Kuvertieren der Briefe. Dabei hielt er es zumindest für möglich, sie dadurch bei der Begehung „betrügerischer Taten“ zu unterstützen, nahm dies indes billigend in Kauf.
2. Die Verfahrensrüge ist nicht näher ausgeführt und deshalb bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Der Schuldspruch entbehrt zwar einer rechtsfehlerfreien Begründung, hat aber im Ergebnis Bestand.
aa) Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zu 65 tateinheitlich begangenen Fällen des Betrugs, von denen es in elf Fällen beim Versuch blieb (§ 263 Abs. 1, §§ 22, 23, 27, 52 StGB), darauf gestützt, dass die Mitarbeiter der Rechnungsempfänger den von den Mitangeklagten geforderten Betrag in 54 Fällen nur deshalb überwiesen, weil sie dem Irrtum erlagen, es handele sich bei dem Schreiben um eine amtliche Rechnung, während dies in den übrigen Fällen nicht eindeutig festzustellen gewesen sei. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil es insoweit an einer tragfähigen Beweiswürdigung fehlt. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, worauf die Feststellungen der Strafkammer zum Vorstellungsbild der Mitarbeiter beruhen.
Der Schuldspruch kann gleichwohl bestehen bleiben, weil die im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zu den Betrugstaten der Mitangeklagten unter einem anderen Gesichtspunkt tragen. Danach täuschten die - geständigen - Mitangeklagten die Rechnungsempfänger nicht nur über den Charakter des Schreibens, sondern außerdem über die Existenz des privaten Online-Registers. Es ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass auch diejenigen, die den wahren Inhalt des Schreibens erkannt hatten, den geforderten Betrag nur zahlten, weil sie irrtümlich annahmen, dass das private Online-Register tatsächlich existiere.
bb) Der Gehilfenvorsatz des Angeklagten ist durch die Feststellungen hinreichend belegt. Danach hielt es der Angeklagte zumindest für möglich, durch seine Mitwirkung bei der Erstellung der Schreiben und deren Kuvertierung „betrügerische Machenschaften“ der Mitangeklagten zu unterstützen, und nahm dies billigend in Kauf.
Der Annahme des Gehilfenvorsatzes steht nicht entgegen, dass sich die Feststellungen nicht durchgehend dazu verhalten, ob der Angeklagte eine Täuschung der Rechnungsempfänger lediglich im Hinblick auf den Charakter des Schreibens oder auch über die Existenz des privaten Online-Registers für möglich hielt. Die Vorstellungen des Angeklagten über die von den Mitangeklagten begangenen Taten genügen ungeachtet dessen den an die Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes zu stellenden Anforderungen. Insoweit gilt:
Der Vorsatz eines Teilnehmers - sei er Anstifter oder Gehilfe - muss sich auf die Ausführung einer zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundzügen konkretisierten Tat richten. Dem Bestimmtheitserfordernis des Teilnehmervorsatzes liegt letztlich die Annahme zugrunde, dass nur derjenige Teilnehmer ernstlich mit der Begehung der Haupttat rechnet, der bereits wesentliche Einzelheiten des Tatplans kennt. Für den Vorsatz des Teilnehmers sind diejenigen Tatumstände als wesentlich anzusehen, deren Kenntnis die Begehung der Haupttat hinreichend wahrscheinlich werden lässt. Die unterschiedlichen Teilnahmestrukturen, die verschiedene Nähe zur Tat und die differenzierten Strafdrohungen gebieten es, an den Gehilfenvorsatz andere Maßstäbe anzulegen als an den Vorsatz des Anstifters. Während der Anstifter eine bestimmte Tat, insbesondere einen bestimmten Taterfolg vor Augen hat, erbringt der Gehilfe einen von der Haupttat losgelösten Beitrag. Er strebt diese nicht notwendigerweise an, weiß aber oder hält es für möglich und nimmt jedenfalls billigend in Kauf, dass sich sein Handeln als unterstützender Bestandteil einer Straftat manifestieren kann. Beihilfe kann deshalb schon begehen, wer dem Täter ein entscheidendes Tatmittel willentlich an die Hand gibt und damit bewusst das Risiko erhöht, dass eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels geförderte Haupttat verübt wird (vgl. zu allem BGH, Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137 f.).
Daran gemessen war der Vorsatz des Angeklagten hinreichend bestimmt. Der Angeklagte hielt es zumindest für möglich, dass die mit seiner Unterstützung erstellten und kuvertierten Schreiben den Mitangeklagten dazu dienten, die Rechnungsempfänger zu betrügen. Er gab ihnen die maßgeblichen Tatmittel willentlich an die Hand und erhöhte damit bewusst das Risiko, dass die Mitangeklagten durch den Einsatz gerade dieser Mittel geförderte Betrugstaten begingen. Sein Vorstellungsbild umfasste damit die wesentlichen Merkmale der Haupttaten; das Ausmaß, in dem die Mitangeklagten die Rechnungsempfänger täuschen wollten, betraf lediglich im Hinblick auf den Gehilfenvorsatz nicht bedeutsame Einzelheiten der Taten.
cc) Es beschwert den Angeklagten nicht, dass im Hinblick auf die Täuschung der Rechnungsempfänger über die Existenz des privaten Online-Registers in allen 65 der Verurteilung zugrundeliegenden Fällen von Beihilfe zu vollendetem Betrug (§§ 263, 27 StGB) auszugehen ist.
b) Auch der Strafausspruch weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Das Landgericht ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich die Tatbeiträge des Angeklagten als Beihilfe zu gewerbsmäßigem Betrug im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB darstellten. Darauf beruht das Urteil aber nicht.
Beihilfe zu gewerbsmäßigem Betrug hat die Strafkammer darin gesehen, dass die Mitangeklagten gewerbsmäßig handelten und der Angeklagte auch dies zumindest für möglich hielt sowie billigend in Kauf nahm. Sie hat dabei verkannt, dass es sich bei gewerbsmäßigem Handeln im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB um ein besonderes persönliches Merkmal handelt, das gemäß § 28 Abs. 2 StGB nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer) gilt, bei dem es vorliegt. Dass auch der Angeklagte selbst gewerbsmäßig handelte, hat die Strafkammer indes nicht festgestellt.
Der Rechtsfehler lässt den Strafausspruch jedoch unberührt, weil die Strafkammer trotz des von ihr als verwirklicht angesehenen Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB allein aufgrund der vorliegenden allgemeinen Strafmilderungsgründe vom Wegfall der Regelwirkung ausgegangen ist und die Strafe dem - nach den §§ 27, 49 StGB gemilderten - Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB entnommen hat. Dabei hat sie die allgemeinen Strafmilderungsgründe berücksichtigt, ohne ihnen im Hinblick auf den durch sie begründeten Wegfall der Regelwirkung lediglich eingeschränktes Gewicht beizumessen.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 289
Externe Fundstellen: NStZ 2017, 274
Bearbeiter: Christian Becker