HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 913
Bearbeiter: Fabian Afshar
Zitiervorschlag: BGH, AK 36/23, Beschluss v. 13.07.2023, HRRS 2023 Nr. 913
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.
Der Beschuldigte ist am 7. Dezember 2022 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 2022 (1 BGs 979/22) festgenommen worden und befindet sich seit dem Folgetag ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe seit spätestens August 2022 in O. und andernorts eine Vereinigung unterstützt, deren Zwecke oder Tätigkeit auf die Begehung von Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) gerichtet gewesen seien, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB.
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat den Haftbefehl am 26. April 2023 im Anschluss an eine mündliche Haftprüfung unverändert aufrechterhalten und in Vollzug belassen (1 BGs 681/23).
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Tat(en) dringend verdächtig.
a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Wie die Mitbeschuldigten und die im vorliegenden Ermittlungskomplex gesondert Verfolgten gehörte der Beschuldigte der sogenannten Reichsbürger- und QAnon-Bewegung an. Jene schlossen sich spätestens im November 2021 zu einer auf längere Dauer angelegten Organisation zusammen, die sich zum Ziel setzte, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland insbesondere durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen. Sie alle lehnten die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und deren Institutionen ab. Die Organisation schottete sich rigoros ab. Ihre Mitglieder, die nach außen nahezu unscheinbar in verschiedenen Funktionen am Gesellschaftsleben teilnahmen, mussten sich ihr gegenüber bei Androhung der Todesstrafe schriftlich zur Verschwiegenheit verpflichten. Auf der Grundlage einer entsprechenden gemeinsamen Gesinnung erwarteten sie an einem unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht festgelegten „Tag X“ einen Angriff auf die oberste Ebene der staatlichen Führung der Bundesrepublik Deutschland durch die „Allianz“, einen Geheimbund bestehend aus Angehörigen ausländischer Regierungen, Streitkräfte und Geheimdienste.
Zum Zwecke der Umsetzung ihrer Umsturzpläne schufen die Angehörigen der Gruppierung organisatorische, hierarchische und verwaltungsähnliche Strukturen mit einem sogenannten Rat als zentralem Gremium und einem militärischen Arm. Dieser von ihnen vereinfacht als das „Militär“ bezeichnete Teil der Organisation sollte im Zuge des Angriffs durch die „Allianz“ die noch verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staates mit Waffen bekämpfen und die Macht durch ein deutschlandweites Netz von sogenannten Heimatschutzkompanien absichern. Die Mitglieder der Vereinigung waren der Überzeugung, ein zeitlich noch nicht feststehendes, tagesaktuelles Ereignis werde als Startsignal der „Allianz“ an sie zu werten sein, selbst aktiv zu werden und mit Gewalt gegen staatliche Stellen vorzugehen. Ferner plante der engste Führungszirkel der Vereinigung das gewaltsame Eindringen einer bewaffneten Gruppe in das Reichstagsgebäude mit dem Ziel, Abgeordnete, Kabinettsmitglieder sowie deren Mitarbeiter zu verhaften und abzuführen; hierfür war er bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen eingetreten. Die an der Planung und Vorbereitung der Vorhaben Beteiligten rechneten jeweils mit der Tötung zahlreicher Menschen und nahmen dies billigend in Kauf. Im Einzelnen:
aa) Der von den Mitgliedern der Organisation unter der Führung des Mitbeschuldigten R. geschaffene, hierarchisch aufgebaute Rat beschäftigte sich in regelmäßig stattfindenden Sitzungen mit der Errichtung künftiger staatlicher Strukturen, die an die Stelle der geltenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung treten sollten. In den Rat wurden Personen aufgenommen, die als besonders vertrauenswürdig angesehen wurden und die dafür vorgesehen waren, an ministerielle Aufgabenverteilungen angelehnte Zuständigkeiten wahrzunehmen. So verfügte der Rat - vergleichbar mit einem Kabinett einer regulären Regierung - über die von einzelnen Mitbeschuldigten besetzten Ressorts „Justiz“, „Außen“, „Gesundheit“, „Bildung“ und „Militär“. Der Mitbeschuldigte R. suchte zudem auf verschiedenen Wegen Kontakt zur russischen Regierung, mit der Vorbereitungen für Friedensverhandlungen getroffen werden sollten. Die Mitglieder hatten die ideologische Überzeugung, bis zum Abschluss eines noch mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkrieges auszuhandelnden Friedensvertrages gelte das Kriegsrecht unter Anwendung der Haager Landkriegsordnung fort.
bb) Da den Mitgliedern des Rates und allen weiteren Angehörigen der Vereinigung bewusst war, dass der angestrebte Systemwechsel nicht auf friedlichem Weg zu erreichen war, wurde neben dem Rat ein militärischer Arm geschaffen. Der Mitbeschuldigte P., ein ehemaliger Kommandant eines Fallschirmjägerbataillons der Bundeswehr, führte das „Militär“. Weil er in dieser Funktion zugleich Mitglied des Rates war, bildete er das maßgebliche Bindeglied zwischen beiden Ebenen. Weitere Mitglieder des militärischen Arms waren unter anderem die Mitbeschuldigten Oberst a.D. E., der an der Gründung des Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) beteiligt gewesen war, W., ein ehemaliger Kommandosoldat des KSK, und We., ein früherer Soldat der Bundeswehr auf Zeit, der zuletzt den Dienstrang eines Stabsunteroffiziers bekleidet hatte.
Zum Zwecke des Aufbaus von Militärverwaltungsstrukturen setzte der Mitbeschuldigte P. den „M Stab“ ein, der unter seiner Leitung alle Aktivitäten des „Militärs“ koordinierte. Dieser Führungsstab war damit befasst, neue Mitglieder insbesondere aus den Reihen des KSK und der Polizei zu rekrutieren, zudem damit, Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenstände zu beschaffen, wobei mehrere Mitbeschuldigte und gesondert Verfolgte bereits über eigene Waffen verfügten. Ferner plante der Stab die zukünftige Unterbringung und Verpflegung der „neuen deutschen Armee“. Hierfür besuchten einige Mitbeschuldigte und gesondert Verfolgte unter Vorlage des Truppenausweises eines von ihnen Kasernen im Bundesgebiet. Auch organisierten Mitglieder des „Militärs“ zur Vorbereitung des geplanten Umsturzes Schießübungen und führten diese durch. Daneben arbeitete der militärische Zweig an der Schaffung einer eigenen, abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur. Zu diesem Zweck wurde er in erheblichem Umfang von Mitgliedern des Rates finanziell unterstützt.
Parallel dazu begann der militärische Arm der Organisation, ein bundesweites System unter den „M Stab“ eingegliederter regionaler Heimatschutzkompanien aufzubauen. Dabei handelte es sich nach der Vorstellung der Beteiligten um militärisch organisierte, bewaffnete und kasernierte Verbände. Zu deren Aufgaben gehörte insbesondere die - als „Säuberungen“ oder „Aufräumarbeiten“ bezeichnete - unter Einsatz von Kriegs- und Schusswaffen ausgeführte Beseitigung der nach dem Angriff der „Allianz“ verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats. Nach der „Befreiung“ sollten die Heimatschutzkompanien zur Absicherung der Macht der Organisation als Armee und Polizei fungieren. Beabsichtigt war, dass sie Kasernen, Waffen und sonstige Ausrüstung der Bundeswehr übernehmen, die ihrerseits aufgelöst werden sollte. Bis zum 7. Dezember 2022 gelang es der Vereinigung, einen Grundstock für eine Vielzahl von Heimatschutzkompanien zu legen; zwei solcher Untergruppen existierten bereits.
cc) Der engste Führungszirkel der Organisation plante zudem das gewaltsame Eindringen in das Reichstagsgebäude mit dem Ziel, Regierungsmitglieder und Abgeordnete festzunehmen sowie in Handschellen abzuführen. Alle in dieses Unternehmen Involvierten wussten, dass es nur durch Anwendung von auch tödlicher Waffengewalt gegen die Polizei und Sicherheitskräfte des Deutschen Bundestages durchgeführt werden konnte. Für dieses Vorhaben trafen sie bereits substanzielle Vorbereitungen.
dd) Innerhalb des „M Stabs“ waren der Mitbeschuldigte We. und ein weiterer Mitbeschuldigter dafür verantwortlich, Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenstände für den geplanten gewaltsamen Umsturz zu beschaffen. Hierzu bauten beide eine eigene Abteilung des Führungsstabs auf und waren selbst in die Beschaffungsvorgänge eingebunden.
Der Beschuldigte war fortdauernd als Helfer des Mitbeschuldigten We. tätig. Er war Leiter des Referats 2 („Teststelle Großgerät“) in der für die Beschaffung gegründeten Abteilung. Er stand dem Mitbeschuldigten nicht nur beratend zur Seite, sondern insbesondere beim Erwerb sowie der Aufbewahrung von Waffen und Munition zur Verfügung. Dabei war er zumindest wie folgt tätig: Nachdem die Waffenbehörde gegen den Mitbeschuldigten ein Waffenhaltungsverbot ausgesprochen hatte, übertrug dieser ihm zwei Repetiergewehre. Daneben bemühte sich der Beschuldigte, beim Mitbeschuldigten Ma. eine Langwaffe zu erwerben, um sie an die Lebensgefährtin des Mitbeschuldigten We. weiterzureichen und die Frau in die Handhabung der Waffe einzuweisen. Nachdem dies gescheitert war, sagte er zu, ihr eine ihm gehörende Waffe nebst Munition zu übergeben. Zudem half er dem Mitbeschuldigten We. bei der Beschaffung von Munition, indem er für ihn eine Bezugsquelle für nicht registrierte Patronenmagazine suchte.
Der Beschuldigte ergriff ferner die Initiative dazu, zusammen mit dem Mitbeschuldigten We. Kontakt zu Vertretern der Russischen Föderation aufzunehmen. Er kommunizierte per E-Mail mit deren Generalkonsulat in Le. und bat für sich und andere Personen, darunter der Mitbeschuldigte, um ein Treffen, das der Vizekonsul auf den 8. Dezember 2022 - den Tag nach der Festnahme des Beschuldigten - festsetzte. In Vorbereitung dieser Zusammenkunft übersandte der Mitbeschuldigte in einer Chatgruppe, zu der auch der Beschuldigte gehörte, einen Fragenkatalog an die Russische Föderation, der unter anderem um Auskunft darüber bat, ob dort Bereitschaft bestehe, deutsche „Widerstandsgruppen“ zu unterstützen.
Dem Beschuldigten waren die Struktur und die personelle Zusammensetzung der Gruppierung sowie deren Ziele bekannt. Er billigte diese und wusste, dass seine Handlungen sowohl für den sich an der Organisation als Mitglied beteiligenden Mitbeschuldigten We. als auch für sie selbst vorteilhaft waren.
ee) Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 2022, die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. November 2022 und dessen Zuschrift vom 22. Mai 2023 Bezug genommen.
b) Der dringende Tatverdacht gründet sich im Wesentlichen auf Erkenntnisse des Bundeskriminalamts, der Landeskriminalämter Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen, der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sowie des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst, die maßgeblich auf G 10-Maßnahmen - insbesondere Telefonüberwachung und Observation nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a, Abs. 2 G 10 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB - zurückzuführen sind.
Die Ergebnisse dieser Maßnahmen sind für die Zwecke der Strafverfolgung freigegeben und gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 G 10, § 161 Abs. 3 Satz 1 StPO in das Ermittlungsverfahren überführt worden. Die insoweit gewonnenen Erkenntnisse werden durch die weiteren Ermittlungen - insbesondere durch die Auswertung der im Rahmen der Durchsuchungen am 7. Dezember 2022 aufgefundenen Asservate sowie die Angaben mehrerer Mitbeschuldigter und gesondert Verfolgter im Rahmen ihrer verantwortlichen Vernehmungen - gestützt. Im Einzelnen:
aa) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der ideologischen Ausrichtung, Ziele der Vereinigung und der von ihren Mitgliedern geteilten Verschwörungstheorien beruht auf Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen, wie sie sich aus entsprechenden Mitteilungen vom 15. November und 19. August 2022 ergeben. Diese werden bestätigt durch zahlreiche aufgezeichnete Telefonate der Mitbeschuldigten R., P., We., Pf., T. und L. sowie der gesondert verfolgten H. und Ha. Deren Inhalt wird weiter gestützt durch die Auswertung einer Vielzahl sichergestellter Schriftstücke, Chats und die Angaben der Mitbeschuldigten F., Z. und M. sowie der gesondert verfolgten S. und Ha. .
bb) Aufbau und Struktur der Vereinigung, deren terroristische Zwecksetzung und die bereits entfalteten Aktivitäten ergeben sich ebenfalls aus überwachten Telefongesprächen von Mitbeschuldigten und gesondert Verfolgten. Die hierdurch bekannt gewordenen Treffen der Mitglieder des Rates werden durch mehrere Observationsmaßnahmen, Angaben der Mitbeschuldigten F. und M., sichergestellte Chats, Protokolle der Ratssitzungen und hierüber gefertigte handschriftliche Aufzeichnungen belegt. Der Aufbau des militärischen Arms ist Vortragsunterlagen, Mitgliederlisten und Gesamtübersichten zu entnehmen, die bei den Mitbeschuldigten P. und We. sowie beim gesondert verfolgten Me. sichergestellt worden sind. Die insoweit gewonnenen Erkenntnisse werden durch die Angaben des Mitbeschuldigten F. und des gesondert verfolgten Hep. bestätigt.
Die Ausrichtung auf die Begehung von Katalogtaten im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB wird belegt durch zahlreiche beim Beschuldigten, dem Mitbeschuldigten We. sowie den gesondert verfolgten Me. und S. aufgefundenen Unterlagen zur Einrichtung und Bewaffnung der Heimatschutzkompanien. Die insoweit gewonnenen Ermittlungsergebnisse werden ihrerseits bestätigt durch gesicherte Chatkommunikation zwischen den gesondert verfolgten S. und Ha. Die Bemühungen, Waffen, Munition und weiteres militärisches Ausrüstungsmaterial zu beschaffen, beruhen auf Erkenntnissen aus Telekommunikationsüberwachungs- und Observationsmaßnahmen. Im Rahmen der durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen sind hiermit korrespondierend 273 Schusswaffen, 259 Hieb- und Stichwaffen, mehr als 80.000 Munitionsteile, davon über 44.000 Patronen, sowie zahlreiche Satellitentelefone sichergestellt worden.
Die Teilnahme an gemeinsamen Schießübungen einiger Mitglieder stützt sich auf sichergestellte Unterlagen der Schießanlage und Chatverkehr. Das gezielte Aufsuchen und Auskundschaften von Kasernen der Bundeswehr durch Mitbeschuldigte und gesondert Verfolgte wird belegt durch die Auswertung der Geokoordinaten ihrer Mobiltelefone, verschiedene Unterlagen, die Angaben des Mitbeschuldigten F. sowie der gesondert verfolgten Hep. und Be. Die Rekrutierungsbemühungen einiger Mitstreiter werden bestätigt durch die Bekundungen des Mitbeschuldigten F. und der gesondert verfolgten S. und Re. Ferner sind Fragebögen aufgefunden worden, die sich an potentielle Bewerber richten. Der Aufbau der Heimatschutzkompanien wird belegt durch Mitgliederlisten, Kartenmaterial, verschriftete Aufstellungen über Aufgabenverteilungen, innere Struktur, regionale Ausrichtung und Ausrüstungsgegenstände, Angaben des Mitbeschuldigten F. sowie der gesondert verfolgten S. und Ha. Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Finanzierung der Vereinigung beruht auf dem Ergebnis entsprechender Finanzermittlungen.
cc) Die Vorbereitungshandlungen für eine bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes stützen sich ebenfalls auf Erkenntnisse aus Observations- und Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen. Diese werden bestätigt durch die insoweit geständigen Einlassungen der gesondert verfolgten S. und Ra. sowie des Mitbeschuldigten F. Ferner sind auf dem Mobiltelefon des Mitbeschuldigten W. mehrere - im Beisein der Mitbeschuldigten M. gefertigte - Videos vom Paul-Löbe-Haus und dessen unterirdischen Zugängen zu anderen Gebäuden des Regierungsviertels einschließlich des Reichstagsgebäudes sowie vom Inneren des Plenarsaals des Deutschen Bundestages sichergestellt worden.
dd) Was die Funktion, die verschiedenen Förderungshandlungen und die Kenntnisse des Beschuldigten betrifft, so hat er bei seiner Vernehmung den gegen ihn persönlich erhobenen Vorwurf im Wesentlichen bestritten. Die Angaben des Beschuldigten sind allerdings nach vorläufiger Bewertung bereits für sich gesehen wenig plausibel. Zudem ist seine Einlassung als nicht belastbar zu beurteilen, weil er sich bei zentralen Fragen und Vorhalten entweder auf fehlendes Erinnerungsvermögen berufen oder Angaben verweigert hat.
Darüber hinaus sind die individuell den Beschuldigten betreffenden objektiven und subjektiven Tatumstände belegt durch zahlreiche aufgefundene Asservate und die Angaben des Mitbeschuldigten Ma. Beim Beschuldigten sind neben Waffen, Munition und Zubehör zur Munitionsherstellung auch Unterlagen zur Struktur der Heimatschutzkompanien sichergestellt worden („Entwurf für die Struktur der neuen HSK Kräfte“). Darüber hinaus sind bei ihm Dokumente zum Aufbau der Abteilung des Mitbeschuldigten We. („Gliederung der Abteilung Weiterentwicklung und Beschaffung im M Stab Bereich Logistik“) einschließlich des dem Beschuldigten zugewiesenen Referats („Referat 2 Referatsleiter = Leiter Teststelle Großgerät Herr Ri. “) gesichert worden. Daneben hat der Mitbeschuldigte Ma. die Bemühungen des Beschuldigten bestätigt, eine Schusswaffe zu erwerben. Soweit der Beschuldigte abweichend hierzu angegeben hat, er habe 2022 sein Hobby als Sportschütze wiederaufnehmen und daher eine Waffe erwerben wollen, ist die Einlassung nach vorläufiger Würdigung aufgrund der Angaben des Mitbeschuldigten Ma. widerlegt. Danach lehnte dieser den Verkauf ab, da der Beschuldigte im Rahmen der Verkaufsgespräche als Verwendungszweck „zum da haben“ angegeben habe, woraufhin bei ihm - dem Mitbeschuldigten - die „Alarmglocken geschrillt“ hätten. Ferner werden die Förderungshandlungen des Beschuldigten belegt durch den Inhalt des gesicherten Chatverkehrs mit dem Mitbeschuldigten We. und dessen Lebensgefährtin. Die Auswertung des Webverlaufs des Mobiltelefons des Beschuldigten hat zudem ergeben, dass dieser auf einer Webseite den Titel „300 Schuss Munition“ aufrief. Die Erkenntnisse zur Kommunikation mit Vertretern der Russischen Föderation beruhen auf gesicherten E-Mails des Beschuldigten an das russische Generalkonsulat in Le., einer vom Beschuldigten übersandten Teilnehmerliste des Treffens sowie auf gesichertem Chatverkehr zwischen ihm und dem Mitbeschuldigten We. .
ee) Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 2022, die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. November 2022 und dessen Zuschrift vom 22. Mai 2023 verwiesen.
c) Der Beschuldigte ist zumindest der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB dringend verdächtig. Ob sogar, wofür Einiges spricht, ein für § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO ausreichender Verdacht bestehen könnte, dass er sich an ihr als Mitglied beteiligte, kann ebenso dahinstehen wie der Vorwurf einer Beteiligung an der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens nach § 83 Abs. 1 StGB.
aa) Bei der Gruppierung um die Mitbeschuldigten und die gesondert Verfolgten handelte es sich hochwahrscheinlich um eine terroristische Vereinigung im Sinne der § 129 Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Denn sie bestand aus mehr als zwei Personen, war auf längere Dauer angelegt, hatte eine organisatorische Struktur und verfolgte mit der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie der Schaffung eines neuen deutschen Staatswesens ein übergeordnetes gemeinsames Interesse (s. BGH, Beschluss vom 30. März 2023 - StB 58/22, NStZ-RR 2023, 182, 183; vgl. auch BGH, Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, BGHSt 66, 137 Rn. 19 ff.; Beschlüsse vom 3. November 2022 - AK 40/22 u.a., juris Rn. 44; vom 3. Mai 2023 - AK 19/23, juris Rn. 31).
bb) Dieses Ziel wollten die Mitglieder der Vereinigung nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen durch die Begehung von Katalogtaten im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB erreichen. Sie wussten und fanden sich um des von ihnen verfolgten Zieles willen damit ab, dass es bei der vermeintlichen Unterstützung eines Angriffs durch die „Allianz“ am „Tag X“ zu vorsätzlichen Tötungen von Repräsentanten des Staates und Amtsträgern gemäß §§ 211, 212 StGB kommen werde. Dies war dem Beschuldigten bekannt.
Dem steht nicht entgegen, dass der konkrete Eintritt des „Tages X“ - anders als das geplante bewaffnete Eindringen in das Reichstagsgebäude - scheinbar noch ungewiss war, die Gruppierung die Begehung von Katalogtaten durch den Einsatz ihres „Militärs“ von einem Eingreifen der „Allianz“ abhängig machte und insoweit mit dem Eintritt eines zukünftigen Ereignisses verknüpfte. Hierzu gilt:
Eine Vereinigung ist dann auf die Begehung von Straftaten gerichtet, wenn dies der verbindlich festgelegte Zweck ist, zu dessen Erreichung sich die Mitglieder verpflichtet haben. Die Organisation der Vereinigung muss auf den Zweck der gemeinschaftlichen Begehung von Straftaten hin konzipiert sein. Nur dann vermag die Betätigung der Vereinigung die ihre besondere Gefährlichkeit begründende Eigendynamik zu entfalten, die Grund für die durch §§ 129 ff. StGB bestimmte Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes ist. Daraus folgt, dass der gemeinsame Wille zur Begehung von Straftaten fest gefasst sein muss und nicht nur vage oder insbesondere von dem Ergebnis weiterer Willensbildungsprozesse abhängig sein darf. Deshalb reicht es nicht aus, wenn sich die in der Vereinigung zusammengefassten Mitglieder bewusst sind, es könne bei der Verfolgung ihrer Pläne zu Straftaten kommen, sie diese mithin lediglich „ins Auge gefasst“ haben (vgl. BGH, Urteile vom 22. Januar 2015 - 3 StR 233/14, BGHSt 60, 166 Rn. 30; vom 21. Oktober 2004 - 3 StR 94/04, BGHSt 49, 268, 271 f.; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 48; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 64).
Die Angehörigen der Gruppierung hatten in Kenntnis und mit Billigung des Beschuldigten ihren Entschluss, die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland unter Anwendung von Waffengewalt gegen Repräsentanten des Staates zu beseitigen und sie durch eine eigene Staatsstruktur zu ersetzen, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand bereits fest gefasst. Dass der Willensbildungsprozess innerhalb der Gruppe abgeschlossen war, zeigt sich in den vielfältigen - teils vom Beschuldigten geförderten - Vorbereitungshandlungen der Mitbeschuldigten und gesondert Verfolgten für den gewaltsamen Umsturz. So erwarben einzelne Mitglieder nicht nur Munition, zahlreiche militärische Ausrüstungsgegenstände und Fesselungsmaterialien, sondern suchten darüber hinaus mehrere Waffengeschäfte zum Erwerb von Schusswaffen auf und führten Schießübungen durch. Daneben hatte die Gruppierung bereits zwei Heimatschutzkompanien errichtet und betrieb den Aufbau weiterer; ihnen sollten im Fall der Realisierung der Umsturzpläne militärische und polizeiliche Aufgaben zukommen. Für die Ausführung war gerade kein neuer Tatentschluss, sondern nur der Eintritt eines konkreten und unmittelbar bevorstehenden, lediglich zeitlich noch nicht feststehenden Ereignisses erforderlich. Die Gruppierung behielt sich damit gerade nicht die Begehung von Straftaten für die Zukunft bloß vor. Dies gilt umso mehr, als allein die Angehörigen der Gruppierung die Deutungshoheit darüber hatten, welches tagesaktuelle Ereignis der „Allianz“ zuzurechnen und als Startsignal zur Umsetzung ihrer Umsturzpläne zu werten sein sollte. Die Mitglieder der Vereinigung hatten mithin nur noch darüber zu entscheiden, wann die Umsturzpläne umgesetzt werden. Trotz des bei objektiver Betrachtung teilweise fernliegenden Gedankenguts war somit die spezifische Gefährlichkeit der Vereinigung gegeben (s. BGH, Beschluss vom 30. März 2023 - StB 58/22, NStZ-RR 2023, 182, 184).
cc) Soweit der Beschuldigte der Vereinigung nicht als Mitglied beigetreten sein sollte, unterfallen seine Förderungshandlungen dem Tatbestand der Unterstützung im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB.
(1) Unter einem solchen Unterstützen ist grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt. Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Beteiligungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur mitgliedschaftlichen Beteiligung. Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich gleichermaßen auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen oder vereinigungstypischen Tätigkeit eines Mitglieds hilfreich beitragen muss.
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang. In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen. Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistung und deren grundsätzliche Nützlichkeit müssen indes gegeben sein. Fördert der Außenstehende die mitgliedschaftliche Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung, bedarf es für das Unterstützen in der Regel nicht der Feststellung eines noch weitergehenden positiven Effekts der Handlungen des Nichtmitglieds für die Organisation. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter die Erfüllung einer Aufgabe durch ein Mitglied fördert, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist, oder es in dessen Entschluss stärkt, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (s. zum Ganzen BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17 ff. mwN; ferner BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134 ff.; Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 3 StR 310/21, juris Rn. 11 f. mwN).
(2) Indem der Beschuldigte dem Mitbeschuldigten We. fortdauernd als Helfer zur Seite stand, dabei die Funktion eines Referatsleiters in der von diesem gegründeten, für die Beschaffung von Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenständen zuständigen Abteilung des „M Stabs“ ausübte, zwei Schusswaffen von ihm übernahm und sich in Absprache mit ihm um die Beschaffung einer weiteren Schusswaffe und von Patronenmagazinen bemühte, förderte er vorsätzlich dessen Beteiligungshandlungen sowohl physisch als auch psychisch. So ermöglichten die Übernahme und die Einlagerung der beiden Repetiergewehre dem Mitbeschuldigten, weiterhin auf sie zuzugreifen und damit das behördliche Waffenhaltungsverbot zu umgehen. Die Bemühungen um Patronenmagazine dienten dazu, das „Militär“ mit Kampfmitteln für das geplante gewaltsame Vorgehen gegen staatliche Stellen zu versorgen. Auf diese Weise trug der Beschuldigte zur Tätigkeit, mit welcher der Mitbeschuldigte die ihm von der Vereinigung übertragenen Aufgabe erfüllte, bewusst hilfreich bei. Auch die E-Mail-Kommunikation mit dem Generalkonsulat der Russischen Föderation in Le. bewirkte die Förderung von Beteiligungshandlungen des Mitbeschuldigten. Wie der Beschuldigte wusste, war all dies ebenfalls nützlich für die Vereinigung selbst, von deren Zielen der Beschuldigte Kenntnis hatte.
dd) Dahinstehen kann, wie viele materiellrechtliche Taten der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung der Beschuldigte auf der Grundlage des ihm vorzuwerfenden Sachverhalts beging.
Für das Konkurrenzverhältnis mehrerer Unterstützungshandlungen zueinander finden die allgemeinen Grundsätze Anwendung. Im Gegensatz zu der Tatvariante des § 129a Abs. 1 Alternative 2 StGB kennt diejenige des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB keine (verbleibende) tatbestandliche Handlungseinheit (s. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 3 StR 310/21, juris Rn. 17 mwN). Für die Haftfrage kommt es allerdings auf die konkurrenzrechtliche Bewertung der hochwahrscheinlichen Tathandlungen des Beschuldigten nicht an, zumal nicht ersichtlich ist, dass deren Unrechtsund Schuldgehalt hierdurch - ausnahmsweise - berührt wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2023 - 3 StR 397/22, juris Rn. 14 f.; BeckOK StPO/Wiedner, 47. Ed., § 354 Rn. 82 mwN). Deshalb bedarf hier insbesondere nicht der Erörterung, ob und inwieweit einzelne Förderungshandlungen zu umfänglichen natürlichen Handlungseinheiten zusammenzufassen sind und sich diese - teilweise - überschneiden.
2. Es besteht entgegen dem Vorbringen des Beschuldigten der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO.
a) Nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls ist es wahrscheinlicher, dass sich der Beschuldigte - sollte er auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde. Er hat im Falle seiner Verurteilung angesichts der Schwere des Tatvorwurfs und des Gewichts seiner mutmaßlichen Tatbeiträge selbst unter Berücksichtigung seiner bisherigen Straflosigkeit mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem hieraus resultierenden großen Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Nach den bislang gewonnenen Erkenntnissen äußerte er vielmehr gegenüber dem Mitbeschuldigten We., auch er denke, ins Ausland zu gehen; es gebe aber auch nähergelegene Orte, an denen man nicht gefunden werde. Überdies informierte er sich im Internet über konsularische Einrichtungen der Russischen Föderation und über die Möglichkeit, in Russland Asyl zu erhalten. Hiermit korrespondiert, dass er sich mit dem Währungsumtausch in Rubel befasste. Außerdem lehnt er die gegenwärtige Staatsund Verfassungsordnung der Bundesrepublik ab und verneint die Legitimität ihrer Staatsorgane zu hoheitlichem Handeln. Die Ermittlungen haben gezeigt, dass er wie zahlreiche Mitbeschuldigte und gesondert Verfolgte in der Szene derer, die - als sogenannte Reichsbürger, Querdenker, Verschwörungstheoretiker oder Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes - die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik und deren freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen und ihre Überwindung erstreben, eng eingebunden und vernetzt ist. Er kann mithin mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Netzwerk von Sympathisanten und Gleichgesinnten zurückgreifen, die ihn im Falle einer Flucht beziehungsweise eines Untertauchens logistisch und finanziell unterstützen würden.
b) Dieser Fluchtgefahr kann durch andere fluchthemmende Anordnungen entgegen den Ausführungen des Beschuldigten nicht genügend begegnet werden. Dies gilt umso mehr, als der Beschuldigte versucht hat, die richterlich angeordnete Überwachung der Telefongespräche in der Untersuchungshaft zu umgehen. Auch vor diesem Hintergrund ist nicht damit zu rechnen, er werde Anordnungen nach § 116 Abs. 1 StPO Folge leisten.
3. Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Haftbefehls ergibt sich aus § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 6, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG.
4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer. Das Ermittlungsverfahren ist nach der Festnahme des Beschuldigten am 7. Dezember 2022 mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Die Ermittlungen in dem vorliegenden Komplex, zwei gegen 63 Beschuldigte und gesondert Verfolgte betriebenen Verfahren, waren und sind sehr umfangreich; dies spiegelt sich unter anderem im Aktenbestand wider, der derzeit mehr als 200.000 Blatt Papier umfasst. Im Kontext der Verhaftungen des Beschuldigten sowie von mehr als 20 Mitbeschuldigten und gesondert Verfolgten ist es zu zahlreichen Durchsuchungen in mehreren Bundesländern gekommen. Dabei sind über 5.000 Asservate, darunter gut 1.800 Speichermedien, sichergestellt worden. Die diesbezügliche Datenmenge beträgt mindestens 265 Terabyte. Deren Durchsicht, Auslesung und Auswertung gestalten sich besonders zeit- und arbeitsintensiv. Daneben sind etwa 1.300 Waffen oder Waffenteile aufgefunden worden, die zum Zweck der waffenrechtlichen Beurteilung kategorisiert worden sind und von denen 239 ergänzend begutachtet werden. Zudem wird eine Vielzahl weiterer sichergestellter Dokumente und Fotos kriminaltechnisch untersucht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2023 Bezug genommen.
5. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits entgegen dem Vorbringen des Beschuldigten derzeit nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 913
Bearbeiter: Fabian Afshar