HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 1060
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 323/13, Beschluss v. 22.10.2013, HRRS 2013 Nr. 1060
Die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 21. März 2013 wird als unzulässig verworfen.
Auf die Revision des Angeklagten U. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn und die Mitangeklagten W., K. und R. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung schuldig sind.
Die weitergehende Revision des Angeklagten U. wird verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten - den Angeklagten K. unter Teilfreispruch im Übrigen - jeweils wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und den Angeklagten U. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von sechs Monaten verurteilt sowie gegen die Angeklagten W., K. und R., gegen ersteren unter Einbeziehung eines vorausgegangenen Urteils (§ 31 Abs. 2 Satz 1, § 105 Abs. 2 JGG), jeweils zwei Wochen Jugendarrest verhängt. Gegen diese Entscheidung richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten U. und R. Während sich das Rechtsmittel des Angeklagten R. als unzulässig erweist, hat die Revision des Angeklagten U. den aus der Beschlussformel ersichtlichen - auch zugunsten der Mitangeklagten wirkenden, § 357 StPO - Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Zu dem Rechtsmittel des Angeklagten R. hat der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt:
"Die Revision des Angeklagten R. ist gemäß § 349 Abs. 1 StPO unzulässig, weil sich entgegen § 344 Abs. 1 Satz 1 StPO der Begründung des Revisionsantrags ein gemäß § 55 Abs. 1 JGG zulässiges Rechtsmittelziel nicht entnehmen lässt. Ausführungen dazu, dass die Schuldfrage rechtlich oder tatsächlich falsch vom Landgericht beantwortet wurde oder die Sanktion selbst rechtswidrig ist, enthält die Revisionsbegründung nicht. Werden im angefochtenen Urteil - wie hier - lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet, stellt es gemäß § 55 Abs. 1 JGG ein unzulässiges Ziel der Anfechtung dar, wenn nur die Auswahl der Maßnahmen angefochten wird, die Anordnung anderer oder weiterer Erziehungsmaßnahmen oder Zuchtmittel erreicht werden soll oder das Rechtsmittel sich gegen den Umfang der angeordneten Maßnahmen wendet; wobei es auch einen unzulässigen Angriff gegen den Umfang der Maßnahmen bedeutet, wenn mit dem Rechtsmittel nicht nur ein geringeres Ausmaß, sondern ein gänzliches Absehen davon erreicht werden soll. Wegen dieser sachlichen Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeit, nach der die Anfechtung nur darauf gestützt werden kann, dass die Schuldfrage rechtlich oder tatsächlich falsch beantwortet oder die Sanktion selbst rechtswidrig ist, muss das Anfechtungsziel so eindeutig mitgeteilt werden, dass die Verfolgung eines unzulässigen Ziels sicher ausgeschlossen werden kann (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - 1 StR 278/13 mwN).
Diesen Anforderungen ist hier nicht genügt. Weder dem Antrag noch dem sonstigen Revisionsvorbringen lässt sich entnehmen, dass mit dem Rechtsmittel nicht ausschließlich ein unzulässiges Ziel verfolgt werden soll. Im Gegenteil wird im Rahmen der erhobenen Sachrüge ausschließlich die erfolgte Verhängung des Jugendarrests gerügt und ausgeführt, dass die Feststellungen die Verhängung eines Jugendarrests nicht trügen; dieser sei aus erzieherischen Gründen 'schädlich' (RB S. 2 ff.). Auch am Ende der Revision heißt es, dass 'die Verhängung des Jugendarrests den Feststellungen zur Persönlichkeit und Schuld widerspricht' (RB S. 5). Damit ist eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Feststellungen und der Schuldspruch nicht angegriffen werden sollen, sondern sich die Revision allein gegen den Strafausspruch richtet.
Dass die Maßnahme der Verhängung des Jugendarrests an sich gesetzeswidrig sei (Eisenberg JGG 16. Aufl. § 55 Rn. 48), macht die Revision gerade nicht geltend. Ferner ist auch der Aufhebungsantrag nicht genauer bestimmt und gibt - ebenso wenig wie der Schriftsatz, mit dem am 22. März 2013 Revision eingelegt worden ist - keinen Aufschluss in Bezug auf das Anfechtungsziel (OLG Celle NStZ-RR 2001, 121; BVerfG NStZ-RR 2007, 385)."
Dem schließt sich der Senat an.
2. Die Revision des Angeklagten U. führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldspruchänderung.
Das Landgericht hat festgestellt, dass zunächst der Angeklagte U. den Geschädigten absichtlich anrempelte. Nachdem sich die vier Angeklagten im Kreis um den Geschädigten aufgebaut hatten, um dessen Flucht zu verhindern und um sich an der aufgebauten Drohkulisse zu beteiligen, versetzte der Angeklagte R. dem Geschädigten einen Schlag ins Gesicht, wodurch sich ein Brillenglas aus der Fassung löste; der Geschädigte erlitt jedoch keine Schmerzen. Dieser händigte schließlich auf Aufforderung eines Angeklagten sein Mobiltelefon aus, unter dessen Mitnahme die Angeklagten den Tatort verließen.
Diese rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen vollendeter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht. Den Feststellungen ist bereits nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, ob mit dem Schlag nicht nur die Brille des Geschädigten, sondern auch dessen Gesicht getroffen wurde. Darüber hinaus ist der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB in der Variante der vorliegend allein in Betracht kommenden körperlichen Misshandlung nur dann erfüllt, wenn die Schwelle zu einer üblen und unangemessenen Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt, überschritten wird (Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 223 Rn. 4 mwN). Bei einem Schlag in das Gesicht ist danach als körperliche Wirkung jedenfalls ein - wenn auch nur kurz anhaltendes - Schmerzempfinden zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1991 - 2 StR 225/91, juris Rn. 8).
Ein solches wurde ausdrücklich nicht festgestellt. Der Senat hat deshalb den Schuldspruch - auch bezüglich der Mitangeklagten, § 357 StPO - in versuchte gefährliche Körperverletzung geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten gegen den Tatvorwurf in seiner abweichenden rechtlichen Bewertung nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
3. Die Rechtsfolgenentscheidungen bleiben hiervon jeweils unberührt. Der Senat schließt angesichts der rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Verurteilung wegen räuberischer Erpressung aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung mildere Sanktionen verhängt hätte.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 StPO, §§ 74, 109 Abs. 2 Satz 1 JGG. Der geringe Teilerfolg des Rechtsmittels des Angeklagten U. rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und die Auferlegung eines Teils der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse nicht.
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 1060
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2014, 11
Bearbeiter: Christian Becker