HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 234
Bearbeiter: Holger Mann
Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 2103/20, Beschluss v. 20.12.2023, HRRS 2024 Nr. 234
1. Das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 30. Oktober 2020 - 1 Rv 125/20 - und das Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 27. April 2020 - 323 Ls 962 Js 1957/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Halle (Saale) zurückverwiesen.
2. Das Land Sachsen-Anhalt hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, in welchem Umfang ein Strafgericht den tatgegenständlichen Sachverhalt durch Beweiserhebungen aufzuklären hat, wenn sich der Angeklagte im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO geständig eingelassen hatte.
1. Das Amtsgericht Halle (Saale) verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 27. April 2020 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 26 Fällen - davon in einem Fall im besonders schweren Fall - gemäß § 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte.
a) In der Hauptverhandlung am 27. April 2020 schlug der Vorsitzende des Schöffengerichts eine Verständigung gemäß § 257c StPO vor. Für den Fall einer geständigen Einlassung werde dem Beschwerdeführer eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen einem Jahr und einem Jahr und drei Monaten zugesichert, die zur Bewährung ausgesetzt werden solle. Der Beschwerdeführer und der Vertreter der Staatsanwaltschaft stimmten der Verständigung zu. Der Pflichtverteidiger gab für den Beschwerdeführer sodann folgende Erklärung ab:
Herr (…) bestätigt die Tatvorwürfe aus der Anklage vom 26.06.2019. Herr (…) war Geschäftsführer der Firma und beschäftigte viele Arbeitnehmer aus Osteuropa. Ob dieser Personenkreis unternehmerisch tätig war oder nicht, war ihm nicht wichtig. Das lässt sich heute und zum damaligen Zeitpunkt auch nicht mehr prüfen. Es ist richtig, dass diese Personen durch Herrn (…) untergebracht w[u]rden. Ihn hat nicht interessiert, ob die Arbeitnehmer anzumelden sind oder dies bereits geschah. Er hat sich um die Dinge nicht gekümmert, er nahm die Konsequenzen in Kauf. Ihm war wichtig, dass die Leute arbeiteten. Eine Barauszahlung war ihm auch nicht ungeläufig, der soziale Status der Arbeitnehmer war gering, die Leute wollten schnelles Geld. Er kann nicht nachvollziehen, was im Einzelnen bezahlt wurde und was nicht, er hat nicht gefragt, was die Leute im Einzelnen machen, ihm war nur wichtig, dass sie arbeiten.
Der Tatvorwurf wird als bestätigt eingeräumt und dass die Herren, die in der Anklage aufgeführt sind, für ihn gearbeitet haben.
Der Beschwerdeführer bestätigte diese Erklärung mit den Worten: „Das ist richtig so“ . Auf die Frage des Vertreters der Staatsanwaltschaft, ob bereits Rückzahlungen geleistet worden seien, erklärte der Pflichtverteidiger, dass der Beschwerdeführer nicht mehr als Unternehmer tätig und insolvent sei. Er sei nicht berechtigt, derartige Zahlungen zu tätigen.
Ausweislich des Sitzungsprotokolls machte der Beschwerdeführer sodann noch Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Nach der Verlesung eines Auszugs aus dem Bundeszentralregister wurde die Beweisaufnahme geschlossen.
b) Das Amtsgericht stellte in den Urteilsgründen fest, der Beschwerdeführer sei Inhaber eines Bauunternehmens gewesen und habe zur Erbringung der Bauleistungen überwiegend bulgarische Staatsangehörige als sogenannte „Scheinselbstständige“ beschäftigt. Bei diesen habe es sich um Arbeitnehmer gehandelt, die der Beschwerdeführer jeweils „schwarz“ entlohnt habe, also ohne Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abzuführen. Der Beschwerdeführer habe im Tatzeitraum vom 1. Januar 2012 bis 23. Dezember 2014 Nettolöhne in Höhe von insgesamt 803.302,12 Euro ausgezahlt.
Der Beschwerdeführer habe zwar nicht positiv erkannt, dass es sich bei den „Scheinselbstständigen“ um Arbeitnehmer gehandelt habe. Er habe dies aber billigend in Kauf genommen; ebenso habe er billigend in Kauf genommen, dass er insoweit als Arbeitgeber fungiert habe.
Der Beschwerdeführer habe es bedingt vorsätzlich unterlassen, der zuständigen Einzugsstelle die Beschäftigung seiner Arbeitnehmer zu melden, die von ihm gezahlten Entgelte mitzuteilen und die hierauf entfallenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt abzuführen. Hierdurch habe er Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 494.793,19 Euro vorenthalten. Zur Berechnung fügte das Amtsgericht eine Tabelle ein, in der der jeweilige Beitragsmonat, die darauf entfallenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile sowie der Gesamtbetrag ausgewiesen waren.
Die Feststellungen, so das Amtsgericht, beruhten auf den vollumfänglich geständigen Einlassungen des Beschwerdeführers. Zwar habe er die Einlassungen im Rahmen einer Verständigung gemäß § 257c StPO abgegeben. Das Gericht habe aber keine Anhaltspunkte dafür erkennen können, dass er sich deshalb in einer besonderen Anreiz- oder Verlockungssituation befunden habe und dass das Geständnis daher Zweifeln unterliegen könnte. Auf den Beschwerdeführer sei keinerlei Druck ausgeübt worden. Im Gegenteil habe der Vorsitzende im Rahmen der vorbereitenden Gespräche erläutert, dass auch dann, wenn der Beschwerdeführer kein Geständnis ablege, eine Gesamtfreiheitsstrafe im nicht mehr aussetzungsfähigen Bereich kaum zu erwarten sei, wenngleich natürlich ein Geständnis deutlich strafmildernd berücksichtigt werden würde. Für die Richtigkeit des Geständnisses spreche auch, dass es sich mit den in der Hauptverhandlung erörterten Feststellungen in dem Urteil vom 25. Juli 2019 decke. In diesem sei der Beschwerdeführer wegen eines mit dem vorliegend abgeurteilten Sachverhalt in engem Zusammenhang stehenden Tatvorwurfs (Lohnsteuerhinterziehung für bei ihm beschäftigte Schwarzarbeiter) verurteilt worden.
Im Rahmen der Strafzumessung stellte das Amtsgericht fest, dass dem Geständnis (auch) deshalb eine erhöhte strafmildernde Wirkung zukomme, weil das Gericht andernfalls eine sehr lange und umfangreiche Beweisaufnahme hätte durchführen müssen, die durch das Geständnis nun erspart worden sei.
2. Der Beschwerdeführer legte gegen das amtsgerichtliche Urteil Sprungrevision ein, die er mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
Er rügte im Wesentlichen die Verletzung der Amtsaufklärungspflicht und die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit der erzielten Verständigung. Das Amtsgericht habe seine Überzeugung allein aus der vom Beschwerdeführer bestätigten Verteidigererklärung geschöpft. Es habe keine sonstigen Beweismittel herangezogen, die den Anklagevorwurf hätten bestätigen können. Die Amtsaufklärungspflicht des Gerichts sei durch die Verständigung nicht suspendiert worden und das Geständnis hätte auf seine Zuverlässigkeit hin überprüft werden müssen. Der Beschwerdeführer habe eingeräumt, sich über den sozialrechtlichen Status der Arbeiter keine Gedanken gemacht zu haben, und habe daher nicht mit Eventualvorsatz, sondern lediglich fahrlässig gehandelt. Die gebotene Einvernahme bestimmter Zeugen hätte dazu führen können, den Beschwerdeführer von dem Vorwurf vorsätzlichen Handelns zumindest teilweise zu entheben. Überdies habe sich der Beschwerdeführer weder zur Frage der konkreten Schadenshöhe noch zur Richtigkeit der sozialrechtlichen Berechnungen äußern können, sodass das Gericht sich seine Überzeugung vom Schadensumfang nicht allein auf Grundlage des Geständnisses hätte verschaffen dürfen.
3. Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg beantragte, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Das Urteil könne schon deshalb keinen Bestand haben, weil es materiell-rechtlich unvollständig sei. Es sei nicht erkennbar, aufgrund welcher Berechnungsgrundlagen und Berechnungen das Tatgericht jeweils zu der Höhe der vorenthaltenen Beiträge gekommen, beziehungsweise ob aufgrund der tatsächlichen Umstände eine Schätzung erfolgt sei. Ein Rückgriff auf die in der Anklageschrift gemachten Ausführungen zur Schadensberechnung sei revisionsrechtlich nicht möglich.
Auch die Beweiswürdigung sei lückenhaft und halte sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Amtsgericht habe seine Feststellungen zur Tatbegehung allein auf die geständigen Einlassungen des Beschwerdeführers gestützt und sich seine Überzeugung von dessen Täterschaft auf unzureichender Basis verschafft. Die Urteilsgründe ließen nicht erkennen, dass das Amtsgericht das Geständnis des Beschwerdeführers einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen habe. Zu einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Begründung hätte es zunächst der Erläuterung der geständigen Einlassung des Beschwerdeführers bedurft. Ohne Kenntnis von Einzelheiten sei nicht zu erkennen, ob das auf Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt bezogene Geständnis auch sämtliche Tatbestandsmerkmale des Straftatbestandes erfasse.
Bediene sich der Beschwerdeführer zudem wie hier bei seiner Erklärung in der Hauptverhandlung der Hilfe seines Verteidigers, hätte das Amtsgericht darlegen müssen, aufgrund welcher Umstände es sich im Einklang mit dem Geständnis vom Vorliegen der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen und vom Vorsatz überzeugt habe. Eine Mitteilung der konkreten Angaben des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung fehle jedoch, weshalb im Ergebnis nicht nachvollzogen werden könne, ob der Beschwerdeführer subjektiv sämtliche Tatbestandsmerkmale billigend in Kauf genommen habe.
4. Das Oberlandesgericht Naumburg verwarf die Revision mit Urteil vom 30. Oktober 2020 als unbegründet.
Die Feststellungen des Amtsgerichts seien in Ansehung der Besonderheiten des Falles und der Gesamtumstände ausreichend, um den Schuldspruch zu tragen. Das Amtsgericht habe zwar die Grundlagen und Berechnungen der jeweiligen Beträge nicht mitgeteilt. Darin sei indes kein sachlich-rechtlicher Mangel zu sehen, denn der Beschwerdeführer habe in der Hauptverhandlung dargelegt, dass die Angaben in der Anklageschrift zutreffend seien und sich umfassend geständig eingelassen.
Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts begegne keinen Bedenken und habe in Ansehung des glaubhaften Geständnisses knapp gehalten werden dürfen. Der Beschwerdeführer habe die Ausführungen seines Verteidigers als richtig bestätigt. Er habe die Tatvorwürfe aus der Anklageschrift eingeräumt, weitere Ausführungen gemacht und damit konkret zum Ausdruck gebracht, dass er sich mit den Vorwürfen der Anklageschrift und der Problematik, dass die von ihm beschäftigten Arbeitnehmer keine selbstständigen Unternehmer gewesen seien, substantiiert befasst habe.
Die in der Anklageschrift enthaltenen Berechnungen seien von ihm zwar ausdrücklich nicht erwähnt worden. Indes sei von ihm auch nicht im Ansatz bezweifelt worden, dass die in der Anklageschrift genannten Beträge, die den Ausgangspunkt für die im Urteil festgestellten Sozialversicherungsbeiträge bildeten, unzutreffend seien. In Ansehung der Besonderheiten des Falles könne kein Zweifel daran bestehen, dass der Beschwerdeführer zu der geständigen Einlassung, auch bezogen auf die Berechnungsgrundlagen entsprechend den umfassenden Mitteilungen in der Anklageschrift, in der Lage gewesen sei. Der Senat sei an der Kenntnisnahme des Inhalts der Anklageschrift auch nicht gehindert, sondern hierzu von Amts wegen gehalten.
Es seien keine Umstände ersichtlich und vom Beschwerdeführer auch nicht dargelegt worden, die das Amtsgericht dazu hätten veranlassen müssen, die Richtigkeit seiner auf die Anklageschrift bezugnehmenden geständigen Einlassung tiefergehend zu überprüfen. Das Geständnis des Beschwerdeführers habe einen als glaubhaft bewertbaren, inhaltlichen Gehalt, da es mit der Bezugnahme auf die ihm zur Last gelegten Taten, wie sie in der Anklageschrift im Einzelnen beschrieben seien, sämtliche den späteren Schuldspruch tragende Sachverhaltselemente erfassen würde. Es sei vorliegend zu bedenken, dass der Beschwerdeführer nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil in den Jahren 2007 bis 2016 selbstständig im Baugewerbe tätig gewesen sei. Es sei also davon auszugehen, dass er im Geschäftsleben erfahren und insbesondere mit der Pflicht, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, vertraut gewesen sei. Ferner sei er anwaltlich vertreten und zur Zeit der Hauptverhandlung bereits zum zweiten Mal einem Strafverfahren ausgesetzt gewesen, denn am 25. Juli 2019 habe ihn das Amtsgericht bereits wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen verurteilt. Der im Geschäftsleben erfahrene Beschwerdeführer habe zudem, unterstützt durch seinen Verteidiger, in der Zeit zwischen Anklageerhebung und Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ausreichend Zeit gehabt, um sich auf diese vorzubereiten und insbesondere um die Richtigkeit der in der Anklageschrift enthaltenen Angaben zu überprüfen.
Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren und die Verletzung des Gebots schuldangemessenen Strafens durch die Urteile des Amtsgerichts Halle (Saale) und des Oberlandesgerichts Naumburg.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzten das gesetzgeberische Schutzkonzept zu Verständigungen im Strafverfahren. Das Amtsgericht sei seiner Amtsaufklärungspflicht nicht nachgekommen, sondern habe die Feststellungen zur Tatbegehung allein auf die Einlassung des Beschwerdeführers gestützt. Auch bei Geständnissen müsse sich das Gericht im Urteil dazu verhalten, auf welcher beweisrechtlichen Tatsachengrundlage es seine Überzeugung gewonnen habe. Das Amtsgericht habe die Erklärung des Beschwerdeführers im Urteil nicht erörtert und auch nicht in den Kontext der vorgeworfenen Sachverhalte gestellt, um anschließend darzulegen, warum die Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts festständen und keine weitere Beweiserhebung erforderlich sei. Das Amtsgericht habe nicht untersucht, ob die Erklärung den Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen erfülle, ob es Glaubwürdigkeitsbedenken gegeben habe und ob die Erklärung in sich stimmig gewesen sei. Das Oberlandesgericht gehe zudem fehl in der Annahme, dass der Beschwerdeführer den Berechnungen hätte entgegentreten können, wenn er sie für unrichtig gehalten hätte. Es sei nicht Aufgabe des Angeklagten, die Berechnungen zu überprüfen, sondern des Gerichts im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht.
1. Das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt hat von einer Äußerung abgesehen. Der Generalbundesanwalt hat zur Sache Stellung genommen.
a) Der Generalbundesanwalt hält die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der mit der Revision geltend gemachten Verfahrensrügen für unzulässig, da sie allesamt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügten. Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Amtsgerichts Sprungrevision eingelegt habe, führe zwar noch nicht dazu, dass eine Erschöpfung des Rechtswegs generell zu verneinen wäre. Der Verzicht des Beschwerdeführers gerade auf diejenige Instanz, die dem Beschwerdeführer in erster Linie die Möglichkeit verschafft hätte, eine neue Beweisaufnahme zu erreichen, werfe allerdings die Frage auf, ob er sich tatsächlich aller zumutbaren Mittel bedient habe, um die geltend gemachten Grundrechtsverletzungen bereits im fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen. Es sei daher einschränkend zu verlangen, dass bei Einlegung einer Sprungrevision mit der Verfassungsbeschwerde ausschließlich Rechtsfehler beanstandet werden könnten, die auch mit den Mitteln des Revisionsgerichts feststellbar seien.
b) Soweit der Generalbundesanwalt die Verfassungsbeschwerde jedenfalls hinsichtlich der erhobenen Sachrüge bezogen auf die Beweiswürdigung des Tatgerichts für zulässig erachtet, hält er sie für unbegründet. Der Inhalt des vom Beschwerdeführer abgegebenen Geständnisses reiche aus, um die Überzeugung des Tatrichters zu begründen.
aa) Gemeinsamer Kern aller Überlegungen in der Literatur und Rechtsprechung zu der Frage, wie die vom Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über die Verständigung im Strafverfahren (vgl. BVerfGE 133, 168 <203 ff.>) aufgestellten Maßstäbe praktisch umzusetzen seien und wie sich die Forderung nach Überprüfung des Geständnisses durch eine - wie auch immer gestaltete - Beweisaufnahme mit dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 261 StPO in Einklang bringen lasse, sei letztlich der Sinn des Strafprozesses, den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Zu den wesentlichen Prinzipien des deutschen Strafprozesses zähle der Grundsatz der freien Beweiswürdigung durch das Gericht. Dieser Grundsatz binde das Tatgericht an keine gesetzlichen Beweisregeln, erlege ihm jedoch die Pflicht auf, im Einzelfall die Aussagekraft der zulässigerweise erhobenen Beweise sorgfältig zu überprüfen und zu würdigen. Die Ermittlung des wahren Sachverhalts im Strafprozess sei kein Selbstzweck, sondern habe eine dienende Funktion. Sie solle die Grundlage für die Entscheidung über die Schuld des Angeklagten sowie gegebenenfalls über die Eingrenzung des rechtlich zulässigen und die Auswahl der letztlich angemessenen Rechtsfolge bieten. Dies bedeute zugleich, dass eine Beweiserhebung um der Beweiserhebung willen unzulässig sei. Beweiserhebungen, die lediglich um einer formalen Absicherung willen erfolgten, ohne einen materiellen Erkenntnisgewinn herbeiführen zu können, könnten durch die Aufklärungspflicht nicht geboten sein. Die Aufklärungspflicht erstrecke sich auch nur auf Tatsachen, die aus praktischer Sicht geeignet wären, die Entscheidung über die Schuldfrage und die Rechtsfolgen in irgendeiner Weise tatsächlich zu beeinflussen; die bloß denktheoretische Möglichkeit einer entsprechenden Beweisrelevanz könne hierfür nicht ausreichen. Überdies dürften die grundrechtlich geschützten Interessen anderer Verfahrensbeteiligter nicht völlig aus den Augen gelassen werden. Es würde in vielen Fällen auf nachvollziehbares Unverständnis stoßen, wenn das Gericht den Zeugen mitteilen würde, dass sie erneut vor Gericht befragt werden müssten, ob ihre bei der Polizei gemachten Angaben zuträfen, obgleich der Angeklagte den Anklagevorwurf schon gestanden habe und das Gericht von seiner Schuld auch im vollen Umfang überzeugt sei.
bb) Bei Anwendung dieser Maßstäbe ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass gegen prozessuale Grundrechte des Beschwerdeführers verstoßen worden sei.
(1) Der Beschwerdeführer sei entgegen der in der Verfassungsbeschwerdebegründung vertretenen Auffassung durchaus in der Lage gewesen, diejenigen Tatsachen zu gestehen, welche die Grundlage des Tatvorwurfs bildeten.
Dies betreffe zunächst die seiner Wahrnehmung zugänglichen Tatsachen, anhand derer seine Eigenschaft als Arbeitgeber im Sinne von § 266a StGB beurteilt werden könne. Die Einzelheiten des Beschäftigungsverhältnisses mit den bulgarischen Arbeitskräften seien ihm bekannt. Er habe beispielsweise gewusst, ob von den Arbeitskräften erwartet worden sei, ihre Arbeitsmittel selbst mitzubringen, wie im Krankheitsfall verfahren werde und ob die Bezahlung ausgehandelt worden sei. Der Einsatz von Scheinselbstständigen zähle zu den eindeutigen Fällen, in denen von einer Arbeitgeberstellung ausgegangen werden könne. In derartigen Konstellationen, in denen die rechtliche Bewertung der Arbeitgeberstellung nicht ernsthaft zweifelhaft sei, müsse es einem Angeklagten auch möglich sein, in einer abgekürzten Redeweise zu gestehen, dass er als Arbeitgeber fungiert und Arbeitnehmer beschäftigt habe.
Das Geständnis des Beschwerdeführers könne sich auch auf sein inneres Vorstellungsbild hinsichtlich der Arbeitgeberstellung beziehen. Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Baugewerbe erfahren, das Thema der Scheinselbstständigkeit in diesem Gewerbe vermehrt Gegenstand des öffentlichen Diskurses und das gewählte Geschäftsmodell von vornherein auf Verschleierung und Umgehung sozialversicherungsrechtlicher Verpflichtungen ausgerichtet gewesen sei, habe der Rückschluss auf einen entsprechenden direkten Vorsatz nahegelegen.
Auch die Höhe der gezahlten Löhne habe unproblematisch Inhalt eines Geständnisses sein können. Dem Beschwerdeführer seien zwar pflichtwidrig keine entsprechenden Aufzeichnungen vorgehalten worden und die an die Arbeitnehmer ausgezahlten Löhne hätten auch nicht auf anderem Wege ermittelt werden können. In einem solchen Fall könne die Höhe der vorenthaltenen Beiträge auf Grundlage der tatsächlichen Umstände geschätzt werden. Eine Schätzung könne als solche zwar nicht Gegenstand eines Geständnisses sein. Ein Angeklagter könne aber sehr wohl ein „Geständnis“ im Sinne eines Anerkenntnisses abgeben, dass keine anderweitige Beweisgrundlage vorliege, die nähere Feststellungen gestatten würde, und dass die Schätzungsgrundlagen zutreffen würden. Wollte man sich nicht mit einer Bestätigung der Schätzgrundlage begnügen, sondern von einem Angeklagten stets fundierte Einlassungen zum wahren Schuldumfang erwarten, würde man ihm in vielen Fällen eine Selbstbelastung abverlangen.
(2) Das vom Beschwerdeführer abgegebene Geständnis sei hinreichend qualifiziert, um eine Überzeugungsbildung des Amtsgerichts zu ermöglichen.
Der Beschwerdeführer habe nicht lediglich ein Formalgeständnis abgegeben und sich darauf beschränkt, den Anklagevorwurf pauschal einzuräumen. Er habe durch seinen Verteidiger nähere Ausführungen, vor allem zur inneren Tatseite, machen lassen. Das Gericht habe die aus der Verständigung erwachsene Anreiz- und Verlockungssituation für den Beschwerdeführer in den Blick genommen und sei berechtigt gewesen, von einer dem Geständnis immanenten Glaubhaftigkeit auszugehen. Es sei nicht erkennbar, dass weitere Beweiserhebungen unter den Umständen des vorliegenden Falles eine Aussicht auf einen irgendwie gearteten Erkenntnisgewinn versprochen hätten. Insbesondere wäre eine Vernehmung von Ermittlungsbeamten auf ein „affirmatives Ritual“ hinausgelaufen.
(3) Auch die Entscheidung des Revisionsgerichts verletze den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten. Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils seien zwar nicht völlig frei von Lücken. Das Oberlandesgericht habe sich gleichwohl in der Lage sehen dürfen, eine Beschwer durch das Urteil sicher ausschließen zu können. Im Ergebnis hätten die Urteilsfeststellungen die Überprüfung zugelassen, dass das Amtsgericht zu einer Schätzung der hinterzogenen Beiträge berechtigt gewesen, dass es bei dieser Schätzung methodisch richtig vorgegangen sei und dass die für die Strafzumessung zugrunde gelegten Schadenssummen als Mindestbeträge der Größenordnung nach zutreffend festgestellt seien.
2. Auf die Stellungnahme des Generalbundesanwalts hat der Beschwerdeführer erwidert und im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen bekräftigt.
3. Die Ermittlungsakten des Ausgangsverfahrens (vier Aktenbände nebst sechs Leitz-Ordnern Anlagen) haben der Kammer vorgelegen.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b, § 93b Satz 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden; die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und genügt insbesondere dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Gebot der Subsidiarität (vgl. BVerfGE 81, 22 <27>; stRspr).
Der geltend gemachte Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren konnte durch das Revisionsgericht auf die zulässig erhobene Sachrüge hin umfassend geprüft werden. Das Oberlandesgericht hat sich bei der Erörterung der Problematik, ob die Feststellungen des Amtsgerichts ausreichend gewesen sind, um den Schuldspruch zu tragen, inhaltlich mit dem gesamten Vortrag des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und nicht danach differenziert, ob das Vorbringen im Zusammenhang mit der erhobenen Verfahrens- oder Sachrüge erfolgt ist. Diese Vorgehensweise war vorliegend auch angezeigt. Denn die Frage, ob sich das Amtsgericht seine Überzeugung von der Schuld des Beschwerdeführers auf zureichender Tatsachengrundlage verschafft hat (§ 261 StPO), hängt untrennbar mit der Prüfung zusammen, ob das Gericht den Sachverhalt dadurch ausreichend aufgeklärt hat (§ 244 Abs. 2 StPO), dass es sich allein auf das Geständnis des Beschwerdeführers verlassen hat (vgl. hierzu auch BVerfGE 133, 168 <204 Rn. 65>; BVerfGK 1, 145 <150>). Es bedarf mithin keiner Erörterung der vom Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme aufgeworfenen Fragen, ob die Rügemöglichkeiten des Beschwerdeführers infolge der Einlegung der Sprungrevision - und damit dem bewussten Verzicht auf eine weitere Tatsacheninstanz - auf die Geltendmachung von Rechtsfehlern beschränkt sind, die mit den Mitteln des Revisionsgerichts feststellbar waren, und ob er die Verfahrensrügen in zulässiger Weise erhoben hat. Dem Gebot der Subsidiarität wurde hier dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass durch die inhaltliche Prüfung des gesamten Beschwerdevorbringens im Rahmen der Sachrüge eine reelle Möglichkeit bestand, eine fachgerichtliche Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen.
2. Die Urteile des Amtsgerichts Halle (Saale) und des Oberlandesgerichts Naumburg verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Das Amtsgericht hat bei der Aufklärung des tatgegenständlichen Sachverhalts und der Würdigung der Beweise die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an die Wahrheitserforschung verkannt. Die revisionsgerichtliche Entscheidung des Oberlandesgerichts hat diesen Verfassungsverstoß perpetuiert.
a) Prüfungsmaßstab für die hier zu entscheidenden Fragen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrichterliche Aufklärungspflicht und Beweiswürdigung ist vornehmlich Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Die Grundsätze des fairen Verfahrens haben insoweit Vorrang vor dem aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ableitbaren Willkürverbot, da sie die stärkere sachliche Beziehung zu dem zu prüfenden Sachverhalt haben (vgl. BVerfGK 1, 145 <149> m.w.N.).
aa) Das Recht auf ein faires Verfahren hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten und Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 57, 250 <274 f.>; 86, 288 <317>; 118, 212 <231>; 122, 248 <271>) und gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 46, 202 <210>). Als unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens gewährleistet es dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>; 122, 248 <271 f.>). An ihm ist die Ausgestaltung des Strafprozesses zu messen, wenn und soweit keine spezielle verfassungsrechtliche Gewährleistung existiert (vgl. BVerfGE 57, 250 <274 f.>; 122, 248 <271>; 130, 1 <25>). Die Verkennung des Schutzgehalts einer verletzten Verfahrensnorm kann in das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren eingreifen (vgl. BVerfGK 9, 174 <188 f.>; 17, 319 <328>). Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt allerdings erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (vgl. BVerfGE 57, 250 <276>; 64, 135 <145 f.>; 122, 248 <272>; 133, 168 <200 Rn. 59>).
bb) Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf (vgl. BVerfGE 80, 244 <255>; 95, 96 <140>), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 118, 212 <231>; 122, 248 <270>; 130, 1 <26>). Dem Täter müssen Tat und Schuld prozessordnungsgemäß nachgewiesen werden (vgl. BVerfGE 9, 167 <169>; 74, 358 <371>). Bis zum Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet (vgl. BVerfGE 35, 311 <320>; 74, 358 <371>).
cc) Straf- und Strafverfahrensrecht tragen dem Gebot der Verfahrensfairness und der Unschuldsvermutung ausreichend Rechnung (vgl. BVerfGE 74, 358 <372>), denn sie unterstellen die Ermittlung des Sachverhalts der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) und dem Gebot bestmöglicher Sachaufklärung (vgl. BVerfGE 57, 250 <277 ff.>; 133, 168 <206 ff. Rn. 67 ff.>). Beweisaufnahme und Beweiswürdigung stehen in vielfacher Verschränkung. So wie § 244 Abs. 2 StPO das Gericht verpflichtet, alle bekannten Beweismittel vollständig zu erheben, verpflichtet § 261 StPO, über alle auf der Grundlage des materiellen Rechts entscheidungserheblichen Beweisfragen eine vollständige Beweiswürdigung vorzunehmen und diese dem Urteil zugrunde zu legen (vgl. BVerfGK 1, 145 <150 f.>). Dabei müssen nicht nur die unmittelbaren Beweise erhoben, sondern auch die zu ihrer Würdigung erforderlichen Umstände ihrerseits im Rahmen der Beweisaufnahme aufgeklärt und zum Gegenstand der nachfolgenden Würdigung gemacht werden (vgl. BVerfGK 1, 145 <151>). Dem Tatrichter kommt bei der Sachverhaltsaufklärung eine besondere Verantwortung zu, weil seine Feststellungen in der Revision nur mit Hilfe einer von der Rechtsprechung an strenge (verfassungsrechtlich unbedenkliche, vgl. BVerfGE 63, 45 <70>) Zulässigkeitsvoraussetzungen gebundenen Aufklärungsrüge beanstandet werden können (vgl. BVerfGK 1, 145 <150>). Der Inhalt der Beweiswürdigung durch den Tatrichter, der mit der Sachrüge angreifbar ist, unterliegt ebenfalls nur einer eingeschränkten Überprüfung durch die Revisionsgerichte (vgl. BVerfGK 1, 145 <151>).
dd) Dem Gesetzgeber kam es bei Einführung des Gesetzes zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2353) darauf an, weiterhin ein Strafverfahren sicherzustellen, das dem fundamentalen und verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Wahrheitsermittlung sowie der Findung einer gerechten, schuldangemessenen Strafe verpflichtet ist (vgl. BTDrucks 16/12310, S. 8; BVerfGE 133, 168 <206 f. Rn. 67>). Die den Strafprozess dominierenden Grundsätze der richterlichen Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung sollten durch die Einführung der Vorschriften über die Verständigung im Strafverfahren nicht angetastet werden. Der Wortlaut von § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO ist eindeutig. Die Norm schließt jede Disposition über Gegenstand und Umfang der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Pflicht zur Aufklärung des mit der Anklage vorgeworfenen Geschehens aus. Damit wird hervorgehoben, dass eine Verständigung niemals als solche die Grundlage eines Urteils bilden kann, sondern weiterhin allein und ausschließlich die - ausreichend fundierte - Überzeugung des Gerichts von dem von ihm festzustellenden Sachverhalt maßgeblich bleibt. Dem Gesetzgeber sind die Besonderheiten des aufgrund einer Verständigung abgegebenen Geständnisses, insbesondere dessen erhöhte Fehleranfälligkeit infolge der Anreiz- und Verlockungssituation, in der sich der Angeklagte wie auch sein Verteidiger befinden können, und demzufolge die Gefahr von „Falschgeständnissen“, bewusst gewesen, und er hat deshalb die Geltung der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO ausdrücklich klargestellt (vgl. BVerfGE 133, 168 <207 f. Rn. 68>). Dem Gericht bleibt es untersagt, im Wege vertragsähnlicher Vereinbarungen mit den Verfahrensbeteiligten über die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit zu verfügen und sich von dem Gebot schuldangemessenen Strafens zu lösen (vgl. BVerfGE 133, 168 <227 Rn. 105>).
ee) Nicht jeder Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO oder § 261 StPO und die hierzu vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze rechtfertigt das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts. Voraussetzung ist vielmehr, dass sich das Tat- und gegebenenfalls das Revisionsgericht so weit von der Verpflichtung entfernt haben, in Wahrung der Unschuldsvermutung bei jeder als Täter in Betracht kommenden Person auch die Gründe, die gegen die mögliche Täterschaft sprechen, wahrzunehmen, aufzuklären und zu erwägen, dass der rationale Charakter der Entscheidung verloren gegangen scheint und sie keine tragfähige Grundlage mehr für die mit einem Schuldspruch einhergehende Freiheitsentziehung sein kann (vgl. BVerfGK 1, 145 <152>).
b) Gemessen hieran verletzen die angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Naumburg und des Amtsgerichts Halle (Saale) den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren. Die Gerichte haben den verfassungsrechtlichen Schutzgehalt des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO verkannt. Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht auf einer unzureichenden Erforschung der materiellen Wahrheit. Das Amtsgericht hat das verständigungsbasierte Geständnis des Beschwerdeführers als alleinige Grundlage zur Feststellung seiner Schuld herangezogen, obgleich es nur von geringer inhaltlicher Aussagekraft war (aa), und es unterlassen, dessen Richtigkeit einer erforderlichen weitergehenden Überprüfung in der Hauptverhandlung zu unterziehen (bb). Ausgehend hiervon ist nicht nachvollziehbar, wie sich der Tatrichter eine ausreichend fundierte Überzeugung von dem von ihm festzustellenden Sachverhalt und der Schuld des Beschwerdeführers verschaffen konnte, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein faires Verfahren genügt (cc).
aa) Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falls (vgl. hierzu BVerfGE 133, 168 <209 Rn. 70>) ist festzustellen, dass das Geständnis des Beschwerdeführers vernünftigerweise nicht als alleinige Grundlage zu seiner Verurteilung hätte herangezogen werden dürfen. Die Notwendigkeit einer ergänzenden Beweiserhebung zur Überprüfung seiner Einlassung und der Feststellung seiner Schuld hätte sich den Fachgerichten bereits deshalb zwingend aufdrängen müssen, da das Verfahren im Zusammenhang mit § 266a StGB als komplex (1) und die Qualität der geständigen Einlassung als gering einzustufen sind (2). Hinzu kommt, dass das Amtsgericht sich auch seine Überzeugung von der Höhe der nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge und damit vom Schuldumfang nicht ordnungsgemäß verschafft hat (3).
(1) In welchem Umfang das Gericht verpflichtet ist, Tatsachen aufzuklären, richtet sich grundsätzlich nach den Umständen der abzuurteilenden Tat und dem bisherigen Verfahrensablauf (vgl. Bachler, in: BeckOK StPO, § 244 Rn. 11 <Okt. 2023>). Das vorliegende Verfahren ist als komplex einzustufen. Der Tatvorwurf erstreckt sich auf 26 Taten, die die Beschäftigung von mindestens 36 Personen in einem Zeitraum von fast drei Jahren betreffen und einen Schaden von mutmaßlich nahezu einer halben Million Euro umfassen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Hauptzollamtes dauerten etwa fünf Jahre an; die Ermittlungsakten umfassen vier Bände und sechs Leitz-Ordner. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Anklage zum Beweis des Tatgeschehens 20 Zeugen und über 60 Urkunden vorgebracht, was die Komplexität des Sachverhalts unterstreicht (zur Bedeutung der Komplexität des Tatgeschehens für die Würdigung des Geständnisses vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. September 2016 - 5 StR 338/16 -, juris, Rn. 9 m.w.N.). Die sachliche und rechtliche Schwierigkeit des Verfahrens wurde im Übrigen auch durch das Amtsgericht anerkannt. Es stellte in den Urteilsgründen fest, dass die Komplexität und der Umfang der Tatvorwürfe die lang andauernden Ermittlungen rechtfertigen würden. Zudem hat es dem Beschwerdeführer aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage einen notwendigen Verteidiger gemäß § 140 Abs. 2 StPO bestellt.
(2) Die Qualität des verständigungsbasierten Geständnisses des Beschwerdeführers ist insgesamt als recht überschaubar zu beurteilen und dürfte kaum über ein Formalgeständnis hinausgehen. Aufgrund des klarstellenden Hinweises des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO auf § 244 Abs. 2 StPO hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass ein bloßes inhaltsleeres Formalgeständnis allein keine taugliche Grundlage der richterlichen Überzeugungsbildung sein kann (vgl. BVerfGE 133, 168 <209 Rn. 70>; vgl. zur Bedeutung der Qualität des Geständnisses für die Beweiswürdigung auch BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 - 3 StR 415/02 -, juris, Rn. 3; Beschluss vom 13. September 2016 - 5 StR 338/16 -, juris, Rn. 9 m.w.N.). Das Oberlandesgericht und der Generalbundesanwalt messen dem Geständnis des Beschwerdeführers hingegen eine inhaltliche Qualität bei, ohne dass eine solche aufgrund der tatsächlich erfolgten Einlassung in der Hauptverhandlung erkennbar wäre.
Die oberflächlichen und teilweise mehrdeutigen Ausführungen des Beschwerdeführers (a) lassen es als äußerst zweifelhaft erscheinen, dass sich der Tatrichter allein auf dieser Basis vom Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Straftatbestandes überzeugen konnte (b). Es ist überdies nicht erkennbar, dass das Amtsgericht bei Würdigung der Aussagekraft der geständigen Einlassung den Umstand berücksichtigt hätte, dass der Beschwerdeführer nur noch ein eingeschränktes Erinnerungsvermögen an die Einzelheiten des Tatgeschehens haben könnte (c) und dass er überdies das Geständnis nicht persönlich vortrug, sondern durch seinen Verteidiger verlesen ließ (d).
(a) Soweit der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme ausführt, dass der Beschwerdeführer - insbesondere unter Berücksichtigung seiner langjährigen Erfahrung im Baugewerbe - durchaus in der Lage gewesen sei, diejenigen Tatsachen, welche die Grundlage des Tatvorwurfs bilden, zu gestehen, mag dies zutreffen. Allerdings hat sich der Beschwerdeführer in seiner geständigen Einlassung gerade nicht im Hinblick auf die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 266a Abs. 1, Abs. 2 StGB hinreichend konkret geäußert. Der Beschwerdeführer beschränkte sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht im Wesentlichen darauf, die Tatvorwürfe aus der Anklage zu bestätigen und machte im Übrigen nur vage Angaben zum Tatgeschehen und seiner inneren Vorstellung. Das Geständnis enthält keine substantiierte Schilderung des umfangreichen und komplexen Tathergangs in eigenen Worten und lässt nicht erkennen, ob es sämtliche Tatbestandsmerkmale des Straftatbestandes erfasst.
Der Beschwerdeführer äußerte sich bereits nicht substantiiert zu tatsächlichen Gegebenheiten, die Rückschlüsse auf seine Eigenschaft als Arbeitgeber erlauben würden (vgl. zum Begriff des Arbeitgebers BGH, Urteil vom 5. August 2015 - 2 StR 172/15 -, juris, Rn. 7 m.w.N.). Er machte weder konkrete Angaben zu einem möglichen Weisungsrecht noch zur Gestaltung der Arbeitsverhältnisse - etwa hinsichtlich der Einbindung der Arbeiter in den Betriebsablauf - oder der Gestaltung des Entgelts und seiner Berechnung. Die Einlassung des Beschwerdeführers erschöpft sich im Wesentlichen darin mitzuteilen, dass er viele Arbeitnehmer aus Osteuropa beschäftigt und sie untergebracht habe; Barauszahlungen seien ihm nicht ungeläufig gewesen.
(b) Es erscheint äußerst zweifelhaft, dass sich der Tatrichter allein auf Grundlage dieser oberflächlichen Angaben von der Eigenschaft des Beschwerdeführers als Arbeitgeber hinreichend überzeugen konnte, zumal der Beschwerdeführer zu der Frage der (Schein-)Selbstständigkeit seiner Arbeiter in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht widersprüchliche Angaben machte. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen steht fest, dass zumindest für einige der durch den Beschwerdeführer beschäftigten Personen gewerberechtliche Anmeldungen vorlagen, was ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit darstellen kann (vgl. Kunz/Henssler/Nebeling/Beck, Praxis des Arbeitsrechts, 7. Aufl. 2023, Rn. 902). Der Beschwerdeführer bestritt im Rahmen der Ermittlungen gegenüber der Staatsanwaltschaft ausdrücklich, die Arbeiter nur zum Schein angemeldet zu haben. In der Hauptverhandlung ließ er dann zwar durch seinen Verteidiger verlesen, dass er die Tatvorwürfe aus der Anklage bestätige. Im Anschluss hieran ließ er jedoch ausführen, dass ihm nicht wichtig gewesen sei, ob die Leute unternehmerisch tätig gewesen seien oder nicht. Dies ließe sich heute und zum damaligen Zeitpunkt auch nicht mehr prüfen. Es habe ihn nicht interessiert, ob die Arbeitnehmer anzumelden gewesen seien oder dies bereits geschehen sei. Er habe sich um die Dinge nicht gekümmert. Er habe sich insgesamt wenig Gedanken um die rechtlichen Konsequenzen seines Handelns gemacht. Er habe die Leute nicht gefragt, was sie im Einzelnen machen würden; ihm sei nur wichtig gewesen, dass sie arbeiteten.
Diese vagen Ausführungen lassen entgegen der revisionsgerichtlichen Ausführungen des Oberlandesgerichts keinesfalls eindeutig erkennen, dass sich der Beschwerdeführer mit dem Vorwurf, dass die von ihm beschäftigten Arbeitnehmer keine selbstständigen Unternehmer gewesen und er sie nur zum Schein angemeldet haben soll, substantiiert befasst hat. Sie lassen vielmehr bezweifeln, dass sich das Amtsgericht allein auf dieser Basis zuverlässig vom Vorliegen eines dolus eventualis bezüglich des Vorliegens aller Tatbestandsmerkmale des § 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB überzeugen konnte, und geben Anlass zu hinterfragen, ob der Beschwerdeführer nicht auch fahrlässig gehandelt haben oder gar einer Fehlvorstellung über seine Arbeitgebereigenschaft, die als vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum einzustufen wäre (vgl. hierzu Wittig, in: BeckOK StGB, § 266a Rn. 32 <Nov. 2023> m.w.N.), erlegen sein könnte. Mangels entsprechender Ausführungen in den Urteilsgründen ist jedenfalls nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher genauen Aussagen des Beschwerdeführers sich das Amtsgericht seine Überzeugung vom Vorliegen des objektiven und subjektiven Tatbestandes verschafft hat.
(c) Überdies ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Vielzahl der Fälle, des langen Tatzeitraums und des Zeitablaufs - die mündliche Verhandlung vor dem Tatrichter fand etwa sechs Jahre nach Durchführung der Ermittlungen statt - das Erinnerungsvermögen des Beschwerdeführers an die Einzelheiten des Tatgeschehens nur noch rudimentär vorhanden gewesen sein könnte. Es ist indes nicht erkennbar, dass das Amtsgericht berücksichtigt hätte, dass die Qualität der Einlassung auch vor diesem Hintergrund hätte vernünftigerweise kritisch hinterfragt werden müssen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 6. Juli 2022 - 2 StR 53/22 -, juris, Rn. 11 m.w.N.).
(d) Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich das Amtsgericht bei Beurteilung der Qualität der geständigen Einlassung mit dem Umstand auseinandergesetzt hat, dass der Beschwerdeführer das Geständnis in der mündlichen Verhandlung nicht selbst mündlich vortrug, sondern lediglich die Richtigkeit einer Erklärung seines Verteidigers bestätigte. Zwar kann auch darin eine eigene, geständige Einlassung des Angeklagten liegen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - 3 StR 176/05 -, juris). Dieser Einlassung kommt jedoch nur ein verminderter Beweiswert zu, insbesondere, wenn sie schriftlich vorformuliert ist, da es sich um ein situativ häufig nicht hinterfragbares Verteidigervorbringen handelt. Derartige in der Hauptverhandlung verlesene Einlassungen sind nur bedingt einer Glaubhaftigkeitsprüfung zugänglich, weil es sich faktisch nicht um eine mündlich abgegebene Sachäußerung handelt, aus der ein unmittelbarer Eindruck des Aussageverhaltens gewonnen werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2020 - 2 StR 69/19 -, juris, Rn. 23). Das Sitzungsprotokoll belegt, dass die Verteidigererklärung nicht weiter hinterfragt wurde. Ausweislich der Niederschrift wurde an den Beschwerdeführer beziehungsweise dessen Verteidiger nach Abgabe der Verteidigererklärung seitens der weiteren Verfahrensbeteiligten nur noch eine Frage gerichtet. Diese betraf indes nicht einmal das unmittelbare Tatgeschehen, sondern das Nachtatverhalten (ob bereits Rückzahlungen geleistet worden seien). Ob der Beschwerdeführer weitere Angaben über die Verteidigererklärung hinaus verweigerte oder ob das Gericht Nachfragen schlicht unterließ, lassen weder das Sitzungsprotokoll noch die Urteilsgründe erkennen.
(3) Das amtsgerichtliche Urteil lässt besorgen, dass sich der Tatrichter auch keine ausreichend fundierte Überzeugung von der Höhe des sozialversicherungsrechtlichen Schadens verschafft hat. Die Höhe des sozialversicherungsrechtlichen Schadens stellt einen wesentlichen Faktor der Strafzumessung bei § 266a StGB dar (vgl. Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 266a Rn. 133). Das Amtsgericht hat wohl allein anhand der Einlassung des Beschwerdeführers, die Anklage als richtig zu bestätigen, darauf geschlossen, dass der sozialversicherungsrechtliche Schaden 494.793,19 Euro betragen haben muss. Soweit der Generalbundesanwalt meint, dass von einem Angeklagten keine weitergehende Einlassung hinsichtlich des Schadensumfangs verlangt werden dürfe, wollte er sich nicht selbst belasten, liegt dies neben der Sache. Es ist unerheblich, welche Aussagen dem Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung möglich und zumutbar gewesen waren. Entscheidend ist vielmehr, ob sich das Amtsgericht aufgrund der tatsächlich gemachten Angaben hinreichend von der Schuld des Angeklagten und deren Umfang überzeugen konnte. Dies dürfte anhand der vorliegenden Unterlagen zu verneinen sein.
(a) Die Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge kann nicht Gegenstand eines Geständnisses sein. Gestehen kann ein Angeklagter nur Tatsachen und dabei nur solche, über die er aus eigener Kenntnis berichten kann (vgl. Sander, in: Sander/Stuckenberg, Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2021, § 261 Rn. 117; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 - 3 StR 21/08 -, juris, Rn. 8). Die Schadenshöhe ist jedoch Ergebnis einer Berechnung und damit Ergebnis von Rechtsanwendung, nicht aber von Tatsachenfeststellungen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00 -, juris, Rn. 4; Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08 -, juris, Rn. 20 f.). Eine richtige Rechtsanwendung kann ein Angeklagter nicht „gestehen“.
(b) Eine exakte Berechnung des Schadens war dem Amtsgericht hier nicht möglich. Der Beschwerdeführer hat keine Angaben zur Höhe der gezahlten Löhne gemacht und sich auch sonst nicht ausdrücklich zum errechneten Schaden verhalten. Er hat über seinen Verteidiger vielmehr einräumen lassen, nicht nachvollziehen zu können, was im Einzelnen bezahlt worden sei und was nicht. Aufzeichnungen und Belege, aus denen sich die tatsächliche Anzahl und die jeweiligen Beschäftigungszeiten der vom Beschwerdeführer beschäftigten Arbeiter entnehmen ließen, konnten im Rahmen der Ermittlungen nicht aufgefunden werden. Ausgehend hiervon war das Amtsgericht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes grundsätzlich dazu berechtigt, die Höhe der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge zu schätzen, wobei für das Baugewerbe bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen grundsätzlich eine Nettolohnsumme von zwei Dritteln des Nettoumsatzes für wirtschaftlich vernünftig gehalten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2011 - 1 StR 90/11 -, juris, Rn. 10, 12; Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 266a Rn. 137 m.w.N.). Verfassungsrechtlich ist eine solche Schätzung unbedenklich, wenn diese auf einer tragfähigen Schätzgrundlage beruht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. März 2007 - 2 BvR 162/07 -, juris, Rn. 11). Eine solche lässt sich dem amtsgerichtlichen Urteil allerdings nicht entnehmen.
(c) Aus dem Urteil des Amtsgerichts geht nicht hervor, auf welche tatsächlichen Grundlagen (Anzahl der Arbeitnehmer, Beschäftigungszeiten, Löhne, Höhe der Beitragssätze usw., vgl. dazu wiederum BGH, Urteil vom 11. August 2010 - 1 StR 199/10 -, juris, Rn. 13) sich die Berechnung des sozialversicherungsrechtlichen Schadens stützt. Das Urteil lässt nicht einmal erkennen, ob das Amtsgericht den Beitragsschaden konkret berechnete oder wegen des Fehlens näherer Anhaltspunkte lediglich schätzte. Das Urteil erschöpft sich, was bereits die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift beanstandete, vielmehr in der tabellarischen, ergebnisbezogenen Auflistung der Höhe der für den jeweiligen Monat geschuldeten Beiträge, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht ausreichend ist (vgl. hierzu Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 266a Rn. 133 ff. m.w.N.). Gehen aus dem Urteil nicht einmal die Berechnungs- beziehungsweise Schätzgrundlagen hervor, so kann auch nicht beurteilt werden, ob der geständige Beschwerdeführer von diesen aus eigener Wahrnehmung Kenntnis haben konnte.
(d) Die Berechnungsdarstellung war vorliegend auch nicht entbehrlich, weil der Beschwerdeführer ein Geständnis abgelegt hat. Denn der Beschwerdeführer dürfte entgegen der Auffassung des Revisionsgerichts nach Maßgabe ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht als ausreichend sachkundig anzusehen sein, um sich zur Berechnung des sozialversicherungsrechtlichen Schadens äußern zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00 -, juris, Rn. 5 f.; Beschluss vom 7. September 2022 - 1 StR 229/22 -, juris, Rn. 10 ff.). Als „sachkundig“ erachtet der Bundesgerichtshof einen Angeklagten, der zur Berechnung der nicht abgeführten Beiträge zur Sozialversicherung in der Lage ist und verantwortlich die Bücher führte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00 -, juris, Rn. 6). Stichhaltige Ausführungen dazu, ob der Beschwerdeführer ausreichend sachkundig in dem Sinne war, dass er die Berechnung beziehungsweise Schätzung der Beitragshöhe nachvollziehen konnte, lassen sich der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht entnehmen. Eine entsprechende Sachkunde des Beschwerdeführers liegt - auch wenn er über mehrere Jahre Berufserfahrung im Baugewerbe verfügte - nicht auf der Hand. Denn es ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer die Volksschule lediglich bis zur fünften Klasse besucht hat und über keinen Berufsabschluss verfügt; eine ordentliche Buchführung konnte nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hat durch seine Einlassung im Übrigen zum Ausdruck gebracht, sich insgesamt wenig mit den „Formalitäten“ seines Gewerbes befasst zu haben; ihm sei nur wichtig gewesen, dass die Leute arbeiten würden. Es erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht, inwiefern er gleichwohl die erforderliche Sachkunde hinsichtlich der nicht unkomplizierten Berechnung der Beitragshöhe besessen haben soll.
bb) Die Erforderlichkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte sich dem Amtsgericht nach alldem zwingend aufdrängen müssen. Es ist aus den Urteilsgründen indes nicht erkennbar, dass das Amtsgericht das verständigungsbasierte Geständnis des Beschwerdeführers entgegen der sich aus § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO ergebenden Verpflichtung (1) hinreichend überprüft hätte (2). Eine weitere Beweiserhebung war vorliegend auch keinesfalls entbehrlich (3).
(1) Vor dem Hintergrund des Regelungsziels, die Grundsätze der Amtsaufklärungspflicht des Gerichts und der richterlichen Überzeugungsbildung unangetastet zu lassen, ist § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO nur so zu verstehen, dass das verständigungsbasierte Geständnis zwingend auf seine Richtigkeit zu überprüfen ist. Diese Überprüfung hat sich - unter zusätzlicher Berücksichtigung des Grundanliegens des Gesetzgebers, Verständigungen transparent und kontrollierbar zu machen - durch Beweiserhebung in der Hauptverhandlung (vgl. § 261 StPO) zu vollziehen. Dies bedeutet zwar nicht, dass die Überprüfung eines verständigungsbasierten Geständnisses strengeren Anforderungen unterliegt, als sie an eine Beweisaufnahme in der nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung nach Abgabe eines Geständnisses zu stellen wären; Vorhalte oder das Selbstleseverfahren nach den allgemeinen Regeln bleiben möglich. Es genügt jedoch nicht, das verständigungsbasierte Geständnis durch einen bloßen Abgleich mit der Aktenlage zu überprüfen, da dies keine hinreichende Grundlage für die erforderliche Überzeugungsbildung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) darstellt und mit einem solchen Verständnis dem Transparenzanliegen des Verständigungsgesetzes und der Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle verständigungsbasierter Urteile gerade nicht Rechnung getragen werden kann (vgl. BVerfGE 133, 168 <209 f. Rn. 71 f.>).
(2) Gleichwohl hat das Amtsgericht das verständigungsbasierte Geständnis in den Urteilsgründen weder hinreichend erläutert (a) noch es einer erforderlichen Prüfung durch formelle Beweiserhebung (b) oder auf andere Weise (c) unterzogen. Dies lässt es als zweifelhaft erscheinen, dass sich das Amtsgericht der Bedeutung der trotz des Geständnisses fortbestehenden Aufklärungspflicht nach § 257c Abs. 1 Satz 2, § 244 Abs. 2 StPO überhaupt bewusst war.
(a) Das Urteil lässt keine Auseinandersetzung des Gerichts mit den Fragen erkennen, ob das Geständnis in sich stimmig ist, den Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen zur Tat erfüllt und die getroffenen Feststellungen trägt. Ebenso wenig lässt es erkennen, ob der Tatrichter Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die gegen die Schuld des Beschwerdeführers sprechen könnten. In den Urteilsgründen wird lediglich erwogen, ob der Beschwerdeführer sich in einer besonderen Anreiz- oder Verlockungssituation befunden haben könnte. Dabei wird offensichtlich verkannt, dass das verständigungsbasierte Geständnis nicht nur unter diesem Aspekt, sondern vollumfänglich auf seine Richtigkeit und Glaubhaftigkeit zu überprüfen ist (vgl. BVerfGE 133, 168 <209 f. Rn. 71>; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. März 2022 - 3 StR 69/22 -, juris, Rn. 5 m.w.N.).
(b) Eine Überprüfung des verständigungsbasierten Geständnisses durch formelle Beweiserhebung in der Hauptverhandlung erfolgte nicht. Zur Notwendigkeit einer ergänzenden Beweiserhebung äußert sich das Urteil nur insoweit, als dass es diese aufgrund der geständigen Einlassung als entbehrlich angesehen hat. Das Amtsgericht vernahm weder einen oder mehrere der 20 Zeugen, die die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift zum Beweis der Vorwürfe angeführt hat, noch verlas es eine der in der Anklage erwähnten 66 Urkunden. In den Urteilsgründen des Amtsgerichts findet sich lediglich der Hinweis, dass sich das Geständnis des Beschwerdeführers mit den in der Hauptverhandlung erörterten Feststellungen aus dem Urteil vom 25. Juli 2019 decke, mit welchem der Beschwerdeführer wegen eines mit dem vorliegenden Sachverhalt in engem Zusammenhang stehenden Tatvorwurfs verurteilt worden sei. Sowohl der Beschwerdeführer als auch die Generalstaatsanwaltschaft wiesen indes zutreffend darauf hin, dass dieses Urteil anscheinend nicht prozessordnungsgemäß im Sinn von § 249 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Es kann dem Sitzungsprotokoll (§ 273 Abs. 1 Satz 1 StPO) nicht entnommen werden, dass das Urteil in der Hauptverhandlung verlesen wurde oder der Vorsitzende das Selbstleseverfahren angeordnet hat (vgl. zur ordnungsgemäßen Einführung in die Hauptverhandlung auch OLG Hamm, Beschluss vom 24. November 2009 - 3 Ss OWi 882/09 -, NZV 2010, S. 215).
(c) Es ist auch nicht erkennbar, dass das Amtsgericht die geständige Einlassung des Beschwerdeführers auf andere Weise ordnungsgemäß überprüft hätte. Insbesondere lässt sich entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts keinesfalls sicher beurteilen, ob und in welchem Umfang das Urteil vom 25. Juli 2019 dem Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vorgehalten worden ist. Das Sitzungsprotokoll enthält hierzu keine Angaben. Es besteht zwar keine Pflicht zur Protokollierung des Vorhalts (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2006 - 1 StR 424/06 -, juris). Aus den Urteilsgründen ergibt sich allerdings nicht einmal, aufgrund welcher konkreten Feststellungen des Urteils vom 25. Juli 2019 sich das Amtsgericht von der Richtigkeit des Geständnisses überzeugt haben will. Diese Vorgehensweise steht nicht im Einklang mit dem Transparenzanliegen des Verständigungsgesetzes und der Ermöglichung einer wirksamen Kontrolle verständigungsbasierter Urteile (vgl. BVerfGE 133, 168 <209 f. Rn. 71>) und ist zur Überprüfung der Einlassung des Beschwerdeführers ungeeignet.
(3) Es lässt sich nicht von vornherein sicher ausschließen, dass eine weitere Beweiserhebung zur Überprüfung des verständigungsbasierten Geständnisses vorliegend einen weiteren Erkenntnisgewinn versprochen hätte. Die Amtsaufklärung bildet die Grundlage für die Entscheidung über die Schuld des Beschwerdeführers und hätte dem Amtsgericht die verfassungsrechtlich gebotene Prüfung der Aussagekraft der geständigen Einlassung ermöglicht. Zur weiteren Aufklärung des objektiven Tatgeschehens hätte es nahegelegen, einige der in der Anklageschrift genannten „Scheinselbstständigen“ als Zeugen über die Modalitäten der Gewerbeanmeldung und ihrer Beschäftigung zu vernehmen. Zudem hätte der in der Anklageschrift benannte Zeuge (…), der im tatgegenständlichen Zeitraum im Unternehmen des Beschwerdeführers angestellt war und im Ermittlungsverfahren umfangreiche Angaben gemacht hatte, als Zeuge zu den Taten vernommen werden können. Zur Aufklärung der inneren Tatseite hätte das Amtsgericht dem Beschwerdeführer weitere Fragen stellen können, um den Erklärungsgehalt seiner teilweise mehrdeutigen Angaben zu ermitteln. Zudem hätte der sozialversicherungsrechtliche Schaden näherer Aufklärung bedurft. Hierzu hätte das Amtsgericht die Unterlagen und Dokumente, aus denen sich die Berechnungs- beziehungsweise Schätzgrundlagen ergeben, als Urkunden verlesen und dem Beschwerdeführer vorhalten können.
cc) Nach alledem ist festzuhalten, dass sich das Amtsgericht so weit von der Verpflichtung entfernt hat, in Wahrung der Unschuldsvermutung auch die Gründe, die gegen die mögliche Täterschaft des Beschwerdeführers sprechen, wahrzunehmen, aufzuklären und zu erwägen, dass die Entscheidung keine tragfähige Grundlage mehr für die mit einem Schuldspruch einhergehende Freiheitsentziehung sein kann (vgl. BVerfGK 1, 145 <152>). Die amtsgerichtliche Entscheidung beruht auch auf der Rechtsverletzung. Das Oberlandesgericht hat unter Missachtung des verfassungsrechtlichen Schutzgehalts des § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO die Revision des Beschwerdeführers verworfen. Es verkennt in diesem Zusammenhang im Übrigen, dass der Inhalt der Anklageschrift, auf den es in seinem Urteil Bezug nimmt, die Lücken in den Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts nicht zu schließen und die bestehenden Widersprüche nicht auszuräumen vermag (vgl. Wiedner, in: BeckOK StPO, § 337 Rn. 116 <Jan. 2023> m.w.N.).
3. Es war danach festzustellen, dass das Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) und das Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzen und aufzuheben sind; die Sache ist an das Amtsgericht Halle (Saale) zurückzuverweisen.
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 234
Bearbeiter: Holger Mann