HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 657
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1048/11, Beschluss v. 20.06.2012, HRRS 2012 Nr. 657
1. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2011 - 1 StR 93/11 - und das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 18. November 2010 - 1 KLs 4 Js 1276/06 jug. - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern haben dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung einer Sicherungsverwahrung, die in der Anlassverurteilung gemäß § 66a StGB vorbehalten war.
1. Das Institut der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung fand mit dem Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002, in Kraft getreten am 28. August 2002 (BGBl I S. 3344), in das Strafgesetzbuch Eingang. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, die Verhängung der Maßregel im Urteil zunächst vorzubehalten und über die Anordnung in einem Nachverfahren am Ende der Strafvollstreckung zu entscheiden. Die Gefährlichkeitsprognose sollte auf diese Weise zeitlich nach hinten verlagert und durch Einbeziehung von Erkenntnissen aus dem Strafvollzug auf eine breitere Grundlage gestellt werden können (vgl. BTDrucks 14/8586, S. 5). Flankiert wurde die Regelung durch eine eigene Verfahrensvorschrift in § 275a StPO, die vorsah, dass das Gericht des ersten Rechtszuges über die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung entscheidet. Damit sollte klargestellt werden, dass die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung Teil des Erkenntnisverfahrens ist und in zwei Akten durchgeführt wird. Dem Verurteilten sollten in beiden Verfahrensschritten die gleichen Verfahrensrechte zukommen (vgl. BTDrucks 14/9264, S. 10 f.).
2. § 66a StGB in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (BGBl I S. 3344; im Folgenden: § 66a StGB a.F.) hatte folgenden Wortlaut:
§ 66a
Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
(1) Ist bei der Verurteilung wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Straftaten nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, ob der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 gefährlich ist, so kann das Gericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 erfüllt sind.
(2) Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung entscheidet das Gericht spätestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, auch in Verbindung mit § 454b Abs. 3 der Strafprozessordnung, möglich ist. Es ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
(3) Die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung darf erst nach Rechtskraft der Entscheidung nach Absatz 2 Satz 1 ergehen. Dies gilt nicht, wenn die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 2 offensichtlich nicht vorliegen.
§ 66 StGB in der Fassung desselben Gesetzes (im Folgenden: § 66 StGB a.F.) lautete:
§ 66
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
(1) Wird jemand wegen einer vorsätzlichen Straftat zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn
1. der Täter wegen vorsätzlicher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2. er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
3. die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, daß er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, für die Allgemeinheit gefährlich ist.
(2) Hat jemand drei vorsätzliche Straftaten begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Nr. 3 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Nr. 1 und 2) anordnen.
(3) Wird jemand wegen eines Verbrechens oder wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 3, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat ein Verbrechen oder eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Nr. 2 und 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Nr. 3 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Nr. 1 und 2) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.
(4) Im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine vorsätzliche Tat, in den Fällen des Absatzes 3 eine der Straftaten der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.
3. a) Die Anordnung des Vorbehalts nach § 66a Abs. 1 StGB a.F. erfolgt zusammen mit der Anlassverurteilung durch das erkennende Gericht. Sie setzt in formeller Hinsicht voraus, dass der Betroffene wegen einer Tat nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB a.F., das heißt, wegen eines Verbrechens oder einer der weiteren in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB a.F. genannten Straftaten, verurteilt wird. Ferner müssen die übrigen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB, nämlich die in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB a.F. genannten gewichtigen (Vor-)Verurteilungen vorliegen.
Aus der Verweisung von § 66a Abs. 1, § 66 Abs. 3 StGB a.F. auf § 66 Abs. 1 Nr. 3 a.F. StGB hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass der Ausspruch eines Vorbehalts nach § 66a Abs. 1 StGB a.F. die Feststellung eines Hangs des Verurteilten zur Begehung erheblicher Straftaten, nämlich solcher, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, voraussetzt (grundlegend hierzu BGHSt 50, 188 <194 f.>).
Nicht positiv feststehen dürfe hingegen zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung die in § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. vorausgesetzte Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen vorbehaltene und primäre Sicherungsverwahrung in einem "strikten Ausschließlichkeitsverhältnis" zueinander: Vorrangig ist die Anordnung der primären Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB zu prüfen. Die Möglichkeit der Anordnung des Vorbehalts entbindet das erkennende Gericht nicht von seiner umfassenden Aufklärungspflicht. Erst wenn die für die Anordnung erforderliche Gefährlichkeit des Betroffenen nicht feststellbar ist, kommt § 66a StGB zum Tragen (vgl. BGHSt 50, 188 <193>). Nach der Rechtsprechung setzt dies eine "erhebliche, nahe liegende Wahrscheinlichkeit" dafür voraus, dass der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. gefährlich ist und dies auch zum Zeitpunkt einer möglichen Entlassung noch sein wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 140/04 -, juris, Rn. 13; Urteil vom 20. November 2007 - 1 StR 442/07 -, juris, Rn. 11; so auch Ullenbruch, in: Münchener Kommentar zum StGB, Band 2/1, 1. Aufl. 2005, § 66a Rn. 30; Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 66a Rn. 8).
b) Zuständig für die Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ist gemäß § 74f Abs. 1, § 120a Abs. 1 GVG in der hier maßgeblichen Fassung vom 8. Juli 2008 (Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008, BGBl I S. 1212) das Gericht des ersten Rechtszugs, das heißt, die Strafkammer beziehungsweise der Strafsenat des Oberlandesgerichts, welche beziehungsweise welcher bereits zuvor über die Anordnung des Vorbehaltes entschieden hatte. Die Entscheidung ergeht gemäß § 275a StPO in der hier maßgeblichen Fassung vom 29. Juli 2009 (Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2274) durch Urteil nach Durchführung einer Hauptverhandlung. Für diese gelten im Wesentlichen die gleichen Regelungen wie für die Hauptverhandlung, auf deren Grundlage die Verurteilung des Täters und die Anordnung des Vorbehalts erfolgen. Vor der Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung holt das Gericht gemäß § 275a Abs. 4 Satz 1 StPO das Gutachten eines Sachverständigen ein.
§ 66a Abs. 2 StGB a.F. sah vor, dass über die Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt entschieden wird, ab dem eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, auch in Verbindung mit § 454b Abs. 3 StPO, möglich ist.
Die Sicherungsverwahrung ist zwingend anzuordnen, wenn eine Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs von ihm erhebliche Straftaten erwarten lässt, welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer schädigen (§ 66a Abs. 2 StGB a.F.; jetzt: § 66a Abs. 3 Satz 2 StGB). Voraussetzung ist daher die prognostizierte Gefahr schwerwiegender Delikte gegen die Person (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - 1 StR 324/05 -, juris, Rn. 6).
4. Das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3007) dehnte mit einer Änderung des § 106 JGG den Anwendungsbereich der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung auf Heranwachsende aus, die nach allgemeinem Strafrecht abgeurteilt werden.
5. Mit der Umgestaltung der Sicherungsverwahrung durch das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl I S. 2300) haben die Vorschriften der §§ 66, 66a StGB Änderungen erfahren. Insbesondere ist einerseits der Anwendungsbereich der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ausgeweitet worden. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage kann nunmehr auch gegen sogenannte Ersttäter der Vorbehalt ausgesprochen werden (§ 66a Abs. 2 StGB). Entsprechend der Gesamtkonzeption der gesetzlichen Neuregelung ist andererseits der Straftatenkatalog der Anlasstaten reduziert worden. Einfache Vermögens- und Eigentumsdelikte kommen als Anlasstaten nicht mehr in Betracht.
6. Der Zweite Senat hat mit Urteil vom 4. Mai 2011 - neben den anderen Vorschriften über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung - auch § 66a Abs. 1 und Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (BGBl I S. 3344) wegen Verstoßes gegen das Abstandsgebot für unvereinbar mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG erklärt (vgl. BVerfGE 128, 326 <329 ff.>). Zugleich hat er gemäß § 35 BVerfGG die Weitergeltung der Vorschriften bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens jedoch bis zum 31. Mai 2013, nach Maßgabe der Gründe angeordnet (BVerfGE 128, 326 <332>).
7. Nach dem dazu vorliegenden Gesetzesentwurf (vgl. hierzu Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung, BTDrucks 17/9874, S. 14) ist beabsichtigt, am Institut der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung festzuhalten. Im Jugendstrafrecht soll die nachträgliche Sicherungsverwahrung durch eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung, auch für Ersttäter, ersetzt werden. Für Heranwachsende, die nach allgemeinem Strafrecht verurteilt werden, sind entsprechende Änderungen vorgesehen.
Dem Ausgangsverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Der 1944 geborene Beschwerdeführer ist etwa seit den 1980er Jahren kontinuierlich wegen pädophiler Straftaten im In- und Ausland strafrechtlich in Erscheinung getreten und wiederholt zu Freiheitsstrafen verurteilt worden.
a) Er absolvierte in den Jahren 1972 und 1975 das Erste und Zweite Staatsexamen für das Lehramt an Realschulen. Im Jahr 1974 oder 1975 trat er aus dem staatlichen Schuldienst aus und erwarb mit seiner damaligen Lebensgefährtin - seiner späteren Ehefrau - ein Internat. Bei den Internatsschülern handelte es sich um zunächst 12, später 30 Jungen im Alter zwischen 10 und 18 Jahren.
In der Zeit von 1976 bis 1977 kam es zu sexuellen Übergriffen des Beschwerdeführers gegenüber den Schülern. Infolgedessen wurde er mit Urteil des Landgerichts München II vom 24. Oktober 1980 wegen sieben sachlich zusammentreffender Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen, davon in drei Fällen jeweils rechtlich zusammentreffend mit einem Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Kindern, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zugleich wurde ein Berufsverbot angeordnet, wonach dem Beschwerdeführer jede Tätigkeit in einer mit der Erziehung und Betreuung von Personen unter 18 Jahren befassten Einrichtung für die Dauer von fünf Jahren untersagt war. Infolge der erlittenen Untersuchungs- und Auslieferungshaft von zwei Jahren - der Beschwerdeführer war während seiner Untersuchungshaft in die Niederlande geflüchtet - wurde er mit Verkündung des Urteils in die Freiheit entlassen.
b) Zwischen 1980 und 1983 war der Beschwerdeführer in Südtirol als angestellter Lehrer an verschiedenen Gymnasien sowie als Kulturreferent für den Rundfunk tätig. In dieser Zeit kam es zu wiederholten sexuellen Übergriffen gegenüber Minderjährigen, weswegen er mit Urteil des Appellationsgerichtshofs Trient vom 5. November 1986 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt wurde.
c) Nachdem ihm 1988 die Verbüßung seiner Haft als Freigänger genehmigt worden war, ließ sich der Beschwerdeführer in Deutschland nieder. In der Folgezeit kam es erneut zu sexuellen Übergriffen. Das Landgericht Köln verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 24. Juni 1991 wegen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in acht Fällen, jeweils in Tateinheit mit homosexuellen Handlungen, sowie in sieben Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurde ihm auf Lebenszeit verboten, einen Beruf auszuüben, der die Ausbildung, Betreuung und Beaufsichtigung von Jugendlichen zum Gegenstand hat. Dieses Berufsverbot wurde im Jahre 1992 zur Bewährung ausgesetzt, soweit es die Ausbildung, Betreuung und Beaufsichtigung von Jugendlichen ab 15 Jahren betraf.
d) Während des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Belgien in der Zeit von Juli 1991 bis Ende 1995 wurde gegen ihn wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen ermittelt, ein Tatnachweis konnte nicht geführt werden.
e) In den Jahren 1995 und 1996 ging der Beschwerdeführer einer Lehrtätigkeit an einer Universität in Kolumbien nach. Nach Erkenntnissen des BKA Wiesbaden, welche vom Beschwerdeführer nicht bestätigt wurden, soll gegen den Beschwerdeführer und weitere Personen der dringende Tatverdacht des fortgesetzten Missbrauchs von Kindern und der Herstellung kinderpornographischer Schriften bestanden haben.
f) Im Jahr 1998 wurde der Beschwerdeführer in Tschechien wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen unter 15 Jahren in Haft genommen. Nach Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft Köln stellte diese das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.
g) Mit Urteil des Bezirksgerichts Pilsen vom 30. Juni 2006 wurde der Beschwerdeführer wegen Sexualstraftaten an Minderjährigen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
2. a) Das Landgericht Deggendorf verurteilte den Beschwerdeführer am 22. Februar 2008 wegen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, der versuchten Vergewaltigung in drei Fällen und des Verstoßes gegen ein Berufsverbot in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren. Zugleich wurde die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten. b) Die Revision des Beschwerdeführers gegen das Urteil vom 22. Februar 2008 verwarf der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 9. September 2008. Die Annahme des Landgerichts, wegen der Weigerung des Beschwerdeführers, sich explorieren oder begutachten zu lassen, könne dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit nicht festgestellt und deswegen die Anordnung der Sicherungsverwahrung nur vorbehalten werden, sei zwar nicht rechtsfehlerfrei. Zur Feststellung der Gefährlichkeit eines Hangtäters bedürfe es keiner Erkenntnisse, die nur mit dessen Zustimmung gewonnen werden könnten. Vielmehr ergebe sich die Gefährlichkeit regelmäßig allein aus der hier getroffenen Feststellung eines Hangs. Anhaltspunkte für nach den Taten eingetretene Umstände, die die hangbedingte Gefährlichkeit des Beschwerdeführers auch nur möglicherweise in Frage stellen könnten, seien nicht ansatzweise zu erkennen. Da die Strafkammer sich letztlich nur durch das Fehlen der von ihr rechtsfehlerhaft für erforderlich gehaltenen zusätzlichen Erkenntnisse an der Anordnung der Sicherungsverwahrung gehindert gesehen habe, sei der Beschwerdeführer aber durch die nur vorbehaltene Sicherungsverwahrung nicht beschwert.
3. a) Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Deggendorf vom 3. Dezember 2009 ordnete das Landgericht Deggendorf - große Jugendkammer - mit hier angegriffenem Urteil vom 18. November 2010 gegen den Beschwerdeführer nach § 66a Abs. 2 StGB a.F. die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an.
aa) Am 29. September 2010 hatte die Kammer gemäß § 33b Abs. 2 JGG beschlossen, in der Besetzung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen zu entscheiden. Den Besetzungseinwand des Beschwerdeführers vom 17. November 2010, mit dem dieser geltend machte, die Jugendkammer sei zwingend mit drei Berufsrichtern zu besetzen, hatte die Kammer mit Beschluss vom 18. November 2010 zurückgewiesen. Wie schon im Anlassverfahren sei eine Besetzung mit zwei Berufsrichtern zur sachgerechten Behandlung des Falls ausreichend. Die Sache sei, nachdem nur noch die Entscheidung über die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ausstehe, nicht außerordentlich umfangreich. Die Rechtslage stelle sich nicht schwieriger als im Anlassverfahren dar.
bb) Das von der Kammer in Auftrag gegebene forensisch-psychiatrische Gutachten war aufgrund der Weigerung des Beschwerdeführers, an der Begutachtung mitzuwirken, nach Aktenlage erstellt worden. Der beauftragte Sachverständige Prof. Dr. O... hatte ausweislich des landgerichtlichen Urteils ausgeführt, es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass bei dem Beschwerdeführer eine Präferenzstörung im Sinne einer Pädophilie vom ausschließlichen Typus (Kernpädophilie, ICD-10: F65.4) vorliege, die auch den Bereich der Ephebophilie umfasse. Die Ephebophilie beschreibe einen Zustand sexueller Reizbarkeit durch in der Pubertät befindliche Jugendliche, wohingegen pädophile Täter nur durch vorpubertäre Kinder und Jugendliche gereizt würden. Die Kernpädophilie zeichne sich durch eine hohe Progredienz sowie eine hohe Rückfallhäufigkeit aus. Für eine Pädophilie vom ausschließlichen Typus bestehe abstrakt eine 80%-ige Rückfallwahrscheinlichkeit. Bei sogenannten ich-syntonen Tätern wie dem Beschwerdeführer sei typisch, dass sie ihre Abweichung nicht als störend, abweichend oder normverletzend empfänden, keinerlei Therapiemotivation hätten und bereits bei der Berufswahl ihrer pädophilen Orientierung nachgingen. Es sei als wahrscheinlich zu beurteilen, dass der Beschwerdeführer bei einer unbehandelten Entlassung schnell Kontakt zu Kindern oder Jugendlichen suchen würde. Bei dem Beschwerdeführer bestehe ein seit dreißig Jahren eingeschliffenes Verhaltensmuster und somit eine fest eingewurzelte Neigung. Die Störung bestehe seit der Pubertät, mit einer Persönlichkeitsnachreifung sei nicht zu rechnen. Demzufolge sei von einer ungünstigen Prognose auszugehen. Es bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit deliktanaloger Taten.
Die Kammer schloss sich den Ausführungen des Sachverständigen an. Angesichts der Vorverurteilungen und der Anlasstaten bestehe kein Zweifel daran, dass beim Beschwerdeführer eine Pädophilie vom ausschließlichen Typ vorliege. Vom Beschwerdeführer gehe für die Allgemeinheit immer noch eine hohe Gefahr aus. Er habe im Rahmen der sozialtherapeutischen Behandlung die Anlasstaten geleugnet, setze sich mit seiner Delinquenz nicht auseinander und stelle die rechtlichen Aspekte der Haft in den Vordergrund. Aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers und eines Vorfalls mit einem Mithäftling sei eine Weiterführung der Therapie als nicht zielführend angesehen und daher abgebrochen worden. Der Beschwerdeführer habe in seinem letzten Wort zudem unter Beweis gestellt, dass er die Anlasstaten nach wie vor leugne und keinerlei Delikts- beziehungsweise Therapieeinsicht habe. Die Kammer sei daher zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Beschwerdeführer ein eingeschliffener innerer Zustand beziehungsweise eine fest eingewurzelte Neigung zur Begehung deliktanaloger Taten bestehe. Der Beschwerdeführer neige intensiv zu den beschriebenen Rechtsbrüchen. Die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit ergebe sich schon aus dem festgestellten Hang.
Das Landgericht berücksichtigte einerseits das Alter des Beschwerdeführers, den zwischenzeitlich eingetretenen Tod der Ehefrau und den voraussichtlichen Verbleib des Beschwerdeführers in der Strafhaft bis zum Endstrafenzeitpunkt im Oktober 2013. In die Abwägung stellte die Kammer andererseits die große Anzahl der Vorverurteilungen, die Vielzahl der Taten über einen langen Zeitraum und die hohe Zahl der Opfer ein. Ferner, so die Kammer, sei zu sehen, dass sich der Beschwerdeführer in keiner Weise mit den von ihm begangenen Taten auseinandersetze und pauschal der Gesellschaft die Schuld dafür zuschreibe. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung unterliege zwar als ultima ratio engen Grenzen, sei hier jedoch verhältnismäßig.
b) Auf Antrag des Generalbundesanwalts verwarf der Bundesgerichtshof mit angegriffenem Beschluss vom 29. März 2011 gemäß § 349 Abs. 2 StPO die Revision des Beschwerdeführers, mit der dieser den absoluten Revisionsgrund einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts gemäß § 338 Nr. 1 StPO in Verbindung mit § 33b Abs. 2 JGG geltend machte und die Verletzung materiellen Rechts rügte, als unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung habe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben.
Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde eine Verletzung seines Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie - unter Berufung auf das Urteil des Zweiten Senats vom 4. Mai 2011 - einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG.
1. Die Besetzung der Jugendkammer mit zwei Berufsrichtern verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Kammer hätte aufgrund der Eingriffstiefe sowie der Schwierigkeit der Rechtsfrage zwingend mit drei Berufsrichtern besetzt sein müssen. Der Gesetzgeber habe bei Schwurgerichtsverfahren ebenso wie bei der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung, gerade auch aufgrund der besonderen Eingriffsqualität, eine Besetzung der Kammer mit drei Berufsrichtern vorgeschrieben. Die Schwere des Eingriffs einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung unterscheide sich jedoch nicht von der Verhängung einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung. Gerade die Eingriffstiefe der Sicherungsverwahrung, die über die einer lebenslangen Freiheitsstrafe hinausgehe, begründe die Schwierigkeit der Angelegenheit. Im Übrigen ergebe sich die Schwierigkeit im vorliegenden Fall auch aus dem Umstand, dass das Landgericht Deggendorf in seinem Urteil vom 22. Februar 2008 die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung völlig verkannt habe, wie sich aus der Revisionsentscheidung vom 9. September 2008 ergebe. Das Landgericht habe schließlich verkannt, dass mit dem unbestimmten Rechtsbegriff des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache dem Gericht gerade kein Ermessen, sondern ein Beurteilungsspielraum eingeräumt sei.
2. Die Tatsache, dass sich der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 9. September 2008 nicht mit dem Beschluss des 2. Strafsenats vom 5. September 2008 (2 StR 237/08) auseinandergesetzt, diesen also übersehen habe, stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 1 Abs. 3 GG, Art. 20 Abs. 3 GG dar. Mit diesem Beschluss habe der 2. Strafsenat in einer vergleichbaren Konstellation, in der - wie hier - die Strafkammer bei der Anlassverurteilung die gesetzlichen Voraussetzungen für den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung verkannt habe, das Urteil der Strafkammer aufgehoben.
3. Die Vorschrift des § 66a Abs. 1 und Abs. 2 StGB und damit die hier angeordnete Sicherungsverwahrung verstoße nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG. Infolgedessen seien der Beschluss des Bundesgerichtshofs und das Urteil des Landgerichts Deggendorf aufzuheben und die Angelegenheit an eine andere Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
1. Das Bundesministerium der Justiz ist der Ansicht, die vorbehaltene Sicherungsverwahrung sei auch unter Berücksichtigung der Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verfassungsgemäß. Das deutsche Strafrecht wähle mit dem zweistufigen Verfahren der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung im Interesse der individuellen Freiheit des Verurteilten eine zurückhaltende Lösung, die über die Anforderungen der Konvention hinausgehe. Der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung sei für den Verurteilten günstiger als die primäre Anordnung der Sicherungsverwahrung. Er erfolge, um den Eingriff in die Freiheitsgrundrechte des Betroffenen so gering wie möglich zu halten.
Die mit der Sicherungsverwahrung verbundene Freiheitsentziehung sei gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK gerechtfertigt, da sie rechtmäßig nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht erfolge. Der erforderliche hinreichende kausale Zusammenhang zwischen Verurteilung und Freiheitsentziehung sei bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung gegeben. Die zeitlich spätere Anordnungsentscheidung sei keine neue Entscheidung, die den Kausalzusammenhang durchbreche, sondern ein Teil der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtsfolgen einer Straftat. Selbst wenn die Anordnungsentscheidung als eigenständige Gerichtsentscheidung gewertet würde, sei der Kausalzusammenhang nicht durchbrochen. Eine Durchbrechung wegen Zeitablaufs könne erst dann angenommen werden, wenn sich die Entscheidung über die Fortdauer oder Beendigung der Freiheitsentziehung auf Gründe beziehe, die mit den Zielen der ursprünglichen Entscheidung nicht übereinstimmten. Dies sei bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nicht der Fall. Die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung beruhe gerade auf den Feststellungen der Anlassverurteilung und berücksichtige ergänzend die Aspekte der weiteren Entwicklung des Verurteilten.
2. Die Bayerische Staatsregierung sieht einen Verstoß gegen das grundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als nicht gegeben an. Das Landgericht Deggendorf habe bei der Entscheidung über die Besetzung der Strafkammer weder unter Verkennung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entschieden, noch eine willkürliche oder offensichtlich unhaltbare Auslegung des § 33b Abs. 2 JGG vorgenommen. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gebiete nicht, dass bei der Entscheidung über die endgültige Anordnung der Sicherungsverwahrung nach einem Vorbehalt drei Berufsrichter an der Entscheidung mitwirken.
Durch die Anordnung der Sicherungsverwahrung werde der Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG verletzt. Der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 anzulegende strikte Verhältnismäßigkeitsmaßstab sei gewahrt.
Ein Grundrechtsverstoß ergebe sich auch nicht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Freiheitsentzug sei im Falle der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK gerechtfertigt. Der nach dieser Vorschrift erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Verurteilung und Freiheitsentziehung liege vor. Die endgültige Anordnung der Sicherungsverwahrung ergebe sich maßgeblich aus dem Vorbehaltsurteil und hänge von diesem ab. Letztlich handele es sich bei dem Verfahren der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung um eines, das in zwei Verfahrensabschnitte unterteilt sei, zwischen denen aber eine enge Verknüpfung bestehe. Mit der Feststellung, dass beim Verurteilten zumindest wahrscheinlich eine hangbedingte Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bestehe, seien die Grundlagen für die endgültige Anordnung der Sicherungsverwahrung - anders als in den Fällen des § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB a.F. - im Wesentlichen schon im Vorbehaltsurteil enthalten. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs seien Konstellationen für vereinbar mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK erklärt worden, bei welchen im Vergleich ein wesentlich schwächerer Kausalzusammenhang zwischen der Verurteilung und der anschließenden Freiheitsentziehung vorgelegen habe, so etwa in den Fällen Weeks ./. Vereinigtes Königreich und Van Droogenbroeck ./. Belgien, in denen den Freiheitsentziehungen lediglich Verwaltungsentscheidungen zugrunde gelegen hätten. Überdies sei die Freiheitsentziehung im vorliegenden Verfahren aufgrund der beim Beschwerdeführer festgestellten Pädophilie vom ausschließlichen Typus auch gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK gerechtfertigt.
3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat die Stellungnahmen der Vorsitzenden des 1., 3. und 5. Strafsenats übermittelt. Der Vorsitzende des 1. Strafsenats merkt mit Blick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum gebotenen Kausalzusammenhang zwischen Urteil und Freiheitsentziehung an, dass nach dem Urteil eingetretenes Geschehen auch sonst zur Freiheitsentziehung führen könne, nachdem das Urteil selbst eine entsprechende Möglichkeit zwar eröffne, die Entscheidung darüber, ob es tatsächlich zur Freiheitsentziehung komme, aber nicht getroffen habe. Insoweit sei insbesondere auf die Möglichkeit des Widerrufs einer Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56f StGB und § 26 JGG) oder des Widerrufs der Bewährung hinsichtlich einer Unterbringungsanordnung (§ 67g StGB) zu verweisen. Auch das Verfahren nachträglicher Gesamtstrafenbildung ermögliche den Wegfall einer im Urteil noch zugebilligten Strafaussetzung zur Bewährung beziehungsweise gebiete ihn in bestimmten Fällen sogar. Die anderen Vorsitzenden verweisen auf Rechtsprechung ihrer Senate.
4. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei vorliegend nicht verletzt. Die Rechtsanwendung des Landgerichts sei jedenfalls nicht willkürlich. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung erfordere hier von Verfassungs wegen nicht die Mitwirkung von drei Berufsrichtern.
Die angegriffenen Entscheidungen seien darüber hinaus auch unter Zugrundelegung der Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 mit der Verfassung vereinbar. Ein Verfassungsverstoß ergebe sich nicht daraus, dass die Anordnung der zuvor vorbehaltenen Sicherungsverwahrung mit den Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar wäre.
Indem das Ausgangsurteil über das Instrument des Vorbehalts das Vorliegen der formellen und materiellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung feststelle, lege es eine hinreichende Basis für die spätere Anordnung des Vollzugs. Der einzige Unterschied zur primären Sicherungsverwahrung bestehe darin, dass die Gefährlichkeit (noch) nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen sei. Das Gericht, welches später über die Anordnung zu entscheiden habe, sei an die Feststellungen und rechtliche Beurteilung der Tat durch das Tatgericht gebunden. Es treffe lediglich hinsichtlich der relevanten Gefährlichkeit eigene Feststellungen. Die nachfolgende Prüfung lasse sich als Annex zum Erkenntnisverfahren verstehen und schließe das zweigeteilte Procedere ab. Die spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung greife nicht - wie die Verlängerung einer präventiven Freiheitsentziehung - zum Nachteil des Betroffenen korrigierend in den früheren Urteilsspruch ein, sondern halte sich in dem von der Ausgangsentscheidung vorgegebenen Rahmen.
Um eine breitere Entscheidungsgrundlage zu erreichen, werde die abschließende Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose in ein künftiges Verfahren verlagert. Vor diesem Hintergrund relativiere sich auch die Bedeutung des Zeitablaufs zwischen den Entscheidungen. Das Hinausschieben der abschließenden Bewertung der Gefährlichkeit diene - nicht zuletzt im Interesse des Betroffenen - der Sicherheit der zu treffenden Prognose.
Der Betroffene könne aufgrund eines Vorbehalts nicht im Unklaren darüber sein, dass der spätere Vollzug der Maßregel ernstlich in Betracht komme und im Wesentlichen nur noch von seiner weiteren Entwicklung abhänge. Dem rechtsstaatlichen Anspruch, im Urteil über die Rechtsfolgen berechenbar aufgeklärt zu werden, sei mit dem Vorbehalt, der eine Warnfunktion erfülle, Genüge getan.
Schließlich hielten die Entscheidungen den Anforderungen für die Weitergeltung des § 66a StGB nach Maßgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 auch bei einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung stand.
5. Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat sowie die übrigen Bundesländer haben von Stellungnahmen abgesehen.
Der Beschwerdeführer hat auf die Stellungnahmen repliziert und sein Beschwerdevorbringen vertieft. Er ist der Ansicht, die mit der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung verbundene Freiheitsentziehung sei nicht gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK gerechtfertigt. Der erforderliche hinreichende Kausalzusammenhang zwischen der Verurteilung und der in Rede stehenden Freiheitsentziehung sei nicht gegeben, da die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgekoppelt vom Schuldspruch erfolge. Dem Erfordernis einer präzisen und vorhersehbaren Anwendung des Gesetzes sei zudem nicht Rechnung getragen, da die endgültige Anordnung der Sicherungsverwahrung vom Vollzugsverhalten des Strafgefangenen und damit einem wenig aussagekräftigen Kriterium abhängig sei.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegenden Vorschriften des § 66a Abs. 1 und Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (BGBl I S. 3344) sind nach Maßgabe des Urteils des Senats vom 4. Mai 2011 mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar (I.). Sie verstoßen nicht auch aus anderen Gründen gegen Bestimmungen des Grundgesetzes (II.). Die angefochtenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer zwar nicht in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (III.), jedoch in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG (IV.).
1. § 66a Abs. 1 und Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (BGBl I S. 3344) sind gemäß dem Urteil des Senats vom 4. Mai 2011 unvereinbar mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 128, 326 <329 ff.>). Die Vorschriften genügen nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die vorhandenen Regelungen über die Sicherungsverwahrung strukturell die Wahrung der verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an die Ausgestaltung des Vollzugs, die aus dem Abstandsgebot resultieren, nicht gewährleisten (vgl. BVerfGE 128, 326 <372 ff., 404>).
2. Zugleich hat der Senat gemäß § 35 BVerfGG die Weitergeltung des § 66a Abs. 1 und Abs. 2 StGB a.F. bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber nach Maßgabe der Gründe angeordnet, längstens jedoch bis zum 31. Mai 2013 (vgl. BVerfGE 128, 326 <332>). Danach dürfen § 66a Abs. 1 und Abs. 2 StGB a.F. - wie alle übrigen Vorschriften, die wegen des Verstoßes gegen das Abstandsgebot für unvereinbar mit dem Freiheitsgrundrecht erklärt wurden - während dieser Übergangszeit nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird dabei in der Regel nur unter der Voraussetzung gewahrt sein, dass eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (vgl. BVerfGE 128, 326 <405 f.>).
§ 66a StGB in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 verstößt nicht aus anderen als den genannten Gründen gegen Bestimmungen des Grundgesetzes.
1. Das Institut der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung verletzt nicht die in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Garantie der Menschenwürde.
a) Achtung und Schutz der Menschenwürde gehören zu den Konstitutionsprinzipien des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>; 87, 209 <228>; 96, 375 <398>; 109, 133 <149>). Mit der Menschenwürde ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen geschützt, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (vgl. BVerfGE 27, 1 <6>; 45, 187 <228>; 109, 133 <149 f.>). Menschenwürde in diesem Sinne ist auch dem eigen, der aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht sinnhaft handeln kann. Selbst durch "unwürdiges" Verhalten geht sie nicht verloren. Sie kann keinem Menschen genommen werden. Verletzbar ist aber der Achtungsanspruch, der sich aus ihr ergibt (vgl. BVerfGE 87, 209 <228>; 109, 133 <150>).
Für die Strafrechtspflege bedeutet das Gebot der Achtung der Menschenwürde insbesondere, dass grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen verboten sind. Der Täter darf nicht zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und Achtungsanspruchs gemacht werden (vgl. BVerfGE 45, 187 <228>; 109, 133 <150>). Die grundlegenden Voraussetzungen individueller und sozialer Existenz des Menschen müssen auch dann erhalten bleiben, wenn der Grundrechtsberechtigte seiner freiheitlichen Verantwortung nicht gerecht wird und die Gemeinschaft ihm wegen begangener Straftaten die Freiheit entzieht. Aus Art. 1 Abs. 1 GG folgt die Verpflichtung des Staates, auch die Freiheitsentziehung menschenwürdig auszugestalten. Mit der Garantie der Menschenwürde wäre es unvereinbar, wenn der Staat für sich in Anspruch nehmen würde, den Menschen zwangsweise seiner Freiheit zu entkleiden, ohne dass zumindest die Chance für ihn bestehen würde, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden (vgl. BVerfGE 45, 187 <229>; 109, 133 <150>).
Für die Androhung und Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass diese ihre verfassungsrechtlich notwendige Ergänzung in einem sinnvollen Behandlungsvollzug findet. Die Vollzugsanstalten sind im Blick auf die Grundrechte der eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßenden Gefangenen verpflichtet, schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs, vor allem deformierenden Persönlichkeitsveränderungen, die die Lebenstüchtigkeit ernsthaft in Frage stellen und es ausschließen, dass sich der Gefangene im Falle einer Entlassung aus der Haft im normalen Leben noch zurechtzufinden vermag, im Rahmen des Möglichen zu begegnen. Schädlichen Wirkungen für die körperliche und geistige Verfassung des Gefangenen ist entgegenzuwirken. Diese Maßstäbe gelten auch für die Unterbringung von Straftätern in der Sicherungsverwahrung (BVerfGE 109, 133 <150 f.>).
b) Gemessen an diesen Maßstäben verstößt das Institut der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nicht gegen die Garantie der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG.
aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass die Menschenwürde durch eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht verletzt wird, wenn diese wegen fortdauernder Gefährlichkeit des Untergebrachten notwendig ist. Es ist der staatlichen Gemeinschaft nicht verwehrt, sich gegen gefährliche Straftäter durch Freiheitsentzug zu sichern (vgl. BVerfGE 45, 187 <242>; 109, 133 <151>). Die vom Grundgesetz vorgegebene Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums rechtfertigen es, unabdingbare Maßnahmen zu ergreifen, um wesentliche Gemeinschaftsgüter vor Schaden zu bewahren. Das Grundgesetz hat das Spannungsverhältnis Individuum - Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person aufgelöst, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten. Vor diesem Hintergrund ist die Sicherungsverwahrung auch als Präventivmaßnahme zum Schutz der Allgemeinheit mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. BVerfGE 109, 133 <151 f.>).
bb) Für die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ergibt sich keine hiervon abweichende Beurteilung. Der von ihr Betroffene wird nicht zum Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt. Die Maßregel dient ebenso wie alle anderen Formen der Sicherungsverwahrung als Präventivmaßnahme dem Schutz wesentlicher Gemeinschaftsgüter. Zwar unterscheiden sich ihre Voraussetzungen von denen der primären Sicherungsverwahrung insofern, als zum Zeitpunkt der Verurteilung und Anordnung des Vorbehalts die Gefährlichkeit des Betroffenen nicht mit hinreichender Sicherheit feststehen muss und darf. Allerdings setzt der Vorbehalt eine erhebliche, nahe liegende Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. gefährlich ist und dies zum Zeitpunkt einer möglichen Entlassung auch noch sein wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 140/04 -, juris, Rn. 13; BGH, Urteil vom 20. November 2007 - 1 StR 442/07 -, juris, Rn. 11).
Der Betroffene wird zwar im Fall der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung zum Zeitpunkt der Verurteilung sowie in der Regel zumindest während eines großen Teils seiner Strafhaft über sein weiteres Schicksal im Ungewissen gelassen, über ihm schwebt gleichsam das "Damoklesschwert" der Sicherungsverwahrung. Er hat jedoch die Herbeiführung der Voraussetzungen der späteren Maßregelanordnung weitgehend selbst in der Hand (vgl. Rissing-van Saan/Peglau, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 66a Rn. 14). So kann er etwa durch Mitwirkung an einer Therapie zu einer für ihn günstigen Gefährlichkeitsprognose beitragen. Nach dem Urteil des Senats vom 4. Mai 2011 ist das gesamte System der Sicherungsverwahrung so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt (vgl. BVerfGE 128, 326 <377>). Das Abstandsgebot verlangt, dass schon während des Strafvollzugs alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Gefährlichkeit des Verurteilten zu reduzieren, wenn später die Anordnung der Sicherungsverwahrung in Betracht kommt. Insbesondere muss gewährleistet sein, dass etwa erforderliche psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlungen zeitig beginnen, mit der gebotenen hohen Intensität durchgeführt und möglichst vor dem Strafende abgeschlossen werden (vgl. BVerfGE 128, 326 <379>).
Hinzu kommt, dass sich die Belastungssituation im Fall der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nicht wesentlich von derjenigen der primären Sicherungsverwahrung unterscheidet (zur Vereinbarkeit der zeitlich unbegrenzten Sicherungsverwahrung mit Art. 1 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 109, 133 <153>). Auch derjenige, bei dem mit der Verurteilung die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet wird, unterliegt insofern der Ungewissheit, ob er nach der Verbüßung der Strafhaft tatsächlich in der Sicherungsverwahrung untergebracht wird, als das Gericht nach § 67c Abs. 1 StGB vor dem Ende des Strafvollzugs prüft, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert, das heißt, ob die bei der Entscheidung getroffene Gefährlichkeitsprognose noch aufrechtzuerhalten oder andernfalls die Vollstreckung gemäß § 67c Abs. 1 Satz 2 StGB zur Bewährung auszusetzen ist.
Dass der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung angesichts der mit ihm verbundenen Ungewissheiten zu besonderen Belastungen psychischer oder physischer Art führt, die als unmenschlich, grausam oder erniedrigend zu werten wären, ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar. Gerade der bloße Vorbehalt der Sicherungsverwahrung ist geeignet, dem Betroffenen zu verdeutlichen, dass er nicht einem für ihn unbeherrschbaren Verlauf ausgeliefert ist, und kann zu einer größeren Bereitschaft führen, an einer Therapie mitzuwirken, um eine spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung zu vermeiden (vgl. Kreuzer/Bartsch, Forum Strafvollzug 2010, S. 124 <134>; ähnlich Streng, in: Festschrift für Ernst-Joachim Lampe, 2003, S. 611 <635>; Arloth, in: Schöch/Jehle <Hrsg.>, Angewandte Kriminologie zwischen Freiheit und Sicherheit, S. 327 <331>).
2. § 66a StGB a.F. verstößt jenseits des bereits im Urteil vom 4. Mai 2011 festgestellten Verstoßes gegen das Abstandsgebot nicht aus weiteren Gründen gegen das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Es liegt unter keinem weiteren Gesichtspunkt eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vor (a). Insbesondere enthält die vorbehaltene Sicherungsverwahrung auch unter Berücksichtigung der Wertungen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht (b). Auch die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots (c) und des Gebots der Rechtssicherheit sind gewahrt (d).
a) aa) Die Freiheit der Person nimmt - als Grundlage und Voraussetzung der Entfaltungsmöglichkeiten des Bürgers - einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG sie als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien statuiert (BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372 f.>). Präventive Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht, die - wie die Sicherungsverwahrung - nicht dem Schuldausgleich dienen, sind nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter dies erfordert. Dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit ist der Freiheitsanspruch des Untergebrachten entgegenzuhalten; beide sind im Einzelfall abzuwägen (BVerfGE 109, 133 <157>; 128, 326 <372 f.>). Dabei müssen die Grenzen der Zumutbarkeit gewahrt bleiben; das Freiheitsgrundrecht der Betroffenen ist sowohl auf der Ebene des Verfahrensrechts als auch materiell-rechtlich abzusichern (vgl. BVerfGE 70, 297 <311>; 109, 133 <157 ff.>; 128, 326 <373>).
bb) Nach diesen Maßstäben genügt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Sie steht zu dem angestrebten Ziel - dem Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Straftätern (vgl. BTDrucks 14/8586, S. 5) - nicht in einem unangemessenen Verhältnis.
(1) Die Anordnung des Vorbehalts stellt für den Betroffenen bei Abwägung mit dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit keine unzumutbare Beeinträchtigung dar. Nach der gesetzlichen Ausgestaltung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung muss für die Anordnung des Vorbehalts eine erhebliche, nahe liegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. gefährlich ist und dies zum Zeitpunkt einer möglichen Entlassung auch noch sein wird. Zum anderen setzt die Anordnung des Vorbehalts gemäß § 66a Abs. 1 StGB a.F. auch das Vorliegen eines Hangs voraus (etwas anders § 66a Abs. 1 Nr. 3 und § 66a Abs. 2 Nr. 3 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 <BGBl I S. 2300>, wonach die Gefährlichkeit und das Vorliegen eines Hangs zumindest wahrscheinlich sein müssen). Der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung kann daher nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung nicht bloß rein vorsorglich angeordnet werden. Bestehen aber gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährlichkeit des Verurteilten, stellt es sich nicht als unangemessen dar, wenn er, obwohl Zweifel nicht ausgeräumt werden können, mit dem Vorbehalt einer späteren Sicherungsverwahrung belastet wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit dem Vorbehalt keine rechtlichen Nachteile für den Vollzug der Strafe verbunden sind. Insbesondere steht der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung der Gewährung von Vollzugslockerungen nicht entgegen; diese sind vielmehr aus Gründen, die das Gericht zum Abstandsgebot formuliert hat, geboten (vgl. BVerfGE 128, 326 <381 f.>).
In Rechnung zu stellen ist ferner, dass es sich bei der ursprünglichen Einschätzung, es bestehe eine erhebliche, nahe liegende Gefährlichkeit des Verurteilten, rückblickend betrachtet nicht um eine falsche Prognose gehandelt haben muss, wenn der Betroffene zum Ende seiner Strafhaft nicht als gefährlich für die Allgemeinheit eingestuft wird und daher von der Verhängung der Maßregel abgesehen wird. Die Erkenntnis, dass der Betroffene nicht für die Allgemeinheit gefährlich ist, kann vielmehr auch daraus resultieren, dass der Betroffene seine Gefährlichkeit während seiner Zeit im Strafvollzug etwa durch die erfolgreiche Teilnahme an einer therapeutischen Behandlung reduzieren oder beseitigen konnte.
(2) Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung und deren spätere Anordnung stehen auch nicht angesichts der in Betracht kommenden Anlass- und Vortaten außer Verhältnis zur Intensität des Grundrechtseingriffs. Zwar kann der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung gemäß § 66a Abs. 1 StGB a.F. in Verbindung mit § 66 Abs. 3 StGB a.F. bei einer Verurteilung wegen sämtlicher Verbrechenstatbestände und entsprechender Vorverurteilungen erfolgen, so dass als Anlass- und Vortaten auch solche in Betracht kommen, die sich nicht gegen höchstpersönliche Rechtsgüter richten. Die Möglichkeit, die Sicherungsverwahrung im Urteil vorzubehalten und später anzuordnen, wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass die für den Vorbehalt erforderliche erhebliche, nahe liegende Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit sich auf solche drohenden Straftaten beziehen muss, durch die im Sinne des § 66a Abs. 2 Satz 2 StGB a.F. potentielle Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden. Kann die spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66a Abs. 2 Satz 2 StGB a.F. nur zum Schutz der genannten Rechtsgüter erfolgen, so kann auch nur insoweit ein Vorbehalt angeordnet werden (vgl. Rissing-van Saan/Peglau, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 66a Rn. 28; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 66a Rn. 4; Ullenbruch, in: Münchener Kommentar zum StGB, Band 2/1, 1. Aufl. 2005, § 66a Rn. 31). Damit ist die Anordnung des Vorbehalts und die spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung in der Praxis regelmäßig dann ausgeschlossen, wenn im Vorfeld Straftaten begangen worden sind, die keine körperliche und seelische Schädigung beim Opfer hervorgerufen haben und nicht geeignet waren, solche Schädigungen herbeizuführen. Dem ultima-ratio-Prinzip im Rahmen der Sicherungsverwahrung (vgl. BVerfGE 128, 326 <379>) wird auf diese Weise Rechnung getragen.
(3) Eine andere Beurteilung der Angemessenheit der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Gefährlichkeitsprognose bei der Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66a Abs. 2 StGB a.F. auf das Verhalten des Betroffenen im Strafvollzug gestützt wird. Auch im Fall der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung besteht die Möglichkeit einer validen Gefährlichkeitsprognose (zur grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit von Prognosegutachten als Grundlage der Sicherungsverwahrung vgl. BVerfGE 109, 133 <158>; 128, 326 <373>).
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll die Berücksichtigung des Verhaltens des Verurteilten im Strafvollzug vor allem dessen Entwicklung in einer Behandlung als gewichtigen Prognosefaktor erfassen. Weitere prognoserelevante Gesichtspunkte könnten beispielsweise aggressive Handlungen gegen Strafvollzugsbedienstete oder Mitgefangene, Straftaten oder subkulturelle Aktivitäten im Vollzug, Drohungen oder andere Äußerungen sein, die auf eine Rückkehr in kriminelle Subkulturen und eine Wiederaufnahme insbesondere von Gewalt- oder Sexualkriminalität hindeuten (vgl. BTDrucks 14/8586, S. 7).
Bedenken, was die Aussagekraft des Vollzugsverhaltens für die Gefährlichkeitsprognose betrifft (vgl. Jehle, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, 1. Aufl. 2009, § 66a Rn. 10; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 66a Rn. 8; Nedopil, NStZ 2002, S. 344 <349>), führen lediglich dazu, dass das Verhalten des Betroffenen mit besonderer Vorsicht zu würdigen ist, nicht aber zur Verfassungswidrigkeit des Instituts der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung. Der begrenzten Aussagekraft des Verhaltens des Betroffenen im Strafvollzug trägt die Rechtsprechung bereits dadurch Rechnung, dass allgemein verbreitete und vollzugstypische Verhaltensweisen, wie etwa unfreundliches, aufsässiges Verhalten oder einfache Sachbeschädigungen, nicht ohne weiteres als Hinweis auf eine erhebliche Gefährlichkeit eines Verurteilten gewertet werden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - 1 StR 324/05 -, juris, Rn. 6; Beschluss vom 10. November 2006 - 1 StR 483/06 -, juris, Rn. 9; zur entsprechenden Rechtsprechung im Hinblick auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2005 - 2 StR 272/05 -, NJW 2006, S. 531 <535>; Urteil vom 19. Januar 2006 - 4 StR 222/05 -, NJW 2006, S. 1446 <1448>; Beschluss vom 28. August 2007 - 5 StR 267/07 -, juris; Beschluss vom 22. Januar 2009 - 1 StR 618/08 -, juris, Rn. 15; BVerfGK 9, 108 <113>).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das Verhalten des Strafgefangenen im Strafvollzug in der Gesamtwürdigung mit seiner Person und seinen Taten hinreichend Aufschluss über seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit gibt. Für aussagekräftig im Hinblick auf die zu erstellende Gefährlichkeitsprognose werden insbesondere Erkenntnisse im Rahmen einer therapeutischen Behandlung in der Strafhaft erachtet, die im ersten psychiatrischen Gutachten nicht explorierbar gewesen sind (vgl. Schreiber/Rosenau, in: Venzlaff/Foerster <Hrsg.>, Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl. 2004, S. 53 <100>; Rissing-van Saan/Peglau, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 66a Rn. 57; Jehle, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, 1. Aufl. 2009, § 66a Rn. 11). Als Anhaltspunkte für eine eher ungünstige Prognose werden in diesem Zusammenhang etwa genannt: Keine Einsicht in eigene Probleme, Tendenz zur Bagatellisierung, Unmöglichkeit, sich der speziellen Problematik zu nähern, Verweigerung therapeutischer Angebote, mehrfache Therapieabbrüche (vgl. Rasch, Forensische Psychiatrie, 2. Aufl. 1999, S. 376).
Hinzu kommt, dass mit Blick auf das ultima-ratio-Prinzip künftig in größerem Maße als bislang Vollzugslockerungen vorzusehen und zu gewähren sind, so dass die Gefährlichkeitsprognose auf eine tragfähigere Grundlage gestellt werden kann (vgl. BVerfGE 128, 326 <379>). Damit wird zugleich der Gefahr begegnet, dass sich der Betroffene wegen der Versagung von Vollzugslockerungen nicht bewähren kann. Falls dennoch das Vollzugsverhalten nach den dargelegten Maßstäben im Einzelfall nicht aussagekräftig sein sollte und auch im Rahmen der Gesamtwürdigung von Täter, Tat und der Entwicklung im Strafvollzug keine fundierte Prognose getroffen werden kann, darf die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht angeordnet werden.
b) Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung enthält auch unter Berücksichtigung der Wertungen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht. Die Europäische Menschenrechtskonvention steht zwar innerstaatlich im Rang eines Bundesgesetzes und damit unter dem Grundgesetz. Sie ist jedoch als Auslegungshilfe bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes heranzuziehen. Dies gilt auch für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Heranziehung als Auslegungshilfe verlangt allerdings keine schematische Parallelisierung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern ein Aufnehmen von deren Wertungen, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (vgl. BVerfGE 111, 307 <315 ff.>; 128, 326 <366 ff.>; zur Aufnahme der Wertungen über das Verhältnismäßigkeitsprinzip BVerfGE 128, 326 <371>).
Auch nach den demgemäß heranzuziehenden Wertungen des Art. 5 Abs. 1 EMRK greift die vorbehaltene Sicherungsverwahrung nicht unverhältnismäßig in das Freiheitsgrundrecht ein.
Art. 5 EMRK enthält in Absatz 1 eine abschließende Auflistung zulässiger Gründe für eine Freiheitsentziehung (vgl. nur EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 86, m.w.N.). Die Voraussetzungen des Haftgrundes nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK liegen nach der gesetzlichen Ausgestaltung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung gemäß § 66a StGB a.F. vor (aa). Dagegen ist eine Rechtfertigung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK regelmäßig ausgeschlossen; inwieweit eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung auch nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK zu rechtfertigen ist, kann offen bleiben (bb).
aa) Die mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 2 StGB a.F. verbundene Freiheitsentziehung findet ihre Rechtfertigung in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK.
(1) Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK gestattet eine "rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht". Der Begriff "Verurteilung" ist so zu verstehen, dass er sowohl eine Schuldfeststellung bezeichnet, nachdem das Vorliegen einer Straftat in der gesetzlich vorgesehenen Weise festgestellt wurde, als auch die Auferlegung einer Strafe oder einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme. Darüber hinaus bedeutet das Wort "nach" in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK nicht lediglich, dass die Freiheitsentziehung zeitlich auf die Verurteilung folgt. Zusätzlich muss sich die Freiheitsentziehung aus dieser Verurteilung ergeben, ihr folgen und von ihr abhängen oder kraft dieser Verurteilung angeordnet werden ("the detention must result from, follow and depend upon or occur by virtue of the conviction"). Mit anderen Worten muss zwischen der Verurteilung und der in Rede stehenden Freiheitsentziehung ein hinreichender Kausalzusammenhang ("sufficient causal connection") bestehen (grundlegend EGMR, Urteil vom 24. Juni 1982, Beschwerde-Nr. 7906/77, Van Droogenbroeck ./. Belgien, Rn. 35; Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 87 f.).
(2) Nach diesen Maßstäben kann die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach zuvor ergangenem Vorbehalt gemäß § 66a Abs. 2 StGB a.F. für sich betrachtet nicht als Verurteilung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK gewertet werden (a). Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist jedoch von einem hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen der mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung verbundenen Freiheitsentziehung und der Verurteilung auszugehen (b). Der erforderliche Kausalzusammenhang wird nicht durch den Zeitablauf zwischen der Verurteilung und der Anordnung der Sicherungsverwahrung durchbrochen (c).
(a) Die Entscheidung eines Strafvollstreckungsgerichts über den weiteren Vollzug der Sicherungsverwahrung erfüllt nicht das Erfordernis einer Verurteilung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK, da sie keine Schuldfeststellung beinhaltet (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 96, Urteile vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 6587/04, Haidn ./. Deutschland, Rn. 84, Beschwerde-Nr. 27360/04 und 42225/07, Schummer ./. Deutschland, Rn. 53; ferner Urteil vom 24. November 2011, Beschwerde-Nr. 4646/08, O.H. ./. Deutschland, Rn. 82). Gleiches hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für ein Urteil angenommen, mit dem nachträglich die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. In diesem Fall, so der Gerichtshof, sei allein die strafgerichtliche Aburteilung konventionsrechtlich als Verurteilung anzusehen (vgl. EGMR, Urteil vom 19. April 2012, Beschwerde-Nr. 61272/09, B. ./. Deutschland, Rn. 72 f.).
Danach kann auch die durch Urteil nachträglich angeordnete, zuvor im Anlassurteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung jedenfalls isoliert betrachtet nicht als Verurteilung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK gewertet werden. Auch sie enthält - ebenso wie die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung - keine Schuldfeststellung im Sinne der zitierten Rechtsprechung. Zwar enthält das Urteil Feststellungen zur Anlassverurteilung. Hierbei handelt es sich jedoch nur um die Wiedergabe der Feststellungen, die bereits in der Anlassverurteilung rechtskräftig getroffen worden sind. Das Gericht ist an diese Feststellungen gebunden (vgl. hierzu etwa Rissing-van Saan/Peglau, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 66a Rn. 82).
(b) Ob aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung als zweiaktiges Verfahren (vgl. BTDrucks 14/8586, S. 6; BTDrucks 14/9264, S. 10) der Vorbehalt und die spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung zusammen genommen als Verurteilung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK gewertet werden können, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, so schließt dies den Haftgrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK nicht aus. Die Sicherungsverwahrung ist nämlich dann gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK gerechtfertigt, wenn zwischen ihr und der Verurteilung, welche die Schuldfeststellung beinhaltet, ein hinreichender Kausalzusammenhang existiert (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 97; Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 6587/04, Haidn ./. Deutschland, Rn. 85; Urteil vom 19. April 2012, Beschwerde-Nr. 61272/09, B. ./. Deutschland, Rn. 74). Nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Kriterium des hinreichenden Kausalzusammenhangs im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK ist ein solcher Kausalzusammenhang zwischen der mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung verbundenen Freiheitsentziehung und der Verurteilung zu bejahen.
Der Gerichtshof nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die zusammen mit der Verurteilung angeordnet wird und die nicht über die zum Zeitpunkt der Anlasstat und der Verurteilung gesetzlich vorgeschriebene Höchstdauer hinaus erfolgt, unter den Haftgrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK fällt (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 93 ff.; Urteil vom 21. Oktober 2010, Beschwerde-Nr. 24478/03, Grosskopf ./. Deutschland, Rn. 47; Urteil vom 9. Juni 2011, Beschwerde-Nr. 30493/04, Schmitz ./. Deutschland, Rn. 39; ferner EKMR, Entscheidung vom 4. Februar 1971, Beschwerde-Nr. 4324/69, X. ./. Deutschland; Entscheidung vom 7. Juli 1992, Beschwerde-Nr. 19969/92, Dax ./. Deutschland).
Nach den Maßstäben dieser Rechtsprechung steht es der Annahme eines Kausalzusammenhangs zwischen Verurteilung und Freiheitsentziehung nicht ohne weiteres entgegen, dass letztere nicht zusammen mit der Verurteilung ausgesprochen wird. Vielmehr kommt es darauf an, dass sich eine später angeordnete Freiheitsentziehung in dem zum Zeitpunkt der Verurteilung bestehenden gesetzlichen und durch die Verurteilung gesteckten Rahmen bewegt (aa). Diese Voraussetzung ist bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung erfüllt (bb). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 1 EMRK (cc).
(aa) (a) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat es im Hinblick auf den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Verurteilung und Freiheitsentziehung grundsätzlich nicht beanstandet, dass nach belgischem Recht ein Straftäter neben seiner Haftstrafe "der Verfügungsgewalt der Regierung" unterstellt ("mise à la disposition du gouvernement") und die Entscheidung über die Art und Weise der Vollstreckung dieser Strafe nach Verbüßung der Haft seitens des Justizministers getroffen wurde (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juni 1982, Beschwerde-Nr. 7906/77, Van Droogenbroeck ./. Belgien; Urteil vom 13. Oktober 2009, Beschwerde-Nr. 27428/07, Schepper ./. Belgien, Rn. 35 ff.).
Diese Konstellation ist, was den Kausalzusammenhang zwischen Verurteilung und Freiheitsentziehung betrifft, mit der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vergleichbar (so auch Rissing-van Saan/Peglau, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 66a Rn. 16; Finger, Vorbehaltene und Nachträgliche Sicherungsverwahrung, 2008, S. 216). Zwar wurde nach belgischem Recht mit der Unterwerfung unter die Verfügungsgewalt der Regierung die Entscheidung über die Verhängung einer weiteren, zur Haftstrafe hinzutretenden Rechtsfolge - anders als beim Vorbehalt der Sicherungsverwahrung - bereits in der Verurteilung getroffen. Da das Unterwerfen unter die Verfügungsgewalt der Regierung allerdings nicht zwangsläufig zu einer tatsächlichen Freiheitsentziehung führte, sondern in unterschiedlichen Formen vollzogen werden konnte, war über den tatsächlichen Entzug der Freiheit der Sache nach ebenso wie im Fall der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nicht bereits im Urteil, sondern zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden. Im Fall Van Droogenbroeck ./. Belgien hat der Gerichtshof denn auch angenommen, dass die ministeriellen Entscheidungen mit dem Widerruf der bedingt erfolgten Freilassung die Freiheitsentziehung des Individualbeschwerdeführers verfügt hätten. Das verurteilende Gericht ordne die Freiheitsentziehung nicht an, sondern autorisiere sie (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juni 1982, Beschwerde-Nr. 7906/77, Van Droogenbroeck ./. Belgien, Rn. 38).
Ähnlich verhält es sich bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung. Auch das Vorbehaltsurteil spricht keine Freiheitsentziehung aus, sondern eröffnet die Möglichkeit, die Freiheitsentziehung zu einem späteren Zeitpunkt anzuordnen, sofern sich der Betroffene als gefährlich für die Allgemeinheit erweisen sollte und deswegen ein Bedarf für seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung besteht.
(ß) Ferner hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Rechtssache Eriksen ./. Norwegen die Möglichkeit im norwegischen Strafrechtssystem, eine im Urteil angeordnete Präventivhaft zu verlängern und bis zur Entscheidung über die Verlängerung als provisorische Maßnahme die Untersuchungshaft anzuordnen, als Haftgrund im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK angesehen, ohne dass das zugrunde liegende Urteil gegen den Individualbeschwerdeführer eine derartige Möglichkeit vorgesehen hätte. Diese ergab sich allein aus dem Gesetz (vgl. EGMR, Urteil vom 27. Mai 1997, Beschwerde-Nr. 17391/90, Eriksen ./. Norwegen).
(?) Auch die Ausführungen in der Rechtssache Haidn ./. Deutschland, in der es um die Unterbringung eines im Jahr 1999 wegen Sexualstraftaten verurteilten Individualbeschwerdeführers nach dem Bayerischen Gesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern (BayStrUBG) vom 24. Dezember 2001 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt, S. 978 f.) ging, lassen erkennen, dass der Gerichtshof eine Freiheitsentziehung nicht nur dann als von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK gerechtfertigt ansieht, wenn sie bereits in der Verurteilung angeordnet wird, sondern dass auch ein Urteil, das eine Sicherungsverwahrung vorbehält, den Anforderungen an einen hinreichenden Kausalzusammenhang genügt (vgl. EGMR, Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 6587/04, Haidn ./. Deutschland; vgl. auch Koller, DRiZ 2011, S. 127 <132>).
In die gleiche Richtung deutet die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 19. April 2012, die die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß dem außer Kraft getretenen § 66b Abs. 2 StGB in einem Fall betraf, in dem der Individualbeschwerdeführer bereits im Jahr 2000 und somit vor der gesetzlichen Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung im Jahr 2004 (vgl. Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004, BGBl I S. 1838) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war. In diesem Zusammenhang führt der Gerichtshof aus, dass in der strafgerichtlichen Verurteilung keine Sicherungsverwahrung angeordnet worden sei. Die Verurteilung zu dieser Zeit habe nicht einmal die Möglichkeit beinhaltet, dass der Betroffene nachträglich in der Sicherungsverwahrung untergebracht werde. Die Vorschriften, auf die die in Rede stehende Sicherungsverwahrung gestützt worden sei, seien erst nach der Tat und der Verurteilung in das Strafgesetzbuch eingeführt worden (vgl. EGMR, Urteil vom 19. April 2012, Beschwerde-Nr. 61272/09, B. ./. Deutschland, Rn. 75).
Zusammengenommen zeigt diese Rechtsprechung, dass der Annahme eines hinreichenden Kausalzusammenhangs zwischen der Verurteilung und der mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung verbundenen Freiheitsentziehung nicht der Umstand entgegensteht, dass die Sicherungsverwahrung nicht bereits in der Verurteilung verhängt wird. Vielmehr kommt es darauf an, dass sich die Freiheitsentziehung in dem durch das zum Zeitpunkt der Verurteilung geltende Gesetz und die von einem zuständigen Gericht ausgesprochene Verurteilung gesteckten Rahmen hält (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juni 1982, Beschwerde-Nr. 7906/77, Van Droogenbroeck ./. Belgien, Rn. 39; ähnlich im Hinblick auf den Widerruf einer unter Bewährung erfolgten Entlassung eines Straftäters EGMR, Urteil vom 2. März 1987, Beschwerde-Nr. 9787/82, Weeks ./. Vereinigtes Königreich, Rn. 42 f., 49 f.; vgl. ferner Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 99 f.).
(bb) Diese Voraussetzung ist bei der nachträglichen Anordnung der im Strafurteil vorbehaltenen Sicherungsverwahrung erfüllt. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung stellt sich nicht als eine Korrektur, sondern als notwendige Ergänzung des strafgerichtlichen Urteils dar (vgl. BTDrucks 14/8586, S. 6; ferner Mushoff, Strafe - Maßregel - Sicherungsverwahrung, 2008, S. 455). Mit der Entscheidung, die Sicherungsverwahrung vorzubehalten, wird die Grundlage für eine spätere Anordnung geschaffen. Die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung schließt das durch den Vorbehalt zweigeteilte Verfahren lediglich ab (vgl. Hörnle, in: Festschrift für Ruth Rissing-van Saan, 2011, S. 239 <252>; Laue, JR 2010, S. 198 <203>). Sie hält sich in dem durch das Urteil gezogenen Rahmen, welches gerade die Möglichkeit eröffnet, unter den gesetzlichen Voraussetzungen spätestens bis zu dem in § 66a Abs. 2 Satz 1 StGB a.F. genannten Zeitpunkt die Sicherungsverwahrung anzuordnen.
(cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 1 EMRK, den Einzelnen vor einer willkürlichen Freiheitsentziehung zu schützen (vgl. EGMR, Urteil vom 8. Juni 1976, Beschwerde-Nr. 5100/71 u.a., Engel u.a. ./. Niederlande, Rn. 58; Urteil vom 6. November 1980, Beschwerde-Nr. 7367/76, Guzzardi ./. Italien, Rn. 92; Urteil vom 25. Juni 1996, Beschwerde-Nr. 19776/92, Amuur ./. Frankreich, Rn. 42). Der Betroffene wird mit dem Vorbehalt im Strafurteil bereits darüber informiert, dass gegen ihn neben der verhängten Strafe eine weitere Rechtsfolge festgesetzt werden kann. Mit der Anlassverurteilung weiß er daher, dass seine Gefährlichkeit vor Ende des Strafvollzuges nochmals unter Berücksichtigung seines Vollzugsverhaltens bewertet wird. Sein Verhalten im Strafvollzug, insbesondere seine Mitarbeit in einer Therapie, kann er hierauf einrichten (vgl. Kreuzer, NStZ 2010, S. 473 <479>; Rissing-van Saan, in: Festschrift für Claus Roxin, 2011, S. 1173 <1183>; ferner BGH, Urteil vom 17. Februar 2011 - 3 StR 394/10 -, juris, Rn. 22). Die Voraussetzungen, unter denen die Sicherungsverwahrung letztlich angeordnet werden kann, liegen zudem nicht im freien Ermessen des Gerichts, sondern sind gesetzlich bestimmt (zu diesem Erfordernis vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juni 1982, Beschwerde-Nr. 7906/77, Van Droogenbroeck ./. Belgien, Rn. 39). Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr einer willkürlichen Freiheitsentziehung bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ebenso wenig wie im Fall der primären Sicherungsverwahrung, zumal die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach Vorbehalt auf einer breiteren Tatsachengrundlage als im Falle ihrer zusammen mit der Anlassverurteilung vorgenommenen Anordnung erfolgt (vgl. BTDrucks 14/8586, S. 5). Hinzu kommt, dass für die Gefährlichkeit des Verurteilten schon bei der Anlassverurteilung eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen und sein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten feststehen muss. Auf diese Weise wird vermieden, dass die vorbehaltene Sicherungsverwahrung rein vorsorglich angeordnet werden kann (siehe hierzu oben B.II.2.a)bb)(1)).
(c) Der Kausalzusammenhang bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung wird nicht durch die Zeitspanne zwischen der Verurteilung und der mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung verbundenen Freiheitsentziehung durchbrochen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass die Verbindung zwischen der ursprünglichen Verurteilung und einer weiteren Freiheitsentziehung mit zunehmendem Zeitablauf allmählich schwächer wird. Eine Durchbrechung des Kausalzusammenhangs nimmt er an, wenn sich die Entscheidung, dem Betroffenen seine Freiheit zu entziehen, auf Gründe stützt, die mit den Zielen der ursprünglichen Entscheidung unvereinbar wären, oder auf eine Einschätzung, die im Hinblick auf diese Ziele unangemessen wäre. Unter diesen Umständen verwandelt sich eine Freiheitsentziehung, die zu Beginn rechtmäßig war, in eine willkürliche, mit Art. 5 EMRK nicht zu vereinbarende Freiheitsentziehung (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juni 1982, Beschwerde-Nr. 7906/77, Van Droogenbroeck ./. Belgien, Rn. 40; Urteil vom 27. Mai 1997, Beschwerde-Nr. 17391/90, Eriksen ./. Norwegen, Rn. 78; Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 88).
Dies ist nach der gesetzlichen Ausgestaltung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nicht der Fall. Die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung knüpft an das erste, den Vorbehalt aussprechende Urteil an. Mit der Anordnung wird abschließend über die Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit entschieden, die zum Zeitpunkt der Aburteilung zwar nicht abschließend festgestellt, wohl aber als wahrscheinlich beurteilt werden konnte. Sinn und Zweck des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung ist es gerade, eine breitere Tatsachengrundlage für die Entscheidung zu schaffen, ob die Notwendigkeit besteht, den Täter zum Schutz der Allgemeinheit in der Sicherungsverwahrung unterzubringen, und damit eine genauere Gefährlichkeitsprognose zu erhalten (zu ähnlichen Erwägungen vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juni 1982, Beschwerde-Nr. 79066/77, Van Droogenbroeck ./. Belgien, Rn. 40). In die für die Erstellung der Gefährlichkeitsprognose notwenige Gesamtwürdigung fließen zudem die Feststellungen über den Täter und dessen Taten ein (vgl. BTDrucks 14/8586, S. 7). Die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung beruht daher auf Gründen, die bereits in dem Vorbehaltsurteil angelegt sind (so zur aktuellen Rechtslage Radtke, Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und FDP "Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen" - BTDrucks 17/3404 vom 9. November 2010).
bb) (1) Eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK kommt im Fall der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung dagegen regelmäßig nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist eine Freiheitsentziehung zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde zu rechtfertigen, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, die Person an der Begehung einer Straftat zu hindern. Dieser Haftgrund stellt lediglich ein Mittel zur Verhütung einer konkreten und spezifischen Straftat dar ("a means of preventing a concrete and specific offence") und steht unter formellen Voraussetzungen ("zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde"), die im Rahmen der Sicherungsverwahrung regelmäßig nicht vorliegen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat demzufolge in den Fällen, in denen er über die Konventionsmäßigkeit oder -widrigkeit von Sicherungsverwahrungen zu befinden hatte, eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK verneint (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 102, m.w.N.; Urteile vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 17792/07, Kallweit ./. Deutschland, Rn. 52, Beschwerde-Nr. 27360/04 und 42225/07, Schummer ./. Deutschland, Rn. 56; Urteil vom 14. April 2011, Beschwerde-Nr. 30060/04, Jendrowiak ./. Deutschland, Rn. 35; Urteil vom 24. November 2011, Beschwerde-Nr. 4646/08, O.H. ./. Deutschland, Rn. 83; vgl. ferner BVerfGE 128, 326 <395 f.>). Es ist daher davon auszugehen, dass der Gerichtshof auch eine nach Vorbehalt angeordnete Sicherungsverwahrung typischerweise nicht als vom Haftgrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK gerechtfertigt ansehen wird.
(2) Inwieweit die Freiheitsentziehung aufgrund einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung auch nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK gerechtfertigt werden könnte, kann hier - unbeschadet der im Urteil vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326 <396 ff.>) entwickelten Grundsätze - offenbleiben.
c) Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot.
aa) Art. 103 Abs. 2 GG findet auf die vorbehaltene Sicherungsverwahrung keine Anwendung, weil diese als Maßregel der Besserung und Sicherung und nicht als Strafe im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren ist (vgl. BVerfGE 109, 133 <187 f.>; 128, 326 <376 f., 392 f.>). Strafbarkeit im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG setzt voraus, dass das auferlegte materielle Übel mit der Missbilligung vorwerfbaren Verhaltens verknüpft ist und von seiner Zielrichtung her (zumindest auch) dem Schuldausgleich dient (BVerfGE 109, 133 <172 ff.>; 128, 326 <376 f., 392 f.>). Der Zweck der Sicherungsverwahrung liegt jedoch allein in der zukünftigen Sicherung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder vor einzelnen, aufgrund ihres bisherigen Verhaltens als hochgefährlich eingeschätzten Tätern. Diese Zweispurigkeit des strafrechtlichen Sanktionensystems entspricht in besonderer Weise dem rechtsstaatlich liberalen Verständnis der deutschen Strafrechtsordnung (vgl. BVerfGE 128, 326 <374, 376 f.>).
Maßstab ist Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG, der den Gesetzgeber verpflichtet, die Fälle, in denen eine Freiheitsentziehung zulässig sein soll, hinreichend klar zu bestimmen. Nur er soll nach Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 GG darüber entscheiden, in welchen Fällen Freiheitsentziehungen zulässig sein sollen. Freiheitsentziehungen sind in berechenbarer, messbarer und kontrollierbarer Weise zu regeln. Insoweit konkretisiert Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG für den Bereich der Freiheitsentziehung die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Bestimmtheitsanforderungen (vgl. BVerfGE 29, 183 <195 f.>; 76, 363 <387>; 109, 133 <188>). Präventive Freiheitsentziehungen greifen ebenso stark in das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ein wie Freiheitsstrafen. Der Gesichtspunkt, dass die Vorgaben des Gesetzgebers umso genauer sein müssen, je intensiver der Grundrechtseingriff ist und je schwerwiegender die Auswirkungen der Regelung sind (vgl. BVerfGE 86, 288 <311>; 93, 213 <238> m.w.N.) erhält daher besonderes Gewicht (BVerfGE 109, 133 <188>). Insoweit enthält Art. 104 Abs. 1 GG ein ähnliches Bestimmtheitsgebot wie Art. 103 Abs. 2 GG (BVerfGE 29, 183 <196>; 78, 374 <383>; 96, 68 <97>).
Das Bestimmtheitsgebot schließt die Verwendung wertausfüllungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln nicht aus (vgl. BVerfGE 11, 234 <237>; 28, 175 <183>; 48, 48 <56>; 92, 1 <12>; 126, 170 <196>). Der Gesetzgeber muss in der Lage bleiben, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden (vgl. zu Art. 103 Abs. 2 GG BVerfGE 28, 175 <183>; 47, 109 <120 f.>; 126, 170 <195>). Dabei lässt sich der Grad der für eine Norm jeweils erforderlichen Bestimmtheit nicht abstrakt festlegen, sondern hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Tatbestandes einschließlich der Umstände ab, die zur gesetzlichen Regelung geführt haben (BVerfGE 28, 175 <183>; 86, 288 <311>; 126, 170 <196>). Gegen die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bestehen keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für eine Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt (BVerfGE 45, 363 <371 f.>; 86, 288 <311>). Die Rechtsprechung ist zudem gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (zum an die Rechtsprechung gerichteten Präzisierungsgebot im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG vgl. BVerfGE 126, 170 <198>).
bb) Nach diesen Maßstäben ist die Vorschrift des § 66a Abs. 1 StGB a.F. nicht zu beanstanden. Das für die Anordnung des Vorbehalts erforderliche Merkmal der nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbaren Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit erschließt sich hinreichend deutlich aus dem Regelungsgehalt des § 66a StGB a.F., dem Zusammenhang mit § 66 StGB a.F., der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung.
Aus dem Wortlaut des § 66a Abs. 1 StGB a.F. ergibt sich, dass der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung nur dann in Betracht kommt, wenn die Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit gerade nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann. Der Vergleich mit den Regelungen zur primären Sicherungsverwahrung bestätigt dies. Die Anordnung des Vorbehalts ist daher zum einen ausgeschlossen, wenn das erkennende Gericht von der Gefährlichkeit, wie sie die Anordnung der primären Sicherungsverwahrung verlangt, überzeugt ist (vgl. BGHSt 50, 188 <193>; BGH, Beschluss vom 9. September 2008 - 1 StR 449/08 -, NStZ 2009, S. 566 <567>). Zum anderen kommt der Vorbehalt nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in Betracht, wenn das Gericht die Gefährlichkeit des Täters bereits zum Zeitpunkt der Verurteilung nicht für ausreichend wahrscheinlich erachtet. Das erkennende Gericht muss diesbezüglich alle seine Aufklärungsmöglichkeiten ausschöpfen (vgl. BTDrucks 14/8586, S. 6).
Hinsichtlich der Frage, wie wahrscheinlich die Gefährlichkeit des Betroffenen sein muss, um einen Vorbehalt aussprechen zu können, ergibt sich aus den Ausführungen des Gesetzgebers im Gesetzesentwurf zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, dass bei dieser Frage restriktive Maßstäbe anzulegen sind (vgl. auch Rissing-van Saan/Peglau, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2008, § 66a Rn. 25). Der Gesetzgeber hat darauf verwiesen, dass einem denkbaren sogenannten "Net-Widening-Effekt", also der Gefahr einer rein vorsorglichen Anordnung des Vorbehalts, vorzubeugen sei. Das Gericht müsse überprüfbar darlegen, welche Gründe für die Anordnung eines Vorbehalts sprächen (BTDrucks 14/8586, S. 6). Damit wird zugleich zum Ausdruck gebracht, dass die bloß theoretische, nicht ausschließbare Möglichkeit einer Gefährlichkeit des Betroffenen für die Anordnung nicht ausreicht. Die Rechtsprechung hat in diesem Sinne das Kriterium der nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbaren Gefährlichkeit im Sinne des § 66a Abs. 1 StGB a.F. dahingehend präzisiert, dass zur Anordnung des Vorbehalts eine erhebliche, nahe liegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen muss, dass der Täter gefährlich für die Allgemeinheit ist und dies zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Strafvollzug auch noch sein wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 140/04 -, juris, Rn. 13; Urteil vom 20. November 2007 - 1 StR 442/07 -, juris, Rn. 11).
cc) Der Bestimmtheitsgrundsatz ist auch unter Berücksichtigung der Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention gewahrt. Mit dem allgemeinen Erfordernis, dass die Freiheitsentziehung "rechtmäßig" und "in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise" erfolgen muss, verweist Art. 5 Abs. 1 EMRK im Wesentlichen auf das innerstaatliche Recht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte muss das der Freiheitsentziehung zugrunde liegende innerstaatliche Gesetz seinerseits der Konvention und den darin ausdrücklich genannten oder implizierten allgemeinen Grundsätzen entsprechen. Insbesondere muss es hinreichend zugänglich, präzise und in seiner Anwendung vorhersehbar sein (vgl. EGMR, Urteil vom 25. Juni 1996, Beschwerde-Nr. 19776/92, Amuur ./. Frankreich, Rn. 50; Urteil vom 28. März 2000, Beschwerde-Nr. 28358/95, Baranowski ./. Polen, Rn. 52; Urteil vom 9. Juli 2009, Beschwerde-Nr. 11364/03, Mooren ./. Deutschland, Rn. 73, 76; Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 90, 104). Dies ist bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung der Fall. Soweit Bedenken geltend gemacht werden, dass die Vorschriften zur vorbehaltenen Sicherungsverwahrung den Anforderungen an eine präzise und vorhersehbare Anwendung nicht genügten, weil die endgültige Anordnung maßgeblich vom Vollzugsverhalten des Strafgefangenen und damit einem wenig aussagekräftigen Kriterium abhängig sei (vgl. Kinzig, NJW 2011, S. 177 <179>), vermag der Senat diese aus den bereits genannten Gründen nicht zu teilen (siehe hierzu oben B.II.2.a)bb)(3)). Im Übrigen ist auch im Hinblick auf die für konventionsgemäß erachtete primäre Sicherungsverwahrung, bei der ebenfalls eine Gesamtwürdigung im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen ist, davon auszugehen, dass die zugrunde liegenden Vorschriften in ihrer Anwendbarkeit vorhersehbar sind (vgl. EGMR, Urteil vom 21. Oktober 2010, Beschwerde-Nr. 24478/03, Grosskopf ./. Deutschland, Rn. 53).
d) Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung verstößt auch nicht gegen das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG enthaltene Gebot der Rechtssicherheit.
aa) Das Rechtsstaatsprinzip enthält als wesentlichen Bestandteil die Gewährleistung der Rechtssicherheit in einem spezifischen Sinne: Es verbietet, den von einem staatlichen Eingriff in die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG) Betroffenen über das Ausmaß dieses Eingriffs im Ungewissen zu lassen, wenn und sobald nach der jeweiligen gesetzlichen Grundlage das zulässige Ausmaß des Eingriffs einer abschließenden Beurteilung zugänglich ist. Das Gebot der Rechtssicherheit verlangt vielmehr einen Verlauf des Rechtsfindungsverfahrens, in dem der von einem solchen Eingriff Betroffene Gewissheit über dessen Ausmaß jedenfalls zu demjenigen Zeitpunkt erlangt, der nach der vom Gesetzgeber gewählten Grundstruktur des Verfahrens eine verbindliche Entscheidung erlaubt (vgl. BVerfGE 86, 288 <327>).
bb) Ob diese Maßstäbe, die der Senat in seiner Entscheidung zum Verfahren der Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe entwickelt hat, trotz des kategorialen Unterschiedes zwischen der Verbüßung einer dem Schuldausgleich dienenden Freiheitsstrafe und der allein von der Gefährlichkeit des Betroffenen abhängigen Anordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung (vgl. BVerfGE 109, 133 <174>; 128, 326 <377>) auf letztere übertragbar sind, kann hier dahingestellt bleiben. Ein allgemeiner Grundsatz dahingehend, dass der von einem staatlichen Eingriff in seine Freiheit Betroffene bereits mit der Aburteilung Gewissheit über die tatsächliche Dauer der Freiheitsentziehung haben müsste, ergibt sich aus ihnen nicht (zur Verfassungsmäßigkeit der unbefristeten Sicherungsverwahrung vgl. BVerfGE 109, 133 <149 ff.>). Der Betroffene hat lediglich Anspruch auf Gewissheit über die Länge einer Freiheitsentziehung zu dem Zeitpunkt, der nach der vom Gesetzgeber gewählten Grundstruktur des Verfahrens eine verbindliche Entscheidung erlaubt (vgl. Würtenberger/Sydow, NVwZ 2001, S. 1201 <1204>).
Hiervon ausgehend begegnet die vorbehaltene Sicherungsverwahrung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach der vom Gesetzgeber gewählten Konzeption kommt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung nur dann in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der Aburteilung trotz erheblicher, nahe liegender Wahrscheinlichkeit die Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit gerade nicht zur Überzeugung des Gerichts feststeht. Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Sicherungsverwahrung nach Verbüßung der Haftstrafe zum Schutz der Allgemeinheit soll daher zwecks Verbreiterung der Erkenntnisgrundlage gegen Ende der Haftzeit getroffen werden. Der Konstruktion der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ist es daher gerade immanent, dass die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden kann.
Bedenken, dass im Falle der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu spät erfolge und die Gefahr bestehe, dass ein rechtzeitiger Beginn von Entlassungsvorbereitungen nicht gewährleistet sei (vgl. etwa v. Galen, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 16. April 2002; Rzepka, R & P 2003, S. 191 <202>), teilt der Senat nicht. Zum einen kann die Entscheidung hinsichtlich der Gefährlichkeit des Täters auf einer umso sichereren Grundlage erfolgen, je länger der Beobachtungszeitraum ist (vgl. Würtenberger/Sydow, NVwZ 2001, S. 1201 <1204> zur nachträglichen Sicherungsverwahrung). Zum anderen erfordert das ultima-ratio-Prinzip, dass bereits während des Strafvollzugs, wenn Sicherungsverwahrung in Betracht kommt, alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Gefährlichkeit des Verurteilten zu reduzieren (vgl. BVerfGE 128, 326 <379>). Der Gefahr, dass der Betroffene keine Chance erhält, eine für ihn günstige Gefahrenprognose herbeizuführen, da er nicht ausreichend auf eine Entlassung vorbereitet wurde (vgl. BVerfGE 86, 288 <327 f.>), wird auf diese Weise entgegengewirkt.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Recht auf den gesetzlichen Richter.
1. Die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens haben nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG Anspruch auf den gesetzlichen Richter, der sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergibt. Eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann allerdings nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden. Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 3, 359 <364>; 29, 45 <49>; 58, 1 <45>; 82, 159 <197>; 82, 286 <299>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 5, 269 <280>; 12, 139 <144>; 15, 102 <105>).
2. Nach diesen Maßstäben begegnet die Besetzung der großen Jugendkammer des Landgerichts Deggendorf mit zwei Berufsrichtern keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
a) Nach § 33b Abs. 1 JGG in der hier maßgeblichen Fassung vom 7. Dezember 2008 (Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 7. Dezember 2008, BGBl I S. 2348) ist die - gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1, § 74b GVG in Jugendschutzsachen neben der Strafkammer zuständige - große Jugendkammer mit drei (Berufs)Richtern - einschließlich des Vorsitzenden - und zwei Schöffen besetzt. § 33b Abs. 2 JGG, der § 76 Abs. 2 GVG in der Fassung vom 7. Dezember 2008 nachgebildet ist, eröffnet die Möglichkeit, mit zwei statt drei Berufsrichtern zu verhandeln, wenn nicht die Sache nach den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung des § 74e des GVG zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehört oder nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint.
Nach ständiger fachgerichtlicher Rechtsprechung steht der das Hauptverfahren eröffnenden Kammer bei der Entscheidung über die sogenannte Besetzungsreduktion kein Ermessen zu. Die Besetzung mit drei Berufsrichtern ist zu beschließen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Umfangs oder der Schwierigkeit der Sache kommt der Kammer ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der es gestattet, die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Bedeutsam sind dabei etwa die Zahl der Angeklagten und Verteidiger, die Zahl der Delikte und notwendigen Dolmetscher, die Zahl der Zeugen und anderer Beweismittel, die Notwendigkeit von Sachverständigengutachten, der Umfang der Akten sowie die zu erwartende Dauer der Hauptverhandlung. Die überdurchschnittliche Schwierigkeit der Sache kann sich etwa aus der Notwendigkeit umfangreicher Sachverständigengutachten, zu erwartenden Beweisschwierigkeiten oder der rechtlichen oder tatsächlichen Kompliziertheit ergeben (vgl. zur Parallelvorschrift des § 76 Abs. 2 GVG grundlegend BGHSt 44, 328 <334 f.>; BGH, Beschluss vom 14. August 2003 - 3 StR 199/03 -, NStZ 2004, S. 56; ferner Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 3 StR 438/03 -, NStZ-RR 2004, S. 175).
b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Besetzungsreduktion gemäß § 76 Abs. 2 GVG beziehungsweise § 33b Abs. 2 JGG nicht maßgeblich von der Eingriffstiefe der zu erwartenden Maßnahme abhängig zu machen. Der Gesetzgeber hat gerade mit Blick auf die Bedeutung der Kammerbesetzung für die Qualität der zu treffenden Entscheidung (vgl. BTDrucks 12/1217, S. 46 f.) auch für Strafsachen, in denen die Verhängung der Sicherungsverwahrung nach zuvor ergangenem Vorbehalt in Frage steht, die Besetzung der Strafkammer mit drei Richtern nicht zwingend vorgeschrieben, sondern dies von Umfang und Schwierigkeit der Sache abhängig gemacht (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - 3 StR 438/03 -, NStZ-RR 2004, S. 175). Darin liegt keine unzureichende Berücksichtigung des Gewichts der Entscheidung über die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung; vielmehr beruht die gesetzliche Regelung auf der vertretbaren Annahme, dass auch bei solchen Entscheidungen die notwendige Entscheidungsqualität von der Mitwirkung dreier Berufsrichter nur nach Maßgabe des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache abhängt.
Die Begriffe der Schwierigkeit und des Umfangs der Sache sind schon ihrem Wortsinn nach nicht ohne weiteres mit der Schwere der zu erwartenden Sanktion gleichzusetzen. Die Entscheidung über die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung wirft zudem weder per se schwierige Rechtsfragen auf, noch ist sie stets auf einer überdurchschnittlich umfangreichen Tatsachengrundlage zu treffen, so dass die Besetzung der Kammer mit drei Berufsrichtern bei der Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht zwingend erscheint. Dass im Falle einer Besetzung mit lediglich zwei Berufsrichtern eine sachgerechte Durchführung derjenigen Verfahren, in denen über die Anordnung einer Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist, ausgeschlossen wäre, behauptet auch der Beschwerdeführer nicht.
c) Auch die Anwendung des § 33b Abs. 2 JGG auf den vorliegenden Fall ist weder willkürlich oder offensichtlich unvertretbar, noch lässt sie erkennen, dass die Kammer Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt hätte. Die Jugendkammer hat zur Begründung ihrer Besetzungsentscheidung ausgeführt, dass in Anbetracht der Ladung von lediglich drei Zeugen und einem Sachverständigen die Sache nicht außerordentlich umfangreich sei und sich die Rechtslage nicht schwieriger als schon im Anlassverfahren darstelle. Damit hat sie ihrer Entscheidung die Maßstäbe der fachgerichtlichen Rechtsprechung zugrunde gelegt. Der Umstand, dass die Kammer in ihrem Beschluss vom 18. November 2010 von einem ihr zustehenden "Ermessen" spricht, vermag entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Mit der Formulierung hat die Kammer ersichtlich den ihr nach der Rechtsprechung zustehenden Beurteilungsspielraum gemeint.
Eine die Besetzung mit drei Richtern erfordernde Schwierigkeit der Sache ergibt sich, anders als der Beschwerdeführer meint, nicht aus der von ihm vorgebrachten vermeintlich unterschiedlichen Rechtsprechung der Senate des Bundesgerichtshofs zu § 66a StGB a.F. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 5. September 2008 (2 StR 237/08, juris) betraf das Verfahren zur Anordnung des Vorbehalts, nicht aber - wie hier - die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach vorherigem Vorbehalt.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer jedoch in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie auf der verfassungswidrigen Vorschrift des § 66a StGB a.F. beruhen. Die Gründe der Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Norm führen daher auch zur Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Anordnung der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung genügt den Anforderungen nicht, die sich für eine verfassungsgemäße Entscheidung auf der Grundlage der weiter geltenden Vorschrift des § 66a Abs. 1, Abs. 2 StGB a.F. aus der Maßgabe des Urteils des Senats vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326 ff.) ergeben. § 66a Abs. 1, Abs. 2 StGB a.F. kann während der Übergangszeit nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden. In der Regel wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur Genüge getan, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (BVerfGE 128, 326 <405 f.>).
Die Gerichte haben nicht geprüft, ob nach diesem Maßstab die Anordnung der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung zulässig ist. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Fachgerichte im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Entscheidung das Urteil vom 4. Mai 2011 nicht berücksichtigen konnten, weil es noch nicht ergangen war. Für die Feststellung einer Grundrechtsverletzung kommt es allein auf die objektive Verfassungswidrigkeit der angefochtenen fachgerichtlichen Entscheidungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an; unerheblich ist hingegen, ob die Grundrechtsverletzung den Fachgerichten vorwerfbar ist (vgl. BVerfGE 128, 326 <407 f.>).
Zur Beseitigung des festgestellten Verfassungsverstoßes wird der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2011 aufgehoben und die Sache an diesen zurückverwiesen. Eine Aufhebung des Urteils des Landgerichts Deggendorf vom 18. November 2010 ist hingegen nicht geboten. Insofern ist lediglich gemäß § 95 Abs. 1 BVerfGG die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG festzustellen (vgl. zum Umfang der Aufhebung fachgerichtlicher Entscheidungen auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 1995 - 2 BvR 1180/94 -, juris, Rn. 14 f.; BVerfGK 14, 177 <186 f.>). Der Bundesgerichtshof hat in seiner erneuten Revisionsentscheidung unter Anwendung der Maßgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (Nummer III.1. des Tenors in Verbindung mit den Urteilsgründen) zu prüfen, ob die vom Landgericht Deggendorf bereits getroffenen Feststellungen genügen, um abschließend über die Anordnung der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung entscheiden zu können, oder ob hierfür ergänzende Feststellungen zu treffen sind.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 657
Externe Fundstellen: BVerfGE 131, 268; NJW 2012, 3357
Bearbeiter: Holger Mann