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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 745

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 115/24, Beschluss v. 07.05.2024, HRRS 2024 Nr. 745


BGH 5 StR 115/24 - Beschluss vom 7. Mai 2024 (LG Hamburg)

Schuldspruchänderung bei Verurteilung wegen Handeltreibens mit Cannabis.

§ 34 KCanG

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. November 2023, soweit es sie betrifft,

in den Schuldsprüchen wie folgt geändert:

der Angeklagte T. ist schuldig des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis in drei tateinheitlichen Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis, sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge;

der Angeklagte S. ist schuldig des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis in zwei tateinheitlichen Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von insgesamt mehr als 60 Gramm Cannabis und Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis, sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge;

in den Aussprüchen über die Einzelstrafen für die - tateinheitlich zusammentreffenden - Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe betreffend den Angeklagten T. und die - tateinheitlich zusammentreffenden - Fälle 1 bis 3 der Urteilsgründe betreffend den Angeklagten S. sowie über die jeweils verhängten Gesamtstrafen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Hamburg zurückverwiesen.

Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

- den Angeklagten T. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier tateinheitlichen Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe), sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 5 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und - den Angeklagten S. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei tateinheitlichen Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle 1 bis 3 der Urteilsgründe), sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 6 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten.

Dagegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren jeweils auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweisen sie sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils führt, soweit es die Angeklagten betrifft, zur Änderung der Schuld- und zur teilweisen Aufhebung der Strafaussprüche.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Die Angeklagten beschlossen spätestens im April 2020 unter Verwendung von Encrochat-Mobiltelefonen mit Betäubungsmitteln - überwiegend Marihuana, aber auch Kokain - Handel zu treiben, um sich dadurch eine dauerhafte und nicht nur unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. Der Angeklagte T. war dabei regelmäßig - teilweise unterstützt durch den Angeklagten S. - für den Erwerb der Betäubungsmittel zuständig, die er anschließend mit diesem zusammen (Fälle 1 bis 3 der Urteilsgründe) oder alleine (Fälle 4 und 5 der Urteilsgründe) veräußerte. Der Angeklagte S. war zudem in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe für die zwischenzeitliche Lagerung der Betäubungsmittel zuständig. In den Fällen 1, 4 und 5 der Urteilsgründe beschaffte der Angeklagte T. im Rahmen einer mit seinem ehemals mitangeklagten, nicht revidierenden Bruder bestehenden Einkaufsgemeinschaft weitere Betäubungsmittel, die er an diesen zum Selbstkostenpreis weitergab, bevor der Bruder sie mit einem weiteren nicht revidierenden Mitangeklagten gewinnbringend veräußerte.

Nach dieser Maßgabe beschafften die Angeklagten Anfang April 2020 zehn Kilogramm Marihuana mit 10 % Tetrahydrocannabinol (THC), wovon fünf Kilogramm für den Bruder bestimmt waren und von diesem abgesetzt wurden; die Angeklagten veräußerten in der Folge zwei Kilogramm, den Rest gaben sie an den Verkäufer zurück (Fall 1 der Urteilsgründe). Im gleichen Zeitraum verfügten die Angeklagten über zwei Kilogramm Kokain mit 70 % Cocainhydrochlorid (CHC), das sie bis Ende April 2020 gewinnbringend verkauften (Fall 2 der Urteilsgründe). Am 14. April 2020 verfügten die Angeklagten über weitere drei Kilogramm Marihuana mit 10 % THC, das sie kurzfristig veräußerten (Fall 3 der Urteilsgründe). Am selben Tag bestellte der Angeklagte T. bei seinem Lieferanten erneut zehn Kilogramm Marihuana mit 10 % THC, wovon fünf Kilogramm für den Bruder bestimmt waren, die dieser gewinnbringend absetzte. Der Angeklagte S. lagerte diese Drogen zwar zwischenzeitlich - insoweit wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt -, war aber an der Veräußerung durch den Angeklagten T. nicht beteiligt (Fall 4 der Urteilsgründe). Weil die Strafkammer nach den Einlassungen der Angeklagten davon ausgegangen ist, dass vor dem Erwerb neuer Betäubungsmittel nicht alle vorhandenen Drogen vollständig abgesetzt waren, ist sie hinsichtlich der Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe betreffend den Angeklagten T. und hinsichtlich der Fälle 1 bis 3 der Urteilsgründe betreffend den Angeklagten S. von Tateinheit ausgegangen.

Im Fall 5 der Urteilsgründe bestellte der Angeklagte T. Anfang Mai 2020 insgesamt 500 Gramm Kokain mit mindestens 70 % CHC, von denen er 300 Gramm alleine weiterverkaufte und 200 Gramm an seinen Bruder weitergab.

Im Fall 6 der Urteilsgründe beschaffte der Angeklagte S. ohne Beteiligung der anderen Angeklagten im März 2023 ein Kilogramm Kokain mit mehr als 80 % CHC für den gewinnbringenden Weiterverkauf, das bei der Durchsuchung seiner Wohnung sichergestellt wurde.

2. Soweit der Angeklagte T. im Fall 5 der Urteilsgründe betreffend 300 Gramm Kokain wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (betreffend 200 Gramm Kokain) und der Angeklagte S. im Fall 6 der Urteilsgründe betreffend gut ein Kilogramm Kokain wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden sind, sind die Schuldsprüche jeweils rechtsfehlerfrei. Sie können aber insoweit keinen Bestand haben, als die Angeklagten in den tateinheitlich zusammentreffenden Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe (betreffend den Angeklagten T.) bzw. 1 bis 3 der Urteilsgründe (betreffend den Angeklagten S.) für ihren Umgang mit Marihuana nach § 29a BtMG verurteilt worden sind. Denn am 1. April 2024 ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109), was der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB iVm § 354a StPO zu berücksichtigen hat; nach der Neuregelung unterfallen das Handeltreiben mit und der Besitz von Cannabis nicht mehr dem BtMG, sondern allein dem - milderen - KCanG (BGH, Beschluss vom 24. April 2024 - 5 StR 136/24; vgl. insoweit zur nicht geringen Menge und zur Tenorierung BGH, Beschluss vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24).

Nach dem vom Landgericht insoweit festgestellten Tatgeschehen liegt in den Fällen 1 und 4 der Urteilsgründe - im Fall 4 nur den Angeklagten T. betreffend - ein Handeltreiben mit Cannabis hinsichtlich der für den eigenen Verkauf bestimmten fünf Kilogramm (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis hinsichtlich der an den Bruder abgegebenen fünf Kilogramm vor (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB), betreffend den Angeklagten S. im Fall 1 in Tateinheit mit Besitz von insgesamt mehr als 60 Gramm Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 b) KCanG). Im Fall 3 der Urteilsgründe haben sich die beiden Angeklagten wegen Handeltreibens mit Cannabis strafbar gemacht. Dass sich die Taten auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen, stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (KKStPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN). Die Regelung des § 265 StPO steht den Schuldspruchänderungen nicht entgegen, weil sich die insoweit umfassend geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

3. Das Landgericht hat in den als tateinheitlich zusammentreffend beurteilten Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe (betreffend den Angeklagten T.) und 1 bis 3 (betreffend den Angeklagten S.) jeweils die Einsatzstrafen von fünf Jahren (für den Angeklagten T.) und vier Jahren und drei Monaten (für den Angeklagten S.) verhängt.

a) Diese können keinen Bestand haben. Der Senat kann angesichts der im Verhältnis zum Kokain (zwei Kilogramm) großen Menge Cannabis (insgesamt 23 Kilogramm für den Angeklagten T. und 13 Kilogramm für den Angeklagten S.) nicht ausschließen, dass die Tathandlungen der Angeklagten in Bezug auf diese Droge für das Landgericht bei der Bestimmung des Schuldumfangs und damit bei der Findung der verhängten Strafe mitentscheidend waren. Auch wenn die Strafen in diesen Fällen jeweils aus dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zuzumessen waren (vgl. § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB), ist durch die gesetzgeberische Wertung, die sich mit Blick auf die in § 34 Abs. 3 KCanG gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG vorgesehene mildere Strafdrohung ergibt, den Strafen die jeweilige Grundlage entzogen.

b) Die in den Fällen 5 und 6 der Urteilsgründe gegen die Angeklagten verhängten Einzelstrafen haben Bestand. Soweit die Revision des Angeklagten T. insoweit die strafschärfende Berücksichtigung des Umstandes rügt, dass der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht, weil er nicht nur Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge getrieben, sondern auch zu dem entsprechenden Handel seines Bruders Beihilfe geleistet habe, liegt der - entsprechend auch für die Fälle 1 und 4 der Urteilsgründe und für Fall 1 auch von der Revision des Angeklagten S. - behauptete Rechtsfehler nicht vor. Wie auch die Revision des Angeklagten T. nicht in Abrede stellt, bestellte der Angeklagte insgesamt 500 Gramm Kokain, von denen er aber nur mit 300 Gramm selbst Handel trieb. Indem er die weiteren 200 Gramm an seinen 12 13 Bruder weitergab, leistete er aber einen Beitrag dazu, dass auch diese Betäubungsmittel zum Schaden der Volksgesundheit in den Verkehr gelangen konnten. Um den Schuldumfang auch insoweit zutreffend zu erfassen, war es deshalb ohne Weiteres zulässig, die neben die Strafbarkeit wegen täterschaftlichen Handeltreibens tretende Beihilfestrafbarkeit strafschärfend zu berücksichtigen. Soweit die Revision meint, eine solche Aufspaltung der Betäubungsmittelmengen für die Bestimmung des Schuldumfangs lasse sich den Strafzumessungserwägungen nicht entnehmen, geht dies fehl: Denn bereits aus der rechtlichen Würdigung ergibt sich, dass die Strafkammer insoweit hinsichtlich der unterschiedlichen Mengen differenziert und hinsichtlich der an den Bruder weitergegebenen Betäubungsmittel eine Eigennützigkeit verneint hat. Angesichts dessen versteht es sich von selbst, dass sie diese Differenzierung auch in der anschließenden Strafzumessung beibehalten hat.

c) Die Aufhebung der Einsatzstrafen bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafenaussprüche.

d) Die Feststellungen zum Strafausspruch sind von der Aufhebung nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und gegebenenfalls durch solche ergänzt werden, die zu den getroffenen nicht in Widerspruch stehen.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 745

Bearbeiter: Christian Becker