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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1014

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 454/22, Beschluss v. 20.03.2024, HRRS 2024 Nr. 1014


BGH 3 StR 454/22 - Beschluss vom 20. März 2024 (OLG Koblenz)

BGHSt; Verlesung der Erklärungen von Behörden (Berichte von Einrichtungen der Vereinten Nationen zu Beweiszwecken für behördliche oder gerichtliche Verfahren); allgemeine Funktionsträgerimmunität (Völkergewohnheitsrecht; Grenzen des Völkerstrafrechts); Verfahrensrüge (Zulässigkeit; Vortragserfordernisse bei behauptetem Verstoß gegen das Unmittelbarkeitsprinzip; Angriffsrichtung der Rüge); Sexualstrafrecht (Abgrenzung zwischen besonders schwerer Vergewaltigung und besonders schwerer sexueller Nötigung nach den jeweils bis zum 9. November 2016 gültigen Fassungen; Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme).

§ 250 Satz 2 StPO; § 256 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StPO; § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; § 20 Abs. 2 GVG; Art. 25 GG; § 177 StGB a.F.; § 174a Abs. 1 StGB a.F.; § 25 Abs. 2 StGB; § 27 StGB

Leitsätze

1. Berichte, die Organe oder Einrichtungen der Vereinten Nationen zu Beweiszwecken für behördliche oder gerichtliche Verfahren verfasst haben, unterfallen dem Anwendungsbereich des § 250 Satz 2 StPO. Nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO können sie gleichwohl in zulässiger Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes verlesen und damit verwertet werden (BGHSt).

2. Die allgemeine Funktionsträgerimmunität findet ihre Grenze in völkerrechtlichen Verbrechen unabhängig vom Status und Rang des Täters. Dies gilt für Taten, deren Strafbarkeit unmittelbar im allgemeinen Völkergewohnheitsrecht verwurzelt ist. Dazu zählen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, so wie diese Delikte als gewohnheitsrechtlich verfestigter Bestand des Völkerstrafrechts in den Strafvorschriften des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs und dementsprechend im Völkerstrafgesetzbuch festgeschrieben sind (BGHSt).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 13. Januar 2022 im Schuldspruch dahin geändert, dass

a) der Angeklagte schuldig ist - statt der besonders schweren Vergewaltigung der besonders schweren sexuellen Nötigung sowie - statt des sexuellen Missbrauchs von Gefangenen in drei Fällen der Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Gefangenen in zwei Fällen und

b) die Verurteilung des Angeklagten wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die den Nebenklägern A., K., M., F., Al., Ab., Mu., Als., G., Ka., Kan., H., Ha., Ham., B., Alg., Ma., Kh., A. Hamm. und M. Hamm. im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten schuldig gesprochen „eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Form von Tötung, Folter, schwerwiegender Freiheitsberaubung, Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Tateinheit mit Mord in 27 Fällen, gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen, besonders schwerer Vergewaltigung, sexueller Nötigung in zwei Fällen, über eine Woche dauernder Freiheitsberaubung in 14 Fällen, Geiselnahme in zwei Fällen und sexuellem Missbrauch von Gefangenen in drei Fällen“. Es hat ihn deswegen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

1. Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

a) Spätestens seit dem 29. April 2011 versuchten die syrischen Sicherheitsbehörden aufgrund zentraler Anordnung der Regierung, die im Rahmen des sogenannten Arabischen Frühlings gegen das Regime des Staatspräsidenten Bashar al-Assad entstandene Protestbewegung gewaltsam im Keim zu ersticken, um eine Gefährdung der Stabilität der Regierung und deren etwaigen Sturz zu unterbinden. So griffen Sicherheitskräfte landesweit Demonstrationen - auch unter Einsatz scharfer Schusswaffen gegen friedlich Protestierende - an und lösten sie auf; fliehende Demonstranten wurden verfolgt, festgenommen, inhaftiert und in der Folge regelmäßig gefoltert oder gar getötet. Bisweilen wurden Menschen, die lediglich verdächtig waren, der Opposition anzugehören, oder gänzlich Unbeteiligte gefangengenommen und gequält. Ziel dieses Vorgehens war es, einerseits Informationen über weitere Oppositionelle zu gewinnen, andererseits die Bevölkerung einzuschüchtern und hierdurch künftige Protestaktionen zu verhindern. Bei diesem Vorgehen kam den Geheimdiensten eine entscheidende Rolle zu.

b) In der Abteilung des Allgemeinen Geheimdienstes und einem ihr unterstellten Gefängnis im D. er Stadtteil wurden brutale Foltermethoden angewandt. Nach Ausbruch des Konflikts erhielten die Vernehmungsbeamten zunehmend größere Handlungsspielräume. Deshalb war es nunmehr ebenso möglich, dass sie ohne konkrete Anweisung, aber mit stillschweigender Billigung der Vorgesetzten folterten. Danach gab es in der Abteilung nahezu keine Vernehmung, bei der nicht Foltermethoden zum Einsatz kamen.

Die Mitarbeiter der Abteilung misshandelten die Gefangenen im Zuge der Vernehmungen massiv und rücksichtslos. Die Zufügung großer Schmerzen und Leiden durch Vernehmende oder bei den Verhören anwesende Gefängniswärter war strukturell in den Abläufen dieser Abteilung vorgesehen. Folter kam jedenfalls immer dann zum Einsatz, wenn der Gefangene auf die Frage des Vernehmenden keine oder nicht die erwartete Antwort gab. Die Abteilung unterhielt Räumlichkeiten, in denen bewegliche Folterinstrumente (wie Stöcke, Kabel, Gürtel und Zangen) eingesetzt wurden. Die Schreie Gefolterter waren nahezu rund um die Uhr in sämtlichen Räumen des Gefängnisses zu hören.

Die Haftbedingungen im Gefängnis der Abteilung waren auch im Übrigen menschenunwürdig. Die Gefangenen wurden überwiegend in Sammelzellen untergebracht, die ab April 2011 so überfüllt waren, dass die Insassen nur abwechselnd auf dem Boden schlafen konnten und ansonsten stehen mussten. Alternativ waren die Häftlinge zu zweit oder zu dritt in kleinen „Einzelzellen“ interniert. Waschgelegenheiten gab es ebenso wenig wie eine medizinische Versorgung. Die unzureichende Ernährung sowie der Schlafentzug, der durch die vorgenannten Bedingungen und die lauten Schreie gequälter Menschen verursacht wurde, führten zu rascher Gewichtsabnahme und genereller Verschlechterung des Allgemeinzustands. Nahezu jeder Inhaftierte wurde mindestens zu einem Verhör abgeführt, bei dem Vernehmungsbeamte ihn folterten.

c) Im Tatzeitraum vom 29. April 2011 bis zum 7. September 2012 waren unter den vorgenannten Bedingungen jedenfalls 4.000 Personen, darunter 20 Nebenkläger, für zumindest mehrere Tage inhaftiert. Von den Gefangenen verstarben infolge der Folter und der Haftverhältnisse mindestens 27 Menschen, darunter ein sieben Jahre altes Kind.

Im Hinblick auf 20 Nebenkläger sind in den Urteilsgründen einzelne - teilweise mehrfache - Misshandlungen und deren Folgen beschrieben. Drei Nebenkläger waren dabei - für die unten dargelegte rechtliche Würdigung relevant - Opfer sexuellen Missbrauchs. So führte ein Gefängniswärter dem Nebenkläger F. während dessen rund zweimonatiger Inhaftierung kraftvoll einen Schlagstock in den Anus ein. Die dadurch verursachten Verletzungen machten eine Operation erforderlich. Ein Wärter fasste der Nebenklägerin Kan., als sie gefesselt war, von unten an die bekleidete Brust. Während einer von zahlreichen Vernehmungen drückte ein Abteilungsbediensteter das Gesicht der Nebenklägerin Ha. in seinen Schoß auf sein Geschlechtsteil und hielt es in dieser Position fixiert.

d) Der Angeklagte hatte bereits vor dem 29. April 2011 im Rang eines Obersts die Positionen des stellvertretenden Leiters der Abteilung und des Leiters der Unterabteilung Vernehmung übernommen. Er hielt sie während des gesamten Tatzeitraums inne. Zu seinen Aufgaben gehörten unter anderem die Ermittlungsarbeit und die möglichst effiziente Informationsbeschaffung. Ihm unterstanden fünf bis zehn Vernehmungsbeamte und der Gefängnisdirektor. Der Angeklagte hatte als militärähnlicher Vorgesetzter ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber allen Personen seiner Unterabteilung. Seine Zuständigkeit erstreckte sich somit auf die Führung des Gefängnisses, die Behandlung der Gefangenen und die Durchführung der Vernehmungen. Er übte seine Befugnisse tatsächlich aus und überwachte die Einhaltung seiner Weisungen durch regelmäßige Besuche im Gefängnis. Er bestimmte die Vernehmungsziele, erhielt Vernehmungsberichte und wurde über besondere Vorkommnisse, etwa die bereits genannten Todesfälle, unterrichtet. Folter und Misshandlung der Gefangenen waren gelebte Praxis, die der Angeklagte aufrechterhielt. Bei der Auswahl der Mittel wurde den Vernehmenden und Wärtern freie Hand gelassen. Dem Angeklagten kam hinsichtlich des weiteren Schicksals der Gefangenen (Verbleib, Freilassung, Überantwortung an andere Behörden etc.) ein formelles Vorschlagsrecht gegenüber dem Abteilungsleiter zu, das aber in den meisten Fällen faktisch einer eigenen Entscheidungskompetenz entsprach.

Die Anwendung von Folter und sonstiger Gewalt bis hin zu sexuellen Übergriffen waren dem Angeklagten als Maßnahmen zur Aussageerpressung und Einschüchterung ebenso bewusst wie erwünscht. Die Todesfälle nahm er als zwangsläufige Folge der Misshandlungen und der ihm ebenfalls bekannten Haftbedingungen billigend in Kauf. Er identifizierte sich mit dem syrischen Staat, kannte das konzertierte Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen (mutmaßliche) Regimegegner und hieß es nicht nur gut, sondern betrachtete seine eigene Tätigkeit als dessen integralen Bestandteil. Der Erhalt des Regimes war ihm auch aus persönlichen Gründen wichtig, weil sein Status, sein Einkommen und seine gesellschaftlichen Privilegien daran geknüpft waren. Die Entscheidungen der Regierung waren ihm ebenso bekannt wie die jeweils aktuelle gesamtpolitische Lage in Syrien. Ihm war bewusst, dass es eine rechtliche Grundlage weder für die Inhaftierung noch für die Vernehmungsmethoden und Haftbedingungen gab und sich beides als menschenrechtswidrig darstellte.

2. Das Oberlandesgericht hat angenommen, der Angeklagte habe alle ausgeurteilten Straftatbestände als Mittäter tateinheitlich verwirklicht. Hinsichtlich des Nebenklägers F. hat es dabei unter anderem eine Strafbarkeit wegen besonders schwerer Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung) und sexuellen Missbrauchs von Gefangenen (§ 174a Abs. 1 StGB) bejaht, hinsichtlich der Nebenklägerinnen Kan. und Ha. eine solche jeweils wegen sexueller Nötigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung) und ebenfalls sexuellen Missbrauchs von Gefangenen.

II.

Die Verfahrensrügen haben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen keinen Erfolg. Näherer Erörterung bedarf lediglich die Beanstandung der Verwertung von Berichten unter Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit.

1. Der Rüge liegt das folgende Geschehen zugrunde:

a) Nach dem Revisionsvortrag wurden in der Hauptverhandlung auf Anordnung der Vorsitzenden des Staatsschutzsenats die Übersetzungen dreier Berichte der „unabhängigen internationalen Untersuchungskommission zur Syrisch-Arabischen Republik“ von 2011, 2013 und 2016 sowie der Bericht „Syrien“ des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von 2012 verlesen. Anschließend widersprachen die Verteidiger des Angeklagten der Verwertung dieser Urkunden. Zur Begründung führten sie aus, der Unmittelbarkeitsgrundsatz gebiete es, „die unmittelbaren Beweismittel, hier vor allem Zeugenbeweis zu erheben“.

b) Den drei vom Beschwerdeführer vorgelegten Berichten lässt sich in Verbindung mit allgemein zugänglichen Quellen entnehmen, dass der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Jahr 2011 mit der Resolution S-17/1 die genannte Untersuchungskommission einsetzte. Er erteilte ihr das Mandat, alle mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen in der Arabischen Republik Syrien seit März 2011 aufzuklären und dafür Verantwortliche zum Zweck späterer Strafverfolgung zu identifizieren. Nach der Einsetzung ernannte er ihre Mitglieder; in Fällen eines Ausscheidens nahm er Nachbesetzungen vor. Das Mandat wurde mittlerweile durch nachfolgende Resolutionen erweitert und konkretisiert. Neben zahlreichen Unterrichtungen legt die Kommission dem Menschenrechtsrat im Rahmen einer seiner Sitzungen mindestens einmal jährlich einen Bericht über ihre Untersuchungsergebnisse vor, die in erster Linie auf der Auswertung von Dokumenten und Zeugenbekundungen beruhen. Gemäß Nr. 14 und 15 der Resolution S-17/1 veröffentlicht der Menschenrechtsrat die Berichte und leitet sie jeweils der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu.

2. Die Revision macht geltend, der Staatsschutzsenat habe seine Überzeugung von den in Syrien begangenen Menschenrechtsverstößen nicht - wie geschehen neben einer Vielzahl weiterer Beweismittel (UA S. 164) - indiziell auf die verlesenen Berichte der Untersuchungskommission stützen dürfen. Diese seien in der Hauptverhandlung nicht überprüft worden, vielmehr „schlicht unüberprüfbar“. Aufgrund des Verstoßes gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz könne das Urteil keinen Bestand haben.

3. Bereits gegen die Zulässigkeit der Rüge bestehen Bedenken. Denn es genügt den Vortragserfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO grundsätzlich nicht, lediglich abstrakt einen Verstoß gegen das Unmittelbarkeitsprinzip zu monieren. Der Beschwerdeführer hat vielmehr darzutun, dass entgegen § 250 Satz 2 StPO die Vernehmung einer Person durch Verlesung eines Schriftstücks ersetzt worden ist (s. KK-StPO/Diemer, 9. Aufl., § 250 Rn. 19). Die Vorschrift steht der Ergänzung des Zeugenbeweises durch Verlesung einer Urkunde, namentlich zur Überprüfung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen, nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2014 - 2 StR 475/13, NStZ 2014, 607, 608).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe wird die Angriffsrichtung der Rüge möglicherweise schon deshalb nicht hinreichend deutlich, weil dem Vortrag nicht zu entnehmen ist, welche Zeugen anstelle der Erhebung des Urkundenbeweises hätten vernommen werden sollen. Das Vorbringen deutet darauf hin, dass der Beschwerdeführer die Ansicht vertritt, die Berichte ersetzten Bekundungen zahlreicher zu Menschenrechtsverletzungen befragter - dort nicht individualisierter - Auskunftspersonen. Indes könnte in der Verlesung allenfalls eine unzulässige Ersetzung der Aussagen der verantwortlichen Verfasser der Berichte liegen (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1951 - 1 StR 54/51, BGHSt 1, 94, 95 f.; Beschluss vom 4. April 2023 - 3 StR 68/22, BGHR StPO § 256 Abs. 1 Nr. 5 Urheber 1 Rn. 12 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 256 Rn. 5; SSW-StPO/Kudlich/Schuhr, 5. Aufl., § 249 Rn. 30 mwN).

Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, ist zumindest nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer eine Verwertung der vom BAMF stammenden Urkunde angreift.

4. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die Berichte der unabhängigen internationalen Untersuchungskommission unterfallen dem Anwendungsbereich des § 250 Satz 2 StPO, weil sie ausweislich ihres Inhalts zu Beweiszwecken für ein behördliches oder gerichtliches Verfahren verfasst worden sind (vgl. BGH, Urteile vom 18. Mai 1954 - 5 StR 653/53, BGHSt 6, 141, 142 f.; vom 16. Februar 1965 - 1 StR 4/65, BGHSt 20, 160, 161; Beschluss vom 25. September 2007 - 1 StR 350/07, NStZ-RR 2008, 48; MüKoStPO/Kreicker, 2. Aufl., § 250 Rn. 16). Sie konnten allerdings nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO in zulässiger Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes verlesen und damit verwertet werden.

a) Die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingesetzte Untersuchungskommission ist als öffentliche Behörde im Sinne dieser Vorschrift zu werten. Der Begriff erfasst nach öffentlichem Recht eingerichtete, mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraute Stellen des Staates oder eines anderen Trägers öffentlicher Verwaltung, die in ihrem Bestand von den jeweils leitenden Beamten unabhängig sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1959 - 2 BvF 1/58, BVerfGE 10, 20, 48; RG, Beschluss vom 14. November 1888 - Rep. 1291/88, RGSt 18, 246, 249; BGH, Beschluss vom 20. September 1957 - V ZB 19/57, BGHZ 25, 186, 188 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 256 Rn. 11, 12). Sie müssen weder hoheitliche Befugnisse haben (s. BGH, Beschluss vom 20. September 1957 - V ZB 19/57, BGHZ 25, 186, 189) noch Teil der deutschen Staatsgewalt sein (s. BGH, Urteil vom 9. Juli 1991 - 1 StR 666/90, NJW 1992, 58, 59).

aa) Diese - weit zu verstehenden - Voraussetzungen liegen hier vor. Die Untersuchungskommission ist mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraut. Sie wurde durch eine Resolution des Menschenrechtsrats gegründet, der seinerseits als ein durch Beschluss der Generalversammlung (Resolution 60/251) eingerichtetes Unterorgan Teil der Vereinten Nationen ist. Die dieser internationalen Organisation zugehörigen Einrichtungen sind im Rahmen des § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO innerstaatlichen Stellen gleichzustellen. Die Bundesrepublik Deutschland wirkt als Mitglied der Vereinten Nationen und des Menschenrechtsrats nicht nur an der Erfüllung der Aufgaben jener Institutionen mit, sondern bedient sich ihrer zugleich zur Erreichung der in der Charta der Vereinten Nationen bestimmten (Art. 1 UN-Charta) und für sie selbst durch Zustimmung zum Grundvertrag als verbindlich anerkannten Ziele (vgl. BGBl. 1973 II S. 430; ferner Art. 24 GG).

Die Vereinten Nationen sind aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit „Träger“ der ihr zugedachten Aufgaben im Sinne der vorgenannten Definition. In Erfüllung dieser Funktionen ist die internationale Organisation Inhaberin völkerrechtlicher Rechte und Pflichten (vgl. Epping in Ipsen, Völkerrecht, 8. Aufl., § 8 Rn. 60 ff.). Den Vereinten Nationen und ihren Organen wird durch Art. 104 der UN-Charta sowie aufgrund Ratifizierung des Übereinkommens über Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen (BGBl. 1980 II S. 941) auch innerstaatlich Rechtssubjektivität eingeräumt.

Die Untersuchungskommission ist in ihrem Bestand vom jeweils leitenden Beamten unabhängig. Dass der Menschenrechtsrat das Ermittlungsmandat nicht bestimmten Personen, sondern der Kommission als dauerhaft eingerichteter Institution erteilte, wird dadurch belegt, dass der Gründungsbeschluss der Benennung ihrer Mitglieder vorausging und Letztere in Fällen eines Ausscheidens ersetzt wurden.

bb) Darüber hinaus rechtfertigen Sinn und Zweck des § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO, Organe und Einrichtungen der Vereinten Nationen unter denselben Voraussetzungen, die für inländische Stellen gelten, als öffentliche Behörden anzusehen. Diese Regelung dient nicht in erster Linie dazu, Behördenangehörige von zusätzlicher Arbeitsbelastung infolge der Ladung als Zeugen freizuhalten, sondern findet ihren tieferen Grund in dem besonderen Vertrauen, das den öffentlichen Einrichtungen wegen ihrer Unparteilichkeit, Gemeinwohlverpflichtung und - durch Spezialisierung auf bestimmte Sachfragen bedingte - Sachkunde entgegengebracht wird (ebenso OLG Koblenz, Urteil vom 24. Juni 1982 - 1 Ss 267/82, NJW 1984, 2424; MüKoStPO/Krüger, 2. Aufl., § 256 Rn. 8; demgegenüber Seyler, GA 1989, 546, 549). Für die Zuverlässigkeit und Richtigkeit der schriftlich niedergelegten Informationen bieten die Stellen der Vereinten Nationen danach im Allgemeinen nicht weniger Gewähr als Behörden des Bundes und der Länder oder anderer Staaten (hierzu BGH, Urteile vom 20. Oktober 1959 - 5 StR 365/59, Recht in Ost und West 1960, 71; vom 9. Juli 1991 - 1 StR 666/90, NJW 1992, 58, 59; Beschluss vom 5. Juni 2018 - 4 StR 524/17, juris).

b) Die verlesenen Berichte sind der Untersuchungskommission zuzurechnen. So liegt es, wenn eine für diese handelnde und zur Bekanntgabe nach außen befugte Person Auskünfte über im Zusammenhang mit der Behördentätigkeit erlangte Erkenntnisse gibt, die nicht bloß für den innerdienstlichen Gebrauch bestimmt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 1988 - 4 StR 51/88, BGHR StPO § 256 Abs. 1 Behörde 2; MüKoStPO/Krüger, 2. Aufl., § 256 Rn. 12 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 256 Rn. 15). Dass die drei verlesenen Berichte über vom Untersuchungsauftrag umfasste Wahrnehmungen nach außen kundgetan werden sollten, ergibt sich bereits aus der benannten Resolution S-17/1. Die Dokumentationen der jeweiligen Untersuchungsergebnisse waren gerade zur Veröffentlichung bestimmt.

aa) Die Berichte stammen von der Untersuchungskommission, ohne dass es einer Unterschrift ihres Leiters oder einer von ihm dazu ermächtigten Person bedarf. Zwar wurde von der Rechtsprechung in Fällen, in denen eine Unterschrift einer als ermächtigt für die Abgabe von Erklärungen anzusehenden Person gänzlich oder ein Zusatz, der auf ein Handeln im Namen der Behörde schließen lässt, fehlte, mitunter die Zurechnung verneint (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. Januar 1984 - 3 StR 487/83, NStZ 1984, 231; Urteil vom 6. Juni 1984 - 2 StR 72/84, NStZ 1985, 36; Beschluss vom 26. Februar 1988 - 4 StR 51/88, NStZ 1988, 283). Entscheidend ist jedoch nicht das Vorhandensein einer Unterschrift oder eines Vertretungszusatzes; in Anbetracht der zunehmend üblicher werdenden Übersendung oder Veröffentlichung von Dokumenten ausschließlich in digitaler Form verlieren solche Förmlichkeiten ohnehin an Bedeutung. Es kommt vielmehr darauf an, sicherzustellen, dass die zu verlesende Erklärung von der Behörde selbst stammt und mit ihrem Willen abgegeben wurde. Dafür kann die Unterzeichnung durch einen zuständigen Vertreter mit entsprechendem Vertretungszusatz ein Indiz sein; ihr Fehlen belegt aber nicht das Gegenteil (vgl. KK-StPO/Diemer, 9. Aufl., § 256 Rn. 3; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 256 Rn. 41 f.; SSW-StPO/Franke, 5. Aufl., § 256 Rn. 5). Ob die zu verlesende Erklärung mit dem Willen der Behörde abgegeben wurde, ist danach freibeweislich zu klären (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 256 Rn. 30).

bb) An der Authentizität der verlesenen Berichte besteht hier kein Zweifel. Ausweislich der Protokolle der 19. und 31. Sitzung des Menschenrechtsrats in den Jahren 2012 und 2016 stellte der Vorsitzende der Untersuchungskommission die Berichte dem Menschenrechtsrat vor. Dadurch ist sichergestellt, dass sie weder bloße Entwürfe noch persönliche Erklärungen einzelner Kommissionsmitglieder darstellen. Zudem sind sie über das Informationssystem der Vereinten Nationen mit entsprechender Drucksachennummer sowie im Internetauftritt des Menschenrechtsrats und der Untersuchungskommission allgemein erhältlich. Dies verdeutlicht ebenfalls, dass es sich um die verbindliche Kundgabe der Untersuchungsergebnisse handelt.

c) Die verlesenen Berichte gaben Auskunft über in Ausübung des Mandats der Untersuchungskommission von deren Mitgliedern oder Mitarbeitern erlangte Informationen und beinhalteten damit jeweils ein Zeugnis im Sinne des § 256 Abs. 1 Nr. 1 StPO. Darunter fallen Auskünfte über in amtlicher Wahrnehmung erlangte Erkenntnisse und sonstiges amtliches Wissen der Behördenangehörigen (vgl. RG, Urteil vom 26. Juli 1883 - Rep. 1673/83, RGSt 9, 88, 92; KK-StPO/Diemer, 9. Aufl., § 256 Rn. 2).

Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist nicht auf Erklärungen begrenzt, die in öffentlichen Registern oder Büchern enthalten sind (so aber SK-StPO/Velten, 5. Aufl., § 256 Rn. 20). Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck sowie der systematischen Stellung der Norm. Wie die übrigen Varianten des § 256 Abs. 1 StPO soll die Zulässigkeit der Verlesung von Behördenzeugnissen insgesamt der Verfahrensbeschleunigung dienen, indem die Hauptverhandlung von Vernehmungen entlastet wird, die wegen regelmäßig fehlenden weitergehenden Erkenntnisgewinns entbehrlich sind (vgl. BT-Drucks. 15/1508 S. 13, 26). Es widerspräche diesem Anliegen, wenn das Tatgericht im Einzelfall unabhängig von einem Aufklärungsbedarf Behördenangehörige zu bereits urkundlich festgehaltenen Wahrnehmungen vernehmen müsste, obwohl sie über den niedergelegten Inhalt hinaus keine Angaben machen könnten (zu Observationsberichten vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2016 - 3 StR 484/15, BGHR StPO § 256 Abs. 1 Nr. 5 Ermittlungsmaßnahmen 3 Rn. 2 f.). Bei einer solchen engen Auslegung liefe zudem die Regelung des § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO hinsichtlich der Zeugnisse vereidigter Sachverständiger betreffend ihre Gutachtertätigkeit leer. Denn diese können keine Auskünfte aus öffentlichen Büchern oder Registern geben. Einer für Behörden und Sachverständige unterschiedlichen Interpretation wider den ein einheitliches Verständnis nahelegenden Wortlaut stünde überdies der gesetzgeberische Wille entgegen. Hiernach sollen vereidigte Sachverständige im Anwendungsbereich des § 256 Abs. 1 Nr. 1 StPO Behörden gleichgestellt sein (s. BT-Drucks. 15/1508 S. 26).

III.

Der auf die Sachrüge veranlassten umfassenden materiellrechtlichen Überprüfung hält das Urteil im Wesentlichen stand. Die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch allerdings nicht in jeder Hinsicht. Er ist im Hinblick auf die die sexuelle Selbstbestimmung schützenden Strafnormen des Strafgesetzbuchs zu ändern, ohne dass sich dies auf den Strafausspruch auswirkt.

1. Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass kein Verfahrenshindernis in Gestalt der Amtsträgerimmunität besteht. Dem Angeklagten kommt eine völkergewohnheitsrechtliche funktionelle Immunität (vgl. § 20 Abs. 2 GVG) nicht zu, die ihn vor einer Strafverfolgung durch einen anderen Staat wegen der festgestellten Tat schützte. Der Angeklagte war zwar als Amtsträger des syrischen Staates tätig, so dass sie als staatliches Handeln des Regimes zu bewerten ist. Auch können Personen aufgrund aus der Staatenimmunität abgeleiteter funktioneller Immunität von deutscher Gerichtsbarkeit befreit sein, soweit sie für einen fremden Staat hoheitlich handeln. Die allgemeine Funktionsträgerimmunität findet jedoch ihre Grenze in völkerrechtlichen Verbrechen. Auf den Status und Rang des Täters kommt es dabei nicht an (s. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2024 - AK 4/24, NJW 2024, 1674 Rn. 53 mwN). Dies gilt für Taten, deren Strafbarkeit unmittelbar im allgemeinen Völkergewohnheitsrecht verwurzelt ist. Dazu zählen die - hier in Rede stehenden - Verbrechen gegen die Menschlichkeit (für Kriegsverbrechen s. bereits BGH, Urteil vom 28. Januar 2021 - 3 StR 564/19, BGHSt 65, 286 Rn. 13), so wie sie als gewohnheitsrechtlich verfestigter Bestand des Völkerstrafrechts in den Strafvorschriften des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs und dementsprechend im Völkerstrafgesetzbuch festgeschrieben sind (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 2022 - 3 StR 230/22, BGHSt 67, 180 Rn. 23; zur Ahndung idealkonkurrierender Straftaten nach dem Strafgesetzbuch s. BGH, Urteil vom 28. Januar 2021 - 3 StR 564/19, BGHSt 65, 286 Rn. 49).

Die auf November 2023 datierende Stellungnahme der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen zu Artikel 7 des Entwurfs der Völkerrechtskommission zur Immunität von Staatsbediensteten gibt keinen Anlass, den Ausschluss allgemeiner funktioneller Immunität bei völkerrechtlichen Verbrechen nunmehr in Frage zu stellen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen (Art. 100 Abs. 2 GG). Der Text bringt zum Ausdruck, eine solche Immunitätsbegrenzung sei allenfalls im Entstehen begriffenes Völkergewohnheitsrecht („customary international law ‚in statu[...] nasciendi‘“) beziehungsweise es sei ein auf deren Akzeptanz hindeutender Trend erkennbar (Comments and observations by the Federal Republic of Germany on the draft articles on „Immunity of State officials from foreign criminal jurisdiction“ S. 3). Der Senat hat indes bereits dargelegt, dass es der gefestigten Staatenpraxis entspricht und zum zweifelsfreien Bestand des Völkergewohnheitsrechts gehört, in derartigen Fällen fremdstaatliche Hoheitsträger nicht von inländischer Gerichtsbarkeit zu befreien (s. BGH, Urteil vom 28. Januar 2021 - 3 StR 564/19, BGHSt 65, 286 Rn. 13 ff. mwN). Die Stellungnahme Deutschlands hat diese Rechtsprechung als wichtige deutsche Staatspraxis mit erheblicher Tragweite („significant bearing“) hervorgehoben (aaO), wenngleich sich die ganz überwiegende Mehrzahl der europäischen und weitere Staaten deutlich entschiedener zu dem Immunitätsausschluss bekannt haben (vgl. Ambos, DRiZ 2024, 30, 33; Kreß, F.A.Z. vom 6. November 2023 S. 8; Raube, KriPoZ 2024, 216).

Von der allgemeinen Funktionsträgerimmunität zu unterscheiden sind spezielle funktionelle Immunitäten namentlich von Mitgliedern diplomatischer Missionen (s. Art. 38 Abs. 1, Art. 39 Abs. 2 Satz 2 WÜD) und konsularischer Vertretungen. Diese Befreiungen unterliegen anderen Regeln (vgl. etwa §§ 18, 19 GVG). Ein entsprechender Immunitätsausschluss ist nicht Gegenstand der aufgezeigten Senatsrechtsprechung.

2. Das Oberlandesgericht hat ebenso zutreffend angenommen, dass nach § 395 Abs. 5 Satz 2 StPO die vom Generalbundesanwalt mit Anklageerhebung verfügte Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO unwirksam ist, soweit davon die Nebenkläger betreffende Gesetzesverletzungen erfasst sind. Denn die Nebenkläger haben diesem Vorgehen nicht zugestimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 1973 - 4 StR 177/73, VRS 45 [1973], 181; Urteil vom 12. Juni 2001 - 1 StR 190/01, juris Rn. 8). Im Hinblick auf die allgemeinen Sexualstraftaten zum Nachteil der Nebenkläger F., Kan. und Ha. sind die Urteilsfeststellungen allerdings - neben der Strafbarkeit wegen des Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch sexuelle Gewalt nach § 7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB (dazu BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2022 - AK 32/22, juris Rn. 32, 42; vom 30. November 2022 - 3 StR 230/22, BGHSt 67, 180 Rn. 60) - abweichend vom Schuldspruch rechtlich wie folgt zu würdigen:

a) Die Tat zum Nachteil des Nebenklägers F. stellt für den Angeklagten als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) keine besonders schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB in der gemäß § 2 Abs. 1 StGB anwendbaren bis zum 9. November 2016 gültigen Fassung dar, sondern eine besonders schwere sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 4 Nr. 1 StGB in dieser Fassung.

Der Tatbestand des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB aF war - anders als nach aktueller Gesetzeslage (s. BGH, Beschluss vom 24. September 2018 - 5 StR 358/18, NStZ 2019, 275 f.) - als eigenhändiges Delikt ausgestaltet und konnte ausschließlich von demjenigen verwirklicht werden, der in eigener Person die sexuelle Handlung vornahm (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1999 - 4 StR 3/99, juris Rn. 5; Beschluss vom 21. April 2009 - 4 StR 531/09, NStZ-RR 2009, 278; BeckOK StGB/Ziegler, 61. Ed., § 177 Rn. 49). Da der Angeklagte bei der Penetration mit dem Schlagstock nicht einmal zugegen war, kommt er als Vergewaltigungstäter nicht in Betracht. Demgegenüber handelte es sich bei der sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB aF nicht um ein eigenhändiges Delikt, so dass die Tatausführung dem Angeklagten - einschließlich der Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF - über § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen ist.

b) Der durch die Taten zum Nachteil der Nebenklägerinnen Kan. und Ha. mittäterschaftlich verwirklichte Grundtatbestand der sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 3 StGB aF wird im Wege der Gesetzeseinheit verdrängt. Denn dieses Delikt weist bezogen auf den Angeklagten keinen Unrechtsgehalt auf, der nicht von § 7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB vollständig erfasst wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 2022 - 3 StR 230/22, BGHSt 67, 180 Rn. 56 ff.; MüKoStGB/Werle/Jeßberger, 4. Aufl., § 7 VStGB Rn. 82).

c) Die Taten zum Nachteil der drei benannten Nebenkläger sind für den Angeklagten daneben als drei tateinheitliche Fälle lediglich der Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) zum sexuellen Missbrauch von Gefangenen nach § 174a Abs. 1 StGB in der gemäß § 2 Abs. 1 StGB anwendbaren bis zum 30. Juni 2021 gültigen Fassung zu beurteilen. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt sind allerdings nur noch die zwei Fälle zu Lasten der Nebenkläger F. und Ha. verfolgbar, während in dem die Nebenklägerin Kan. betreffenden Fall das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung einem entsprechenden Schuldspruch entgegensteht (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB). Im Einzelnen:

aa) Der sexuelle Missbrauch von Gefangenen nach § 174a Abs. 1 StGB aF sah gleichfalls eine eigenhändige Begehung vor (s. MüKoStGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 174a Rn. 33; Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl., § 174a Rn. 13). Die Tatbestandsumschreibung enthielt ebenso wie § 174 Abs. 1 StGB aF, der dieselbe Tatbestandsstruktur aufwies, keinen Hinweis auf eine „dritte Person“, mit welcher der sexuelle Körperkontakt auch stattfinden konnte (zu § 174 Abs. 1 StGB aF vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1995 - 1 StR 236/95, BGHSt 41, 242, 243 ff.; Beschluss vom 18. April 2007 - 2 StR 19/07, NStZ 2007, 699). Erst durch das nach den Taten am 1. Juli 2021 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder (BGBl. 2021 I S. 1810) wurden beide Straftatbestände entsprechend reformiert.

Der in keinem der Fälle am Tatort anwesende Angeklagte nahm die festgestellten sexuellen Handlungen nicht selbst vor. Die Urteilsfeststellungen tragen deshalb nur eine Beihilfe zu den von verschiedenen Abteilungsbediensteten täterschaftlich begangenen Delikten.

bb) Soweit sich der sexuelle Missbrauch von Gefangenen gegen die Nebenkläger F. und Ha. richtete, ist die Verfolgung der vom Angeklagten hierzu geleisteten Beihilfe nicht verjährt. Denn die Verjährung ruhte gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB bis zur Vollendung des 30. Lebensjahrs des jeweiligen Opfers, mithin hinsichtlich des am 20. September 1984 geborenen Nebenklägers F. bis zum Ablauf des 19. September 2014 und hinsichtlich der am 8. Juli 1987 geborenen Nebenklägerin Ha. bis zum Ablauf des 7. Juli 2017 (zur rückwirkenden Anwendung der zum 27. Januar 2015 erweiterten Ruhensregelung auf noch unverjährte Taten vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - 4 StR 165/04, BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 12; vom 8. Februar 2012 - 1 StR 658/11, juris Rn. 3; vom 7. April 2020 - 3 StR 90/20, StV 2021, 295 Rn. 7; vom 29. März 2021 - 2 StR 450/19, juris Rn. 15; LK/Greger/Weingarten, StGB, 13. Aufl., § 78b Rn. 1a). Die maßgebliche Frist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) war somit noch nicht verstrichen, als die Verjährung - spätestens - durch den Erlass des Haftbefehls gegen den Angeklagten am 7. Februar 2019 nach § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB unterbrochen wurde.

Soweit die im Jahr 1976 geborene Nebenklägerin Kan. betroffen ist, liegt das Verfahrenshindernis hingegen vor. Die Verjährungsfrist war jedenfalls fünf Jahre nach dem Ende des Tatzeitraums, mithin am 7. September 2017, abgelaufen, ohne dass zuvor verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergriffen worden waren.

d) Infolgedessen ist der Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich zu ändern. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den abweichenden Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

e) Im Übrigen weist der Schuldspruch aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Von einer weitergehenden Modifikation der Tenorfassung (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. November 2022 - 3 StR 230/22, BGHSt 67, 180 Rn. 60, 65) hat der Senat mit Blick auf das dem Oberlandesgericht insoweit zustehende Ermessen (§ 260 Abs. 4 Satz 5 StPO) abgesehen.

3. Der Strafausspruch bleibt von der Änderung des Schuldspruchs unberührt, weil § 7 Abs. 1 Nr. 1 VStGB und § 211 StGB zwingend die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe vorschreiben.

4. Der mit der Sachrüge erzielte geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1014

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede