HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1244
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 442/23, Beschluss v. 19.06.2024, HRRS 2024 Nr. 1244
Der Antrag des Angeklagten vom 8. April 2024 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anbringung einer weiteren Verfahrensbeanstandung wird als unzulässig verworfen.
Auf seine Revision wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 21. März 2023
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, des Handeltreibens mit Cannabis in drei Fällen sowie der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis schuldig ist,
aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen für die Fälle 3 und 6 bis 8 der Urteilsgründe, über die Gesamtstrafe und über die Einziehung des Wertes von Taterträgen im Fall 3 der Urteilsgründe in Höhe von 76.080 Euro einschließlich der Feststellungen zur Höhe des erlangten Tatertrages.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf sachlich-rechtliche und Verfahrensbeanstandungen gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte der Angeklagte im April 2020 in insgesamt fünf Fällen - allein oder gemeinschaftlich mit dem gesondert Verfolgten G. - mit 20 kg und 5,5 kg Methamphetamin (Fälle 2 und 5) sowie mit Marihuana zwischen knapp 16 kg und 100 kg (Fälle 3, 6 und 8); im selben Zeitraum unterstützte er in insgesamt drei weiteren Fällen den gesondert Verfolgten G. bei dessen Handel mit 10 kg Haschisch (Fall 7) und zweimal 3 kg Methamphetamin (Fälle 1 und 4). Das Methamphetamin hatte jeweils einen Wirkstoffgehalt von 70 % Methamphetaminbase, das Cannabis einen solchen von 10 % Tetrahydrocannabinol.
Den Verfahrensbeanstandungen bleibt der Erfolg versagt.
1. Der Angeklagte dringt auch mit der nachgereichten - mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen - Verfahrensbeanstandung nicht durch, mit der er geltend macht, die die Beweiswürdigung tragenden EncroChat-Daten hätten betreffend die Fälle 3 und 6 bis 8 nach den Maßstäben der einschlägigen Grundsatzentscheidung des Senats (BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21, NJW 2022, 1539) aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht verwertet werden dürfen, weil das Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) nach dem insoweit am 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz) vom 27. März 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 109) keine Katalogtat im Sinne von § 100b Abs. 2 StPO mehr darstellt, selbst wenn sich die Handlung auf eine nicht geringe Menge bezieht (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG).
a) Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung oder Ergänzung von Verfahrensrügen ist bei einer wie hier bereits form- und fristgerecht begründeten Revision grundsätzlich unzulässig, denn die Wiedereinsetzung dient nicht dazu, formale Mängel der Revisionsbegründung zu heilen, und sie darf nicht dazu führen, die Vorschriften des § 344 Abs. 2 Satz 2 und des § 345 StPO zu unterlaufen; eine Wiedereinsetzung zur Nachholung oder Ergänzung von Verfahrensrügen kommt vielmehr nur ausnahmsweise in besonderen Prozesssituationen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 9. Januar 2024 - 2 StR 261/23; vom 17. Januar 2023 - 2 StR 508/21; vom 22. März 2022 - 6 StR 28/22; vom 25. November 2021 - 4 StR 103/21; vom 4. März 2021 - 4 StR 209/20).
Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor. Der Anspruch auf Wahrung rechtlichen Gehörs gebietet eine Wiedereinsetzung vorliegend nicht. Der Beschwerdeführer war auch unter der bis zum 31. März 2024 geltenden Rechtslage durch nichts - weder durch äußere Umstände noch durch Umstände aus der Sphäre der Justiz - daran gehindert, ein Verwertungsverbot betreffend die EncroChat-Kommunikation über die Formalbeanstandung mit der Angriffsrichtung unzulässiger Erlangung der Daten („Befugnis-Shopping“) hinaus auch mit der Angriffsrichtung einer Unverhältnismäßigkeit der Verwertung der Daten geltend zu machen. Allein der Umstand, dass er die Erhebung einer Verfahrensrüge mit dieser Stoßrichtung infolge der zum 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetzesänderung nunmehr für aussichtsreich hält, führt nicht dazu, dass sein Bedürfnis nach einer möglichst erschöpfenden Anbringung von Verfahrensrügen das öffentliche Interesse daran überwiegt, den geordneten Fortgang des Verfahrens zu sichern und ohne Verzögerung eine klare Verfahrenslage zu schaffen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. September 1993 - 5 StR 162/93, zum insoweit vergleichbaren Fall, dass der Beschwerdeführer nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist von einer Änderung der Rechtsprechung erfährt, auf die er nunmehr eine Verfahrensrüge stützen will).
b) Ungeachtet dessen bliebe die Verfahrensbeanstandung aber auch deshalb erfolglos, weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend ausgeführt ist.
Der Beschwerdeführer teilt die der gerügten Verwertung der EncroChat-Daten zu Grunde liegenden Verfahrensvorgänge betreffend ihre Erhebung seitens der französischen Strafverfolgungsbehörden, ihre Übermittlung an die deutschen Strafverfolgungsbehörden im Wege der Rechtshilfe und ihre Einführung in die Hauptverhandlung nicht ordnungsgemäß mit; vielmehr nimmt er pauschal - ohne genaue Bezeichnung der maßgeblichen Dokumente und ohne Angabe konkreter Fundstellen - auf den in anderen Abschnitten der Revisionsbegründung im Zusammenhang mit weiteren Verfahrensrügen als eine Art Vorspann auf mehreren hundert Seiten gehaltenen Tatsachenvortrag Bezug, und zwar namentlich wegen der „von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main in drei Sonderbänden zur Verfügung gestellten Unterlagen betreffend die Datenerhebung, Rechtshilfeverfahren und Übermittlung“, wegen des die Beweiserhebung über diese Vorgänge betreffenden „Verfahren[s] in der Hauptverhandlung“ sowie wegen der Einführung der „EncroChat-Daten ... in die Hauptverhandlung“.
Das genügt nicht den Anforderungen, die an einen ordnungsgemäßen Revisionsvortrag zu stellen sind (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dafür reicht es nämlich nicht, die für unterschiedliche Beanstandungen möglicherweise relevanten Verfahrenstatsachen vorab im Sinne einer Nacherzählung zu referieren und sodann bei den einzelnen Verfahrensrügen durch pauschale Verweise darauf Bezug zu nehmen. Denn es ist nicht die Aufgabe des Revisionsgerichts, sich aus einem umfangreichen Konvolut von Unterlagen das für die jeweilige Rüge Passende herauszusuchen und dabei den Sachzusammenhang selbst herzustellen; stattdessen wäre es erforderlich, bezogen auf die konkrete Rüge (lediglich) den insoweit relevanten Verfahrensstoff mitzuteilen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2022 - 5 StR 184/22; vom 14. Mai 2020 - 5 StR 672/19 jeweils mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Mai 2020 - 4 StR 533/19 mwN).
2. Hinsichtlich der Verfahrensrügen im Zusammenhang mit den beiden Hauptverhandlungstagen vom 28. Januar und vom 14. Februar 2022 kann der Senat dahinstehen lassen, ob der Beschwerdeführer nicht etwa widersprüchlich vorträgt, indem er einerseits im Rahmen einer Beanstandung nach § 338 Nr. 8, § 140 Abs. 1 StPO geltend macht, an diesen Tagen während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung trotz notwendiger Verteidigung nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen zu sein, andererseits aber im Rahmen einer Beanstandung nach § 337, § 229 StPO rügt, das Verfahren sei an diesen Tagen nur formell fortgesetzt, aber nicht inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch hin gefördert worden; denn den Rügen bleibt jedenfalls aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.
3. Soweit die Beanstandung einer Verletzung von § 338 Nr. 3 StPO wegen fehlerhafter Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs vom 11. August 2022 - ebenso wie das Gesuch selbst - auch auf Richter am Landgericht Ga. bezogen sein sollte, geht sie schon deswegen fehl, weil dieser nicht als erkennender Richter im Sinne des § 338 Nr. 3 StPO bei dem Urteil mitgewirkt hat.
4. Die Rüge einer Verletzung von § 338 Nr. 3 StPO wegen fehlerhafter Verwerfung des gegen die erkennenden Richter und Schöffen am 21. März 2023 angebrachten Ablehnungsgesuchs bleibt ohne Erfolg.
a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
Der Angeklagte beantragte am 13. März 2023, ein an den Vorsitzenden gerichtetes Schreiben des Zeugen D. vom 5. März 2023, das die Beisitzerin dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren des Zeugen zugeordnet hatte, beizuziehen und zum Beweis verschiedener Tatsachen zu verlesen. Diesen Antrag lehnte die Strafkammer am 21. März 2023 gemäß § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO wegen Bedeutungslosigkeit ab. Noch am selben Tag lehnte der Angeklagte die erkennenden Richter und Schöffen wegen Befangenheit ab, weil sie die Verlesung des verfahrensrelevanten Beweismittels ohne Kenntnis von dessen Inhalt abgelehnt und sich dabei ungeprüft auf die Wertung der Beisitzerin verlassen hätten, die den Inhalt des Schreibens nur lückenhaft erinnert oder verkürzt wiedergegeben habe.
Dem vorausgegangen war ein weiteres Befangenheitsgesuch vom 12. März 2023 gegen den Vorsitzenden und die Beisitzerin wegen Vorenthaltens des genannten Schreibens des Zeugen D., das mit Beschluss vom 17. März 2023 als unbegründet zurückgewiesen wurde, weil die Zuordnung des Schreibens zum Verfahren des Zeugen nicht auf sachfremden oder willkürlichen Erwägungen beruhe.
Das Ablehnungsgesuch vom 21. März 2023 verwarf die Strafkammer mit Beschluss vom selben Tage gemäß § 26a Abs. 2 StPO in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern aus den Gründen des § 26a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO als unzulässig. Das Schreiben sei bereits Gegenstand des Ablehnungsgesuchs vom 12. März 2023 gewesen. Mit seiner Verfahrensrelevanz habe sich der Ablehnungsbeschluss vom 17. März 2023 befasst. Angesichts dessen läge eine bloße Wiederholung der Ablehnung aus demselben Grund vor und müsse zudem von Verfahrensverschleppung ausgegangen werden.
b) Die Verfahrensbeanstandung erweist sich sowohl mit der Angriffsrichtung einer unzutreffenden Annahme eines Verwerfungsgrundes im Sinne von § 26a Abs. 1 StPO als auch mit der Angriffsrichtung einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bereits gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO als unzulässig.
Der Beschwerdeführer teilt schon das angeblich verfahrensrelevante Schreiben des Zeugen D. nicht mit, so dass der Senat das Verhalten der abgelehnten Richter im Hinblick auf dieses Schreiben nicht beurteilen kann. Zudem trägt er nicht vor, welche Bemühungen um Akteneinsicht in das Verfahren des Zeugen er gemäß § 475 StPO unternommen hat. Zudem teilt er auch die ausweislich des vorgelegten Hauptverhandlungsprotokolls vom 21. März 2023 auf den Beschluss über die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs angebrachten Gegenvorstellungen der Verteidigung nicht mit, obwohl nicht auszuschließen ist, dass sich daraus Relevantes für die Beurteilung der Verfahrensbeanstandung ergibt.
c) Allerdings liegt in einer Konstellation wie der vorliegenden die Annahme eines Verwerfungsgrundes im Sinne des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO wegen bloßer Wiederholung der Ablehnung aus demselben Grund (vgl. zum Fehlen eines tauglichen Ablehnungsgrundes in diesen Fällen BGH, Beschluss vom 14. November 2023 - 4 StR 239/23; MeyerGoßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 26a Rn. 4b) ebenso nahe wie die Annahme von Verschleppungsabsicht im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 6).
Jedenfalls hat die Strafkammer nicht ihre eigene Entscheidung vom 21. März 2023 über die Ablehnung des Beweisantrages vom 13. März 2023 inhaltlich überprüft; vielmehr hat sie zum Beleg der bloßen Wiederholung einer Ablehnung aus demselben Grunde im Hinblick auf die Verfahrensrelevanz des Schreibens des Zeugen D. ausdrücklich die Entscheidung der „zuständigen Richter“ vom 17. März 2023 über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs des Angeklagten vom 12. März 2023 referiert.
5. Die Rügen einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung im Sinne des § 338 Nr. 8 iVm § 240 Abs. 2, § 241 Abs. 2 StPO durch Zurückweisung dreier die Authentizität und Integrität der EncroChat-Daten betreffender Fragen im Rahmen der Anhörung zweier Sachverständiger in den Hauptverhandlungsterminen vom 8. Juli 2022 und vom 25. Januar 2023 erweisen sich ebenfalls bereits deshalb als unzulässig, weil der Angeklagte entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO die den Mangel enthaltenen Tatsachen nicht innerhalb dieser Verfahrensrügen mitteilt, sondern dafür auf einen in anderen Abschnitten der Revisionsbegründung enthaltenen Vorspann zu mehreren Verfahrensbeanstandungen verweist, ohne dafür jedoch eine konkrete Fundstelle zu benennen (vgl. hierzu bereits oben II.1.b).
Das betrifft für die zurückgewiesene Frage im Hauptverhandlungstermin vom 8. Juli 2022 namentlich den Beschluss über die Einholung eines forensisch-informationstechnologischen Sachverständigengutachtens zur Analyse und Aufbereitung der dokumentierten Chatinhalte vom 5. Januar 2022 und das vorläufige schriftliche Gutachten der Sachverständigen Z. und W., für die erste zurückgewiesene Frage im Hauptverhandlungstermin vom 25. Januar 2023 den noch im Termin ergangenen Zurückweisungsbeschluss der Kammer und die ebenfalls noch im Termin angebrachte Gegenvorstellung der Verteidigung sowie für die zweite Frage im Hauptverhandlungstermin vom 25. Januar 2023 die auf die Beanstandung dieser Frage durch den Vorsitzenden hin abgegebene schriftliche Erklärung der Verteidigung. Ohne Mitteilung des Inhalts dieser Dokumente vermag der Senat nicht zu beurteilen, ob die Fragen zu Recht zurückgewiesen wurden.
Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs, zur Aufhebung der Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen 3 und 6 bis 8 der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe sowie zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung im Fall 3 der Urteilsgründe.
1. Der Schuldspruch ist nicht zu beanstanden, soweit das Landgericht den Angeklagten für seinen Handel mit Methamphetamin wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in zwei Fällen (Fälle 2 und 5) und für seine Unterstützung des Methamphetaminhandels des gesondert Verfolgten in zwei weiteren Fällen wegen Beihilfe hierzu gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB verurteilt hat (Fälle 1 und 4). Er kann aber insoweit nicht bestehen bleiben, als der Angeklagte für seinen Handel mit 23 24 25 Marihuana (Fälle 3, 6 und 8) und für seine Unterstützung des Handels des gesondert Verfolgten mit Haschisch (Fall 7) ebenfalls nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden ist; denn dies unterfällt nunmehr - nach dem insoweit am 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz) vom 27. März 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 109) - dem Konsumcannabisgesetz (vgl. § 1 Nr. 8 KCanG).
a) Die Neuregelung sieht für das Handeltreiben mit Cannabis (in nicht geringer Menge) im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 KCanG gegenüber der vom Landgericht der Bemessung der Strafen in den genannten Fällen jeweils zu Grunde gelegten Bestimmung des § 29a Abs. 1 BtMG einen geringeren Strafrahmen vor und ist deshalb das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB; dies hat das Revisionsgericht auf die Sachrüge hin zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2024 - 5 StR 542/23 mwN).
b) Das vom Landgericht festgestellte Tatgeschehen ist für die Fälle 3, 6 und 8 nunmehr als Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG in drei Fällen und für den Fall 7 als Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB zu würdigen.
Der Umstand, dass sich die Taten jeweils auf eine nicht geringe Menge bezogen, weil deren Grenzwert auch für das Konsumcannabisgesetz bei einem Wirkstoffgehalt von 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol in der Cannabismenge liegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24; vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24), bedarf keiner Kennzeichnung in der Urteilsformel; denn dieser Umstand begründet für die Fälle des einfachen Handeltreibens lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2024 - 5 StR 115/24). Ein Zusatz unerlaubter oder verbotener Tatbegehung ist im Urteilstenor auch für die Tatbestände nach dem Konsumcannabisgesetz entbehrlich (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24).
c) Der Senat hat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO iVm § 354a StPO den Schuldspruch in der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Weise geändert. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die gesetzliche Neuregelung zwingt indes zur Aufhebung der Strafaussprüche in den von der Schuldspruchänderung betroffenen Fällen 3 und 6 bis 8. Der Senat kann trotz der ausdrücklichen strafmildernden Berücksichtigung der herabgesetzten Gefährlichkeit von Marihuana und Haschisch durch das Landgericht („weiche Drogen“) nicht ausschließen, dass es bei Anwendung des milderen Strafrahmens des Konsumcannabisgesetzes niedrigere Strafen gegen den Angeklagten verhängt hätte (vgl. § 337 Abs. 1 StPO).
Die Aufhebung der Einzelstrafen in den genannten Fällen entzieht zugleich dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, denn sie werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe nicht berührt (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
3. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen im Fall 3 kann keinen Bestand haben, denn den Urteilsgründen lässt sich - auch nicht unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs - für diesen Fall nicht entnehmen, in welcher Höhe dem Angeklagten der Gesamterlös von 76.080 Euro aus der Weiterveräußerung der 15,85 kg Marihuana an verschiedene Abnehmer tatsächlich zugeflossen ist.
Das Landgericht stützt sich in der Beweiswürdigung ohne nähere Erläuterung auf eine insoweit mehrdeutige Kommunikation des Angeklagten mit einem der Abnehmer. Darin fragt er diesen nach dem Restgeld für den Lieferanten in Höhe von 18.480 Euro, „weil der das abholen muss“. Auf den Einwand des Abnehmers, dass eigentlich Sonntag abgemacht worden sei und es für den morgigen Tag dann nur „16“ würden, antwortet der Angeklagte: „Ahso kein ding der kommt dann zu dir. Gib denn 16 und Rest dann [...] Morgen 14.30 Uhr E. Straße .“ Aufgrund dessen bleibt letztlich unklar, an wen und in welcher Höhe der besagte Abnehmer den Restbetrag gezahlt hat. Aufgrund dieser Unklarheit vermag der Senat für diesen Fall insgesamt nicht nachzuvollziehen, in welcher Höhe dem Angeklagten der Veräußerungserlös aus den Abverkäufen tatsächlich zugeflossen ist.
Dies bedingt zugleich die Aufhebung der Feststellungen zur Höhe des erlangten Tatertrages im Fall 3 der Urteilsgründe (§ 353 Abs. 2 StPO).
4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache der neuen Verhandlung und Entscheidung.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1244
Bearbeiter: Christian Becker