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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1270

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 313/24, Beschluss v. 23.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1270


BGH 6 StR 313/24 - Beschluss vom 23. Juli 2024 (LG Stendal)

Entscheidung bei Gesetzesänderung, Schuldspruchänderung; Meistbegünstigungsprinzip (milderes Gesetz); Konsumcannabisgesetz; verbotener Anbau von Cannabis; Herstellen kinderpornographischer Inhalte.

§ 2 Abs. 3 StGB; § 354a StPO; § 354 StPO; § 34 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a KCanG; § 184b Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stendal vom 12. März 2024 wird

a) von der Einziehung der Cannabispflanzen abgesehen; der betreffende Ausspruch über die Einziehung entfällt,

b) das Urteil dahin geändert, dass der Angeklagte

aa) im Fall II.17 der Urteilsgründe des verbotenen Anbaus von Cannabis schuldig und deswegen zu einer Geldstrafe in Höhe von fünf Tagessätzen zu jeweils einem Euro verurteilt ist,

bb) in den Fällen II.1, 2, 3, 10 und 12 der Urteilsgründe jeweils zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung und mit Herstellen kinderpornografischer Inhalte, wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in zwei Fällen, wegen Herstellens kinderpornographischer Inhalte in fünf Fällen und wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Einziehung eines Mobiltelefons und von sieben Cannabispflanzen angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Senat sieht gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen von der Einziehung der Cannabispflanzen ab.

2. Der Schuldspruch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II.17 der Urteilsgründe bedarf in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO der Änderung. Das Urteil lässt zwar auf der Grundlage des zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechts auch insoweit keinen Rechtsfehler erkennen. Am 1. April 2024 ist indes das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG, BGBl. I Nr. 109) in Kraft getreten, das den Umgang mit Konsumcannabis nunmehr abschließend regelt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 130) und gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der Revisionsentscheidung zu berücksichtigen ist. Danach hat sich der Angeklagte des verbotenen Anbaus von Cannabis schuldig gemacht (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a KCanG). § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

Die Schuldspruchänderung entzieht der im Fall II.17 der Urteilsgründe verhängten Strafe die Grundlage. Der nunmehr maßgebliche Strafrahmen ergibt sich aus § 34 Abs. 1 KCanG; ein besonders schwerer Fall im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG kann nicht als gegeben angesehen werden, weil aufgrund der Feststellungen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass sich der strafbare Anbau der Cannabispflanzen auf eine nicht geringe Menge bezog. Da sich den Urteilsgründen nichts über die Einkommensverhältnisse des Angeklagten entnehmen lässt, setzt der Senat, um jede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen, die Strafe im Fall II.17 der Urteilsgründe in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO auf das nach § 34 Abs. 1 KCanG i.V.m. § 40 StGB vorgesehene Mindestmaß einer Geldstrafe von fünf Tagessätzen zu je einem Euro fest.

3. In den Fällen II.1, 2, 3, 10 und 12 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte jeweils ausschließlich wegen Herstellens kinderpornographischer Inhalte verurteilt worden ist, haben die Strafaussprüche keinen Bestand, weil am 27. Juni 2024 das „Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuchs - Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“ vom 24. Juni 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 213) in Kraft getreten ist, durch das der Gesetzgeber den Besitz kinderpornographischer Inhalte unter Beibehaltung der Strafrahmenobergrenze von einem Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr (§ 184b Abs. 1 Satz 1 StGB a.F.) zu einem Vergehen mit einer Mindeststrafe von drei Monaten herabgestuft hat (§ 184b Abs. 3 StGB). Auch diese Gesetzesänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO im Revisionsverfahren zu berücksichtigen. Er hat die vom Landgericht in den betreffenden Fällen verhängten Strafen, um auch insoweit jede Benachteiligung des Angeklagten zu vermeiden, ebenfalls in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO auf das gesetzliche Mindestmaß reduziert.

4. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe bleibt davon unberührt. Angesichts der verbleibenden Freiheitsstrafen von fünf Jahren, drei Jahren und sechs Monaten, fünfmal zwei Jahren, zweimal einem Jahr und neun Monaten sowie zweimal einem Jahr und drei Monaten schließt der Senat aus, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der nunmehr reduzierten Strafen auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.

5. Der geringe Erfolg lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1270

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede