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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 192

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 290/24, Beschluss v. 06.11.2024, HRRS 2025 Nr. 192


BGH 2 StR 290/24 - Beschluss vom 6. November 2024 (LG Erfurt)

Beweiswürdigung (Aussage gegen Aussage); Jugendstrafe (Schädliche Neigungen; Bemessung); Urteilsformel (Bezeichnung der Qualifikation).

§ 260 Abs. 4 Satz 1 StPO; § 261 StPO; § 17 Abs. 2 JGG; § 18 Abs. 2 JGG

Leitsätze des Bearbeiters

1. In Fällen, in denen „Aussage gegen Aussage“ steht, ist eine besonders sorgfältige Gesamtwürdigung aller Umstände durch das Tatgericht vorzunehmen. Erforderlich sind vor allem eine sorgfältige Inhaltsanalyse, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage, eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben. Weiter müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, die die Entscheidung zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten beeinflussen können.

2. Schädliche Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel, aus denen sich eine Neigung zur Begehung von Straftaten ergibt, schon vor der Tat angelegt waren. Die schädlichen Neigungen müssen auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten befürchten lassen.

3. Bei der Bemessung der Jugendstrafe (§ 18 Abs. 2 JGG) ist allein der Erziehungsbedarf vorrangig für die Höhe der Jugendstrafe bestimmend.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 8. Februar 2024 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist

a) in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe,

b) im Strafausspruch und

c) im Ausspruch über die Einziehung.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung, schwerer Vergewaltigung, schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen und Einziehungsentscheidungen getroffen.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Sein Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

1. Die Überprüfung des Schuldspruchs wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte (Fälle II.3, II.4 und II.6 bis II.8 der Urteilsgründe) hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Hingegen hält der Schuldspruch wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und schwerer Vergewaltigung in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat insoweit folgende für das Revisionsverfahren bedeutsame Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Anklagte lernte die damals 32-jährige Geschädigte im Juli 2022 im Stadtgebiet von E. kennen. Zwischen beiden entwickelte sich eine Beziehung, in deren Rahmen es auch zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr kam.

aa) Am 28. Juli 2022 holte der Angeklagte die Geschädigte ab und fuhr mit ihr in die von ihm bewohnte Gemeinschaftsunterkunft. Im Verlauf des Tages nutzte die Geschädigte, die befürchtete, vom Angeklagten zum Bleiben gedrängt zu werden, einen unbeobachteten Moment aus, nahm ihren Rucksack und ihre Handtasche und begab sich in Richtung einer Straßenbahnhaltestelle. Der Angeklagte folgte ihr und stellte sie zur Rede. Als sie weitergehen wollte, stellte der Angeklagte ihr ein Bein und stieß derart mit seinen Händen gegen ihren Rücken, dass sie zu Boden ging und dabei auch mit ihrem Kopf aufschlug. Der Angeklagte begann, die am Boden liegende Geschädigte zu würgen. Er holte ein Klappmesser aus seiner Tasche und sagte zu ihr, dass er dieses, wenn es nötig sei, einsetzen werde. Die Geschädigte stand auf und lief weiter. Sie nahm ihr Mobiltelefon aus der Tasche, um eine Bekannte anzurufen. Der Angeklagte, der ihr nachsetzte, entriss ihr das Telefon und begab sich damit zurück zu seiner Unterkunft. Die Geschädigte ging dem Angeklagten nach und forderte ihn zur Rückgabe des Telefons auf. Der Angeklagte holte daraufhin erneut sein Messer aus der Tasche und drohte der Geschädigten damit, ihr das Gesicht zu zerschneiden. Er nahm ihr die Handtasche ab, in der sich ihr Reisepass und Bargeld in ukrainischer Währung befanden, und begab sich in sein Zimmer. Dort legte er sich in sein Bett. Die Geschädigte, die dem Angeklagten gefolgt war, wartete, bis er eingeschlafen war, und legte sich dann - mit einem Pyjama bekleidet - zu ihm ins Bett (Fall II.1 der Urteilsgründe).

bb) Am nächsten Morgen weckte der Angeklagte die Geschädigte und teilte ihr mit, dass er „Sex von ihr wolle“. Die Geschädigte lehnte dies ab. Der Angeklagte legte seinen linken Arm über ihren Hals, sodass sie nur noch schwer Luft bekam, und begann, sie zu küssen. Die Geschädigte erklärte mehrmals, dass der Angeklagte sie nicht anfassen solle. Er zog ihr dennoch die Pyjamahose nach unten. Der Geschädigten gelang es jedoch, die Hose wieder hochzuziehen. Der Angeklagte nahm nun das auf dem Tisch liegende Klappmesser und hielt es der Geschädigten an den Hals. Er flüsterte ihr unverständliche Worte ins Ohr und lachte. Dann legte er das Messer zur Seite und begann, die Geschädigte, die sich hiergegen zur Wehr setzte, auszuziehen. Anschließend zog der Angeklagte seine Bekleidung aus und presste die Beine der Geschädigten auseinander. Er drang mit seinem erigierten Penis in die Scheide der Geschädigten ein und vollzog gegen ihren erkennbaren Willen den ungeschützten Geschlechtsverkehr an ihr. Sodann ließ er von der Geschädigten ab und holte eine Matratze unter seinem Bett hervor. Er forderte die Geschädigte auf, sich auf die Matratze zu legen, drang erneut in sie ein und führte den ungeschützten Geschlechtsverkehr an ihr bis zum Samenerguss durch. Anschließend übergab der Angeklagte der Geschädigten ihren Reisepass und begleitete sie in ihre Unterkunft (Fall II.2 der Urteilsgründe).

cc) Das Landgericht hat die Tathandlungen des Angeklagten als schweren Raub in Tateinheit mit Körperverletzung und schwere Vergewaltigung gemäß § 223 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1a, § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 8 Nr. 1 StGB gewertet.

Der Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten. Die Jugendkammer hat ihre Überzeugung von den oben dargestellten Taten auf die Angaben der Geschädigten gestützt.

b) Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung hält hinsichtlich der Fälle II.1 und II.2 der Urteilsgründe - auch eingedenk des beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 - 2 StR 235/16, StV 2017, 367, 368 mwN) - sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

aa) In Fällen, in denen - wie hier - „Aussage gegen Aussage“ steht, ist eine besonders sorgfältige Gesamtwürdigung aller Umstände durch das Tatgericht vorzunehmen. Erforderlich sind vor allem eine sorgfältige Inhaltsanalyse, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage, eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2023 - 2 StR 304/23, Rn. 7 mwN). Weiter müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, die die Entscheidung zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten beeinflussen können (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2024 - 1 StR 176/24, Rn. 7 mwN).

bb) Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Beweiswürdigung der Jugendkammer in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe als rechtsfehlerhaft. Sie ist sowohl lückenhaft als auch widersprüchlich.

Zwar hat das Landgericht die Aussage der Geschädigten einer kritischen Würdigung unterzogen. Es hat eine Inhaltsanalyse der Aussage vorgenommen und sich mit der Entstehungsgeschichte sowie dem Aussagemotiv der Geschädigten befasst. Allerdings hat die Jugendkammer den im Rahmen der Konstanzanalyse aufgezeigten Widerspruch in den Aussagen der Geschädigten nur unzureichend aufgelöst.

Die Jugendkammer hat dargelegt, dass die Geschädigte zwar am 30. Juli 2022 Anzeige gegen den Angeklagten erstattet habe, jedoch aufgrund der bestehenden Sprachbarriere erst am 17. August 2022 polizeilich vernommen werden konnte. In dieser Vernehmung hat die Geschädigte zwar den Einsatz eines Messers im Fall II.1 der Urteilsgründe, nicht jedoch bei der ebenfalls beschriebenen Vergewaltigung (Fall II.2 der Urteilsgründe) geschildert. Die Verwendung eines Messers bei diesem Geschehen hat die Geschädigte erstmals in einer weiteren polizeilichen Vernehmung am 9. März 2023 bekundet.

Das Landgericht misst dem Umstand, dass die Geschädigte bei ihrer ersten polizeilichen Vernehmung am 17. August 2022 von einem Messereinsatz des Angeklagten während des Vergewaltigungsgeschehens nichts berichtet hat, keine weitere Bedeutung zu. Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben der Geschädigten bestünden nicht, da nachvollziehbar sei, „dass die Zeugin sich bei ihren Angaben auf den Akt der Vergewaltigung konzentriert“ habe, „zumal in der Vernehmung das Messer an anderer Stelle bereits mehrfach zur Sprache gekommen [sei]“. Die Vernehmung vom 9. März 2023 habe zudem darauf abgezielt, das Tatgeschehen vom Morgen des 29. Juli 2022 genauer zu beleuchten. Daher sei es normal, „dass […] dann Details zur Sprache kommen, die bei der ersten Vernehmung noch nicht erwähnt [worden seien]“.

In diesem Zusammenhang übersieht die Kammer jedoch, dass der Einsatz des Messers nach den Schilderungen der Geschädigten in der Hauptverhandlung für den „Akt der Vergewaltigung“ sehr bedeutsam gewesen ist. Die Geschädigte hat insoweit angegeben, der Angeklagte habe, nachdem er ihr die Messerklinge an den Hals gehalten habe, das Messer beiseitegelegt, wodurch sie einen Moment abgelenkt gewesen sei. Diesen Moment habe der Angeklagte ausgenutzt und ihr die Hose ausgezogen. Da die Geschädigte sowohl in der Hauptverhandlung als auch im Rahmen ihrer ersten polizeilichen Aussage geschildert hat, sich gegen das Ausziehen ihrer Pyjamahose gewehrt zu haben, kommt dem von ihr in der Hauptverhandlung beschriebenen Detail, durch das Weglegen des Messers abgelenkt gewesen zu sein, ein nicht unerheblicher Beweiswert zu.

Ob die Jugendkammer das Fehlen einer Angabe der Geschädigten zu dem Einsatz eines Messers bei ihrer am 17. August 2022 gegenüber der Polizei geschilderten Vergewaltigung durch den Angeklagten in der Hauptverhandlung kritisch hinterfragt hat, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die Einschätzung des Landgerichts, es sei normal, dass bei der ersten Vernehmung nicht alle Details zur Sprache kommen, ist in Bezug auf die Verwendung eines Messers, das nach den Feststellungen dem Tatopfer an den Hals gehalten wurde, nicht nachvollziehbar und bedurfte näherer Erläuterung.

Dies gilt auch für das vom Landgericht festgestellte Verhalten der Geschädigten am Abend des 28. Juli 2022. Die Urteilsgründe lassen insofern eine Befassung mit dem Umstand vermissen, dass sich die Geschädigte nach einem körperlichen Angriff auf ihre Person und der Wegnahme ihrer Wertgegenstände unter Einsatz eines Messers dazu entschied, bei dem Angeklagten zu übernachten. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, warum die Geschädigte diese Entscheidung traf, obwohl es ihr, nachdem der Angeklagte eingeschlafen war, ohne Weiteres möglich war, das Zimmer zu verlassen und Hilfe zu holen, drängt sich bei dieser Sachlage auf.

cc) Der Mangel der Beweiswürdigung zwingt zur Aufhebung der Verurteilungen wegen (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und schwerer Vergewaltigung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Jugendkammer bei einer rechtsfehlerfreien Würdigung der Aussage der Nebenklägerin zu einer für den Angeklagten günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Um dem neuen Tatrichter eine einheitliche Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Aussage der Geschädigten zu ermöglichen, hebt der Senat auch die den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe zugrundeliegenden Feststellungen auf.

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.1 und II. 2 der Urteilsgründe erfasst die Einziehungsentscheidung und, weil gegen den Angeklagten eine Einheitsjugendstrafe verhängt worden ist, den gesamten Strafausspruch (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2023 - 4 StR 32/23, Rn. 23 mwN).

Der Strafausspruch weist aber auch weitere Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Denn das Landgericht hat die Verhängung von Jugendstrafe allein auf das Vorliegen schädlicher Neigungen gestützt und dies damit begründet, dass „die Anzahl und das Gewicht der hier gegenständlichen Taten“ bereits dafür sprächen. Zudem habe der Angeklagte „mehrere schwer wiegende Verbrechen begangen, für die laut Strafgesetzbuch bei Erwachsenen empfindliche Freiheitsstrafen vorgesehen“ seien. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Schädliche Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel, aus denen sich eine Neigung zur Begehung von Straftaten ergibt, schon vor der Tat angelegt waren. Die schädlichen Neigungen müssen auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten befürchten lassen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 3. März 2021 - 2 StR 218/20, Rn. 22 mwN). Aus den vom Landgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich schon nicht hinreichend, dass in dem Angeklagten bereits vor der Tat auf schädliche Neigungen hinweisende Persönlichkeitsmängel angelegt waren. Von der Verfolgung von Taten des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, der Bedrohung, der Sachbeschädigung und des Erschleichens von Leistungen hat die Staatsanwaltschaft im Jahr 2022 jeweils gemäß § 45 Abs. 1 bzw. Abs. 2 JGG abgesehen, was darauf hinweist, dass diese Straftaten als so geringfügig zu bewerten waren, dass sie für die Annahme des Vorhandenseins schädlicher Neigungen beim Angeklagten nicht herangezogen werden können. Dass sich aus dem festgestellten Alkohol- und Drogenkonsum des Angeklagten noch zum Zeitpunkt der Aburteilung bestehende Anlage- und Erziehungsmängel ergeben hätten, die zudem die Begehung weiterer Straftaten befürchten ließen, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Der pauschale Hinweis, dem Angeklagten müsse „durch erzieherische Einwirkung klargemacht werden, wie man sich in einem Rechtsstaat insbesondere gegenüber Frauen und Kindern zu verhalten hat“, ist insoweit nicht ausreichend.

Darüber hinaus lassen die Urteilsgründe besorgen, die Jugendkammer habe bei der Bemessung der Jugendstrafe (§ 18 Abs. 2 JGG) nicht hinreichend in den Blick genommen, dass allein der Erziehungsbedarf vorrangig für die Höhe der Jugendstrafe bestimmend ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2021 - 2 StR 218/20, Rn. 23 mwN; Beschluss vom 22. Februar 2022 - 3 StR 279/21, Rn. 5).

4. Sollte das neue Tatgericht wiederum feststellen, dass der Angeklagte sowohl bei der Wegnahme der Handtasche der Geschädigten als auch bei deren Vergewaltigung ein Messer einsetzte, wäre dieser des besonders schweren Raubes und der besonders schweren Vergewaltigung schuldig. Die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat verlangt eine Kennzeichnung der Qualifikation in der Urteilsformel, bei der der gesteigerte Unrechtsgehalt sowohl des § 250 Abs. 2 StGB als auch des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. August 2023 - 5 StR 221/23, und vom 1. Oktober 2019 - 3 StR 314/19, Rn. 2). Das auf die Rechtsfolgen beschränkte Verschlechterungsverbot stünde einer Verschärfung des Schuldspruchs nicht entgegen.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 192

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede