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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 165

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 313/20, Urteil v. 29.09.2021, HRRS 2022 Nr. 165


BGH 2 StR 313/20 - Urteil vom 29. September 2021 (LG Frankfurt am Main)

Schwerer Bandendiebstahl (Bande; Bandenmitgliedschaft: Gehilfentätigkeit, Bekanntschaft der Bandenmitglieder untereinander, kein Vertrauensverhältnis notwendig, untergeordnete Rolle eines Einzelnen; Bandenabrede: keine Anforderungen an die Dauer des in Aussicht genommenen Zusammenwirkens, kurze Zeitspanne, Gesamtwürdigung, stillschweigende Übereinkunft, Abgrenzung konkludent getroffener Bandenabrede und bloßer Tatbeteiligung); Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten (wesentliche Aufklärungshilfe; Freiwilligkeit; Ermessen); Strafzumessung (keine strafmildernde Berücksichtigung der Untersuchungshaft; Berücksichtigung potenzieller ausländerrechtlicher Maßnahmen: aufenthaltsbeendende Maßnahme, besondere Umstände; keine Berücksichtigung der Trennung von der Familie; keine Berücksichtigung der Vermögenseinbußen durch Einziehung); Anrechnung der Untersuchungshaft.

§§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a StGB; § 46b StGB; § 46 StGB; § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Bande setzt in den Fällen der §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a StGB den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Mehrzahl selbstständiger Diebstähle verbunden haben. Erforderlich ist eine ? ausdrückliche oder stillschweigende ? Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung dieser Straftaten zusammenzutun.

2. Mitglied einer Bande kann auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen. Ferner ist nicht erforderlich, dass sich sämtliche Bandenmitglieder untereinander kennen und gemeinsam an der Abrede beteiligt waren. Demnach ist es in rechtlicher Hinsicht nicht maßgeblich, ob zwischen Bandenmitgliedern ein besonderes, über eine Geschäftsbeziehung hinausgehendes Vertrauensverhältnis besteht. Ferner kann Bandenmitglied auch sein, wer eine untergeordnete Rolle innehat.

3. Besondere Anforderungen an die Dauer des in Aussicht genommenen Zusammenwirkens bestehen nicht. Eine Bandenabrede kann selbst bei einer kurzen, im Einzelnen noch nicht genau bestimmten Zeitspanne in Betracht kommen.

4. Ob eine Bandenabrede anzunehmen ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung zu entscheiden, die die maßgeblichen für und gegen eine solche sprechenden Umstände in den Blick zu nehmen und gegeneinander abzuwägen hat. Dies gilt insbesondere für die Annahme einer stillschweigenden Übereinkunft, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch aus dem konkret feststellbaren deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann. Insbesondere in Grenzfällen, in denen die Abgrenzung zwischen einer auf einer konkludent getroffenen Bandenabrede beruhenden Bandentat und bloßer Tatbeteiligung schwierig sein kann, ist eine sorgfältige und umfassende Würdigung aller im konkreten Einzelfall für und gegen eine Bandenabrede sprechenden Umstände erforderlich.

5. Wesentliche Aufklärungshilfe im Sinne des § 46b StGB liegt vor, wenn die Tat ohne den Aufklärungsbeitrag nicht oder nicht im gegebenen Umfang aufgeklärt worden wäre, die Aussage des Täters jedenfalls aber eine sicherere Grundlage für die Aburteilung des Tatbeteiligten schafft, indem sie den Strafverfolgungsbehörden die erforderliche Überzeugung vermittelt, dass ihre bisherigen Erkenntnisse zutreffen.

6. Der Vollzug der Untersuchungshaft an sich darf nicht mildernd berücksichtigt werden. Dass der Täter in der zur Verhandlung anstehenden Sache Untersuchungshaft erlitten hat, ist bei der Verhängung der Freiheitsstrafe regelmäßig ohne Bedeutung, da die Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird.

7. Die Berücksichtigung ausländerrechtlicher Folgen einer strafgerichtlichen Verurteilung als bestimmender Strafzumessungsgrund kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zwingend zu erfolgen hat und besondere Umstände hinzukommen, die für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten.

8. Die Trennung eines Angeklagten von seiner Familie ist eine zwangsläufige Folge der Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe und als solche kein die Strafe mildernder Gesichtspunkt.

9. Vermögenseinbußen durch Einziehung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte stellen grundsätzlich keinen Strafmilderungsgrund dar, weil insoweit kein rechtlich schützenswertes Vertrauen besteht. Denn die Einziehung des Wertes von Taterträgen dient allein der Gewinnabschöpfung und damit dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebung.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. August 2019 aufgehoben

a) soweit es den Angeklagten M. G. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen, ausgenommen sind die Feststellungen zu den Taten II.5. bis II.7. und II.12. der Urteilsgründe,

b) soweit es die Angeklagten S. und J. betrifft, in den jeweiligen Strafaussprüchen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision betreffend den Angeklagten M. - G. wird verworfen.

2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil wird, soweit es den Angeklagten K. betrifft, verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insofern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

1. Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

? Den Angeklagten M. G. wegen Beihilfe zum versuchten Diebstahl sowie wegen Beihilfe zu drei Fällen des Diebstahls, davon in zwei Fällen des versuchten Diebstahls, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten,

? den Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Diebstahl, Beihilfe zum versuchten Diebstahl, Beihilfe zu drei Fällen des Diebstahls, davon in zwei Fällen des versuchten Diebstahls, sowie wegen Vortäuschens einer Straftat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren,

? den Angeklagten S. wegen schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 2018 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten,

? den Angeklagten J. wegen schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 2018 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten.

Zum Nachteil der Angeklagten S. und J. hat das Landgericht überdies Einziehungsentscheidungen getroffen.

2. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und auf die Sachrüge gestützten Revisionen, die hinsichtlich des Angeklagten M. G. auf den Schuld- und Strafausspruch, hinsichtlich des Angeklagten K. auf den Schuld- und Strafausspruch bezüglich der Taten II.1., II.4. und II.11. der Urteilsgründe und hinsichtlich der Angeklagten S. und J. auf den Strafausspruch beschränkt sind. Sie beanstanden, dass die Angeklagten M. G. und K. nicht wegen Beihilfe zum (versuchten) schweren Bandendiebstahl verurteilt wurden und dass die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung bezüglich der Angeklagten S. und J. das Vorliegen der Voraussetzungen der Aufklärungshilfe gemäß § 46b StGB bejaht und davon ausgehend bei der Strafzumessung zu Fall II.2. der Urteilsgründe jeweils von der Milderungsmöglichkeit nach §§ 46b Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht hat.

3. Nach den Feststellungen des Landgerichts verabredeten die Angeklagten B. G., S. und J. sowie der gesondert Verfolgte L. spätestens Ende Oktober 2017, gemeinsam mittels Einsatzes massiver Gewalt sogenannte Blitzeinbruchsdiebstähle in Tankstellen zu begehen. Um hohe Bargeldbeträge zu erbeuten, sollten dabei insbesondere die im Boden der Tankstellen verankerten Kassentresore, sogenannte iCash-Geräte, gestohlen werden. Ob bei dieser Verabredung außer den genannten Personen auch die Angeklagten M. G. und K. sowie gegebenenfalls weitere Personen involviert waren, konnte ebenso wenig aufgeklärt werden wie der Umstand, ob die zuletzt genannten Angeklagten dieser Abrede zu einem späteren Zeitpunkt beitraten.

Nach dem Tatplan sollten die zur Tatbegehung ausgewählten Tankstellen jeweils mit zwei angemieteten Fahrzeugen angefahren werden. Die Angeklagten B. G. und J. sollten vom Angeklagten S. zum jeweiligen Tatort gebracht werden, in die Tankstelle eindringen, mit mitgeführten Werkzeugen schnellstmöglich die Tresore aus der Bodenverankerung brechen und gemeinsam mit S. die Beute abtransportieren. Der gesondert Verfolgte L. sollte mit dem zweiten Fahrzeug in die Nähe des jeweiligen Tatorts fahren und die unmittelbar vor Ort tätigen Tatbeteiligten mit einem Funkgerät vor möglicher Entdeckung durch Dritte warnen. Die Tatbeute sollte zu gleichen Anteilen unter den konkret Beteiligten aufgeteilt werden. Um eine Identifizierung zu verhindern, war vereinbart, sich bei der Tatbegehung zu maskieren, eine Ortung der Mobiltelefone zu unterbinden und das zur Tankstelle fahrende Fahrzeug mit einem Kfz-Kennzeichen zu versehen, das man zuvor von einem anderen Fahrzeug entfernt hatte.

Soweit B. G., S., J. und L. kein Aufbruchswerkzeug zur Verfügung hatten und solches besorgt werden musste, konnten sie auf den Angeklagten M. G. zählen. Dieser erklärte sich zum Erwerb des Werkzeugs bereit. M. G. und K. erklärten sich überdies bereit, die zur Tatausführung benötigten Mietwagen bei im R. Gebiet ansässigen Mietwagenfirmen anzumieten und anschließend an B. G., S., J. und/oder L. zu überlassen. Dabei wussten und billigten beide, dass die von ihnen beschafften und überlassenen Gegenstände zur Begehung von Einbruchsdiebstählen genutzt werden sollten.

In Ausführung dieser grundsätzlichen Verabredung und Planung der Angeklagten B. G., S. und J. und des gesondert Verfolgten L. kam es - mit Unterstützung der Angeklagten M. G. bzw. K. - zwischen 29. Oktober und 19. November 2017 an verschiedenen Orten im R. Gebiet abredegemäß zu insgesamt fünf Einbruchsdiebstählen in Tankstellen (Fälle II.2., II.5. bis II.7., II.12. der Urteilsgründe).

Am 28. Oktober, sowie am 9. und 17. November 2017 mietete der Angeklagte K. in F. jeweils ein Fahrzeug an und übergab es kurz darauf an einen der vorgenannten Beteiligten (Taten II.1., II.4. und II.11. der Urteilsgründe). Das am 28. Oktober 2017 angemietete Fahrzeug wurde am 29. Oktober 2017 bei einem Einbruchsdiebstahl in eine Tankstelle in E. eingesetzt, bei dem die Täter - darunter die tatplanmäßig vorgehenden Angeklagten S. und J. ? 61.320 Euro Bargeld erbeuteten und erheblicher Sachschaden entstand. Der am 9. November 2017 angemietete Wagen fand Verwendung bei drei weiteren Einbruchsdiebstählen am 11. und 12. November 2017 in Tankstellen in O., Rü. und W. Während bei den ersten beiden Taten jeweils erheblicher Sachschaden entstand, die Täter aber nach Auslösen des Alarms aus Furcht vor Entdeckung ohne Beute flüchteten, erbeuteten sie bei der dritten Tat 9.490 Euro Bargeld.

Nach vorheriger telefonischer Absprache mit seinem Bruder, dem Angeklagten B. G., erwarb der Angeklagte M. G. am 1. November 2017 in einem Baumarkt in D. diverse Stemm- und Spaltwerkzeuge und übergab sie anschließend an B. G. Ob diese Werkzeuge bei den Taten in O., Rü. und W. tatsächlich ganz oder zum Teil genutzt wurden, konnte nicht sicher festgestellt werden. B. G., J., S. und L. wurden durch deren Erwerb und Übergabe aber dahingehend in der Umsetzung ihres Tatplans bestärkt, dass die nachfolgend geplanten Einbrüche jedenfalls nicht an fehlendem Werkzeug scheitern würden, was wiederum M. G. erkannte und billigte. Am 3. November 2017 mietete M. G. in Ob. ein Fahrzeug an, das er an einen der vorgenannten Beteiligten übergab. Dieses Fahrzeug wurde bei den genannten Taten in O., Rü. und W. eingesetzt.

Die Angeklagten S. und J. wurden wegen Beteiligung an vier dieser Taten (Fälle II.5. bis II.7., II.12. der Urteilsgründe) bereits durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 2018 wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen, davon in drei Fällen im Versuch bleibend und in zwei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten bzw. zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Im Hinblick auf Fall II.2. der Urteilsgründe verurteilte sie das Landgericht jeweils wegen schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung.

II.

Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sind in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang erfolgreich.

1. Soweit das Landgericht bei den Taten des Angeklagten M. G. das Vorliegen einer Bandenabrede verneint hat, beruht das angefochtene Urteil auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung, die zur Aufhebung des Schuldspruchs zwingt. Demgegenüber hält die Wertung der Strafkammer, der Angeklagte K. sei nicht in eine Bandenabrede eingebunden gewesen, rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Eine Bande setzt in den Fällen der §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a StGB den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Mehrzahl selbstständiger Diebstähle verbunden haben (BGH, Beschluss vom 22. März 2003 - GSSt 1/00; BGHSt [GS] 46, 321, 325). Erforderlich ist eine ? ausdrückliche oder stillschweigende ? Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung dieser Straftaten zusammenzutun (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 164). Mitglied einer Bande kann dabei auch derjenige sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen. Ferner ist nicht erforderlich, dass sich sämtliche Bandenmitglieder untereinander kennen und gemeinsam an der Abrede beteiligt waren (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2019 ? 1 StR 223/19, BGHR BtMG § 30a Bande 13 mwN). Demnach ist es in rechtlicher Hinsicht nicht maßgeblich, ob zwischen Bandenmitgliedern ein besonderes, über eine Geschäftsbeziehung hinausgehendes Vertrauensverhältnis besteht. Ferner kann Bandenmitglied auch sein, wer eine untergeordnete Rolle innehat (vgl. etwa zu einem „Läufer“ Senat, Urteil vom 8. Juli 2015 ? 2 StR 139/15, juris Rn. 6; zur Mitgliedschaft auch von „austauschbaren“ Personen BGH, Urteil vom 25. Januar 1996 ? 5 StR 402/95, BGHR BtMG § 30a Bande 2). Besondere Anforderungen an die Dauer des in Aussicht genommenen Zusammenwirkens bestehen nicht. Sie kann selbst bei einer kurzen, im Einzelnen noch nicht genau bestimmten Zeitspanne in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 ? 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 178).

Ob eine Bandenabrede anzunehmen ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung zu entscheiden, die die maßgeblichen für und gegen eine solche sprechenden Umstände in den Blick zu nehmen und gegeneinander abzuwägen hat. Dies gilt insbesondere für die Annahme einer stillschweigenden Übereinkunft, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch ? obwohl sie regelmäßig den Bandentaten vorausgeht ? aus dem konkret feststellbaren deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann (BGH, aaO, BGHSt 50, 160, 162; st. Rspr.). Insbesondere in Grenzfällen, in denen die Abgrenzung zwischen einer auf einer konkludent getroffenen Bandenabrede beruhenden Bandentat und bloßer Tatbeteiligung schwierig sein kann, ist eine sorgfältige und umfassende Würdigung aller im konkreten Einzelfall für und gegen eine Bandenabrede sprechenden Umstände erforderlich (Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12, StV 2013, 508, 509 f.; Urteil vom 6. November 2019 - 2 StR 87/19, juris Rn. 21).

aa) Das Landgericht hat das Vorliegen einer Bandenabrede bei den beiden Angeklagten jeweils mit der Begründung abgelehnt, es lägen weder Anhaltspunkte für eine ausdrückliche Abrede vor noch bestünden hinreichende Belege für eine konkludent getroffene Abrede. Insbesondere mangele es angesichts nur zweier (M. G.) bzw. dreier Taten (K.) an einem hinreichend konkret zu Tage getretenen Willen, mit jeweils mindestens zwei anderen zusammen künftig für eine gewisse Dauer eine Mehrzahl von Straftaten zu begehen. Hinzu komme, dass die beiden Angeklagten nicht von der Tatbeute profitiert hätten. Vor diesem Hintergrund stelle auch ihre anzunehmende grundsätzliche Bereitschaft, Fahrzeuge zur Überlassung an Dritte anzumieten, allein kein ausreichendes Indiz für die Annahme einer konkludenten Bandenabrede dar. Dem Zweifelssatz folgend sei eine Bandenzugehörigkeit der beiden Angeklagten jeweils nicht zu belegen.

bb) Diese Beweiswürdigung erweist sich im Hinblick auf den Angeklagten M. G. als lückenhaft.

Zwar hat die Strafkammer nicht nur gesehen, dass sich der Angeklagte M. G. zum Erwerb von Werkzeugen bereit erklärte, wobei er wusste, dass diese zur Durchführung von Einbrüchen genutzt werden würden, sondern auch, dass er die konkreten Weisungen von seinem Bruder B. G. telefonisch und in verklausulierter Form erhielt, wobei er - wie die Telefonate mit seinem Bruder B. G. vom 26. und 31. Oktober 2017 zeigen - hinsichtlich der ihm obliegenden Beschaffung von „Sachen“ keine weitere Erklärung benötigte. Auch kann die Verteilung der Tatbeute nur an unmittelbar Tatbeteiligte ein gegen eine Bandenabrede sprechendes Indiz sein (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12, StV 2013, 508). Das Landgericht hat aber bezüglich des Angeklagten M. G. andere für eine Beteiligung sprechende Umstände nicht näher in den Blick genommen.

Dazu gehört, dass die genannten Telefongespräche in einem engen zeitlichen und thematischen Kontext zu Telefonaten vom 24. Oktober 2017 stehen, bei denen es um ein Treffen mit den M. G. bekannten J. und L. geht. Die Brüder G. erörterten darüber hinaus in einem Telefonat am 9. November 2017 den Tausch des zunächst vom Angeklagten K. angemieteten Pkw. Am 13. November 2017 schließlich sprach M. G. im Rahmen eines Telefonats sowohl mit seinem Bruder als auch mit dem Angeklagten J. über die Beschaffung des von ihm am nächsten Tag angemieteten und beim Einbruch in F. eingesetzten Wagens. Dieses Fahrzeug übergab er nach einem Telefonat mit dem Angeklagten Ej. am 14. November 2017 persönlich an J. Diese genannten Umstände zeigen, was das Landgericht unerörtert lässt, dass M. G. nicht nur mit seinem Bruder in engem Kontakt stand, sondern sich auch mit dem weiteren Bandenmitglied J. mehrfach tatbezogen austauschte.

cc) Bezogen auf den Angeklagten K. begegnet die Beweiswürdigung dagegen keinen rechtlichen Bedenken. Sie ist entgegen der Auffassung der Revision insbesondere zur Frage des Vorliegens einer Bandenabrede nicht lückenhaft.

c) Im Hinblick darauf, dass die rechtsfehlerfrei festgestellten Haupttaten (Fälle II.5. bis II.7. und II.12. der Urteilsgründe) von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind, können die insoweit getroffenen Feststellungen aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

2. Die bezüglich der Angeklagten S. und J. zulässig auf den Strafausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Zwar hält die Entscheidung des Landgerichts, von der Milderungsmöglichkeit der §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch zu machen, rechtlicher Nachprüfung stand. Allerdings enthält die Strafzumessung im engeren Sinn durchgreifende Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten. Im Einzelnen:

a) Dass das Landgericht bei beiden Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hat, ist nicht zu beanstanden.

aa) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht im Hinblick auf die Angaben der Angeklagten S. und J. die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 StGB bejaht und von einer wesentlichen Aufklärungshilfe ausgegangen ist.

Wesentliche Aufklärungshilfe liegt vor, wenn die Tat ohne den Aufklärungsbeitrag nicht oder nicht im gegebenen Umfang aufgeklärt worden wäre, die Aussage des Täters jedenfalls aber eine sicherere Grundlage für die Aburteilung des Tatbeteiligten schafft, indem sie den Strafverfolgungsbehörden die erforderliche Überzeugung vermittelt, dass ihre bisherigen Erkenntnisse zutreffen (BGH, Beschluss vom 15. März 2016 - 5 StR 26/16, NStZ 2016, 720, 721; Beschluss vom 3. Februar 2021 - 4 StR 305/20, juris Rn. 6).

Gemessen an diesem rechtlichen Maßstab ist die Annahme des Landgerichts nicht zu beanstanden, die von den Angeklagten geleistete Aufklärungshilfe sei wesentlich. Das Landgericht hat die Wesentlichkeit im Hinblick darauf bejaht, dass die Angeklagten S. und J. Angaben gemacht haben, die Rückschlüsse auf die Tatbeteiligung des Angeklagten B. G. bei den Taten in O., Rü. und W. sowie auf den Ablauf der Tat und die Tatbeteiligten der Tat in E. zuließen und damit zu deren Überführung sowie zur Aufklärung der Taten als solche beigetragen haben. Ihre Überzeugung, dass der insoweit bestreitende Angeklagte B. G. an den im modus operandi gleichen Taten in O., Rü. und W. beteiligt war, hat die Strafkammer darauf gestützt, dass 1. diese Taten sowie die Tat in F. von den Angeklagten S. und J., dem gesondert Verfolgten L. und einem vierten Täter begangen worden sind, 2. der Zeuge Z. nur an der Tat in F. als vierter Täter beteiligt war und 3. der Angeklagte B. G. - wie von ihm selbst eingeräumt - neben S., J. und L. - der vierte Täter der Tat in E. war. Diese Schlüsse hat das Landgericht maßgeblich auf die geständigen Angaben S. s und J. bezüglich der Taten in O., Rü., W. und F. sowie deren Angaben über die gleiche feste Rollen- und Aufgabenverteilung gestützt. Darüber hinaus hat das Landgericht berücksichtigt, dass die Personenbeschreibung des vierten Täters durch S. auf den Angeklagten B. G. zutraf.

bb) Entgegen der Auffassung der Revision mangelt es auch nicht an der von § 46b Abs. 1 StGB vorausgesetzten Freiwilligkeit der Offenbarung, da sich die Angeklagten frei von Zwang entscheiden konnten (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2010 - 5 StR 182/10, NStZ 2010, 443, 444). Da § 46b StGB allein auf den objektiven Aufklärungserfolg abstellt und die Motivation für das Offenbaren unerheblich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2017 - 5 StR 359/17, BeckRS 2017, 127798 mwN), spielt es für die Erfüllung des Tatbestands des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB auch keine Rolle, ob die Angeklagten mit ihren Angaben eine Überführung des Angeklagten B. G. bezweckten.

cc) Da die Voraussetzungen der Anwendung des § 46b Abs. 1 StGB im Hinblick auf die Tat in E., die mit den anderen Bandentaten in dem nach § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderlichen Zusammenhang stand, erstmals zu prüfen waren, ist auch nicht von Bedeutung, dass die Aufklärungsbemühungen des Angeklagten S. bereits in dem die anderen Taten betreffenden Verfahren strafmildernd berücksichtigt wurden.

dd) Auch die der Ermessensentscheidung nach § 46b Abs. 2 StGB zugrundeliegende Gesamtwürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand.

(1) Sind die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 StGB nach den Feststellungen des Tatrichters gegeben, ist diesem ein mit der Revision nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum eröffnet, innerhalb dessen er aufgrund einer umfassenden Würdigung aller nach § 46b Abs. 2 StGB relevanten Umstände zu entscheiden hat, ob eine Strafrahmenverschiebung nach Abs. 1 Satz 1 StGB geboten ist (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 426/12, StV 2013, 629, 630; Urteil vom 25. September 2018 - 5 StR 251/18, NJW 2019, 245 mwN).

(2) Diesen Anforderungen wird das Urteil (noch) gerecht. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich noch hinreichend entnehmen, dass das Landgericht - wie rechtlich geboten (vgl. Senat, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 34/11, StV 2011, 534 f.; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - 1 StR 512/18, BeckRS 2018, 37282; Eschelbach in SSW-StGB, 4. Aufl., § 46b Rn. 29) - das in den Urteilsgründen mehrfach thematisierte Aussageverhalten der beiden Angeklagten im Rahmen der Gesamtwürdigung berücksichtigt hat.

b) Jedoch rügt die Staatsanwaltschaft zu Recht, dass die Strafkammer bei der Strafzumessung im engeren Sinn nicht anerkannte Strafzumessungsgründe strafmildernd herangezogen hat.

aa) Das Landgericht hat fehlerhaft zu Gunsten der beiden Angeklagten gewertet, dass sie sich über einen längeren Zeitraum in Untersuchungshaft befanden. Der Vollzug der Untersuchungshaft an sich darf jedoch nicht mildernd berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - 1 StR 407/11, NStZ 2012, 147; Senat, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100). Dass der Täter in der zur Verhandlung anstehenden Sache Untersuchungshaft erlitten hat, ist bei der Verhängung der Freiheitsstrafe regelmäßig ohne Bedeutung, da die Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird. Zusätzliche, die Angeklagten besonders beschwerende Umstände im Zusammenhang mit der Untersuchungshaft hat das Landgericht nicht festgestellt.

bb) Ebenfalls als rechtsfehlerhaft erweist sich, dass das Landgericht zu Gunsten der Angeklagten J. und S. gewertet hat, dass sie ausländerrechtliche Maßnahmen zu befürchten haben bzw. solche nicht ausgeschlossen erscheinen. Damit verkennt die Strafkammer, dass die Berücksichtigung ausländerrechtlicher Folgen einer strafgerichtlichen Verurteilung als bestimmender Strafzumessungsgrund regelmäßig nur dann in Betracht kommt, wenn eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zwingend zu erfolgen hat und besondere Umstände hinzukommen, die für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten (vgl. BGH, Urteile vom 26. Oktober 2017 - 4 StR 259/17, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Ausländer 8; vom 23. August 2018 - 3 StR 149/18, StV 2019, 441 mwN; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 55 mwN). Dass diese Voraussetzungen beim Angeklagten J. vorliegen, hat das Landgericht nicht dargetan. Gleiches gilt für den Angeklagten S., der als Unionsbürger mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik privilegierten Ausweisungsschutz genießt und sein Aufenthaltsrecht nur unter den sehr engen Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU verlieren kann (vgl. Kurzidem in: BeckOK AuslR, 30. Ed. 1.1.2021, § 6 FreizügG/EU Rn. 21 ff.).

cc) Zu Gunsten der beiden Angeklagten hat die Strafkammer darüber hinaus jeweils die Trennung von Frau und gemeinsamem Kind berücksichtigt. Umstände, die insoweit eine besondere über das normale Maß hinausgehende Haftempfindlichkeit belegen würden, hat es damit nicht dargelegt. Dies ist rechtsfehlerhaft. Die Trennung eines Angeklagten von seiner Familie ist eine zwangsläufige Folge der Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe und als solche kein die Strafe mildernder Gesichtspunkt (vgl. Senat, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100).

dd) Ebenso rechtsfehlerhaft ist es, dass das Landgericht - wenn auch nur mit geringem Gewicht - strafmildernd berücksichtigt hat, dass die Angeklagten neben der Strafe auch mit einer ihr Vermögen schmälernden Einziehung (des Wertes von Taterträgen) belastet sind. Vermögenseinbußen durch Einziehung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte stellen grundsätzlich keinen Strafmilderungsgrund dar, weil insoweit kein rechtlich schützenswertes Vertrauen besteht. Denn die Einziehung des Wertes von Taterträgen dient allein der Gewinnabschöpfung und damit dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebung (vgl. BGH, Urteile vom 28. Januar 2015 - 5 StR 486/14, NStZ-RR 2015, 281, 282; vom 12. März 2020 - 4 StR 537/19, juris Rn. 12).

c) Angesichts der Vielzahl der aufgezeigten Rechtsfehler kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafaussprüche darauf beruhen. Der Aufhebung der zugrundeliegenden Feststellungen bedarf es nicht, weil lediglich Wertungsfehler vorliegen.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 165

Externe Fundstellen: StV 2022, 387

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß