HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1204
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 221/23, Beschluss v. 30.08.2023, HRRS 2023 Nr. 1204
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Dezember 2022 werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Angeklagten jeweils des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub schuldig sind.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Da die Angeklagten - wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - durch den Einsatz des Jagdmessers als Drohmittel den Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwirklichten, ist der Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin zu berichtigen, dass die Angeklagten des besonders schweren Raubes (statt „schweren Raubes“) in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub schuldig sind. Die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat verlangt eine Kennzeichnung der Qualifikation in der Urteilsformel, bei der der gesteigerte Unrechtsgehalt des § 250 Abs. 2 StGB zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2020 - 2 StR 473/19).
Zu Recht hat die Strafkammer angenommen, dass der Tatbestand des § 239a Abs. 1 StGB erfüllt ist:
Die Angeklagten bemächtigten sich nicht nur der beiden von ihnen als anwesend erwarteten Wohnungs- und Gewahrsamsinhaber, sondern fünf weiterer Personen, die sie über den Zeitraum von mindestens zehn Minuten auf dem Sofa im Wohnzimmer der Wohnung festhielten, massiv bedrohten und dadurch so einschüchterten und verängstigten, dass einer der Angeklagten tatplangemäß ungestört die Wohnung nach Bargeld und weiteren Wertsachen durchsuchen konnte.
Diese Bemächtigungssituation hatte mithin die - vor allem bei Zweipersonenverhältnissen erforderliche - gewisse Stabilisierung erreicht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 9. Juni 1999 - 3 StR 78/99, NStZ 1999, 509; vom 19. September 2001 - 2 StR 240/01, NStZ 2002, 31; vom 22. Oktober 2009 - 3 StR 372/09, NStZ 2010, 516; vom 28. April 2021 - 2 StR 223/20 Rn. 11). Anders als die Revision meint, kam der Bemächtigungslage schon mit Blick auf die Stabilität der Zwischenlage eine eigenständige Bedeutung zu. Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ist zudem bei Dreipersonenverhältnissen - wie sie hier mit Blick auf die Kinder der Wohnungsinhaber, ihren Neffen und den Bruder der Ehefrau gegeben sind - regelmäßig erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2001 - 2 StR 240/01, NStZ 2002, 31, 32), weil in diesen Fällen die Sorge des zu einer Handlung oder Duldung genötigten Dritten um das Wohl des unmittelbaren Tatopfers ausgenutzt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 1999 - 3 StR 78/99, NStZ 1999, 509). Dies grundlegend anders zu bewerten, wenn - wie hier - der zu Nötigende zugleich auch von der Bemächtigungslage betroffen ist, besteht kein Anlass. Denn auch in diesen Fällen kann eine selbständige Bedeutung des Sichbemächtigens darin gesehen werden, dass der Täter seine Drohung gegenüber dem Opfer, das sich in seiner Gewalt befindet, jederzeit wahrmachen kann. Dieser Umstand ist bei einer nötigungsrelevanten Drohung für sich genommen nicht notwendig gegeben und geht damit darüber hinaus (vgl. auch MüKoStGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 239a Rn. 57). Weiter hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass der Tatbestand des erpresserischen Menschenraubs auch dann erfüllt ist, wenn sich die Ausnutzungsabsicht des Täters auf die Begehung eines Raubes richtet, weil dieser Tatbestand von demjenigen der Erpressung mitumfasst ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2004 - 5 StR 197/04, NStZ-RR 2004, 333, 334 mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1204
Bearbeiter: Christian Becker