HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 356
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 401/21, Urteil v. 08.02.2022, HRRS 2022 Nr. 356
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 21. Juli 2021 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, bleibt erfolglos.
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts ließ sich der Angeklagte Anfang 2021 in Rumänien von einem unbekannt gebliebenen „M.“ dafür gewinnen, einen „Schmuggeltransport“ von B. nach Deutschland durchzuführen. Am 5. Februar 2021 traf der Angeklagte mit „M.“ in B. ein; erst dort teilte ihm der Organisator mit, er solle den Transport mit einem anderen Fahrzeug, nämlich einem der Marke Renault Master, alleine durchführen. Der Angeklagte, der bereits deswegen dem „M.“ nicht mehr vertraute, schaute auf die Ladefläche des Transporters Renault Master und stellte fest, dass dort - entgegen seiner bisherigen Annahme - keine zu schmuggelnden Zigaretten lagen. Auf seine Frage, wo die Zigaretten versteckt seien, antwortete „M. “, der Angeklagte werde keine Probleme bekommen, wenn er als Fahrer nichts merke (UA S. 12). Tatsächlich waren in einem kleinen Hohlraum zwischen der Rücksitzbank und der Laderaumwand rund 109 Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von fast 17.500 Gramm THC in 110 Plastikbeuteln versteckt; dies hielt der Angeklagte für möglich und nahm er billigend in Kauf. Dennoch führte er den Transport durch. Der Angeklagte, dem eine Entlohnung von 1.000 € versprochen war und der als Spesen 250 € sowie ein Mobiltelefon erhielt, wurde während der zweitägigen Fahrt über Frankreich und überwiegend über Nebenstrecken mehr als 150-mal zur Kontrolle angerufen; er passierte am 7. Februar 2021 den Grenzübergang I. Das Marihuana wurde danach auf deutschem Gebiet sichergestellt.
b) Der Angeklagte hat den objektiven Tathergang eingeräumt; dass er tatsächlich Drogen transportiert habe, habe ihn „überrascht“ (UA S. 7).
2. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Die Beweiswürdigung, die der Annahme des bedingten Tatvorsatzes zugrunde liegt, begegnet keinen Bedenken. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts ist auszuführen:
a) Bereits der Schluss des Landgerichts, nach Inaugenscheinnahme der Ladefläche habe der Angeklagte es für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass er nicht Zigaretten ohne Steuerzeichen, sondern Rauschgiftmittel transportierte, erweist sich als nachvollziehbar und tragfähig:
Das zur Verfügung stehende Versteck war gravierend kleiner als erwartet. Das Landgericht hat den hohen Organisationsaufwand in Beziehung zum Wert des zu schmuggelnden Transportguts gesetzt und daraus geschlossen, dass auch der Angeklagte, der dem Organisator nicht mehr vertraute, nicht davon ausging, deutlich weniger an Zigaretten zu transportieren; das hätte sich auch aus seiner Sicht nicht gelohnt (insbesondere UA S. 12 f.). Diese tatgerichtliche Erwägung ist frei von Rechtsfehlern.
b) Mitnichten hat das Landgericht damit rechtsfehlerhaft den Tatvorsatz allein auf eine widerlegte Einlassung gestützt; es hat jedenfalls im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht verkannt, dass einem solchen Widerlegen nur ein begrenzter Beweiswert zukommt (vgl. dazu BGH, Urteile vom 17. Dezember 2019 - 1 StR 364/18 Rn. 10 und vom 5. Juli 1995 - 2 StR 137/95 Rn. 15, BGHSt 41, 153, 155 f.; Beschlüsse vom 18. Mai 2017 - 2 StR 473/16 Rn. 10 und vom 16. Dezember 2015 - 1 StR 503/15 Rn. 8; je mwN). Vielmehr hat das Landgericht die Einlassung des Angeklagten in die Gesamtschau eingestellt und gewürdigt, dass sie sich nicht mit dem objektiven Geschehensablauf vereinbaren lasse.
c) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt zugleich, dass der Angeklagte mit bedingtem Vorsatz bezüglich der Art und des Umfangs der transportierten Betäubungsmittel handelte.
aa) Ein Kurier, der sich zum Transport von Betäubungsmitteln bereit erklärt und weder auf die Menge des ihm übergebenen Rauschgifts Einfluss nehmen noch diese Menge überprüfen kann, wird in der Regel damit rechnen müssen, dass ihm mehr Rauschgift zum Transport übergeben wird, als man ihm offenbart hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn zwischen ihm und seinem Auftraggeber kein persönliches Vertrauensverhältnis besteht. Ist ihm bei dieser Sachlage die tatsächliche Menge der Betäubungsmittel gleichgültig, so handelt er mit bedingtem Vorsatz bezüglich der tatsächlich transportierten Gesamtmenge (vgl. BGH, Urteile vom 21. August 2019 - 1 StR 218/19 Rn. 13; vom 5. Juli 2017 - 2 StR 110/17 Rn. 8 und vom 21. April 2004 - 1 StR 522/03 Rn. 10; Beschluss vom 31. März 1999 - 2 StR 82/99 Rn. 6).
bb) Der Angeklagte hatte kein Vertrauen zum Organisator und führte dennoch den Transport durch; auch insoweit gilt, dass sich der Aufwand nur bei einer erheblichen Menge an zu handelnden Drogen lohnte.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 356
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede