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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 808

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 69/19, Urteil v. 11.03.2020, HRRS 2020 Nr. 808


BGH 2 StR 69/19 - Urteil vom 11. März 2020 (LG Hanau)

Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (Erklärungen des Verteidigers zur Sache: Differenzierung zwischen Einlassungen des Angeklagten mittels Verteidigererklärung und eigenen Prozesserklärungen des Verteidigers; Glaubhaftigkeit einer Einlassung: Zeitpunkt der Anpassung einer Einlassung); Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen (affektive Erregung bei Tötungsdelikten).

§ 261 StPO; § 20 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Äußert sich der Verteidiger in Form eines Schriftsatzes zur Sache, handelt es sich grundsätzlich um eine Prozesserklärung des Verteidigers, die dieser aus eigenem Recht und in eigenem Namen abgibt, und nicht um eine Sacheinlassung des Angeklagten. Ihrer Bedeutung nach ist sie einem Parteivorbringen im Zivilprozess vergleichbar. Eine solche Erklärung kann daher in der Hauptverhandlung nicht als Urkunde verlesen werden. Der Angeklagte kann sie sich in der Hauptverhandlung auch nicht - rückwirkend - zu eigen machen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Verteidiger in der Erklärung Äußerungen schriftlich fixiert, die der Angeklagte ihm gegenüber gemacht hat.

2. Gleiches gilt grundsätzlich für Erklärungen, die der Verteidiger in der Hauptverhandlung zur Sache abgibt. Da der Verteidiger Beistand und nicht Vertreter des Angeklagten ist, handelt es sich insoweit - genauso wie bei allgemeinen Äußerungen, prozessualen Erklärungen oder Tatsachenbehauptungen in Beweisanträgen - um seine eigenen Prozesserklärungen.

3. Schriftliche und mündliche Erklärungen des Verteidigers können ausnahmsweise als Einlassung des Angeklagten entgegengenommen und verwertet werden, wenn ein gesetzlich vorgesehener Fall der Vertretung vorliegt oder wenn der Angeklagte ausdrücklich erklärt, sie als eigene gelten zu lassen. Bei Verteidigerschriftsätzen muss - etwa durch Unterschrift oder durch Formulierung in Ich-Form - erkennbar sein, dass der Angeklagte die Erklärung als eigene Äußerung verstanden wissen will und sich seines Verteidigers gleichsam als „Schreibhilfe“ bedient. Bei in der Hauptverhandlung verlesenen schriftlichen Ausführungen des Verteidigers, in denen er Angaben des schweigenden Angeklagten wiedergibt, muss der Angeklagte diese Erklärung bestätigen oder erklären, dass er sie als eigene Einlassung verstanden wissen will.

4. Bei einer Einlassung mittels Verteidigererklärung hat das Gericht zu berücksichtigen, dass dieser von vornherein nur ein erheblich verminderter Beweiswert zukommt, da es sich um schriftliches, situativ häufig nicht hinterfragbares Verteidigungsvorbringen handelt. Derartige in der Hauptverhandlung verlesene Einlassungen sind nur bedingt einer Glaubhaftigkeitsprüfung zugänglich, weil es sich faktisch nicht um eine mündlich abgegebene Sachäußerung handelt, aus der ein unmittelbarer Eindruck des Aussageverhaltens gewonnen werden könnte. Der Beweiswert dieses Einlassungssurrogats bleibt vielmehr substanziell hinter der dem gesetzlichen Leitbild der Einlassung entsprechenden, nicht nur persönlich und mündlich, sondern auch in freier Rede und vollständig getätigten Äußerung zurück.

5. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Anpassung der Einlassung an die Ergebnisse der Beweisaufnahme kann insbesondere auch der Zeitpunkt, zu dem sich ein Angeklagter zur Sache einlässt, ein Umstand sein, der gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung sprechen kann.

6. Eine affektive Erregung stellt bei Tötungsdelikten, bei denen gefühlsmäßige Regungen eine Rolle spielen, den Normalfall dar. Ob die affektive Erregung einen solchen Grad erreicht hat, dass sie zu einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung geführt hat, kann deshalb nur anhand von tat- und täterbezogenen Merkmalen beurteilt werden, welche als Indizien für und gegen die Annahme eines schuldrelevanten Affekts sprechen können. Diese Indizien sind dabei im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu beurteilen.

7. Eine exakte detailreiche Erinnerung kann indes ein Gegenindiz für einen zur Schuldunfähigkeit führenden Affekt sein.

8. In einer Beweiskonstellation, bei der die Tatvorwürfe Vorgänge betreffen, die sich ausschließlich zwischen den Angeklagten und den verstorbenen Opfern abgespielt haben und von Dritten nicht unmittelbar wahrgenommen worden sind, hat der neue Tatrichter unter Heranziehung der vorhandenen Anknüpfungstatsachen Mindestfeststellungen zum Tatgeschehen zu treffen. Dass Tatsachenfeststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen nicht getroffen werden können, steht einer Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts nicht entgegen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger R. und K. wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 16. März 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Auf die Revisionen der Nebenkläger I. Be. und A. Be. und der Nebenkläger F. und S. Be. wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es die Tat zu Lasten der Geschädigten S. K. betrifft. Im Übrigen werden die Revisionen dieser Nebenkläger als unzulässig verworfen.

3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hatte durch ein erstes Urteil am 5. August 2015 den Angeklagten C. B. vom Vorwurf des Totschlags und den Angeklagten K. B. vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Der Senat hat dieses Urteil auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger durch Urteil vom 1. Februar 2017 - 2 StR 87/16 mit den Feststellungen aufgehoben.

Nach Zurückverweisung der Sache hat das Landgericht nunmehr den Angeklagten K. B. wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes und Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Den Angeklagten C. B. hat das Landgericht von dem Anklagevorwurf des Totschlags zum Nachteil des Geschädigten H. K. freigesprochen. Dagegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, die die unterbliebene Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes bzw. Totschlags zum Nachteil der Geschädigten S. und H. K. beanstanden. Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechts, die Nebenkläger stützen ihre Rechtsmittel auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Nebenkläger haben, soweit diese sich im Rahmen der jeweiligen Nebenklagebefugnis halten, mit der Sachrüge Erfolg. Die Revision der Nebenkläger I. Be. und A. Be. und der Nebenkläger F. und S. Be. sind unzulässig, soweit sie die Tat zum Nachteil des Geschädigten H. K. betreffen.

I.

1. Die zugelassene Anklage legte C. B. zur Last, am 6. Juni 2014 auf der „M. Ranch“ in Ma. im Rahmen eines körperlich ausgetragenen Streits den Geschädigten H. K. mit einem Messer getötet zu haben. Dem Angeklagten K. B. lag zur Last, die Ehefrau des Geschädigten H. K., S. K., die mit einem Beil bewaffnet das Kampfgeschehen aus unmittelbarer Nähe beobachtete, durch Pistolenschüsse getötet zu haben, um die Überführung seines Sohnes zu verhindern.

2. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Der Geschädigte H. K. war ab Mai 2007 zunächst alleine, ab Mai 2012 gemeinsam mit seiner Tochter Pächter der „M. Ranch“ in Ma. Dabei handelte es sich um ein in unmittelbarer Nähe zum Mainufer gelegenes Gelände mit mehreren Koppeln, Scheunen und Schuppen und einem Aufenthaltsgebäude. Im September 2012 schlossen H. K. und seine Ehefrau S. mit den beiden Angeklagten einen Untermietvertrag, der diesen gegen einen Mietzins von monatlich 906 Euro in bar das Recht einräumte, das Aufenthaltsgebäude zu Wohnzwecken und Teile des Grundstücks zum Halten von eigenen Tieren zu nutzen. Die Geschädigten, die spätestens seit 2011 selbst keinen Pachtzins mehr gezahlt hatten, wussten, dass sie zu dieser Untervermietung nicht berechtigt waren und die Ranch nicht zu Wohnzwecken genutzt werden durfte.

Ab dem Jahr 2013 kam es zwischen den Angeklagten und den Geschädigten mehrfach zu Streitigkeiten. Diese resultierten vor allem daraus, dass sowohl die Angeklagten als auch das Ehepaar K. dauerhaft in finanziell angespannten Verhältnissen lebten. Während die Geschädigten zur Bestreitung ihrer Ausgaben dringend auf die Zahlungen aus dem Mietverhältnis angewiesen waren, konnten die Angeklagten den vereinbarten Mietzins nur mit Schwierigkeiten erwirtschaften und leisteten daher nicht immer pünktlich zum jeweiligen Monatsanfang, sondern meist einige Tage verspätet. Daraufhin kam es immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen, bei denen das Ehepaar K. die Angeklagten lautstark zur pünktlichen Zahlung aufforderte und aggressiv beschimpfte. Zu Konflikten trug auch bei, dass die Geschädigten nicht damit einverstanden waren, wie die Angeklagten die auf dem Hof lebenden Ziegen hielten und sie mehrfach beim Veterinäramt anzeigten. Seit März 2013 griff der Geschädigte H. K. den Angeklagten C. B. auch mehrere Male aus Verärgerung körperlich an. Die Angeklagten wehrten sich bei den Auseinandersetzungen weder verbal noch körperlich, sondern versuchten jeweils, der Konfliktsituation zu entgehen.

Anfang Mai 2014 erhielten die Angeklagten ein Schreiben des Rechtsanwalts des Grundstückseigentümers, aus dem sie erstmals erfuhren, dass das Wohnen und Betreiben eines Gewerbes auf dem Grundstück untersagt sei, und mit dem sie zur Räumung und Herausgabe des Anwesens bis zum 15. Mai 2014 aufgefordert wurden. Ein nahezu gleichlautendes Schreiben erhielt auch H. K. Weder er noch die Angeklagten reagierten jedoch innerhalb der gesetzten Frist auf das Schreiben.

Am 2. Juni 2014 suchten die Angeklagten ihren Rechtsanwalt auf. Dieser riet ihnen dazu, keinerlei Mietzins mehr an die Geschädigten zu zahlen. Gleichwohl übergaben die Angeklagten dem Ehepaar K. noch am selben Tag die Hälfte des Mietzinses und vereinbarten mit ihnen, die Restzahlung am 6. Juni 2014 zu leisten.

Am 6. Juni 2014 hielten sich die Geschädigten seit dem späten Vormittag auf dem Grundstück auf. Während sich der Angeklagte K. B. im hinteren Teil des Anwesens um die Ziegen kümmerte, kam es an der Tür des Wohngebäudes zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen H. K. und C. B. um die Zahlung der zweiten Hälfte des Mietzinses, in die sich auch S. K. einmischte und den Angeklagten beleidigte. Der Angeklagte entzog sich dem Streit zunächst dadurch, dass er sich ins Innere des Hauses begab und die Tür schloss. Dies verärgerte H. K. zusätzlich. Er drohte nun damit, seine Freunde zu holen, und forderte seine Frau auf, zum Einschlagen der Tür ein Beil herbeizuschaffen. Der verängstigte Angeklagte C. B. kam dem zuvor, indem er wieder öffnete und sich der anhaltenden Aggression stellte. Vor der Tür stand - von seinen Hunden umringt - H. K., etwas hinter ihm befand sich seine Frau, die das Beil in der Hand hielt. Nach dem Öffnen packte H. K. den Angeklagten plötzlich und mit großer Kraft mit der linken Hand am Hals, drückte ihn mit dem Rücken gegen den Türknauf und forderte erneut die Zahlung, da er sonst „seine Jungs“ hole, was der Angeklagte nicht überleben werde. Der Angeklagte wehrte sich zunächst nur verbal und äußerte unter Hinweis auf das Schreiben des Anwalts des Eigentümers und auf den Rat seines eigenen Rechtsanwalts, es bestehe ohnehin kein Anspruch auf Mietzahlungen. H. K., dem bis dahin nicht bekannt gewesen war, dass auch die Angeklagten angeschrieben worden waren, verlangte unter Beschimpfungen die Aushändigung des erwähnten Schreibens. Sodann zog er - während er mit der linken Hand weiterhin den Hals des Angeklagten zudrückte - mit der rechten Hand ein Messer. Es entwickelte sich ein Handgemenge um das Messer, in dessen Verlauf es C. B. gelang, H. K. das Messer zu entwinden und es am Griff zu fassen. Damit stieß er H. K. in den unteren Bereich des linken Brustkorbs. In dem sich nun fortsetzenden Kampf um das Messer verletzte C. B. den Geschädigten mit mehreren Messerstichen und konnte sich so aus dem Griff befreien. Er versuchte, zur Straße zu fliehen, scheiterte jedoch, da sich ihm S. K. an der Tür in den Weg stellte. Der von den Stichverletzungen scheinbar unbeeindruckte H. K. nahm C. B. nun von hinten in den Schwitzkasten und stürzte mit ihm zu Boden. In dem nun auf dem Boden stattfindenden Kampf um das Messer kam H. K. auf dem Angeklagten zu liegen und drückte ihm erneut den Hals zu. S. K. wollte auf den Angeklagten mit dem Beil einwirken, konnte aber wegen der dynamischen Kampfsituation nicht gezielt eingreifen. Im weiteren Verlauf versetzte C. B. dem Geschädigten mit dem Messer abermals Stiche in die Brust.

Irgendwann vernahm der Angeklagte K. B. die Hilfeschreie seines Sohnes und das Hundegebell und lief zum Haus, wo er seinen Sohn mit H. K. kämpfen sah. Erfolglos versuchte er die Kämpfenden durch Rufe zum Aufhören zu bewegen. Weil es ihm auch nicht gelang, die neben den Kämpfenden am Boden hockende und das Beil in der Hand haltende S. K. wegzustoßen, rannte er in den Vorraum des Hauses und holte dort aus einem Versteck eine geladene Pistole des Typs Walther P38 heraus. Seine Drohung zu schießen, führte zu keiner Reaktion. Auch sein zweiter Versuch, S. K. wegzuziehen, misslang. Da die Geschädigte erneut versuchte, auf C. B. mit dem Beil einzuschlagen, sah dessen Vater keine andere Möglichkeit mehr, als schräg über ihr stehend aus einer Entfernung von zwei bis vier Metern in Richtung Arm/Schulter zu schießen. Einer von zwei hintereinander abgegebenen Schüssen traf S. K. und führte zu ihrem sofortigen Tod. „Daraufhin zog er H. K. von oben von seinem Sohn weg. H. K. fiel zur Seite auf den Rücken und war augenscheinlich tot bzw. leblos, was der Angeklagte K. B. vorher nicht realisiert hatte. Sein Sohn kniete neben H. K. und stach danach trotzdem noch ca. zwölf Mal ‚wie wild‘ auf den rechten oberen Brustkorb des toten H. K. ein, bis er von seinem Vater daran gehindert wurde, der ihn darauf hinwies, dass H. K. bereits tot sei. Während dieser zwölf Messerstiche war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten C. B. aufgrund einer affektiven Erschütterung, die zu einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung führte, aufgehoben“.

Die „völlig aufgeregten“ Angeklagten verständigten nicht die Polizei, da sie davon ausgingen, dass man ihnen nicht glauben würde. K. B. beseitigte gemeinsam mit seinem Sohn, der unter dem Einfluss des Geschehens stehend die Anweisungen seines Vaters ausführte, die Tatspuren. Sie vergruben die Leichen, parkten das Fahrzeug der Geschädigten auf dem Parkplatz eines Supermarkts, warfen das Tatmesser und das Beil in den Main und versteckten die Pistole und die bei der Tat getragenen Kleidungsstücke.

b) Das Landgericht hat die Einlassungen der Angeklagten zum Tatgeschehen als unwiderlegbar angesehen. Unter Zugrundelegung der Einlassungen hat es angenommen, das Handeln des Angeklagten C. B. sei durch Notwehr gerechtfertigt. Der Geschädigte H. K. habe C. B. rechtswidrig angegriffen, indem er ihm mit der linken Hand an den Hals griff und mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer auf ihn einstach. Auch nach Verlagerung des Kampfes auf den Boden habe wegen des fortgesetzten Griffs an den Hals und des Kampfes um das Messer und aufgrund des jederzeitig möglichen Eingreifens der mit einem Beil bewaffneten S. K. eine Notwehrlage bestanden. Als der Angeklagte C. B. auf den bereits verstorbenen Geschädigten H. K. eingestochen habe, habe er sich im Zustand der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB befunden.

Hinsichtlich der vom Angeklagten K. B. auf die Geschädigte S. K. abgegebenen zwei Schüsse, von denen einer tödlich traf, hat das Landgericht angenommen, diese seien durch Nothilfe gerechtfertigt, da die Geschädigte gerade mit dem Beil ausholte und auf C. B. einschlagen wollte. Der Angeklagte K. B. habe sich jedoch durch den Umgang mit der Waffe wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes und Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition strafbar gemacht.

II.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und Revision der Nebenkläger R. und K. haben mit der Sachrüge Erfolg, da die Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht standhält. Aus demselben Grund sind die Revisionen der Nebenkläger I. Be. und A. Be. sowie der Nebenkläger F. und S. Be. mit der Sachrüge erfolgreich, soweit sie sich im Rahmen ihrer sich aus § 395 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 401 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Nebenklagebefugnis halten, im Übrigen sind sie unzulässig. Wegen des Erfolgs der Sachrüge bedarf es keines Eingehens auf die von den Nebenklägern geltend gemachten Verfahrensverstöße und auf die (einen Teil der Revision darstellende) „sofortige Beschwerde“ der Nebenkläger R. und K. gegen den Beschluss des Landgerichts, mit dem der Ablehnungsantrag vom 9. März 2018 verworfen worden ist.

1. Die Beweiswürdigung hält unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs in mehrfacher Hinsicht rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Die Strafkammer hat ihrer Beweiswürdigung zum Tatgeschehen die Einlassungen der Angeklagten zu Grunde gelegt, die in der Hauptverhandlung in Form von Verteidigererklärungen abgegeben worden waren und im Fall des Angeklagten C. B. durch dessen „handschriftliche Ausführungen“ ergänzt wurden. Zur Begründung hat sie ausgeführt, diese Erklärungen müssten Grundlage für die Urteilsfindung sein, weil das Landgericht „ausschließlich die Tatbeschreibungen der Angeklagten“ kenne, diese „inhaltlich konsistent“ seien und mit früheren, „ab Oktober 2014 zur Akte gelangten Einlassungen“ - in Einklang stünden. Sie böten „keine Anhaltspunkte für Zweifel“ und enthielten keine „schweren Brüche“. Die „ab Oktober 2014 zur Akte gelangten Einlassungen“ hat das Landgericht dahin näher konkretisiert, dass es sich um mündliche Äußerungen des Verteidigers des Angeklagten C. B. vom Oktober 2014 gegenüber einem Polizeibeamten und einem Staatsanwalt gehandelt habe. So habe der Verteidiger gegenüber dem Staatsanwalt am 14. Oktober 2014 eine „Erklärung zur Ablagerung der beiden Leichen nach vorausgegangenem Kampf auf Leben und Tod“ angekündigt. Es sei dann zu einem Ortstermin auf der Ranch gekommen, bei dem die Leichname an dem durch den Verteidiger mitgeteilten Ort aufgefunden worden seien. Vor der Durchführung der Obduktion habe der Verteidiger gegenüber dem Polizeibeamten eine Schilderung des Tatablaufs für seinen Mandanten abgegeben und diese jeweils zu Beginn und während der Obduktion um weitere Angaben ergänzt. Mit Schriftsatz vom 5. März 2015 habe der Verteidiger der Darstellung dieser Äußerungen im aktenkundigen Bericht des Polizeibeamten teilweise widersprochen. Weitere Einlassungen der Angeklagten seien über deren Verteidiger Ende November 2014 kurz vor Erhebung der Anklage erfolgt.

b) Diese Beweiswürdigung ist durchgreifend rechtsfehlerhaft.

aa) Im Hinblick auf Erklärungen des Verteidigers zur Sache ist wie folgt zu differenzieren:

(1) Äußert sich der Verteidiger in Form eines Schriftsatzes zur Sache, handelt es sich grundsätzlich um eine Prozesserklärung des Verteidigers, die dieser aus eigenem Recht und in eigenem Namen abgibt, und nicht um eine Sacheinlassung des Angeklagten. Ihrer Bedeutung nach ist sie einem Parteivorbringen im Zivilprozess vergleichbar (Dencker, FS für Fezer, 2008, S. 115, 121). Eine solche Erklärung kann daher in der Hauptverhandlung nicht als Urkunde verlesen werden (Senat, Urteil vom 6. April 1994 - 2 StR 76/94, NStZ 1994, 449; OLG Celle, Urteil vom 31. Mai 1988 - 1 Ss 117/88, NStZ 1988, 426; OLG Hamm, Urteil vom 27. März 1979 - 4 Ss 2376/78, JR 1980, 82). Der Angeklagte kann sie sich in der Hauptverhandlung auch nicht - rückwirkend - zu eigen machen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2007 - 1 StR 385/07, NStZ-RR 2008, 21, 22 zu rechtlichen Erwägungen). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Verteidiger in der Erklärung Äußerungen schriftlich fixiert, die der Angeklagte ihm gegenüber gemacht hat (BGH, Urteil vom 24. August 1993 - 1 StR 380/93, NJW 1993, 3337; Beschluss vom 13. Dezember 2001 - 4 StR 506/01, NStZ 2002, 556).

Gleiches gilt grundsätzlich für Erklärungen, die der Verteidiger in der Hauptverhandlung zur Sache abgibt. Da der Verteidiger Beistand und nicht Vertreter des Angeklagten ist (st. Rspr. seit RGSt 66, 209, 211), handelt es sich insoweit - genauso wie bei allgemeinen Äußerungen, prozessualen Erklärungen oder Tatsachenbehauptungen in Beweisanträgen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 4 StR 118/90, NStZ 1990, 447; Beschluss vom 22. März 1994 - 1 StR 100/94, NStZ 1994, 352; Beschluss vom 12. April 2000 - 1 StR 623/99, NStZ 2000, 495, 496; Beschluss vom 7. August 2014 - 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207, 208) - um seine eigenen Prozesserklärungen.

(2) Schriftliche und mündliche Erklärungen des Verteidigers können ausnahmsweise als Einlassung des Angeklagten entgegengenommen und verwertet werden, wenn ein gesetzlich vorgesehener Fall der Vertretung vorliegt (§§ 234, 329, 350, 387, 411 StPO) oder wenn der Angeklagte ausdrücklich erklärt, sie als eigene gelten zu lassen (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - 3 StR 176/05, NStZ 2005, 703). Bei Verteidigerschriftsätzen muss - etwa durch Unterschrift oder durch Formulierung in Ich-Form - erkennbar sein, dass der Angeklagte die Erklärung als eigene Äußerung verstanden wissen will und sich seines Verteidigers gleichsam als „Schreibhilfe“ bedient (vgl. Schlothauer in Widmaier/Müller/Schlothauer, Münchner Handbuch Strafverteidigung, 2. Aufl., § 3 Rn. 118). Bei in der Hauptverhandlung verlesenen schriftlichen Ausführungen des Verteidigers, in denen er Angaben des schweigenden Angeklagten wiedergibt, muss der Angeklagte diese Erklärung bestätigen oder erklären, dass er sie als eigene Einlassung verstanden wissen will (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - 3 StR 176/05, NStZ-RR 2005, 353; MüKo-StPO/Miebach, § 261 Rn. 199 mwN).

bb) Bei einer Einlassung mittels Verteidigererklärung hat das Gericht zu berücksichtigen, dass dieser von vornherein nur ein erheblich verminderter Beweiswert zukommt, da es sich um schriftliches, situativ häufig nicht hinterfragbares Verteidigungsvorbringen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2003 - 3 StR 181/02, NStZ 2003, 498, 499; Beschluss vom 30. Oktober 2007 - 3 StR 410/07, NStZ 2008, 476, 477; Beschluss vom 8. Januar 2009 - 5 StR 578/08; LR/Becker, 27. Aufl., § 243 Rn. 82, 85; KK-StPO/Schneider, 8. Aufl., § 243 Rn. 91; Eschelbach, ZAP (2014), Fach 22, S. 711, 720). Derartige in der Hauptverhandlung verlesene Einlassungen sind nur bedingt einer Glaubhaftigkeitsprüfung zugänglich, weil es sich faktisch nicht um eine mündlich abgegebene Sachäußerung handelt, aus der ein unmittelbarer Eindruck des Aussageverhaltens gewonnen werden könnte (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2007 - 3 StR 410/07, NStZ 2008, 476, 477; Dotter, FS für Fezer, 2008, S. 997, 103 f.). Der Beweiswert dieses Einlassungssurrogats bleibt vielmehr substanziell hinter der dem gesetzlichen Leitbild der Einlassung entsprechenden, nicht nur persönlich und mündlich, sondern auch in freier Rede und vollständig getätigten Äußerung zurück (KG, Beschluss vom 11. Dezember 2009 - (2) 1 Ss 364/09 (33/09), NStZ 2010, 533, 534).

cc) Vor diesem Hintergrund kommt - anders als vom Landgericht angenommen - der „Konsistenz“, also der Lückenlosigkeit und Widerspruchsfreiheit, der mittels Verteidigererklärungen abgegebenen Einlassungen der Angeklagten in der Hauptverhandlung und den bereits zuvor im Ermittlungsverfahren abgegebenen mündlichen und schriftlichen Verteidigererklärungen kein eigenständiger Beweiswert zu.

Mit dem inhaltlichen Abgleich der Erklärungen verkennt das Landgericht bereits, dass - wie oben dargestellt - zwischen Einlassungen der Angeklagten mittels Verteidigererklärung und eigenen Prozesserklärungen des Verteidigers zu differenzieren ist. Letztere - dazu gehören insbesondere die mündlichen Erklärungen des Verteidigers im Oktober 2014 gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft - sind als eigene Äußerungen des Verteidigers für sich genommen ohne jede Relevanz für die Beweiswürdigung; aus einem Vergleich zwischen ihnen und Einlassungen der Angeklagten können daher von vornherein keine für die Schuldfrage bedeutsamen Schlussfolgerungen gezogen werden.

Bei einem Vergleich mehrerer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten mittels Verteidigererklärungen abgegebenen Einlassungen wäre zu berücksichtigen, dass sie - je nachdem, zu welchem Zeitpunkt sie erfolgten - auf Aktenkenntnis beruhen können und damit die naheliegende Möglichkeit besteht, dass sie an den Stand der Ermittlungen angepasst bzw. in Kenntnis des wesentlichen Teils des Beweisergebnisses abgefasst worden sind. Bei Kenntnis des Akteninhalts sowie früherer (reiner) Prozesserklärungen der Verteidiger besteht aus gedächtnispsychologischer Sicht darüber hinaus beim Angeklagten die Gefahr einer Erinnerungsbeeinflussung, durch die der Aussagewert der Einlassung erheblich reduziert wird (vgl. dazu Eschelbach, aaO, S. 723 ff.). Schließlich liegt in Verfahren mit mehreren Angeklagten mit gleichgerichteten Verteidigungsinteressen nahe, dass deren Verteidiger ihre jeweiligen Erklärungen aufeinander abstimmen, um sich wechselseitig zu bestätigen.

dd) Der Senat weist abermals darauf hin, dass im Hinblick auf die Möglichkeit einer Anpassung der Einlassung an die Ergebnisse der Beweisaufnahme insbesondere auch der Zeitpunkt, zu dem sich ein Angeklagter zur Sache einlässt, ein Umstand sein kann, der gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung sprechen kann (Senat, Urteil vom 1. Februar 2017 - 2 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 183, 184).

Insofern weist die Beweiswürdigung auch eine Lücke auf, weil das Urteil offen lässt, ob es Gründe für die Offenbarung des Leichenverstecks im Oktober 2014 gab und ob der Angeklagte C. B. zum Zeitpunkt der Abgabe der ersten Einlassung über seinen Verteidiger jedenfalls Kenntnis von dem festgestellten Blutspuren- und Verletzungsbild des Geschädigten H. K. und von dem Auffinden des sichergestellten Klappmessers hatte.

c) Auch die Erwägungen, mit denen die Strafkammer zu dem Ergebnis kommt, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten C. B. am Ende des Tatgeschehens im Zeitraum der letzten zwölf Stiche nicht ausschließbar im Sinne des § 20 StGB aufgehoben war (UA S. 43 ff.), sind lückenhaft.

aa) Eine affektive Erregung stellt bei Tötungsdelikten, bei denen gefühlsmäßige Regungen eine Rolle spielen, den Normalfall dar. Ob die affektive Erregung einen solchen Grad erreicht hat, dass sie zu einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung geführt hat, kann deshalb nur anhand von tat- und täterbezogenen Merkmalen beurteilt werden, welche als Indizien für und gegen die Annahme eines schuldrelevanten Affekts sprechen können. Diese Indizien sind dabei im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 7. August 2012 - 2 StR 218/12, juris Rn. 6, NStZ 2013, 31, 32).

Die Strafkammer sieht auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Indizien für das Vorliegen einer schweren Affekttat darin, dass der Angeklagte sinnlos auf einen bereits Leblosen einstach, sich nach eigener Bewertung in einem „Blutrausch“ befand, die Tat für ihn überhaupt keinen Nutzen hatte und das Nachtatverhalten von Erinnerungslücken geprägt war (UA S. 44). Gegen einen Affekt sprechende Umstände vermochte sie nicht festzustellen (UA S. 45).

Sie übersieht dabei, dass die Feststellungen die von der Strafkammer beschriebenen Erinnerungslücken des Angeklagten nach der Tat nicht nachvollziehbar belegen. Den in den Urteilsgründen dargestellten Einlassungen der Angeklagten sind solche Erinnerungslücken des Angeklagten C. B. gerade nicht zu entnehmen. Die Strafkammer weist als Beleg für die Glaubhaftigkeit der Angaben dieses Angeklagten auf deren Detailreichtum und die insoweit geschilderten komplizierten Wendungen des Tatgeschehens hin (UA S. 38). Eine exakte detailreiche Erinnerung kann indes ein Gegenindiz für einen zur Schuldunfähigkeit führenden Affekt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 8. September 1992 - 4 StR 283/92, NStZ 1993, 33, 34; Senat, Urteil vom 27. Februar 2008 - 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 512; BeckOK StGB/Eschelbach, 45. Edition, § 20 Rn. 36.2; Müller/Nedopil, Forensische Psychiatrie, 5. Aufl., S. 279 f.), mit dem sich das Landgericht auseinanderzusetzen hatte.

bb) Eine Lücke ist auch darin zu sehen, dass die Strafkammer den im Sinne einer gedanklichen Vorgestaltung gegen eine Affekttat sprechenden Umstand nicht berücksichtigt hat, dass der Angeklagte C. B. nach den Feststellungen dem Zeugen Sc. vor der Tat vom Besorgen einer Pistole berichtet und den Zeugin Ho. gebeten hatte, auf die Geschädigten Druck auszuüben.

d) Über diese bereits für sich die Aufhebung tragenden Rechtsfehler hinaus begegnet die Beweiswürdigung zahlreichen weiteren rechtlichen Bedenken; insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden umfangreichen Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug.

2. Das Urteil beruht auf der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Würdigung der erhobenen Beweise im Hinblick auf das Tatgeschehen und die Tatbeteiligung der Angeklagten zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre.

3. Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung.

a) In der vorliegenden Beweiskonstellation, bei der die Tatvorwürfe Vorgänge betreffen, die sich ausschließlich zwischen den Angeklagten und den verstorbenen Opfern abgespielt haben und von Dritten nicht unmittelbar wahrgenommen worden sind, wird der neue Tatrichter unter Heranziehung der vorhandenen Anknüpfungstatsachen Mindestfeststellungen zum Tatgeschehen zu treffen haben. Dass Tatsachenfeststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen nicht getroffen werden können, steht einer Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts nicht entgegen (zu dem insoweit zu beachtenden methodischen Vorgehen vgl. Senat, Urteil vom 2. Mai 2012 - 2 StR 395/11; Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 2 StR 4/15, NStZ-RR 2016, 144, 145).

b) Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes zu demselben Land gehörendes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 808

Externe Fundstellen: NStZ 2021, 180; StV 2021, 150

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner