HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 372
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 279/21, Beschluss v. 22.02.2022, HRRS 2022 Nr. 372
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 25. Februar 2021 im Ausspruch über die Jugendstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“, Landfriedensbruchs in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in drei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2. Der Strafausspruch hält dagegen materiellrechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, gegen den im Tatzeitraum 18 bzw. 19 Jahre alten Angeklagten sei gemäß § 17 Abs. 2, § 105 Abs. 1 JGG jedenfalls wegen Schwere der Schuld auf Jugendstrafe zu erkennen.
b) Die Strafzumessung genügt hingegen nicht den Anforderungen, die § 18 Abs. 2 JGG an sie stellt. Nach dieser Vorschrift ist die Höhe der Jugendstrafe in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. März 2019 - 3 StR 452/18, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 13 Rn. 5; vom 8. Januar 2015 - 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154, 155; vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186 mwN). Das Landgericht hat demgegenüber fast ausnahmslos dem Erwachsenenstrafrecht entlehnte Strafzumessungsgesichtspunkte wie seine fehlenden Vorstrafen, sein Teilgeständnis, seine Eigenschaft als Erstverbüßer, seine hohe Gewaltbereitschaft, die Verstrickung Dritter in die Taten und weitere objektive Tatumstände berücksichtigt. Der Erziehungsgedanke findet Erwähnung nur insoweit, als die jeweilige Jugendstrafe nach § 18 Abs. 2 JGG „so zu bemessen ist, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten möglich ist“. Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens reicht indes grundsätzlich nicht aus (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2015 - 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154, 155; vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, NStZ 2013, 287 mwN).
c) Rechtsfehlerhaft hat die Strafkammer zudem Einzeljugendstrafen verhängt. § 31 Abs. 1 JGG - als zentrale Vorschrift für das jugendstrafrechtliche Einheitsprinzip - regelt die Rechtsfolgenfestsetzung beim Zusammentreffen mehrerer realkonkurrierender Straftaten und tritt damit an die Stelle der §§ 53, 54 StGB. Ohne Rücksicht auf die Zahl der Gesetzesverletzungen und die Art ihres Zusammentreffens soll über die Rechtsfolge einheitlich entschieden werden, orientiert an der Person des Täters und dem Umfang der erzieherisch gebotenen Beeinflussung (Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 JGG Rn. 3 ff. mwN; Eisenberg/Kölbel, JGG, 22. Aufl., § 31 Rn. 3 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 27. Mai 1975 - 5 StR 115/75, BGHSt 26, 152, 154).
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 372
Bearbeiter: Christian Becker