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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 9

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 350/24, Beschluss v. 13.11.2024, HRRS 2025 Nr. 9


BGH 1 StR 350/24 - Beschluss vom 13. November 2024 (LG Ellwangen (Jagst))

Besitz kinderpornographischer Inhalte (Aufhebung des Strafausspruchs wegen verändertem Strafrahmen).

§ 184b Abs. 3 StGB; § 2 Abs. 3 StGB; § 354a StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 10. April 2024

a) dahin ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten,

b) aufgehoben im Ausspruch über die Einzelstrafe in Fall II. 2. der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung und wegen Besitzes von kinderpornographischen Inhalten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt; es hat ferner die Einziehung eines Mobiltelefons des Angeklagten angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Während der Schuldspruch lediglich der Ergänzung um einen Teilfreispruch bedarf und der Einziehungsausspruch Bestand hat, unterliegen der Einzelstrafausspruch im Fall II. 2. der Urteilsgründe und der Gesamtstrafausspruch wegen einer nach Verkündung des Urteils eingetretenen Gesetzesänderung der Aufhebung. Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

1. Der Schuldspruch hat Bestand. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

a) Die Strafkammer hat es unterlassen, den Angeklagten im Übrigen aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, was der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nachholt. Dem Angeklagten wurde mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage vom 4. Dezember 2023 neben den abgeurteilten Taten tatmehrheitlich eine weitere Tat des Besitzes jugendpornographischer Inhalte gemäß § 184c Abs. 3 Variante 3 StGB zur Last gelegt. Bei seiner Festnahme am 13. Oktober 2023 soll er im Besitz einer Videodatei auf seinem Mobiltelefon gewesen sein, welche ein 15- bis 17-jähriges nacktes Mädchen bei der Masturbation zeigt. Die Strafkammer konnte sich indes weder von der Minderjährigkeit der Abgebildeten noch von einem entsprechenden Vorsatz des Angeklagten überzeugen (UA S. 24 f.). Wenn aber der Angeklagte nicht wegen aller Delikte verurteilt wird, die nach der Anklage in Tatmehrheit (§ 53 StGB) begangen worden sein sollen, so ist er insoweit grundsätzlich freizusprechen, um Anklage und Eröffnungsbeschluss zu erschöpfen; dies gilt auch dann, wenn - wie hier - das Gericht das Konkurrenzverhältnis anders beurteilt und der Meinung ist, dass bei zutreffender rechtlicher Würdigung Tateinheit (§ 52 StGB) vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1998 - 4 StR 272/98 Rn. 22, BGHSt 44, 196, 202; Beschlüsse vom 15. Februar 2023 - 4 StR 300/22 Rn. 2; vom 17. Mai 2022 - 6 StR 151/22 Rn. 8 und vom 6. August 2019 - 3 StR 258/19 Rn. 2; jeweils mwN).

b) Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts kommt eine Verurteilung des Angeklagten in Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 3 Variante 2 StGB statt wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 3 Variante 3 StGB nicht in Betracht. Nach den Urteilsfeststellungen lud der Angeklagte 584 kinderpornographische Bilddateien und 25 kinderpornographische Videodateien im Zeitraum vom 9. Oktober bis 12. Oktober 2023 aus dem Internet herunter (UA S. 6). Eine Verurteilung wegen Besitzverschaffung ist aber nur dann möglich, wenn sich die einzelnen Verschaffungsakte zu tragfähigen Feststellungen konkretisieren lassen; andernfalls kann nur eine Verurteilung wegen Besitzes in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 - 1 StR 101/24 Rn. 6; Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 3 StR 264/19 Rn. 23). Dies ist hier nicht der Fall. Die einzelnen Verschaffungsvorgänge konnten zeitlich lediglich auf einen Zeitraum von mehreren Tagen eingegrenzt, konkrete Zeitpunkte für das Herunterladen der einzelnen Dateien während einer bestimmten Internetsitzung aber nicht festgestellt werden.

2. Der Einzelstrafausspruch in Fall II. 2. der Urteilsgründe und der Gesamtstrafausspruch unterliegen hingegen wegen einer nachträglichen Gesetzesänderung der Aufhebung.

Das Landgericht ist bei seiner Strafzumessung im Fall II. 2. der Urteilsgründe von dem bisherigen Strafrahmen des § 184b Abs. 3 StGB von einem bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen. Durch das am 28. Juni 2024 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches - Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte vom 24. Juni 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 213) hat der Gesetzgeber die Mindeststrafe in § 184b Abs. 3 StGB von einem Jahr auf drei Monate Freiheitsstrafe reduziert. Nach § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO ist damit diese für den Angeklagten günstigere Gesetzesfassung anzuwenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juli 2024 - 5 StR 121/24 Rn. 6; vom 24. Juli 2024 - 1 StR 245/24 Rn. 9; vom 23. Juli 2024 - 6 StR 398/24 Rn. 3; vom 23. Juli 2024 - 6 StR 313/24 Rn. 5; vom 16. Juli 2024 - 2 StR 412/23 Rn. 10 und vom 11. Juli 2024 - 6 StR 298/24 Rn. 4).

Angesichts der erheblich abgesenkten Mindeststrafe kann der Senat trotz der schwerwiegenden Inhalte der Dateien (teilweise Gewalt gegen ersichtlich leidende Kinder) nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des geänderten Strafrahmens im Fall II. 2. eine niedrigere Strafe als die vom Landgericht festgesetzte Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich.

3. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die von der Aufhebung nicht betroffenen Feststellungen können bestehen bleiben und durch neue, ihnen nicht widersprechende ergänzt werden (§ 353 Abs. 2 StPO).

4. Die vom Generalbundesanwalt angeregte Entscheidung gemäß § 354a in Verbindung mit § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO ist nicht möglich, weil der Bemessung der neuen Einzelstrafe in Fall II. 2. ein anderer Strafrahmen zugrunde zu legen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2017 - 5 StR 364/16 Rn. 19; Beschlüsse vom 9. Juli 2024 - 1 StR 188/24 Rn. 4; vom 18. Mai 2010 - 3 StR 140/10 Rn. 8 und vom 1. Dezember 2006 - 2 StR 495/06 Rn. 3).

Durch den Antrag des Generalbundesanwalts auf Änderung des Schuldspruchs ist der Senat nicht gehindert, die Revision im Übrigen durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Daran ändert der Umstand nichts, dass sich der Generalbundesanwalt auch auf § 349 Abs. 4 StPO bezogen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 2024 - 5 StR 165/24 und vom 19. März 2024 - 1 StR 459/23).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 9

Bearbeiter: Christoph Henckel