HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 65
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 4/16, Urteil v. 11.08.2016, HRRS 2017 Nr. 65
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 3. August 2015 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Verurteilten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Das Landgericht hat die nachträgliche Anordnung der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung abgelehnt. Es hat weiter ausgesprochen, dass der Verurteilte für die einstweilige Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in der Zeit vom 27. November 2014 bis zum 3. August 2015 aus der Staatskasse zu entschädigen ist. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Das Landgericht Trier hatte K. mit Urteil vom 30. März 2007 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung unter Einbeziehung des Urteils des Jugendschöffengerichts Bitburg vom 24. November 2005 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom 21. November 2007 (2 StR 409/07) als unbegründet verworfen.
Der Verurteilte befand sich seit diesem Zeitpunkt im Strafvollzug. Das Strafende war für den 27. November 2014 vorgemerkt.
Am 13. Oktober 2014 beantragte die Staatsanwaltschaft, nachträglich die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung anzuordnen. Durch Beschluss vom 18. November 2014 ordnete das Landgericht die einstweilige Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung an und hob diesen Beschluss mit Erlass des angegriffenen Urteils am 3. August 2015 auf.
Ausweislich des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Trier vom 30. Mai 2007 hat der Verurteilte folgende Anlasstat begangen:
Am 15. August 2006 zwischen 13.30 Uhr und 14.00 Uhr begab sich der 18 Jahre alte K. mit seinem Fahrzeug zu einem Parkplatz, an dem - wie er aus vorangegangenen Besuchen wusste - in einem dort abgestellten Wohnmobil Frauen der Prostitution nachgingen. Er hatte kein Geld bei sich und hoffte darauf, sexuelle Leistungen ohne Entgelt in Anspruch nehmen zu können. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte B., die jedoch auf Vorkasse bestand, worauf er sich zunächst entfernte und ankündigte, später wiederkommen zu wollen. Anschließend fuhr er nach Hause; dort geriet er möglicherweise mit seiner Lebensgefährtin in Streit. Nach einiger Zeit begab er sich erneut zu dem auf dem Parkplatz abgestellten Wohnmobil der B. und bejahte wahrheitswidrig ihre Frage, ob er nunmehr Geld dabei habe. Er betrat das Wohnmobil und entschloss sich aus nicht näher feststellbarem Grund dazu, B. zu töten. Unvermittelt versetzte er der arg- und wehrlosen Frau einen wuchtigen Faustschlag gegen das Kinn, der zu einer Kieferhöhlenfraktur führte. Anschließend schlug und trat er in rascher Folge wuchtig auf sein Tatopfer ein. Schließlich zog er aus der Hosentasche ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 8 Zentimetern und stach mit Tötungsvorsatz auf B. ein. Im Rahmen einer ersten Messerattacke verletzte er die Geschädigte an der rechten Halsseite. Nachdem er das Messer, das ihm zunächst aus der Hand gefallen war, wieder an sich gebracht hatte, stach er auf die am Boden liegende und ihm den Rücken zukehrende Frau mehrfach ein und brach ihr durch die wuchtig geführten Stiche mehrere Rippen. Schließlich ließ er von der Geschädigten in der Annahme, sie tödlich verletzt zu haben, ab und floh. B. hatte zahlreiche Stichverletzungen erlitten, die unter anderem zu einer Verletzung des Rückenmarks in Höhe des 2. bzw. 3. Brustwirbelkörpers mit einer vollständigen Zerstörung des 3. Wirbelkörpers führten. Trotz ihrer lebensgefährlichen Verletzungen gelang es ihr, Hilfe herbeizurufen. Durch eine sofortige Operation konnte ihr Leben gerettet werden. Sie befand sich bis Ende des Jahres 2007 in stationärer Behandlung und trug eine „inkomplette“ Querschnittslähmung davon.
Das Landgericht hat die Tat rechtlich als versuchten Heimtückemord und als schwere Körperverletzung gewürdigt und hat unter Einbeziehung einer Vorverurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und Betrugs in sechs Fällen eine Jugendstrafe von acht Jahren und drei Monaten verhängt.
Im Nachverfahren hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
1. Im Verlaufe seiner zur Tatzeit bestehenden, mehrere Monate dauernden Beziehung zu der zehn Jahre älteren A. kam es zu mehreren gewalttätigen Übergriffen des Verurteilten, die sich in ihrer Intensität steigerten; darüber hinaus hatte der Verurteilte die dreijährige Tochter seiner Lebensgefährtin mehrfach nachts aus ungeklärten Gründen geweckt. A. zog schließlich aus Furcht um ihr Kind für einen Monat in ein Frauenhaus, kehrte aber auf Intervention der Mutter des Verurteilten zu ihm zurück. Auch im weiteren Verlauf der Beziehung kam zu sich in ihrer Schwere steigernden tätlichen Angriffen des Verurteilten auf seine Lebensgefährtin, die er verdächtigte, der Prostitution nachzugehen.
2. Das Verhalten des Verurteilten während der Untersuchungshaft war problematisch. Mehrfach behauptete er wahrheitswidrig, von Mitgefangenen geschlagen oder auf andere, schwerwiegende Weise misshandelt - etwa auf eine Kreissäge gestoßen - worden zu sein; darüber hinaus war er in Schlägereien verwickelt.
3. Während des Strafvollzugs erreichte der Verurteilte im Juni 2008 den Hauptschulabschluss und absolvierte von April bis Oktober 2008 ein Antiaggressionstraining. Im Oktober 2008 wurde er auf die Sozialtherapeutische Abteilung der Vollzugsanstalt verlegt; sein Verhalten in der Wohngruppe war zunächst problematisch und durch manipulative Drohungen, Stimmungsschwankungen und aggressive Durchbrüche geprägt. Im Jahr 2009 führte der Verurteilte zweimal wöchentlich Einzelgespräche mit einer Anstaltspsychologin zur Tataufarbeitung. Diese therapeutischen Gespräche führten zu einer Verbesserung der Impulskontrolle des Verurteilten. Im Verlaufe der Therapiegespräche wurde das negative Frauenbild des Verurteilten thematisiert; zu einer Tataufarbeitung im eigentlichen Sinne oder einer Klärung der Tatmotivation kam es jedoch nicht. Das Vollzugsverhalten des Verurteilten verbesserte sich im Jahr 2010 und der Verurteilte übernahm zeitweise die Aufgaben des Wohngruppensprechers.
4. Im Rahmen des ab Juli 2010 stufenweise vorgesehenen Lockerungsprogramms bewährte sich der Verurteilte - von einzelnen Rückfällen in frühere manipulative Verhaltensweisen abgesehen - und wurde im August 2011 in das Freigängerhaus verlegt. Von dort aus besuchte er die Berufsschule, um seine Schreinerausbildung abzuschließen. Im Rahmen seiner Hafturlaube suchte der Verurteilte verschiedene Prostituierte auf. Über eine Kontaktanzeige lernte er die 36 Jahre alte Prostituierte S. kennen und ging mit ihr, nach einigen Treffen im Anschluss an entgeltliche sexuelle Kontakte, eine Beziehung ein, um künftig kostenlos sexuelle Leistungen in Anspruch nehmen zu können. Er verschwieg S. sein wahres Alter und den Umstand, dass er eine langjährige Jugendstrafe verbüßte; später behauptete er wahrheitswidrig, eine kurze Freiheitsstrafe wegen einer zum Nachteil eines Mannes begangenen Körperverletzung zu verbüßen. Den Vollzugsbediensteten berichtete er im März 2010 zwar, dass er eine Freundin habe, verschwieg jedoch, dass sie - wie das Tatopfer der Anlasstat - als Prostituierte tätig war. Der Verurteilte führte im Verlaufe der ihm gewährten Lockerungen mehrfach unerlaubt größere Bargeldbeträge mit sich und fuhr wiederholt ein Kraftfahrzeug, obwohl er nach wie vor nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis war; darüber hinaus übernachtete er 12 mehrfach in der Wohnung von S. Nachdem es in der Beziehung zunehmend zu Spannungen gekommen war, weil der Verurteilte S. wegen ihrer Tätigkeit als Prostituierte kritisierte, kam es schließlich im August 2011 zu einem Aggressionsausbruch des Verurteilten, in dessen Verlauf er ein Handy seiner Freundin und eine Vase zerstörte. Zwar entschuldigte er sich bei seiner Freundin: sie war jedoch durch sein plötzlich verändertes Verhalten und die Massivität des Aggressionsausbruchs verunsichert und verzieh ihm nicht. Auf Bitte des Verurteilten versuchte seine Mutter erfolglos, den Streit zu schlichten. Der Verurteilte suchte S. trotz ihrer Ablehnung auf, wartete, bis sie ihre Wohnung verließ und folgte ihr, ohne dass ihm eine Versöhnung gelang. Anschließend begab er sich zu seiner Familie. Nachdem Polizeibeamte dort erschienen waren, die nach ihm fahndeten, weil er nicht zum Besuch der Berufsschule erschienen war, gelang ihm mit Unterstützung seiner Mutter die Flucht. S. erfuhr erstmals vom Stiefvater des Verurteilten, dass dieser wegen versuchten Mordes an einer Frau inhaftiert war, wobei die Mutter des Verurteilten ihren Ehemann wahrheitswidrig dahin korrigierte, dass das Tatopfer keine Frau, sondern ein Mann gewesen sei. Erst nachdem der Verurteilte erneut inhaftiert wurde, erfuhr S., dass das Tatopfer des Verurteilten eine Prostituierte gewesen sei. Sie brach in der Folgezeit trotz Interventionen der Familienangehörigen den Kontakt zum Verurteilten vollständig ab.
5. Infolge seines Lockerungsversagens wurde der Verurteilte vom offenen Vollzug abgelöst, aus dem Jugendstrafvollzug herausgenommen und in die Justizvollzugsanstalt W. verlegt. Weil er unter der Trennung von S. litt, versuchte er Mutter und Schwester zu überreden, zu ihr Kontakt aufzunehmen und drohte ihnen für den Fall, dass sie ihn nicht wie gewünscht unterstützten, mit einem Abbruch des Besuchskontakts. Ungeachtet seines massiven Lockerungsversagens und des hochmanipulativen Verhaltens des Verurteilten fand in der Folgezeit eine Behandlung des Verurteilten nicht mehr statt. Zu einer psychotherapeutischen Weiterbehandlung der Anlasstat und der Aufarbeitung der Beziehungsproblematik fand der Verurteilte sich nicht bereit; einen Wechsel in die Sozialtherapeutische Anstalt D. lehnte er ebenso ab wie eine Psychotherapie oder eine Teilnahme an einem Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter. Er führte einige Gespräche mit dem Anstaltspsychologen, die jedoch lediglich dem Kennenlernen und der Vorbereitung der weiteren Vollzugsplanung dienten. Sein vollzugliches Verhalten gab zunächst zu Beanstandungen keinen Anlass. Der Verurteilte erbrachte in der Schreinerei gute Arbeitsleistungen, betätigte sich zuverlässig als Hausreiniger und bestand einen Schiedsrichterlehrgang.
Zu den ab Mai 2014 geplanten Vollzugslockerungen zur Vorbereitung der für den 27. November 2014 vorgesehenen Entlassung kam es jedoch nicht, weil der Verurteilte am 6. Mai 2014 in eine handgreifliche Auseinandersetzung mit einem Mitgefangenen geriet. Nach zunächst verbalen Beleidigungen kam es im Hof zu einer auch körperlich geführten Auseinandersetzung zwischen beiden, in deren Verlauf der Verurteilte dem Mitgefangenen heißen Kaffee über Kleidung und Körper goss. Ungeachtet eines Gesprächs mit einem Vollzugsbeamten, in dessen Verlauf der Verurteilte versicherte, dass nunmehr nichts mehr geschehen werde, folgte er dem Mitgefangenen auf die Toilette, drehte sich beim Händewaschen unvermittelt um und versetzte ihm einen Faustschlag ins Gesicht. Durch das Eingreifen eines Mitgefangenen wurde eine weitere Eskalation verhindert.
Das Landgericht hat sich davon überzeugt, dass beim Verurteilten eine psychische Störung im Sinne des § 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB vorliegt und eine „gewisse Gefahr“ bestehe, der Verurteilte werde künftig erneut schwerste Gewalttaten begehen. In Ansehung der Persönlichkeitsnachreifung des Verurteilten im Strafvollzug und einiger protektiver Umstände hat es sich jedoch von der nach § 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB erforderlichen hochgradigen Gefahr der Begehung schwerster Gewaltstraftaten oder Sexualstraftaten nicht zu überzeugen vermocht.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift genannten Gründen keinen Rechtsfehler zugunsten des Verurteilten auf.
1. Das Landgericht hat seiner Entscheidung einen zutreffenden rechtlichen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung in einem Altfall, wie er vorliegend zur Entscheidung anstand, gemäß § 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. (NJW 2011, 1931; BGBl. I S. 1003) umsetzt, nur zulässig ist, wenn die hochgradige Gefahr der Begehung schwerster Gewalt- oder Sexualdelikte aus konkreten Umständen in der Person oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (BVerfG aaO; zusammenfassend BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2012 - 2 BvR 1048/11, BVerfGE 131, 268; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. August 2012 - 1 StR 98/12 und Beschluss vom 24. Juli 2012 - 1 StR 57/12). Darüber hinaus ist für die rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. e MRK Voraussetzung, dass der Betroffene an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG) leidet (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2011 - 5 StR 369/10; Urteile vom 8. November 2011 - 1 StR 231/11 und vom 7. August 2012 - 1 StR 98/12; vgl. zum Begriff „psychisch Kranker“ auch Urteil der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 19. April 2012 - endgültig seit 19. Juli 2012 - in der Rechtssache B. gegen Deutschland - Individualbeschwerde 61272/09 Ziffer 67 ff.).
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert es, hinsichtlich beider Elemente der Gefährlichkeitsprognose - der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung - ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengeren Maßstab anzulegen (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2012 - 3 StR 148/12; BGH, Urteil vom 8. Februar 2012 - 2 StR 346/11; BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - 5 StR 535/11).
2. Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben ist die Annahme des Landgerichts, der Verurteilte leide zwar an einer psychischen Störung im Sinne des § 1 ThUG, es fehle jedoch an der erforderlichen hochgradigen Gefahr für die erneute Begehung schwerster Gewaltdelikte, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Das Landgericht hat im Verfahren - wie von § 275a Abs. 4 StPO zur Sicherung einer umfassenden Aufklärung der Kriminalprognose ausdrücklich gesetzlich vorgesehen - die Gutachten zweier erfahrener psychiatrischer Sachverständiger eingeholt. Die beiden Sachverständigen sind übereinstimmend zu der Auffassung gelangt, dass beim Verurteilten eine psychische Störung in Form einer dissozialen Persönlichkeitsstörung sowie einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen Anteilen vom impulsiven und vom ängstlich-vermeidenden Typus vorliege. Beide Sachverständige haben die Wahrscheinlichkeit, dass der Verurteilte erneut Gewalttaten begehen könnte, als „mittelhoch“ eingestuft und sind von einem Rückfallrisiko bezogen auf einen Zeitraum von sieben Jahren von 44 %, bezogen auf einen Zeitraum von zehn Jahren von 58 % ausgegangen; eine Vorhersage der wahrscheinlichen Schwere des Delikts sei nicht möglich.
b) Das Landgericht hat die prognostische Einschätzung der beiden Sachverständigen berücksichtigt und ist nachvollziehbar zu der Überzeugung gelangt, dass sich die von Rechts wegen geforderte hochgradige Gefahr der Begehung schwerster Gewalttaten trotz einiger prognostisch ungünstiger Umstände nicht feststellen lasse. Die in den Urteilsgründen wiedergegebenen prognostischen Erwägungen sind weder widersprüchlich, lückenhaft oder unklar noch verstoßen sie gegen Denk- oder allgemeine Erfahrungssätze. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Zuschrift Bezug. Lediglich ergänzend ist zu bemerken:
Das Landgericht hat nicht übersehen, dass die in seiner Persönlichkeitsstörung wurzelnde Neigung des Verurteilten zu manipulativem Verhalten und zu „Falschheit, die sich in wiederholten Lügen“ manifestiert, unverändert fortbesteht. Das Landgericht hat in seine Entscheidung eingestellt, dass das Vollzugsverhalten des Verurteilten nicht unproblematisch war und es ihm ungeachtet des bestehenden hohen Anpassungsdrucks nicht gelungen ist, sich regelkonform zu verhalten. Berücksichtigung fand auch, dass der Sachverständige Dr. Bu. zu der Auffassung gelangt ist, es habe sich bei den aggressiven Entladungen des Verurteilten gegenüber S. um eine „hochriskante“ Situation gehandelt. Dass die Kammer gleichwohl „die Gefahr einer Aggressionsverschiebung auf unbeteiligte Prostituierte“ als reduziert angesehen hat, weil es zwar zu verbalen Entgleisungen und zu Gewalt gegen Sachen, nicht aber zu einer gewalttätigen „Entgleisung“ gegenüber S. gekommen ist, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen, in denen die wesentlichen, prognostisch aussagekräftigen Umstände Berücksichtigung finden, weist ungeachtet der Schwere der Anlassverurteilung angesichts einer Verbesserung der Impulskontrolle, der Bereitschaft des Verurteilten, sich einer Therapie zu unterziehen, und einer insgesamt nicht ungünstigen Entlassungssituation die landgerichtliche Prognose, eine hochgradige Gefahr der Begehung erneuter schwerster Gewalttaten bestehe nicht, keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 65
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede