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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 323

Bearbeiter: Fabian Afshar

Zitiervorschlag: BGH, StB 4/24, Beschluss v. 24.01.2024, HRRS 2024 Nr. 323


BGH StB 4/24 - Beschluss vom 24. Januar 2024 (OLG Koblenz)

Fortdauer der Untersuchungshaft (weitere Beschwerde; dringender Tatverdacht; Fluchtgefahr).

§ 112 StPO; § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO; § 129a StGB

Entscheidungstenor

Die weitere Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2023 (2 Ws 648/23) wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Die Beschuldigte ist aufgrund eines Haftbefehls der Ermittlungsrichterin des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. September 2023 (OGs 50/23) am 10. Oktober 2023 festgenommen worden und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, die Beschuldigte habe im Zeitraum von Mitte Januar 2022 bis zum 13. April 2022 in G. und anderenorts in Deutschland eine inländische terroristische Vereinigung unterstützt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b StGB sowie gemeingefährliche Straftaten gemäß § 316b Abs. 1 oder 3 StGB, die dazu bestimmt gewesen seien, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und die durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat erheblich hätten schädigen können, zu begehen. Ferner habe die Beschuldigte durch dieselbe Handlung Beihilfe geleistet zur Vorbereitung eines bestimmten hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund. Der Haftbefehl geht insofern von einer mutmaßlichen Strafbarkeit der Beschuldigten gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1, § 83 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 52 StGB aus.

Gegen den Haftbefehl hat die Beschuldigte Beschwerde eingelegt, die das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 19. Dezember 2023 (2 Ws 648/23) als unbegründet verworfen hat. Diese Entscheidung wird von der Beschuldigten mit der weiteren Beschwerde angefochten. Das Oberlandesgericht hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die weitere Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 5, § 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO, § 120 Abs. 3 GVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie richtet sich gegen einen Beschluss, den das nach § 120 Abs. 3 Satz 2 GVG zuständige Oberlandesgericht auf eine Beschwerde der Beschuldigten (§ 304 Abs. 5 StPO) hin erlassen hat, und hat die Verhaftung der Beschuldigten zum Gegenstand (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2022 - StB 7-9/22, NJW 2022, 2856 Rn. 9).

Das Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Haftbefehl und dessen Vollzug sind gegeben.

1. Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

a) Der gesondert verfolgte Vater der Beschuldigten und vier weitere anderweitig Verfolgte gehören der „Reichsbürger“-Szene an. Sie lehnen die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland und deren freiheitlich-demokratische Grundordnung ab und erstreben eine Überwindung der gegenwärtigen, als illegitim erachteten Verfassungsordnung Deutschlands sowie die Errichtung eines neu organisierten deutschen Staates auf der Basis der ihrer Auffassung nach fortgeltenden deutschen Reichsverfassung von 1871 und ausgehend vom angeblichen „Willen des Volkes“. Mit dieser politisch-ideologischen Grundhaltung kamen die gesondert Verfolgten im Herbst 2021 in Kontakt zueinander sowie mit weiteren gleichgesinnten Personen aus den Szenen der sogenannten „Reichsbürger“ und „Querdenker“. Sie tauschten sich über die ihnen gemeinsame Ablehnung des auf der Ordnung des Grundgesetzes beruhenden deutschen Staates aus und stellten Überlegungen zur Schaffung eines neuen deutschen Staatswesens an. Ende 2021 oder Anfang 2022, spätestens aber Mitte Januar 2022, schlossen sich die gesondert Verfolgten zu einer organisierten Gruppierung zusammen, deren übergeordnetes Ziel es war, fortan nicht nur über die angenommene Notwendigkeit eines staatlichen Umsturzes zu sinnieren, sondern gemeinsam und konzertiert die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines revolutionären Geschehens zu beseitigen und die Staatsstrukturen Deutschlands durch eine andere Regierung auf der Basis einer neuen Verfassung abzulösen.

Die Vereinigung verstand sich als aus zwei ebenbürtigen Teilen bestehend: Es gab einerseits einen „militärischen Zweig“, der den operativen Part des staatlichen Umsturzes übernehmen sollte, und andererseits einen „administrativen Arm“, dem die staatstheoretische Fundierung des zu gründenden neuen staatlichen Gemeinwesens, die Vorbereitung und Schaffung einer neuen Verfassung sowie die Errichtung einer anderen Regierung zu Aufgaben gemacht wurde.

Der staatliche Umsturz sollte wie folgt bewerkstelligt werden:

Parallel zu dem in Deutschland auszulösenden revolutionären Geschehen wollten sich die Angehörigen der Gruppierung einer frühen Anerkennung des neu zu schaffenden staatlichen deutschen Gemeinwesens durch einen gewichtigen ausländischen Staat versichern. Dem lag die Überlegung zu Grunde, ein neuer Staat bedürfe, um langfristig existieren zu können, einer Anerkennung durch das Ausland. Die Vereinigungsmitglieder nahmen an, Frankreich, Großbritannien und die USA hätten als „westliche Alliierte“ und „Besatzungsmächte Deutschlands“ daran kein Interesse. Die Wahl fiel daher auf Russland, zumal - so die Vorstellung - die Russische Föderation nach der deutschen Vereinigung durch das nicht gehaltene Versprechen des Unterlassens einer NATO-Osterweiterung enttäuscht worden sei und daher Interesse an einer neuen deutschen Staatlichkeit habe. Geplant war, mit etwa fünf Emissären per Schiff über die Ostsee in die russische Exklave Kaliningrad zu fahren, sich in den dortigen Küstengewässern von der russischen Marine aufbringen zu lassen und sodann den Wunsch nach einem Gespräch mit Präsident Putin zu artikulieren. Es bestand die Hoffnung, daraufhin in den Kreml gebracht zu werden und bei Putin vorsprechen zu können. Dieser werde, so die Annahme, eine Anerkennung der neuen deutschen Regierung zusagen, so dass von Anbeginn an eine internationale Akzeptanz und Handlungsfähigkeit des neuen deutschen Staates gewährleistet gewesen wäre.

Der innerstaatliche Umsturz sollte einhergehend mit der Russlandreise von Emissären, letztlich aber unabhängig von deren Gelingen, durch drei in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang ablaufende und miteinander verzahnte Aktionen bewirkt werden, wobei es sich bei diesen drei Bausteinen der geplanten Revolution um zunächst isoliert entstandene und von unterschiedlichen Mitstreitern eigenständig propagierte „Aktionsideen“ handelte, die im Zuge gemeinsamer Diskussionen zu einem „Gesamtplan“ zusammengeführt wurden.

Im Rahmen einer ersten Aktion, die als „silent night“ oder „Blackout“ bezeichnet wurde und hinter der vor allem der Vater der Beschuldigten stand, sollte ein mindestens zweiwöchiger bundesweiter Stromausfall durch Sabotage an Stromumspannwerken und Stromtrassen in Deutschland mittels Sprengstoff herbeigeführt werden. Hierdurch sollte die bundesdeutsche Infrastruktur für längere Zeit lahmgelegt werden. Damit verfolgten die Mitglieder der Gruppierung gleich mehrere Ziele: Erstens sollte der bisherigen Bundesregierung die Möglichkeit zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit genommen werden. Zweitens sollten „die Medien“ daran gehindert werden, weiter Einfluss auf die Bevölkerung auszuüben. Drittens schließlich sollte die Bevölkerung auf sich selbst zurückgeworfen und so zu einer neuen (politischen) Selbstorganisation von unten herauf veranlasst werden.

Den Vereinigungsmitgliedern war, als sie diesen Plan diskutierten und beschlossen, bewusst, dass ein mehrwöchiger bundesweiter Stromausfall erhebliche Schäden, darunter unweigerlich den Tod etlicher Menschen, verursachen werde. Sie erachteten solche Folgen als legitime und notwendige „Kollateralschäden“. Dabei spielte auch eine Rolle, dass sie davon ausgingen, es werde in näherer Zukunft ohnehin - also auch ohne Sabotageaktionen - wegen der von der Bundesregierung veranlassten Abkehr von der Atomkraft und fossilen Energieträgern zu einem Zusammenbruch der Stromversorgung in Deutschland kommen; die Aktion „silent night“ beziehungsweise „Blackout“ werde mithin einen Zusammenbruch der Infrastruktur nur zeitlich vorverlagern.

Der Vater der Beschuldigten hatte zum Zeitpunkt seiner Verhaftung im April 2022 bereits aus seiner Sicht anschlagsgeeignete Objekte ausgekundschaftet und sich Kartenmaterial zur Strominfrastruktur Deutschlands beschafft.

Als zweite Aktion zur Herbeiführung des beabsichtigten Umsturzes plante die Gruppierung unter der Bezeichnung „Klabautermann“ eine Entführung des Bundesministers für Gesundheit Prof. Dr. Karl Lauterbach. Die Vorstellung der Vereinigungsmitglieder ging dahin, durch die gewaltsame Entführung eines „weithin verhassten“ besonders hochrangigen Vertreters der Bundesregierung und damit des deutschen Staates eine große Zustimmung in der Bevölkerung für die in Angriff genommene Installation einer neuen Regierung Deutschlands auszulösen und zugleich nach außen hin die Wirkmacht der am Umsturz beteiligten Personen deutlich zu machen, wodurch sie sich einen weiteren Zulauf von Unterstützern, insbesondere aus dem Kreis der deutschen Sicherheitsbehörden, erhofften. Die Vereinigung führte zur Auswahl des Entführungsopfers eine Umfrage in einschlägigen geschlossenen Telegram-Chatgruppen durch; dabei entschied sich die Mehrheit der Teilnehmer für den Bundesgesundheitsminister, weil dieser als die wegen ihrer Corona-Politik „meistgehasste“ Führungspersönlichkeit Deutschlands erachtet wurde.

Innerhalb der Gruppierung wurden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, wie der Plan einer Entführung des Bundesgesundheitsministers realisiert werden könne. Letztlich wurde die Idee favorisiert, während eines Auftritts von Prof. Dr. Lauterbach in einer live im Fernsehen übertragenen Talkshow mit etwa fünf mit Maschinenpistolen militärisch bewaffneten und soldatisch ausgebildeten Kämpfern in das Fernsehstudio einzudringen, die Personenschützer des Ministers „auszuschalten“ und den Minister öffentlichkeitswirksam vor laufenden Kameras in die eigene Gewalt zu bringen. Sodann sollte - während der fortdauernden Fernsehübertragung - ein „Haftbefehl“ gegen den Minister verlesen werden. Den Mitgliedern der Vereinigung war bewusst, dass mit bewaffneter Gegenwehr der Personenschützer zu rechnen war. Sie gingen daher von einem Schusswaffeneinsatz und einer Tötung der Personenschützer durch die mit der Aktion betrauten eigenen Kämpfer aus. Den erwarteten Tod der Personenschützer waren sie bereit hinzunehmen.

Als dritter Baustein zur Beseitigung der staatlichen Strukturen und der grundgesetzlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland war die Durchführung einer „konstituierenden Sitzung“ vorgesehen, um eine andere Verfassung in Kraft zu setzen und eine neue deutsche Regierung zu installieren. Grundlage der neuen deutschen Staatlichkeit sollte die Deutsche Reichsverfassung von 1871 sein. Denn diese - so die Annahme - sei dem deutschen Volk, anders als das Grundgesetz, nicht aufoktroyiert worden. Zudem basiere die Verfassung von 1871, im Gegensatz zum Grundgesetz, nicht auf dem Leitbild einer von den Mitgliedern der Vereinigung abgelehnten Parteiendemokratie. Die neue Staatsorganisation sollte ohne politische Parteien auskommen; die staatliche Willensbildung sollte, so die Vorstellung, nicht von Parteien gesteuert werden, sondern „unmittelbar vom Volk ausgehen“. Allerdings sollte die Reichsverfassung von 1871 modifiziert werden. Einen Kaiser oder König als monarchisches Staatsoberhaupt sollte es nicht geben. Zudem war als Konzession an die gesellschaftliche Entwicklung ein aktives und passives Frauenwahlrecht geplant.

Dem Zusammentreten der „konstituierenden Versammlung“ sowie dem beabsichtigten Zusammenbruch der Stromversorgung Deutschlands unmittelbar vorausgehen sollte ein unter der Bezeichnung „False Flag“ geplanter Auftritt eines entweder den Bundespräsidenten oder den Bundeskanzler imitierenden Schauspielers in einer Live-Sendung im Fernsehen, der bekanntgeben sollte, dass die bestehende Bundesregierung abgesetzt sei und die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 wieder gelte. Hierdurch erhoffte sich die Gruppierung, dass die Bevölkerung die neue Staatsform und die von der Vereinigung eingesetzte Regierung aufgrund des Anscheins einer geordneten Übergabe der Regierungsgeschäfte anerkennen werde.

Die vorgesehene „konstituierende Sitzung“ sollte live im Internet übertragen und durch noch zu gewinnende Kräfte geschützt werden, wobei auch über deren Bewaffnung diskutiert wurde. Großen Raum bei den Erörterungen nahm die Frage ein, aus welchen Personen sich die Versammlung zusammensetzen sollte, deren Teilnehmerzahl auf 277 festgesetzt wurde. Es wurde vereinbart, dass nur „Deutsche nach dem Reichsund Staatsangehörigengesetz von 1913“, die eine entsprechende „Bescheinigung der deutschen Volkszugehörigkeit“ vorlegen können, als Teilnehmer in Betracht kämen. Bis zur Zerschlagung der Gruppierung im April 2022 ging es im Zusammenhang mit dieser dritten Aktion im Wesentlichen darum, potentielle Teilnehmer für die Volksversammlung zu finden, welche die aufgestellten Anforderungen erfüllten und durch eine „Bescheinigung“ belegen konnten; das gestaltete sich indes als schwierig.

Die vorstehend skizzierten Pläne wurden auf einer Reihe von Zusammenkünften der Mitglieder der Vereinigung und weiterer Gleichgesinnter entwickelt. Die Gruppierung ging davon aus, die geplanten Aktionen, namentlich die „konstituierende Versammlung“, innerhalb der ersten Monate des Jahres 2022 durchführen zu können; zuletzt war der Mai 2022 für den Beginn des Umsturzes in Aussicht genommen worden.

Zur Vorbereitung der Aktion „Klabautermann“ unternahmen es Mitglieder der Vereinigung, geeignete Waffen zu erwerben, und sammelten hierfür Geld. Der Vater der Beschuldigten nahm Kontakt zu einem vermeintlichen Waffenhändler auf, bei dem es sich aber tatsächlich um einen Verdeckten Ermittler des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz handelte. Bei einer fingierten Übergabe der von der Vereinigung bestellten Waffen - zwei Maschinenpistolen AK 47 Kalaschnikow und vier Pistolen Glock Modell 19 nebst Munition - an den Vater der Beschuldigten am 13. April 2022 wurde dieser von der Polizei verhaftet; am selben Tag wurden auch weitere Vereinigungsmitglieder festgenommen und die Vereinigung damit zerschlagen.

b) Die Beschuldigte befürwortete - weil sie derselben ideologischen Vorstellung anhing - nicht nur die Aktivitäten ihres Vaters und seiner Mitstreiter, sondern förderte diese auch aktiv, ohne selbst als Mitglied dem Zusammenschluss angehört zu haben.

aa) Der Beschuldigten waren die Pläne der Gruppierung und deren Aktivitäten bekannt; sie billigte diese, weil sie die Ziele ihres Vaters und seiner Mitstreiter teilte.

bb) Im Zeitraum von spätestens Januar 2022 bis zur Verhaftung ihres Vaters am 13. April 2022 betrieb sie als Administratorin im Auftrag ihres Vaters verschiedene Telegram-Chatgruppen, die der Kommunikation der Vereinigungsmitglieder untereinander, der Anwerbung weiterer Unterstützer und der Vernetzung mit diesen dienten. Dabei traf sie technische Vorkehrungen, um eine konspirative, vor staatlichem Zugriff geschützte Kommunikation zu ermöglichen. So erklärte sie sich am 27. Januar 2022 gegenüber ihrem Vater bereit, in einer Telegram-Chatgruppe, für die sie Administratorenrechte besaß, Sicherheitseinstellungen vorzunehmen, die eine Überwachung und Infiltration erschweren sollten. Dabei ging es um eine automatisierte Lösung von Chateinträgen und eine Begrenzung der Befugnis zur Aufnahme neuer Mitglieder dahin, dass nur Administratoren hierüber entscheiden konnten. In der Folgezeit kam die Beschuldigte dieser Aufgabe nach. Am 17. Februar 2022 und am 23. März 2022 trat sie in Absprache mit ihrem Vater weiteren geschlossenen Telegram-Chatgruppen bei. Auch für diese erlangte sie Administratorenrechte und übernahm sie die Administration unter anderem durch Vornahme besonderer Sicherheitseinstellungen.

cc) Bei einer Gelegenheit Ende Januar 2022 fungierte sie für ihren Vater als Botin, indem sie einer an ihrem Wohnort lebenden Kontaktperson verfahrensrelevante Informationen ihres Vaters persönlich überbrachte, welche die Planung des Umsturzgeschehens betrafen.

dd) Sie unterstützte die vereinigungsbezogenen Aktivitäten ihres Vaters logistisch, indem sie ihm im Zeitraum vom 15. Februar 2022 bis zum 13. April 2022 ihren Pkw zur Verfügung stellte, mit dem er zu mindestens einem persönlichen Zusammentreffen von Vereinigungsmitgliedern reiste.

ee) Im Auftrag ihres Vaters erstellte sie - durch Zusammenfügung ihr vorliegender Texte - am 10. April 2022 ein 44-seitiges pdf-Dokument mit dem Titel“ “, das Anleitungen zur Herstellung von Giften und Sprengstoffen enthielt. Die Datei übermittelte sie ihrem Vater zur Nutzung für Zwecke der Gruppierung.

2. Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) begründet sich wie folgt:

a) Die hochwahrscheinlichen Annahmen zur Gründung, zur Zielsetzung und zum Agieren der Vereinigung stützen sich auf weitgehend geständige Einlassungen der gesondert verfolgten mutmaßlichen Vereinigungsmitglieder B. und K. (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2023 - AK 19/23, juris Rn. 25 f.; vom 3. November 2022 - AK 40-43/22, juris Rn. 37 f.) sowie Bekundungen eines vom 3. November 2021 bis zum 13. April 2022 im unmittelbaren Umfeld der Vereinigungsmitglieder eingesetzten Verdeckten Ermittlers des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz. Dieser stand in persönlichem Kontakt mit Angehörigen der Gruppierung, insbesondere dem Vater der Beschuldigten, nahm an Treffen der Vereinigung teil und war in die Chatkommunikation der Beteiligten über Telegram eingebunden. Die Bekundungen des Verdeckten Ermittlers bestätigen ganz weitgehend die geständigen Einlassungen der gesondert Verfolgten B. und K. Der Verdeckte Ermittler hat nicht nur umfassende Angaben zu seinen Wahrnehmungen gemacht, sondern auch Protokolle der Chatkommunikationen vorgelegt, an denen er beteiligt war. Insbesondere die vorgenannten bisherigen Erkenntnisse zum Waffenkauf und der Ãœbergabe von Waffen und Munition an den Vater der Beschuldigten am 13. April 2022 basieren auf Angaben des Verdeckten Ermittlers.

Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Vereinigung gründet sich zudem auf Ermittlungsergebnisse zur Telekommunikation mutmaßlicher Vereinigungsmitglieder, die im Rahmen umfangreicher Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gewonnen worden sind, auf eine Fahrzeuginnenraumüberwachung eines vom Vater der Beschuldigten genutzten Pkw sowie auf polizeiliche Observationen persönlicher Treffen der Akteure.

b) Die Annahme, dass die Beschuldigte in die Aktivitäten der Gruppierung um ihren Vater eingeweiht war und diese billigte, ergibt sich gleichfalls aus Erkenntnissen der Telekommunikationsüberwachung sowie der Innenraumüberwachung eines Fahrzeuges ihres Vaters. So hat letztere erbracht, dass der Vater der Beschuldigten dieser während einer gemeinsamen Autofahrt am 20. Januar 2022 von den Plänen eines „kompletten Putsches“ und einer „Ausrufung des Deutschen Reiches“ berichtete, ohne dass die Beschuldigte sich insofern überrascht zeigte. Bereits in einem Telefonat am 6. Januar 2022 erzählte die Mutter der Beschuldigten dieser zustimmend von den Aktivitäten ihres Vaters und dessen Vorkehrungen, ein Scheitern der Putschpläne im Falle der Verhaftung einzelner Gruppenmitglieder zu verhindern. In einem Chat mit ihrer Mutter am 10. April 2022 tauschte sie sich mit dieser über die Umsturzpläne aus und bekundete ihr Bedauern darüber, dass bislang noch nichts passiert sei. Zudem äußerte sich der Vater der Beschuldigten gegenüber dem Verdeckten Ermittler dahin, dass in einer der Telegram-Gruppen, die von der Beschuldigten administriert wurden, nur „bereits eingeweihte“ Personen Mitglied seien, und berichtete er der Beschuldigten in einem ebenfalls am 10. April 2022 geführten Telefonat vom Stand seiner Bemühungen um den Erwerb von Schusswaffen, woraufhin die Beschuldigte davor warnte, solche Sachen am Telefon zu besprechen. Bei einem der Treffen zwischen dem Vater der Beschuldigten und dem Verdeckten Ermittler waren nach den Bekundungen des Polizeibeamten die Beschuldigte und ihr Lebenspartner anwesend; der Beamte gewann den Eindruck, beide seien in die Aktivitäten des Vaters eingeweiht, denn Letzterer zögerte nicht, über diese in ihrem Beisein mit dem Verdeckten Ermittler zu sprechen.

Der dringende Tatverdacht der vorstehend dargestellten konkreten Aktivitäten der Beschuldigten folgt namentlich aus Erkenntnissen der Telekommunikationsüberwachung; ihre geschilderten Tätigkeiten waren Gegenstand verschiedener überwachter Telefonate.

c) Wegen weiterer Einzelheiten zu den vorläufigen Erkenntnissen, die den dringenden Tatverdacht begründen, wird auf den Haftbefehl vom 21. September 2023, den angefochtenen Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2023 sowie den Erkenntnisvermerk des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz vom 24. Februar 2023 Bezug genommen.

3. In rechtlicher Hinsicht ist gegenwärtig auszugehen von einer hochwahrscheinlichen Strafbarkeit der Beschuldigten jedenfalls wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 StGB. Ob sie zudem dringend verdächtig ist, tateinheitlich (§ 52 Abs. 1 StGB) hierzu der Beihilfe zur Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB schuldig zu sein (zu den Voraussetzungen einer Strafbarkeit nach § 83 Abs. 1 StGB s. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2023 - AK 35/23, juris Rn. 37 ff.), kann für die vorliegende Haftentscheidung dahingestellt bleiben (vgl. insofern bezogen auf den vorliegenden Fallkomplex näher BGH, Beschluss vom 3. November 2022 - AK 40-43/22, juris Rn. 54). Denn bereits die hochwahrscheinliche Strafbarkeit wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung trägt die Fortdauer der Untersuchungshaft. Gleichfalls keiner Beantwortung bedarf an dieser Stelle die Frage, ob alle Aktivitäten der Beschuldigten als eine Tat der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im materiellrechtlichen Sinne zu werten oder insofern mehrere realkonkurrierende Taten gegeben sind.

a) Bei der hier inmitten stehenden Gruppierung handelte es sich hochwahrscheinlich um eine terroristische Vereinigung im Sinne der § 129 Abs. 2, § 129a StGB (vgl. hierzu bereits BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2023 - AK 19/23, juris Rn. 31; vom 3. November 2022 - AK 40-43/22, juris Rn. 44). Denn der Zusammenschluss bestand aus mehr als zwei Personen, war auf längere Dauer angelegt, hatte - wie schon die Unterteilung in einen „militärischen Zweig“ und einen „administrativen Arm“ zeigt - eine organisatorische Struktur und verfolgte mit der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und der Errichtung eines neuen deutschen Staatswesens ein übergeordnetes gemeinsames Interesse (vgl. zu den konstitutiven Merkmalen einer Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB BGH, Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, BGHSt 66, 137 Rn. 19 ff.; Beschluss vom 2. Juni 2021 - 3 StR 61/21, BGHR StGB § 129 Abs. 2 Vereinigung 2 Rn. 8 f.; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 13 ff.). Dieses Ziel wollten die Mitglieder der Vereinigung nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens durch die Begehung von Katalogtaten im Sinne des § 129a Abs. 1 und 2 StGB erreichen. Eine Entführung des Bundesgesundheitsministers einhergehend mit der Tötung seiner Personenschützer wäre als Straftat gemäß §§ 211, 212, 239b StGB zu werten (Katalogtat gemäß § 129a Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB). Die Herbeiführung eines bundesweiten längeren Stromausfalls durch Sprengstoffanschläge stellte rechtlich zumindest einen Verstoß gegen § 316b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StGB und damit eine Katalogtat gemäß § 129a Abs. 2 Nr. 2 StGB dar. Das Vorhaben war mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine gewaltsame Abschaffung der Staats- und Regierungsstrukturen Deutschlands gerichtet und damit dazu bestimmt, die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Grundstrukturen der Bundesrepublik im Sinne des § 129a Abs. 2 StGB zu beseitigen. Die Pläne waren zudem objektiv geeignet, im Falle ihrer Umsetzung die Strukturen der bundesdeutschen Verfassungsordnung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. insofern MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129a Rn. 43 ff.).

b) Die Beschuldigte unterstützte hochwahrscheinlich die Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 5 StGB.

aa) Unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 44; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, NStZ-RR 2022, 13; Urteile vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteile vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99, 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, NStZ-RR 2022, 13; Urteile vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 16 ff.). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2023 - StB 63+64/23, juris Rn. 32; Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6 Rn. 5; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 11). In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13/13 u.a., BGHSt 58, 318 Rn. 19; Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244).

bb) Hiervon ausgehend unterstützte die Beschuldigte mit ihren Handlungen, die in der Sache mitgliedschaftliche Aktivitäten ihres Vaters förderten, die hier inmitten stehende Vereinigung. Ihre Tathandlungen waren für die Gruppierung objektiv nützlich, weil sie der (weiteren) Vorbereitung des beabsichtigten Umsturzes unmittelbar dienlich waren. Entgegen dem Beschwerdevorbringen, auch in der Zuschrift ihres Verteidigers an den Senat vom 15. Januar 2024, ist rechtlich unerheblich, ob das von der Beschuldigten zusammengestellte Textdokument“ “ umsetzbare Anleitungen enthielt und damit „brauchbar“ war. Denn bereits der Besitz einer Handreichung zur Herstellung von Sprengmitteln und Giften, welche die Vereinigungsmitglieder für geeignet hielten, vermochte diese in der Fortsetzung ihrer Umsturzvorbereitungen zu bestärken und war daher für die Vereinigung objektiv nützlich.

4. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Es ist gesamtwürdigend wahrscheinlicher, dass sich die Beschuldigte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen wird.

Die ledige und kinderlose Beschuldigte hat - auch wenn ihre konkreten Tatbeiträge nicht von besonderem Gewicht waren und sie unbestraft ist - angesichts der potentiellen Gefährlichkeit der von ihr unterstützten Vereinigung, die auf eine gewaltsame Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands abzielte, mit einer längeren, nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Insofern gilt, dass die Annahme von Fluchtgefahr kein sicheres Wissen um die sie begründenden Tatsachen erfordert; es genügt derselbe Wahrscheinlichkeitsgrad wie bei der Annahme des dringenden Tatverdachts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2018 - StB 43 u. 44/18, juris Rn. 37; vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 11).

Die Beschuldigte lehnt mit hoher Wahrscheinlichkeit die gegenwärtige Staats- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik ab und verneint die Legitimität ihrer Staatsorgane zu hoheitlichem Handeln. Auch deshalb steht nicht zu erwarten, dass sie sich dem weiteren Strafverfahren im Falle einer Haftentlassung freiwillig stellte. Die Ermittlungen haben zudem gezeigt, dass die Beschuldigte vernetzt ist in der Szene derer, die - als sogenannte „Reichsbürger“ oder „Querdenker“, Verschwörungstheoretiker, Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes oder „Corona-Leugner“ - die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik und deren freiheitlich-demokratische Grundordnung missbilligen und ihre Überwindung erstreben. Sie kann daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Netzwerk von Sympathisanten und Gleichgesinnten zurückgreifen, das sie im Falle einer Flucht beziehungsweise eines Untertauchens logistisch und finanziell unterstützen würde. Dies setzt einen weiteren Fluchtanreiz.

Zwar ging die Beschuldigte bis zu ihrer Verhaftung einer regulären Erwerbstätigkeit nach und hat sie einen Lebenspartner, wenngleich sie mit diesem nicht zusammenwohnte. Doch hat sie ihren Arbeitsplatz durch die Inhaftierung verloren und gibt es - wie nicht zuletzt Bekundungen des Verdeckten Ermittlers zeigen - Anhaltspunkte dafür, dass auch ihr Lebensgefährte dem „Reichsbürger“-Milieu angehört. Zudem lässt ein überwachtes Telefonat mit ihrer Mutter erkennen, dass sie beabsichtigte, mit dem Beginn des Staatsstreiches ihre Arbeitsstelle zu kündigen und ihre Wohnung aufzugeben; dies deutet auf eine grundsätzliche Bereitschaft zu einer radikalen Veränderung der Lebensverhältnisse hin.

Zwar hat die Beschuldigte im Anschluss an die Verhaftung ihres Vaters am 13. April 2022 und damit einhergehender Durchsuchungsmaßnahmen keine Anstalten zur Flucht oder zum Untertauchen unternommen. Entgegen ihrem Beschwerdevorbringen, zuletzt in der Zuschrift ihres Verteidigers an den Senat vom 15. Januar 2024, ist dies aber kein gewichtiges Indiz gegen eine Fluchtgefahr. Denn diese Maßnahmen haben bei ihr nicht die Befürchtung aufkommen lassen müssen, einer mit hoher Straferwartung verbundenen Strafverfolgung wegen Mitwirkung an der Gruppierung um ihren Vater unterworfen zu werden. Ganz im Gegenteil hat sie den Umstand, dass sie, anders als ihr Vater, im April 2022 nicht verhaftet worden ist, dahin deuten können, dass die Ermittlungen keine sie (hinreichend) belastenden Umstände zu Tage gebracht hatten. Das zu dieser Zeit gegen sie selbst geführte Ermittlungsverfahren hat sich auf den Vorwurf der Fälschung von Corona-Testzertifikaten bezogen und mit den Umsturzplänen in keinem Zusammenhang gestanden; in diesem Verfahren hat die Beschuldigte mit keiner Haftstrafe rechnen müssen.

5. Die Untersuchungshaft ist angesichts der Straferwartung, der bisherigen Haftdauer sowie der aus den Verfahrensakten ersichtlichen stringenten und dem Beschleunigungsgrundsatz genügenden Ermittlungen verhältnismäßig (§ 120 StPO). Vor dem Hintergrund der vorgenannten die Fluchtgefahr begründenden Umstände kommt eine Außervollzugssetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO) nicht in Betracht.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 323

Bearbeiter: Fabian Afshar