HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 251
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 195/23, Urteil v. 25.10.2023, HRRS 2024 Nr. 251
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 29. November 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Beihilfe zur tateinheitlichen Einfuhr von und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.
Das zu Lasten des Angeklagten eingelegte, vom Generalbundesanwalt vertretene und auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat mit der Verfahrensrüge Erfolg. Auf die sachlich-rechtlichen Beanstandungen kommt es daher nicht an.
Nach den Feststellungen bestellte der gesondert verfolgte B. am 21. Mai 2022 in den Niederlanden zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmte zehn Kilogramm Marihuana. Zur Verbringung der Betäubungsmittel nach Deutschland beauftragte er den Angeklagten am 22. Mai 2022 mit der Beschaffung eines „Schmuggelfahrzeugs“, woraufhin dieser den Opel Corsa seiner damaligen Lebensgefährtin organisierte.
Am 25. Mai 2022 fuhren der Angeklagte in dem Opel Corsa und B. in seinem SUV der Marke Seat nach E. Dort tauschten sie die Fahrzeuge und B. lud das Rauschgift in Abwesenheit des Angeklagten in den Opel Corsa, mit dem er das Marihuana über die Grenze nach Deutschland verbrachte. Der Angeklagte fuhr mit dem Seat voraus, um bei eventuellen Kontrollen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ein bis zwei Tage nach ihrer Rückkehr tauschten sie die Fahrzeuge zurück und der Angeklagte erhielt eine Entlohnung von 500 €.
Die Rüge der Staatsanwaltschaft, bei dem Urteil habe eine Schöffin mitgewirkt, nachdem sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen worden sei (§ 338 Nr. 3, § 24 Abs. 2, § 28 Abs. 2 Satz 2, § 31 Abs. 1 StPO), dringt durch.
1. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Die an dem angefochtenen Urteil mitwirkende Schöffin J. teilte dem Vorsitzenden am ersten Hauptverhandlungstag nach Verlesung der Anklage mit, dass es sich bei dem Angeklagten um den ehemaligen Partner ihrer „angeheirateten Nichte“ handele, den sie auf Familienfeiern fünf- bis sechsmal getroffen und mit dem sie sich auch unterhalten habe. Die Beziehung zwischen der „Nichte“ und dem Angeklagten sei beendet, ihr letzter persönlicher Kontakt zum Angeklagten sei über drei Jahre her. Nach Bekanntgabe dieser Umstände durch den Vorsitzenden gegenüber den Verfahrensbeteiligten erklärte der Verteidiger des Angeklagten, dass das im Anklagesatz erwähnte Tatfahrzeug, der Opel Corsa, der „Nichte“ gehöre, diese aber nicht gewusst habe, wofür der Angeklagte sich das Fahrzeug geliehen habe.
Nach einer circa fünfundvierzigminütigen Sitzungsunterbrechung verlas die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft ein gegen die Schöffin gerichtetes Ablehnungsgesuch und begründete dieses mit deren „Verwandtschaftsverhältnis“ zur Eigentümerin des mutmaßlichen Tatfahrzeugs. In ihrer sich anschließenden dienstlichen Äußerung bestätigte die abgelehnte Schöffin, dass die durch den Vorsitzenden vorgetragenen Tatsachen zu ihrer Bekanntschaft zum Angeklagten zutreffend seien.
Die Strafkammer hat den Ablehnungsantrag zurückgewiesen und zugleich die Selbstanzeige der Schöffin als unbegründet erachtet. Sie hat ausgeführt, dass mangels enger persönlicher Beziehung der Schöffin zum Angeklagten eine Besorgnis der Befangenheit nicht bestehe.
2. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht die Mitwirkung der Schöffin als erkennende Richterin.
a) Der Beschluss des Landgerichts ist der Anfechtung nicht entzogen.
Zwar kann das Revisionsgericht in den Fällen des § 30 StPO die Entscheidung, durch welche die Selbstanzeige eines Richters oder Schöffen wegen eines Verhältnisses, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, für begründet oder für nicht begründet erklärt wird, für sich gesehen grundsätzlich nicht überprüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 1973 - 1 StR 541/72, BGHSt 25, 122, 126 f. mwN; vom 11. Januar 2022 − 3 StR 452/20, NStZ 2023, 558, 559; vom 26. September 2023 - 5 StR 164/22, NJW 2023, 3442, 3443 f. Rn. 30; Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 30 Rn. 9). Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO betrifft lediglich den Fall der Ablehnung nach § 24 StPO, nicht den der Selbstanzeige nach § 30 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2017 − 3 StR 90/17, NStZ 2017, 720; KK-StPO/Heil, 9. Aufl., § 30 Rn. 7).
Anderes gilt aber dann, wenn sich - wie hier - ein Ablehnungsberechtigter das Vorbringen des Selbstanzeigenden zu eigen macht und ihn deswegen ablehnt; dies eröffnet das Verfahren der §§ 25 bis 28 StPO. Dementsprechend hat die Strafkammer mit der Entscheidung über den gegen die Schöffin gerichteten Befangenheitsantrag zugleich über die Selbstanzeige der Schöffin befunden (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2022 − 3 StR 452/20, NStZ 2023, 558, 559; vgl. auch KK-StPO/Heil, 9. Aufl., § 30 Rn. 7).
b) Die Verfahrensrüge ist in zulässiger Weise erhoben.
aa) Sie genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; insbesondere teilt die Revision die wesentlichen Inhalte des Ablehnungsantrags vom 29. November 2022 und des Zurückweisungsbeschlusses vom selben Tag mit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. November 2005 - 2 StR 462/05; vom 2. April 2020 - 1 StR 90/20, StV 2020, 815, 815 f.), zudem die Umstände, aus denen sich die Einhaltung der unverzüglichen Antragsstellung (§ 25 Abs. 1 Satz 2 StPO) ergibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. November 2015 − 4 StR 276/15, NStZ 2016, 627; vom 7. Juni 2022 − 5 StR 460/21, NStZ 2023, 53) sowie die dienstliche Erklärung der abgelehnten Schöffin (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1977 - 2 StR 486/77; vom 20. Juni 2007 - 1 StR 167/07; BGH, Beschlüsse vom 8. August 1995 - 1 StR 377/95, StV 1996, 2; vom 12. Oktober 1999 - 1 StR 109/99; vgl. zum gegen einen Dolmetscher gerichteten Befangenheitsgesuch BGH, Urteil vom 11. März 2015 - 5 StR 578/14).
bb) Der Rüge steht § 339 StPO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Staatsanwaltschaft zwar die Verletzung von Rechtsnormen, die lediglich zugunsten des Angeklagten gegeben sind, nicht zu dessen Nachteil geltend machen; doch trifft das für die hier in Rede stehende Rechtsnorm (§ 24 StPO) nicht zu.
(1) Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich bislang allein mit der Frage befasst, ob die Gesetzesbestimmungen, nach denen ein Richter von Gesetzes wegen an der Mitwirkung an der Entscheidung ausgeschlossen ist (§§ 22, 23 StPO; § 338 Nr. 2 StPO), lediglich zugunsten des Angeklagten im Sinne des § 339 StPO gegeben sind und dies für § 22 StPO verneint (vgl. RG, Urteil vom 19. Juni 1925 - I 243/25, RGSt 59, 267, 267 f.; vgl. auch Löwe/Rosenberg/Franke, StPO, 26. Aufl., § 339 Rn. 5; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 339 Rn. 3; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 339 Rn. 4; SK-StPO/Frisch, 5. Aufl., § 339 Rn. 9; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 339 Rn. 5).
(2) Für die gesetzlichen Vorschriften, nach denen ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann (§ 24 Abs. 1 und 2, § 31 StPO), gilt nichts Anderes. Diese Rechtsnormen dienen nicht allein den Verteidigungsbelangen des Angeklagten und damit nicht allein seinem Schutz, sondern bezwecken, das Gebot eines unabhängigen und unparteilichen Richters zu garantieren.
(a) Ob eine Vorschrift als eine solche im Sinne des § 339 StPO anzusehen ist, bestimmt sich nach deren abstrakter Zweckbestimmung (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1990 - 2 StR 44/90, BGHSt 37, 249, 250; Beschluss vom 24. Dezember 2021 - KRB 11/21, BGHSt 66, 309, 313). Die strafprozessualen Vorschriften über die Ausschließung (§§ 22, 23 StPO) und Ablehnung (§ 24 StPO) von Richtern dienen dem Ziel, auch im Einzelfall die Neutralität und Distanz der zur Entscheidung berufenen Richter zu sichern (vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 5. Oktober 1977 - 2 BvL 10/75, BVerfGE 46, 34, 37; vom 24. März 2010 - 2 BvR 2092/09, NJW 2010, 2036 Rn. 14; vom 27. Januar 2023 - 2 BvR 1122/22, NStZ 2023, 627, 628 Rn. 25; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2005 - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01, BVerfGK 5, 269; MüKoStPO/Conen/Tsambikakis, 2. Aufl., § 24 Rn. 1). Insoweit handelt es sich um allgemein übergeordnete Normen, welche die rechtsstaatlichen Grundlagen des Verfahrens gewährleisten (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 1958 - GSSt 4/57, BGHSt 11, 213, 214). Zwar geben die Vorschriften dem Einzelnen zugleich eine Garantie auf einen unabhängigen und unparteilichen Richter (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2023 - 2 BvR 1122/22, NStZ 2023, 627, 628 Rn. 23 mwN; BGH, Beschluss vom 26. September 2023 - 5 StR 164/22, NJW 2023, 3442, 3443). Hieraus ergibt sich aber nichts Abweichendes. Der von den §§ 22 bis 24 StPO ausgehende Schutz kann nicht auf den Schutz des Angeklagten reduziert werden (vgl. hierzu SK-StPO/Frisch, 5. Aufl., § 339 Rn. 7). Vielmehr sollen zugleich die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2023 - 2 BvR 1122/22, NStZ 2023, 627, 628 Rn. 22 mwN).
(b) In Ausübung ihrer Rolle als „Wächterin des Gesetzes“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 ua, BVerfGE 133, 168, 219 Rn. 92 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. November 2022 - 3 StR 127/22, NStZ 2023, 306, 308 Rn. 16) hat auch die Staatsanwaltschaft die Aufgabe, für die Unabhängigkeit und Neutralität der Gerichte Sorge zu tragen. Die ihr zugewiesene Rolle zur Kontrolle dieser Garantien kommt einfachgesetzlich bereits im Kreis der Ablehnungsberechtigten (§ 24 Abs. 3 Satz 1 StPO) zum Ausdruck. Hiernach kann die Staatsanwaltschaft einen Richter generell zur Sicherung der Neutralität des Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen. Um ihrer „Wächterfunktion“ im Normengefüge der §§ 22 ff. StPO gerecht werden zu können, bedarf es daher grundsätzlich und ungeachtet der Angriffsrichtung eines in der Tatsacheninstanz angebrachten Ablehnungsgesuchs seitens der Staatsanwaltschaft ihrer Befugnis, Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Entscheidung über Ablehnungsgesuche in der Revision zu rügen.
c) Der Zurückweisungsbeschluss hält rechtlicher Überprüfung am Maßstab der § 24 Abs. 2, § 31 Abs. 1 StPO nicht stand. Das feststehende Verfahrensgeschehen, auf dessen Grundlage der Senat nach Beschwerdegrundsätzen zu prüfen hat, ob das Ablehnungsgesuch zu Unrecht zurückgewiesen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2018 - 1 StR 571/17, Rn. 4; vom 18. Mai 2022 - 3 StR 181/21, NStZ 2023, 168, 170 Rn. 47), ist geeignet, die Besorgnis der Befangenheit gegen die abgelehnte Schöffin zu begründen.
aa) Die Ablehnung eines (Berufs-)Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO, der nach § 31 Abs. 1 StPO für einen Schöffen entsprechend gilt, gerechtfertigt, wenn die ablehnende Staatsanwaltschaft bei verständiger Würdigung der ihr bekannten Umstände Grund zu der Besorgnis hat, dass der Richter gegenüber dem rechtlich zu würdigenden Sachverhalt oder den daran Beteiligten nicht unvoreingenommen und unparteilich ist (vgl. allgemein zu § 24 StPO BGH, Urteil vom 28. Januar 1998 - 3 StR 575/96, BGHSt 44, 4, 7). Nicht erheblich ist, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2004 - 1 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 208, 209).
bb) Dabei ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass die §§ 22, 23 StPO Ausschlussgründe aufgrund typisierter Verhältnisse oder Beziehungen erschöpfend regeln. Sie sind eng auszulegen und dürfen nicht dadurch erweitert werden, dass für bestimmte Fälle § 24 StPO allgemein „zur Lückenfüllung“ herangezogen wird (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. Juni 2016 - 2 Ws 156/16, Rn. 8; KK-StPO/Heil, 9. Aufl., § 24 Rn. 10; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 22 Rn. 3).
Grundsätzlich gilt daher, dass, soweit nicht die im Gesetz aufgeführten persönlichen Verhältnisse oder Beziehungen vorliegen, von der Fähigkeit des Richters auszugehen ist, sich von Befangenheit frei zu halten (vgl. Löwe/Rosenberg/Siolek, StPO, 27. Aufl., § 24 Rn. 30; SSW-StPO/Kudlich/Noltensmeier-von-Osten, 5. Aufl., § 24 StPO, Rn. 9). Gleichwohl vermögen persönliche Beziehungen des Richters zu Angeklagten, Verletzten oder Zeugen je nach Intensität und konkreter Sachlage die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. KK-StPO/Heil, 9. Aufl., § 24 Rn. 12). Sie lassen eine Ablehnung aber nur dann als begründet erscheinen, wenn eine besonders enge Beziehung vorliegt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 24 Rn. 11 („eng befreundet“); SK-StPO/Wolter, 5. Aufl., § 24 StPO Rn. 18, 20; weitgehender wohl MüKoStPO/ Conen/Tsambikakis, 2. Aufl., § 24 Rn. 28 („freundnachbarschaftliche Verhältnisse“ reichen teilweise aus)) oder ein besonderer Zusammenhang mit der Strafsache besteht, der besorgen lässt, dass der Richter der Sache nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit gegenübersteht (vgl. BeckOK StPO/Cirener, 48. Ed., § 24 Rn. 10; SSW-StPO/Kudlich/Noltensmeier-von-Osten, 5. Aufl., § 24 StPO, Rn. 9; Temming in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl., § 24 Rn. 13; Fischer/Kudlich, JA 2020, 641, 646).
cc) Hiervon ausgehend ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht allein in der persönlichen Bekanntschaft der Schöffin zum Angeklagten keinen Befangenheitsgrund gesehen hat. Es fehlt an einer persönlichen Beziehung mit der für die Begründung einer Besorgnis der Befangenheit erforderlichen Intensität zwischen den beiden Personen. So kam es bis zur Hauptverhandlung zu lediglich fünf oder sechs Begegnungen mit nur kurzen Unterhaltungen. Hinzu tritt, dass seit dem letzten persönlichen Kontakt mehr als drei Jahre vergangen sind und auch eine indirekte persönliche Beziehung zum Angeklagten aufgrund der - zwischenzeitlich beendeten - Partnerschaft zu der „Nichte“ der Schöffin nicht (mehr) existiert.
dd) Allerdings hat es das Landgericht versäumt, die persönlichen Beziehungen der Schöffin in eine Gesamtschau einzuordnen, was hier zur Annahme der Besorgnis der Befangenheit führt.
Besondere Umstände ergeben sich vorliegend daraus, dass die fortbestehende persönliche Beziehung der Schöffin zu ihrer „Nichte“, der ehemaligen Lebensgefährtin des Angeklagten, einen Zusammenhang zu der Strafsache aufweist. Diese war die Eigentümerin des für die Einfuhrtaten (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) genutzten Tatfahrzeugs. Zwar würde eine etwaige Verfahrensbeteiligung der „Nichte“ als Zeugin eine Besorgnis der Befangenheit noch nicht ohne weiteres begründen. Dem steht bei der anzunehmenden Schwägerschaft dritten Grades (§ 1590 BGB) die gesetzgeberische Wertung des § 22 Nr. 3 StPO entgegen. Der durch den PKW als Tatmittel begründete enge Sachbezug zu der Strafsache berührt aber das Verhältnis der Schöffin zum Angeklagten dergestalt, dass diese ein Interesse daran haben könnte, dass zwischen der Betäubungsmitteleinfuhr und ihrer „Nichte“ keine Verbindung hergestellt und diese nicht zu einer potentiell Tatbeteiligten wird und so, je nach Einlassung des Angeklagten, diesem wohlwollend oder ablehnend gegenüberzustehen.
Aus Sicht der ablehnenden Staatsanwaltschaft war damit bei verständiger Würdigung dieser Gesamtumstände die Besorgnis gerechtfertigt, der Schöffin fehle die erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit. Die zu einer möglichen Befangenheit unergiebige dienstliche Äußerung der Schöffin vermag diese Wertung nicht auszuräumen, erschöpft sie sich doch allein darin, die Bekanntschaft zum Angeklagten zu bestätigen.
Der nach alledem gegebene absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO führt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 251
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede