HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 181
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 447/14, Urteil v. 10.10.2017, HRRS 2018 Nr. 181
1. Die Revisionen der Angeklagten S. und Sc. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. Februar 2014 werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten S. und Sc. vom Vorwurf der Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Monat Juni 2009 freigesprochen worden sind.
3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu Gesamtgeldstrafen von 120 Tagessätzen zu je 500 Euro (Angeklagter S.) bzw. 90 Tagessätzen zu je 40 Euro (Angeklagte Sc.) verurteilt; im Übrigen hat es sie freigesprochen.
Die Angeklagten wenden sich mit ihren Revisionen gegen ihre Verurteilung und rügen die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen die Freisprechung der Angeklagten vom Tatvorwurf der Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Monat Juni 2009 sowie, soweit die Angeklagten verurteilt worden sind, den Strafausspruch.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben nur hinsichtlich des Teilfreispruchs Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten unbegründet.
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen (s. dazu bereits BGH, Urteil vom 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14, NStZ 2016, 39 sowie Beschluss vom 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14, NStZ-RR 2015, 375):
I. Der nicht revidierende Mitangeklagte G. war Initiator eines im Zeitraum von April 2009 bis März 2010 betriebenen und auf die Hinterziehung von Umsatzsteuer im Handel mit CO2-Emissionszertifikaten ausgerichteten „Betrugssystems“, in das ab September 2009 auch der Mitangeklagte St. eingebunden war.
Die im Inland ansässige E. GmbH (im Folgenden: E.), die von G. faktisch beherrscht wurde, erwarb ab April 2009 Treibhausgasemissionszertifikate (im Folgenden: Emissionszertifikate) umsatzsteuerfrei im Ausland. Die Zertifikate wurden zeitnah an die ebenfalls von G. geführte I. S.A. (im Folgenden: I.) mit Sitz in Luxemburg weiterveräußert, die der E. über die Leistungen Gutschriften unter Ausweis deutscher Umsatzsteuer erteilte und parallel dazu jeweils eine Provision mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer in Rechnung stellte. Die I. veräußerte die Zertifikate an die von dem Mitangeklagten St. geführte C. GmbH (im Folgenden: C.), wobei auch insoweit im Gutschriftsverfahren unter Ausweis deutscher Umsatzsteuer und mit gesonderter Inrechnungstellung einer Provision für den Käufer abgerechnet wurde. Die C. veräußerte die Zertifikate an mehrere deutsche Abnehmer, darunter auch Banken, weiter. Nach dem 7. Januar 2010 schied die E. aus der Leistungskette aus. Die I. erwarb die Zertifikate ab diesem Zeitpunkt direkt aus dem Ausland, erteilte aber dennoch weiterhin Gutschriften mit Ausweis deutscher Umsatzsteuer an die E. und leistete entsprechende Zahlungen.
Die E., die als sog. Missing Trader in das Umsatzsteuerbetrugssystem eingebunden war, erklärte in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für das zweite, dritte und vierte Quartal 2009 zwar die Umsätze aus der Veräußerung der Zertifikate an die I. Um die Umsatzsteuerschuld zu mindern, machte sie jedoch einen Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen vermeintlicher inländischer Lieferanten geltend. Für die Monate Januar und März 2010 gab sie keine Umsatzsteuervoranmeldungen mehr ab. Nach den Berechnungen des Landgerichts wurde hierdurch zugunsten der E. insgesamt Umsatzsteuer in Höhe von 11.484.179,12 Euro verkürzt (UA S. 50 - 55, 125).
In den Umsatzsteuervoranmeldungen der I., die als sog. Buffer auftrat, erklärte der Mitangeklagte G. als deren Geschäftsführer für die Voranmeldungszeiträume April bis Juli 2009, September 2009 bis Januar 2010 sowie März 2010 die Leistungen an die C. - teilweise allerdings mit niedrigeren als den Rechnungsbeträgen - als steuerpflichtige Umsätze und machte dabei die in den der E. erteilten Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer zu Unrecht als Vorsteuer geltend. Dadurch wurde nach den Berechnungen des Landgerichts zugunsten der I. insgesamt Umsatzsteuer in Höhe von 10.667.491,10 Euro verkürzt (UA S. 55 - 66, 125 f.).
Für die als weiterer „Buffer“ eingeschaltete C. machte der Mitangeklagte St. als deren Geschäftsführer in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate September 2009 bis Januar 2010 sowie März 2010 zu Unrecht einen Vorsteuerabzug aus den der I. erteilten Gutschriften geltend. St. hatte im August 2009 erkannt, dass die C. in ein Umsatzsteuerbetrugssystem eingebunden war und die I. lediglich zum Zwecke des Umsatzsteuerbetrugs mit Emissionszertifikaten handelte. Er wusste zudem, dass mindestens ein weiteres Unternehmen in die Umsatzsteuerbetrugskette eingeschaltet war, das seinerseits Steuern verkürzte, und billigte dies. Hierdurch wurde nach den Berechnungen des Landgerichts zugunsten der C. Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 4.663.456,61 Euro verkürzt (UA S. 67 - 73, 126).
II. Die Angeklagten sind bei einer großen Steuerberatungsgesellschaft beschäftigt, die Ende Mai/Anfang Juni 2009 die steuerliche Beratung der I. übernahm. Das Mandat betreute die Angeklagte Sc., wobei jeder Zwischenschritt und jeder Schriftsatz aufgrund des bei der Steuerberatungsgesellschaft geltenden Vier-Augen-Prinzips mit dem zuständigen Partner der Gesellschaft, dem Angeklagten S., abgestimmt wurde.
Die I., die ihren Sitz in Luxemburg hatte, verfügte in den Monaten April und Mai 2009 über keine Betriebsstätte in Deutschland. Nachdem der Mitangeklagte G. von St. darüber unterrichtet worden war, dass ein Ausweis deutscher Umsatzsteuer seitens der I. nur bei Vorhandensein einer inländischen Betriebsstätte zulässig sei, wandte sich G. am 27. Mai 2009 an die Steuerberatungsgesellschaft der Angeklagten, um sich zur umsatzsteuerlichen Situation der I. beraten zu lassen. Bei einem ersten Telefongespräch mit der Angeklagten Sc. erläuterte er die Situation der I. und teilte dabei mit, dass diese Gesellschaft nicht über Büroräume oder eine sonstige räumliche Repräsentanz in Deutschland verfügte. G. beauftragte die Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung eines Kurzgutachtens zur umsatzsteuerlichen Situation der I. Die Angeklagte Sc. erstellte das Gutachten in Abstimmung mit dem Angeklagten S. In dem Gutachten wurde u.a. ausgeführt, dass die I. nur dann deutsche Umsatzsteuer ausweisen und als Vorsteuer gelten machen könne, wenn sie über einen Sitz in Deutschland verfüge und die entsprechenden Geschäfte von Deutschland aus tätige. Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass die Einrichtung einer solchen Zweigniederlassung keine Rückwirkung entfalte und deshalb die Rechnungen, die vor Errichtung einer Betriebsstätte in Deutschland unter Ausweis von deutscher Umsatzsteuer ausgestellt wurden, zu korrigieren seien. Das Gutachten wurde am 5. Juni 2009 an G. übermittelt. Dieser ließ sich am 8. Juni 2009 telefonisch durch die Angeklagte Sc. nach Rücksprache mit dem Angeklagten S. die Anforderungen für die Anerkennung einer Betriebsstätte näher erläutern.
Am 9. Juni 2009 übersandte G. sodann einen Vertrag über die Anmietung von Büroräumen in Sa. ab dem 1. April 2009. Tatsächlich war der Mietvertrag erst Anfang Juni 2009 abgeschlossen und zurückdatiert worden. G. beauftragte die Steuerberatungsgesellschaft der Angeklagten mit der umsatzsteuerlichen Beratung für die Zeit ab April 2009 und legte im August 2009 die erforderlichen Unterlagen - insbesondere Verträge zwischen der I. und der C. sowie Gutschriften für die betreffenden Monate - vor.
Die Angeklagten erstellten für die I. - nachdem zunächst durch den zuvor für diese Gesellschaft tätigen Steuerberater sog. Nullmeldungen abgegeben worden waren - für die Voranmeldungszeiträume April und Mai 2009 „berichtigte“ Umsatzsteuervoranmeldungen und reichten sie am 12. August 2009 beim zuständigen Finanzamt ein. In diesen Steueranmeldungen wurden die Übertragungen der Zertifikate an die C. als steuerpflichtige Umsätze erklärt und in den an die E. erteilten Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 147.519,80 Euro im April 2009 bzw. 1.146.788,70 Euro im Mai 2009 als Vorsteuer geltend gemacht.
Die Angeklagten hatten keine Kenntnis von der Rolle der I. im Rahmen eines Umsatzsteuerhinterziehungssystems. Aufgrund des Gangs der umsatzsteuerlichen Beratung hielten sie es aber „für höchst wahrscheinlich“, dass der Vertrag über die Anmietung der Büroräume erst infolge ihrer Beratung des Mitangeklagten G. Anfang Juni des Jahres 2009 abgeschlossen und rückdatiert worden war und die I. in den Monaten April und Mai 2009 über keine Büroräume und damit auch über keine Betriebsstätte in Deutschland verfügt hatte, so dass die I. für diese Monate weder deutsche Umsatzsteuer ausweisen noch einen Vorsteuerabzug vornehmen durfte. Hierüber setzten sich die Angeklagten hinweg und nahmen die Abgabe unrichtiger Vorsteueranmeldungen billigend in Kauf. Sie meinten, sich auf eine die wahren Verhältnisse kaschierende Papierlage verlassen zu können, und schlossen deshalb die Möglichkeit der Entdeckung ihres Verhaltens aus.
III. Hinsichtlich des Mitangeklagten St. wertete das Landgericht die Geltendmachung der Vorsteuer aus den an die I. erteilten Gutschriften als Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) zugunsten der C. Der Vorsteuerabzug sei für die Voranmeldungszeiträume ab September 2009 zu versagen, da die C. in eine Umsatzsteuerbetrugskette eingebunden gewesen sei und der Mitangeklagte St. dies gewusst habe. Den Ankauf der Emissionszertifikate wertete es als jeweils rechtlich selbständige Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch G. zugunsten der I. sowie der E. Vom Vorwurf der Steuerhinterziehung beziehungsweise der Beihilfe hierzu hinsichtlich früherer Voranmeldungszeiträume sprach es den Mitangeklagten St. mangels Kenntnis von der Einbeziehung in das Umsatzsteuerbetrugssystem frei. Die Verurteilung des St. hatte weitgehend Bestand (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14, NStZ 2016, 39).
IV. Hinsichtlich der Angeklagten wertete das Landgericht die Erstellung der „berichtigten“ Umsatzsteuervoranmeldungen für die I. betreffend die Monate April und Mai 2009, in denen insbesondere die gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge aus den der E. erteilten Gutschriften als Vorsteuer geltend gemacht wurden, jeweils als Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Da eine deutsche Betriebsstätte nicht vorhanden gewesen sei, sei die I. weder zum Ausweis deutscher Umsatzsteuer noch zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen.
Im Rahmen der Strafzumessung legte das Landgericht jeweils den nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO zugrunde. Aufgrund einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände sah es die Indizwirkung des Regelbeispiels einer Steuerverkürzung großen Ausmaßes im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO für entkräftet an.
Vom Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung für die Voranmeldungszeiträume ab Juni 2009 sprach das Landgericht die Angeklagten frei. Jedenfalls nach der Vorstellung der Angeklagten habe der Mitangeklagte G. entsprechend ihrer Beratung Anfang Juni 2009 durch Anmietung von Büroräumen eine Betriebsstätte in Deutschland errichtet und die Geschäfte der I. von dort aus betrieben.
Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.
I. Ihre verfahrensrechtlichen Beanstandungen dringen nicht durch.
1. Die Rüge einer Verletzung von § 261 StPO im Hinblick auf das von den Angeklagten gefertigte und im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführte Gutachten vom 5. Juni 2009 zur umsatzsteuerrechtlichen Situation der I. hat keinen Erfolg.
a) Die Revisionen haben vorgetragen, das Landgericht habe seine Überzeugung davon, dass die Angeklagten das anfängliche Fehlen einer Betriebsstätte in Deutschland für zumindest höchst wahrscheinlich gehalten haben (UA S. 117), auch auf den Inhalt dieses Gutachtens gestützt. In dem Gutachten werde u.a. ausgeführt, dass die I. nur dann deutsche Umsatzsteuer ausweisen und Vorsteuer geltend machen könne, wenn sie über eine Betriebsstätte in Deutschland verfüge und die entsprechenden Geschäfte von Deutschland aus tätige. Zudem werde in dem Gutachten darauf hingewiesen, dass die Einrichtung einer solchen Betriebsstätte keine Rückwirkung entfalte und deshalb die Rechnungen, welche die I. vor der Errichtung einer Betriebsstätte in Deutschland unter Ausweis deutscher Umsatzsteuer ausgestellt habe, korrigiert werden sollten (UA S. 78/80). Ein derartiger Hinweis gäbe keinen Sinn, wenn die Angeklagten vom Vorliegen einer Betriebsstätte ausgegangen wären (UA S. 114).
b) Die Revisionen machen geltend, diese Schlussfolgerung sei mit dem Inhalt des Schriftstücks nicht vereinbar. Das Landgericht habe es rechtsfehlerhaft unterlassen, sich damit auseinanderzusetzen, dass das Gutachten keine Angaben über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer Betriebsstätte enthalte, sondern vielmehr die Sachverhaltsalternativen „Handel mit CO2-Zertifikaten mit und ohne Betriebsstätte“ abstrakt nebeneinander abhandele. Durch die isolierte Darstellung des Teils des Gutachtens, der sich mit der Alternative „ohne Betriebsstätte“ beschäftige, erwecke das Landgericht einen falschen Eindruck vom Inhalt der Urkunde.
c) Die Rüge erweist sich jedenfalls als unbegründet. Die vom Landgericht in den Urteilsgründen dargelegten Teile des Gutachtens zu den umsatzsteuerrechtlichen Folgen des Handels mit Emissionszertifikaten ohne deutsche Betriebsstätte sind inhaltlich zutreffend wiedergegeben. Mit den darüber hinaus in dem Gutachten vorhandenen Ausführungen zu den umsatzsteuerrechtlichen Folgen bei Bestehen einer deutschen Betriebsstätte musste sich das Landgericht in den Urteilsgründen nicht auseinandersetzen. Denn es hat im Rahmen der Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei die Umstände des in englischer Sprache geführten Mandatsanbahnungsgesprächs am 27. Mai 2009 zwischen dem Mitangeklagten G. und der Angeklagten Sc. in den Blick genommen, das zur Beauftragung mit der Gutachtenerstellung geführt hat. Die durch die Angeklagte Sc. über dieses Gespräch gefertigte handschriftliche Notiz „Lux. Untern., kein Sitz in Deutschland, Vertr. A. Sa.“ (Übersetzung aus dem Englischen, UA S. 77) hat das Landgericht - ungeachtet dessen, dass nach ihrem Wortlaut nur ein Sitz des Unternehmens in Deutschland, nicht auch eine Betriebsstätte verneint wird - rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass sie nahelegt, über das Vorhandensein von Büroräumen oder einer sonstigen Repräsentanz in Deutschland sei gesprochen worden. Das Landgericht durfte eine Bestätigung hierfür in einer auch dem Angeklagten S. übersandten E-Mail der Angeklagten Sc. vom selben Tag erblicken, in der die Angeklagte einem Kollegen mitteilt, der Mandant wünsche eine Betriebsstätte in Deutschland zu errichten, damit das Reverse-Charge-Verfahren keine Anwendung mehr finde. Daher werde man umsatzsteuerrechtlich prüfen, ob dies gehe und wenn ja, ob es auch für die Vergangenheit möglich sei (UA S. 78 f.). Auch die in der gutachterlichen Stellungnahme enthaltene Wiedergabe des vom Mitangeklagten G. erteilten Auftrags, nämlich die Darstellung der Auswirkungen auf die Umsatzsteuer, die „die Errichtung einer Betriebsstätte von I. in Deutschland hätte sowie die Voraussetzungen einer Betriebsstätte in Bezug auf die Umsatzsteuer“ (UA S. 78), hat das Landgericht rechtsfehlerfrei dahin gedeutet, dass nach der Auskunft G. ` im Zeitpunkt der Beauftragung keine deutsche Betriebsstätte der I. bestand.
2. Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe dadurch gegen die Vorschrift des § 261 StPO verstoßen, dass es sich nicht mit dem im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten Gutachten des Steuerberaters L. und des Rechtsanwalts K. zu Fragen der üblichen und professionsadäquaten Beratung in Umsatzsteuerangelegenheiten auseinandergesetzt habe, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
a) Die Revisionen weisen darauf hin, dass das Landgericht die Einlassung der Angeklagten Sc., in dem Mandatsanbahnungsgespräch am 27. Mai 2009 sei nicht über die tatsächlichen Voraussetzungen einer Betriebsstätte gesprochen worden, als Schutzbehauptung gewertet habe. Es habe dies damit begründet, die Angeklagte sei eine hervorragend qualifizierte, präzise arbeitende Volljuristin und Steuerberaterin, so dass es in einem derartigen Gespräch nahegelegen habe, die tatsächlichen Grundlagen zu klären, auf deren Basis eine entsprechende Beratung erfolgen solle (UA S. 113). Die Revisionen machen geltend, das Landgericht hätte sich in diesem Zusammenhang zwingend mit dem Gutachten von L. und K. auseinandersetzen müssen.
b) Die Rüge erweist sich als unbegründet. Zwar muss sich ein Tatgericht mit einer Urkunde in den Urteilsgründen dann auseinandersetzen, wenn deren Würdigung im Hinblick auf die vollständige Erfassung des relevanten Beweisstoffes und die inhaltliche Richtigkeit der Feststellungen geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 1987 - 1 StR 366/87, StV 1988, 138 und Urteil vom 3. Juli 1991 - 2 StR 45/91, BGHSt 38, 14, jeweils mwN). Dies war hinsichtlich dieses Gutachtens jedoch nicht der Fall.
Zwar enthält das Gutachten Ausführungen zum Verhalten eines professionellen und qualifizierten Steuerberaters im Rahmen eines Mandatsanbahnungsgesprächs. Auch legt es dar, dass für die Erstellung eines abstrakten Gutachtens eine Sachverhaltsermittlung nicht notwendig sei. Allerdings unterstellt das Gutachten, dass bei dem Gespräch am 27. Mai 2009 zwischen dem Mitangeklagten G. und der Angeklagten Sc. über bestehende Sachmittel der I. in Deutschland nicht gesprochen worden sei. Es lässt insoweit die von der Angeklagten Sc. vorgenommene Dokumentation der Umstände der Beauftragung durch G. (handschriftliche Notiz [UA S. 77], E-Mail an Kollegen [UA S. 78 f.]) weitgehend außer Betracht. Zwar wird die E-Mail an einen Kollegen der Angeklagten Sc. genannt; dieser wird aber in der Folge „kein allzu großes Gewicht“ beigemessen, da einer hausinternen E-Mail, bei der keine fachliche Überprüfung durch einen mandatsverantwortlichen Manager oder Partner erfolgt sei, nicht derselbe Aussagegehalt zukomme wie einer externen und geprüften E-Mail oder einem unter Beachtung des Vier-Augen-Prinzips erstellten Gutachten. Die handschriftliche Notiz bleibt unerwähnt. Das Gutachten geht somit von einem unvollständigen Sachverhalt aus und erweist sich schon deshalb als nicht ergiebig. Daher musste sich das Landgericht unter dem Gesichtspunkt der Beweiserheblichkeit nicht ausdrücklich mit dem Gutachten auseinandersetzen.
3. Auch die Rüge, das Landgericht habe gegen § 261 StPO verstoßen, weil es sich nicht mit dem in die Hauptverhandlung eingeführten Antrag des zunächst für die I. tätigen Steuerberaters auf umsatzsteuerrechtliche Registrierung dieser Gesellschaft in Deutschland auseinandergesetzt habe, bleibt ohne Erfolg.
a) Der damalige Steuerberater der I., J., beantragte am 16. März 2009 beim Finanzamt Sa. die Erteilung einer Umsatzsteuernummer für die I. In diesem Antrag gab er wahrheitsgemäß an, dass die I. über keine Betriebsstätte im Inland verfügte. Zur Art der Geschäftstätigkeit führte er jedoch unzutreffend aus, die I. kaufe Waren in Deutschland und verkaufe diese Ware direkt an deutsche Kunden weiter und tätige damit in Deutschland steuerbare Lieferungen.
b) Die Revision macht geltend, die Erteilung einer Steuernummer habe nur aufgrund der unzutreffenden Angaben des damals für die I. tätigen Steuerberaters erfolgen können. Bei zutreffenden Angaben zum Geschäftsgegenstand, nämlich der Ausführung sonstiger Leistungen durch Übertragung von Emissionszertifikaten, wäre eine Registrierung mangels in Deutschland steuerbarer Umsätze abgelehnt worden. Von den unzutreffenden Angaben des Steuerberaters hätten die Angeklagten nichts wissen können, so dass sich das Landgericht bei der Widerlegung der Einlassung, die Angeklagten seien aufgrund der umsatzsteuerlichen Registrierung und der Erteilung einer Steuernummer vom Vorhandensein einer Betriebsstätte ausgegangen, mit dem Antrag auf Erteilung einer Umsatzsteuernummer hätte auseinandersetzen müssen.
c) Die Rüge hat im Ergebnis keinen Erfolg.
aa) Allerdings weisen die Beschwerdeführer zutreffend darauf hin, dass für im Ausland ansässige Unternehmer i.S.v. § 13b Abs. 4 UStG a.F. eine umsatzsteuerliche Registrierung im Inland und damit eine Teilnahme am allgemeinen Besteuerungsverfahren nach § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG grundsätzlich nur erfolgte, wenn im Inland steuerbare Umsätze i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, für die nicht der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG schuldete, oder innergemeinschaftliche Erwerbe i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG ausgeführt wurden (vgl. § 59 UStDV a.F.). Ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist nach § 13b UStG a.F. ein Unternehmer, der weder im Inland noch auf der Insel Helgoland oder in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung hat. Der Begriff der Zweigniederlassung setzt dabei voraus, dass von dort aus Umsätze bewirkt werden; ob Umsätze beabsichtigt wurden, ist insoweit ohne Bedeutung (vgl. BFH, Urteil vom 5. Juni 2014 - V R 50/13, BFHE 245, 439). Da im Falle der Übertragung von Emissionszertifikaten - wie noch darzulegen sein wird - im Inland steuerbare Umsätze nur vorliegen, wenn der Leistungsempfänger seinen Sitz bzw. eine Betriebsstätte im Inland hat, kann die umsatzsteuerliche Registrierung ein Indiz für das Vorhandensein einer deutschen Betriebsstätte sein.
bb) Das Landgericht hat aber auf der Grundlage der Dokumentation der Angeklagten Sc. zu den Umständen und dem Inhalt des Mandatsanbahnungsgesprächs vom 27. Mai 2009 (handschriftliche Notiz, E-Mail an Kollegen) rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Mitangeklagte G. in diesem Gespräch mitgeteilt hatte, die I. verfüge in Deutschland nicht über Büroräume oder eine sonstige Repräsentanz. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht die Annahme, die Angeklagten seien trotz Kenntnis von der umsatzsteuerlichen Registrierung und der Vorlage des auf den 1. April 2009 zurückdatierten Mietvertrags nicht vom Vorhandensein einer inländischen Betriebsstätte ausgegangen, durch eine Telefonnotiz der Angeklagten Sc. vom 28. Juli 2009 bestätigt gesehen hat. Das Landgericht hat weiterhin rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass die Angeklagte Sc. ausweislich dieses Telefonvermerks in einem von ihr mit einem Kollegen aus Großbritannien geführten Gespräch dargelegt habe, man habe die I. im Hinblick auf das Empfängerortprinzip beim Handel mit Emissionszertifikaten dahingehend beraten, wie in Deutschland eine Betriebsstätte errichtet werden könne, welche die Leistung bezieht. Im Hinblick auf diesen Umstand ist jedenfalls auszuschließen, dass das Urteil auf der von den Revisionen behaupteten unzureichenden Würdigung des Antrags auf steuerliche Registrierung beruht.
II. Die auf die Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des Urteils hat weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer für die Monate April und Mai 2009 zugunsten der I. hat Bestand.
1. Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dies gilt auch für die Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Das Landgericht hat die Einlassung der Angeklagten, sie seien für die Monate April und Mai 2009 vom Bestehen einer deutschen Betriebsstätte der I. und deren Berechtigung zum Umsatzsteuerausweis ausgegangen, rechtsfehlerfrei für widerlegt angesehen (UA S. 111 - 117).
Dabei hat sich das Landgericht ohne Rechtsfehler auf der Grundlage der von der Angeklagten Sc. geschaffenen Dokumentation zu den Umständen und dem Inhalt des Mandatsanbahnungsgesprächs vom 27. Mai 2009 (handschriftliche Notiz, E-Mail an Kollegen) davon überzeugt, dass der Mitangeklagte G. die Angeklagte Sc. darüber informiert hatte, dass die I. zu diesem Zeitpunkt nicht über Büroräume oder eine sonstige räumliche Repräsentanz in Deutschland verfügte. Auch wenn in der handschriftlichen Notiz der Angeklagten Sc. nach dem Wortlaut lediglich ein Sitz des Unternehmens in Deutschland, nicht jedoch eine Betriebsstätte verneint wird, durfte das Landgericht den naheliegenden Schluss ziehen, dass über das Vorhandensein von Büroräumen oder einer sonstigen Repräsentanz in Deutschland gesprochen wurde. Dabei hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auch in den Blick genommen, dass der Mitangeklagte G. sich gerade deshalb an die Steuerberatungsgesellschaft der Angeklagten gewandt hatte, weil er von dem Mitangeklagten St. damit konfrontiert wurde, dass ein Umsatzsteuerausweis nur bei Vorliegen einer deutschen Betriebsstätte möglich sei. Dementsprechend wird in der gutachterlichen Stellungnahme vom 5. Juni 2009 der von G. erteilte Auftrag als Darstellung der Auswirkungen auf die Umsatzsteuer, welche die Errichtung einer Betriebsstätte durch die I. hätte, sowie der Voraussetzungen einer Betriebsstätte in Bezug auf die Umsatzsteuer zusammengefasst. In dem am 5. Juni 2009 an den Mitangeklagten G. übermittelten Gutachten zur umsatzsteuerrechtlichen Situation der I. wurde nach den Feststellungen u.a. aufgezeigt, dass die I. nur deutsche Umsatzsteuer ausweisen und Vorsteuer geltend machen könne, wenn sie über eine Betriebsstätte in Deutschland verfüge. In dem Gutachten wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Errichtung einer Betriebsstätte keine Rückwirkung entfalte und deshalb Rechnungen, die vor Errichtung der Betriebsstätte unter Ausweis deutscher Umsatzsteuer ausgestellt worden seien, korrigiert werden sollten. Nach Erhalt des Gutachtens ließ sich der Mitangeklagte G. am 8. Juni 2009 nochmals telefonisch die für die Anerkennung einer Betriebsstätte maßgeblichen Voraussetzungen im Hinblick auf den Personaleinsatz erläutern, weshalb das Landgericht in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Überzeugung gelangt ist, den Angeklagten sei dadurch vermittelt worden, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Betriebsstätte bestand.
Das Landgericht hat sich auch damit auseinandergesetzt, ob die Angeklagten aufgrund des von G. am 9. Juni 2009 übersandten Mietvertrags für Büroräumlichkeiten, der auf den 1. April 2009 zurückdatiert war, nunmehr doch vom Vorliegen einer Betriebsstätte bereits ab Aufnahme der Geschäftstätigkeit ausgegangen sein könnten. Dies hat es rechtsfehlerfrei aufgrund der vorangegangenen Kommunikation, über die der Angeklagte S. stets durch die Angeklagte Sc. informiert worden war, verneint. Insoweit hat das Landgericht ohne Rechtsfehler in den Blick genommen, dass das Büroserviceunternehmen, bei dem die Büroräume angemietet wurden, erstmals am 9. Juni 2009 eine Rechnung stellte, obwohl laut Mietvertrag eine monatliche Vorauszahlung vereinbart war, und zudem die Rechnung keinen Mietzins für den Monat April 2009 auswies. Weitere Anhaltspunkte hat das Landgericht rechtsfehlerfrei darin gesehen, dass in den von G. im August 2009 vorgelegten Verträgen zwischen der I. und der C. aus dem April 2009 und in einigen der von C. gegenüber der I. ausgestellten Gutschriften für die Monate April und Mai 2009 als Adresse der I. die Anschrift des damals für die I. tätigen Steuerberaters, nicht aber die Anschrift der vermeintlich bereits seit Anfang April 2009 bestehenden Betriebsstätte angegeben war.
Auch die Überzeugung des Landgerichts, dass die Angeklagten inhaltlich unrichtige Steueranmeldungen billigend in Kauf nahmen, weil sie meinten, sich auf eine die wahren Verhältnisse kaschierende Papierlage verlassen zu können (UA S. 117), wird von der Beweiswürdigung getragen.
2. Die Schuldsprüche werden von den vom Landgericht getroffenen Feststellungen getragen.
In den am 12. August 2009 abgegebenen (berichtigten) Umsatzsteuervoranmeldungen der I. für die Monate April und Mai 2009 wurden unrichtige Angaben über die Berechtigung zum Vorsteuerabzug und damit über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht, die zu einer Steuerverkürzung führten (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).
a) Die Geltendmachung der in den Gutschriften an die E. ausgewiesenen deutschen Umsatzsteuer als Vorsteuer erfolgte - unabhängig von der Versagung des Vorsteuerabzugs aufgrund der Beteiligung der I. an einem Umsatzsteuerhinterziehungssystem, von der die Angeklagten keine Kenntnis hatten - zu Unrecht.
aa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen abziehen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine Rechnung bzw. Gutschrift i.S.v. §§ 14, 14a UStG besitzt. Der Vorsteuerabzug ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) jedoch dann zu versagen, wenn der Steuerpflichtige - im unionsrechtlichen Sinne - selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Juli 2006 - Rechtssache C-439/04 u.a., Slg. 2006, I-6161 und vom 18. Dezember 2014 - Rechtssache C-131/13, Italmoda, DStR 2015573; BGH, Beschlüsse vom 19. November 2014 - 1 StR 219/14, wistra 2015, 147 und vom 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14, NStZ 2016, 39; jeweils mwN). Dem Mitangeklagten G. war bekannt, dass die I. in eine Umsatzsteuerbetrugskette eingebunden war. Damit war ein Vorsteuerabzug aus Gutschriften über die Veräußerung von Emissionszertifikaten der E. an die I. in den Monaten April und Mai 2009 in Deutschland nicht zulässig.
bb) Selbst wenn die Firmen I. und E. - wie es dem Vorstellungsbild der Angeklagten entsprach - beim Handel mit Emissionszertifikaten als Unternehmer gehandelt hätten (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, BGHR UStG § 15 Abs. 1 Unternehmer 1), hätte in den Gutschriften keine deutsche Umsatzsteuer ausgewiesen werden dürfen. Denn der Ort der sonstigen Leistung gemäß § 3a Abs. 3 i.V.m. § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG in der zu den Übertragungszeitpunkten geltenden Fassung dieser Normen lag nicht in Deutschland, sondern in Luxemburg. Damit schuldete zwar die E. die in den ihr von der I. erteilten Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c UStG. Ein Recht zum Vorsteuerabzug besteht jedoch nur für im Hinblick auf ausgeführte Leistungen geschuldete Steuern, nicht jedoch für Steuern, die nach § 14c UStG geschuldet werden (st. Rspr.; vgl. z.B. BFH, Urteile vom 11. April 2002 - V R 26/01, BFHE 198, 238 und vom 2. April 1998 - V R 34/97, BFHE 185, 536).
(1) Bei der Übertragung eines Emissionszertifikats handelt es sich um die Übertragung eines Rechts und damit um eine sonstige Leistung i.S.v. § 3 Abs. 9 UStG.
(a) Nach der bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung des Umsatzsteuergesetzes (im Folgenden: UStG a.F.) wird eine sonstige Leistung grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 1 UStG a.F.). Dagegen werden in Fällen, in denen der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, die in § 3a Abs. 4 UStG a.F. genannten sonstigen Leistungen dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger seinen Sitz hat (§ 3a Abs. 3 Satz 1 UStG a.F.). Wird die sonstige Leistung an der Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, so ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgeblich (§ 3a Abs. 3 Satz 2 UStG a.F.).
Zu den von § 3a Abs. 4 UStG a.F. erfassten Leistungen gehört gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Patenten, Urheberrechten, Markenrechten und ähnlichen Rechten. Die Vorschrift beruht auf Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der im Tatzeitraum geltenden Fassung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. EU Nr. L 347 S. 1, ber. ABl. EU Nr. L 335 S. 60; im Folgenden: Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Diese Regelung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bestimmt u.a. für Fälle, in denen der Dienstleistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist als der Dienstleistungserbringer, dass als Leistungsort der Dienstleistung für die Abtretung und Einräumung von Urheberrechten, Patentrechten, Lizenzrechten, Fabrik- und Warenzeichen sowie ähnlichen Rechten derjenige Ort gilt, an dem der Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Die Regelung entspricht Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, 1. Gedankenstrich der zuvor geltenden Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie (Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zu Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage [6. Mehrwertsteuerrichtlinie], ABl. EG Nr. L 154 S. 1).
(b) Bei den Emissionszertifikaten handelt es sich um Berechtigungen i.S.v. § 3 Abs. 4 TEHG a.F. (Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen - Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz vom 8. Juli 2004, BGBl. I, 1578) und damit um die Befugnis zur Emission von jeweils einer Tonne Kohlendioxidäquivalente in einem bestimmten Zeitraum. Berechtigungen, die von anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union für die laufende Zuteilungsperiode ausgegeben worden sind, stehen den in der Bundesrepublik Deutschland ausgegebenen Berechtigungen gleich (§ 13 Abs. 1 TEHG a.F). Die zuständige Behörde führt ein Emissionshandelsregister in Form einer elektronischen Datenbank. Dort wird für jeden Verantwortlichen i.S.v. § 3 Abs. 7 Satz 1 TEHG a.F., d.h. für jede natürliche und juristische Person, welche die unmittelbare Entscheidungsgewalt über eine Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes innehat und dabei die wirtschaftlichen Risiken der Tätigkeit trägt - in der Regel der Betreiber der Anlage - ein Konto eingerichtet, auf dem die Ausgabe, der Besitz, die Übertragung und die Abgabe von Berechtigungen verzeichnet werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 TEHG a.F.). Auch jede andere natürliche oder juristische Person kann die Einrichtung eines Kontos beantragen (§ 14 Abs. 2 Satz 3 TEHG a.F.).
Die Berechtigungen sind gemäß § 6 Abs. 3 TEHG a.F. übertragbar. Die Übertragung findet gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 TEHG a.F. durch Einigung und Eintragung auf dem Konto des Erwerbers im Emissionshandelsregister statt. Die Eintragung erfolgt auf Anweisung des Veräußerers an die kontoführende Stelle, Berechtigungen von seinem Konto auf das Konto des Erwerbers zu übertragen (§ 16 Abs. 1 Satz 2 TEHG a.F.). Soweit für jemanden eine Berechtigung eingetragen ist, gilt der Inhalt des Registers als richtig (§ 16 Abs. 2 Satz 1 TEHG a.F.). Dies gilt lediglich dann nicht, wenn die Unrichtigkeit dem Empfänger ausgegebener Berechtigungen bei Ausgabe bekannt war (§ 16 Abs. 2 TEHG a.F.).
(2) Der Handel mit einem Emissionszertifikat stellt die Übertragung eines „ähnlichen Rechts“ i.S.v. § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. dar.
(a) Dies ergibt sich bereits daraus, dass es sich bei § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG um eine ausdrückliche Umsetzung der Vorgaben der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie in das deutsche Umsatzsteuerrecht handelt (vgl. bereits BT-Drucks. 8/2827, S. 1). Schon in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie war das Empfängerprinzip für sonstige Leistungen an Empfänger außerhalb des Ausgangsstaates vorgesehen, soweit es sich bei der Leistung um die Abtretung und Einräumung von Urheberrechten, Patentrechten, Lizenzrechten, Fabrik- und Warenzeichenrechten sowie ähnlichen Rechten handelte. Die identische Formulierung findet sich in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in der im Tatzeitraum anwendbaren Fassung.
Auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats im vorliegenden Verfahren (Beschluss vom 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14, NStZ-RR 2015, 375) hat der EuGH am 8. Dezember 2016 entschieden, dass die in dieser Bestimmung genannten „ähnlichen Rechte“ die in Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates definierten Treibhausgasemissionszertifikate einschließen (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 - Rechtssache C-453/15, MwStR 2017, 68). Der EuGH bejahte dies zum einen mit der Begründung, dass die Zertifikate und anderen Rechte jeweils immaterieller Art sind, ihrem Inhaber die Stellung der Ausschließlichkeit gewähren, mittels einer Abtretung oder Lizenz an einen Dritten übertragen werden können und einer Eintragung unterliegen. Zum anderen wies er darauf hin, dass Ziel der Regeln über den Ort der Besteuerung von Dienstleistungen sei, einerseits Kompetenzkonflikte, die zu einer Doppelbesteuerung führen könnten, und andererseits die Nichtbesteuerung von Einnahmen zu verhindern (EuGH aaO, MwStR 2017, 68, Rn. 22 ff. mwN). Bereits zu Art. 9 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie habe der EuGH festgestellt, dass die Erhebung nach Möglichkeit an dem Ort erfolgen soll, an dem die Gegenstände verbraucht oder die Dienstleistungen in Anspruch genommen werden (EuGH aaO, MwStR 2017, 68, Rn. 25 mwN).
Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts (vgl. dazu nur Dannecker/Bülte in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl. 2014, Kap. 2 Rn. 203) ist diese Auslegung des Art. 56 a.F. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) auch für die steuerrechtliche Auslegung des § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. maßgeblich (vgl. Bülte, NZWiSt 2017, 161, 162).
(b) Auch unabhängig hiervon könnten die von den Revisionen der Angeklagten vorgebrachten Bedenken die Einstufung der Emissionszertifikate als „ähnliches Recht“ i.S.v. § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. nicht in Frage stellen.
(aa) Der Hinweis der Revisionen darauf, dass von Nummer 1 des Anhangs B zu Art. 6 Abs. 2 der zweiten Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 (zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, ABl. EG Nr. 1303/67) auch die Gewährung von Lizenzen auf die genannten Rechte erfasst worden seien, berührt das Ergebnis der Auslegung nicht. Denn § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. wurde erst auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, 1. Gedankenstrich der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie in das Umsatzsteuergesetz eingeführt (BGBl. I 1979, 1953, 1955). Die Formulierung „Gewährung von Lizenzen betreffend diese Rechte“ war in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e, 1. Gedankenstrich der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie gerade nicht enthalten.
(bb) Soweit die Revisionen geltend machen, eine Berechtigung nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) könne andere Personen nicht davon ausschließen, Treibhausgase zu emittieren, könnte dies der Einstufung von Emissionszertifikaten als „ähnliches Recht“ ebenfalls nicht entgegenstehen. Denn nur wer diese Berechtigung besitzt, hat die Befugnis zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum (§ 3 Abs. 4 Satz 1 TEHG a.F.). Wer kein Emissionszertifikat besitzt und trotzdem Treibhausgase emittiert, setzt sich dem Sanktionsmechanismus des § 18 TEHG aus (vgl. Frenz, Emissionshandelsrecht, 2. Aufl., § 6 Rn. 13).
(c) Die vom EuGH vorgegebene Auslegung des § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. zum Begriff des „ähnlichen Rechts“ ist auch zugrunde zu legen, soweit diese steuerrechtliche Norm als Ausfüllungsnorm des Straftatbestands der Steuerhinterziehung heranzuziehen ist. Sie wahrt sowohl die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG als auch die Grundsätze aus Art. 49 Abs. 1 EUGRCh. Die unionsrechtskonforme Auslegung des § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. entsprechend der vom EuGH vorgenommenen Auslegung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, nach der der dort verwendete Begriff des „ähnlichen Rechts“ Emissionszertifikate einschließt, verstößt nicht gegen das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG in seinen Ausprägungen als Analogieverbot und Bestimmtheitsgebot.
(aa) Zum Gewährleistungsinhalt des Art. 103 Abs. 2 GG gehört die den Gesetzgeber treffende Verpflichtung, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. März 2002 - 2 BvR 794/95, BVerfGE 105, 135, 153). Für die Rechtsprechung folgt aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit ein Verbot strafbegründender oder strafverschärfender Analogie (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 2004 - 2 BvR 930/04, BVerfGK 4, 261, 265). Ausgeschlossen ist dabei jede Rechtsanwendung, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Der mögliche Wortsinn markiert die äußere Grenze zulässiger richterlicher Interpretation (st. Rspr.; vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 23. Oktober 1985 - 1 BvR 1053/82, BVerfGE 71, 108, 115 und vom 26. Juni 2008 - 2 BvR 2067/07, wistra 2009, 17).
Bei Blankettstrafgesetzen unterliegen neben der Strafnorm auch die sie ausfüllenden Vorschriften den sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich bei § 370 Abs. 1 AO um eine solche Blankettstrafnorm, die durch die Vorschriften der Einzelsteuergesetze ausgefüllt wird. Daher ist auch die Auslegung und Anwendung der ausfüllenden steuerrechtlichen Vorschriften am Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2011 - 2 BvR 542/09, wistra 2011, 458 mwN).
(bb) Für die Bestimmung des möglichen Wortsinns können gesetzessystematische und teleologische Erwägungen von Bedeutung sein (vgl. BVerfG aaO, wistra 2011, 458). Die für das Verbot strafbegründender Analogie maßgebliche Wortbedeutung erschließt sich bei dem hier maßgeblichen Begriff der „Ähnlichkeit“ erst durch den Vergleich. Der mögliche Wortsinn, der „die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation“ absteckt, ergibt sich daher nicht aus dem Wort selbst, sondern aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Vorschrift (vgl. Bülte, NZWiSt 2017, 161, 165). Um den Wortsinn zu ermitteln, ist daher der Zusammenhang des Normgefüges in den Blick zu nehmen (vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 26. Juni 1990 - 1 BvR 776/84, BVerfGE 82, 236, 270 und vom 10. Januar 1995 - 1 BvR 718/89 u.a., BVerfGE 92, 1, 16).
Berücksichtigt man den Sinnzusammenhang des Tatbestandsmerkmals Patente, Urheberrechte, Markenrechte und ähnliche Rechte, so handelt es sich in § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. um ein normatives Tatbestandsmerkmal, das sich zur Ausfüllung der einzelnen Teilmerkmale der Vorgaben des Rechts über das geistige Eigentum, also des Patentrechts, des Urheberrechts und des Markenrechts bedient (Bülte, NZWiSt 2017, 161, 166). Da es sich jedoch um eine steuerrechtliche Vorschrift handelt, ist die Ähnlichkeit anderer Rechte nicht aus dem Blickwinkel des Rechts des geistigen Eigentums zu bestimmen, sondern aus der „Außensicht“ des Steuerrechts, der eine wirtschaftliche Betrachtungsweise immanent ist. Es kommt also auf die steuerrechtliche Vergleichbarkeit an. Da das Gesetz weder den Grad der Ähnlichkeit noch ihre Kriterien benennt, ist die Wortsinngrenze selbst dann nicht überschritten, wenn die Rechte, die unter § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. subsumiert werden, nur in einem einzigen Kriterium, das steuerrechtliche Bedeutung haben kann, übereinstimmen (zutreffend Bülte aaO). Die vom EuGH genannten Kriterien (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2016 - Rechtssache C-453/15, MwStR 2017, 68, Rn. 21 ff.) sind sowohl bei den Rechten des geistigen Eigentums als auch in dem in den Emissionszertifikaten verkörperten Verschmutzungsrecht erfüllt. Steuerrechtliche Bedeutung für die Ähnlichkeit der Rechte hat die Befugnis, andere von der Nutzung auszuschließen, insofern, als die Erhebung an dem Ort stattfindet, von dem aus die Nutzung oder Verwertung des Rechts erfolgt. Es handelt sich um einen klaren Maßstab, durch den eine Doppelbesteuerung ebenso verhindert werden kann wie eine Nichtbesteuerung (vgl. EuGH aaO, MwStR 2017, 68, Rn. 24). Keine Bedeutung hat demgegenüber die Frage, ob es sich nach zivilrechtlicher Bewertung um ein „ähnliches Recht“ handelt. Denn trotz der grundsätzlichen Bindung des Steuerrechts an die verwendeten Begriffe aus anderen Rechtsgebieten, sind - auch im Hinblick auf die im Steuerrecht maßgebliche wirtschaftliche Betrachtungsweise - steuerrechtliche Vorschriften eigenständig auszulegen.
(cc) Art. 103 Abs. 2 GG enthält zudem die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Es geht einerseits um den rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten: Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Andererseits soll sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. April 2010 - 2 BvR 871/04, 2 BvR 414/08, Rn. 54, wistra 2010, 396 mwN). Allerdings darf das Gebot der Gesetzesbestimmtheit nicht übersteigert werden; die Gesetze würden sonst zu starr und kasuistisch und könnten der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden. Generalklauseln oder unbestimmte, wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht sind deshalb nicht von vornherein und immer verfassungsrechtlich zu beanstanden. Dabei kann die Frage, ob der Tatbestand der Strafnorm „gesetzlich bestimmt“ im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG ist, auch davon abhängen, an welchen Kreis von Adressaten sich die Vorschrift wendet (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Dezember 1992 - 1 BvR 88/91 - 1 BvR 576/91, BVerfGE 87, 399, 411 und vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 197). Die Sinngrenze ist also nach dem Verständnis des jeweiligen Normadressaten, mithin aus dem Empfängerhorizont des Bürgers zu bestimmen (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 - 1 BvR 713/83 u.a., BVerfGE 73, 206, 235; Bülte, NZWiSt 2017, 161, 165 mwN). Richtet sich die Strafnorm ausschließlich an Personen, bei denen aufgrund ihrer Ausbildung oder praktischen Erfahrungen bestimmte Fachkenntnisse regelmäßig vorauszusetzen sind, begegnet die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe auch dann keinen Bedenken, wenn der Adressat aufgrund seines Fachwissens imstande ist, den Regelungsinhalt solcher Begriffe zu verstehen und ihnen konkrete Verhaltensanforderungen zu entnehmen (vgl. BVerfG aaO, wistra 2010, 396 Rn. 55 mwN). So verhält es sich auch hier.
Normadressaten des § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. sind Unternehmer, deren gewerbliche oder berufliche Tätigkeit (§ 2 UStG) sich auf die Einräumung, Übertragung oder Wahrnehmung von Rechten erstreckt. Sie konnten den Regelungsgehalt dieser Norm verstehen. Auch die Angeklagten sind nach den Feststellungen bei der Beratung des Mitangeklagten G. zutreffend davon ausgegangen, dass die Emissionszertifikate von dieser Norm erfasst werden.
Selbst jeder andere steuerlich beratene Unternehmer hätte ohne weiteres erkennen können, dass im vorliegenden Fall die Leistung aufgrund der Anwendung des Empfängerprinzips die Leistungen der E. nicht in Deutschland, sondern in Luxemburg der Umsatzsteuer unterlagen. Denn die Auffassung, dass die Emissionszertifikate von § 3a Abs. 4 Nr. 1 UStG a.F. erfasst werden, entspricht der einhelligen Ansicht in Rechtsprechung (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 21. Juni 2013 - 1 K 2550/11 U, Rn. 78; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. März 2015 - 1 (4) Ss 560/14 u.a., wistra 2015, 325), Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 2. Februar 2005, IV A 5 - S 7100 - 16/05, BStBl. I 2005, 494, 495) und Literatur (vgl. Birgel, UVR 2005, 229, 231; Hundt-Eßwein in Küffner/Stöcker/Zugmaier, UStG, 114. Lfg., § 3a Rn. 121; Kemper in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, 167. Lfg., § 3a Rn. 328; Sobotta, NWB 2005, 937; Meyer-Hollatz/Nagel/Krüger in Elspas/Salje/Stewing, Emissionshandel, Kap. 45 Rn. 3 f.; Adam/Hentschke/Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrechts, Kap. 8.7). Somit war die Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 AO im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug aus Gutschriften über die Veräußerung von Emissionszertifikaten vorhersehbar.
(dd) Soweit die Revisionen der Angeklagten geltend machen, Generalanwalt W. habe die im Vorabentscheidungsverfahren zu beantwortende Frage dahin beschrieben, ob es gerechtfertigt sei, die Mehrwertsteuersystemrichtlinie über den Wortlaut von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie hinaus auszulegen (vgl. dazu auch Wulf, NZWiSt 2017, 344), ist dem zu widersprechen. Bereits der Generalbundesanwalt hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um einen Übersetzungsfehler der deutschen Fassung der Schlussanträge des Generalanwalts handelt. Sowohl aus der verbindlichen Originalsprache der Schlussanträge Französisch, welche in Textziffer 41 die Formulierung „outre la formulation“ verwendet, als auch aus der englischsprachigen Fassung „aside from the wording“ geht eindeutig hervor, dass es allein darum ging, ob „abgesehen vom Wortlaut“ bereits aus dem Normzweck des Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie oder dem anderer Bestimmungen oder auch aus anderen Gesichtspunkten abzuleiten war, dass die Emissionszertifkate in Anbetracht ihrer Merkmale der Kategorie der ähnlichen Rechte im Sinne dieser Bestimmung zuzuordnen waren. Der Generalanwalt ist - wie dann auch der EuGH - zum Ergebnis gelangt, dass die Bejahung dieser Frage im Einklang mit Systematik und Zweck von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie steht (Tz. 58 ff. der Schlussanträge von Generalanwalt W. vom 7. September 2016 im Vorabentscheidungsverfahren C-453/15, Rechtssache A und B, juris). Der EuGH hat anhand der Regelungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dargelegt, dass es sich bei Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht um eine eng auszulegende Ausnahme von einem allgemeinen Grundsatz handelt. Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu anderen Bestimmungen dieser Regelung über den Ort der sonstigen Leistung (vgl. BFH, Urteil vom 1. Juni 2016 - XI R 29/14, BStBl. II 2016, 905 zu § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG a.F. sowie Grube, MwStR 2017, 71). Gerade die Auslegung im Zusammenhang des Normgefüges ist damit entscheidend, um den Wortsinn zu ermitteln.
Wie bereits der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen (Tz. 58 ff.) dargelegt und der EuGH später bestätigt hat, weisen die Emissionszertifikate mit den in der Richtlinie beispielhaft genannten Rechten die Übereinstimmung auf, dass sie dem Inhaber eine Stellung der Ausschließlichkeit gewähren. Sie können ferner durch Abtretung oder Lizenzierung auf Dritte übertragen und von diesen genutzt werden. Überdies unterliegen der Besitz und die Übertragung dieser Emissionsrechte ebenso der Eintragung wie manche der ausdrücklich genannten Rechte (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 - Rechtssache C-453/15, Tz. 22, MwStR 2017, 68). Zudem hat der EuGH klargestellt, dass die Einbeziehung der Emissionszertifikate in die in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie auch dem Normzweck der Regelung entspricht, einerseits Kompetenzkonflikte mit einer Doppelbesteuerung zu vermeiden und andererseits Nichtbesteuerungen zu verhindern (EuGH aaO Tz. 24).
Soweit die Revisionen behauptet haben, bei den „ähnlichen Rechten“ müsse es sich um Rechte handeln, bei denen sowohl die Möglichkeit der Abtretung als auch die der Einräumung bestehe (lizenzierbare Rechte), ist dem schon der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen (Tz. 54) entgegengetreten. Solches lässt sich nicht aus der Systematik der Bestimmungen der Richtlinie ableiten; erst recht ist die äußerste Grenze des Wortsinns der „ähnlichen Rechte“ nicht auf eine solche Auslegung beschränkt. Entscheidend ist, dass die vom EuGH anhand des Normgefüges der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgenommene Auslegung des Begriffs der „ähnlichen Rechte“ (EuGH aaO Tz. 18 ff.) mit dessen möglichen Wortsinn vereinbar ist und damit weder gegen Art. 103 Abs. 2 GG noch gegen Art. 49 Abs. 1 EUGRCh verstößt. Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ist diese Auslegung daher auch im Rahmen des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) zugrundezulegen; denn § 3a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1 UStG in der bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung setzt die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 56 bzw. Art. 59 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in nationales Recht um.
(3) Da sich der Leistungsort somit gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 3a Abs. 3 UStG a.F. am Sitz der Leistungsempfängerin in Luxemburg befand, war eine Übertragung der Emissionszertifkate von der E. auf die I. in Deutschland nicht steuerbar, so dass der Vorsteuerabzug in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate April und Mai 2009 selbst dann unrichtig war, wenn man die sich aus der Einbindung der beiden Gesellschaften in ein Umsatzsteuerhinterziehungssystem ergebenden Versagungsgründe für den Vorsteuerabzug außer Betracht lässt.
b) Der Umfang der Steuerverkürzung aus dem unberechtigten Vorsteuerabzug zugunsten der I. aus den der E. erteilten Gutschriften hat sich nicht dadurch verringert, dass für diese Gesellschaft die Weiterübertragung der Emissionszertifikate auf die C. zu Unrecht als steuerpflichtiger Umsatz erklärt wurde.
aa) Allerdings trifft es zu, dass eine sich aus Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ergebende Steuerschuld der I. nicht bestand. Dies gilt selbst dann, wenn man trotz Einbindung in ein Umsatzsteuerhinterziehungssystem ein Handeln dieser Gesellschaft als Unternehmerin unterstellte. Zwar wäre dann die sonstige Leistung am Sitz der Leistungsempfängerin C. in Deutschland ausgeführt (§ 3a Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 3a Abs. 3 UStG a.F.), so dass eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Leistung vorläge. Da die Steuerschuld dann aber gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UStG a.F. auf die C. als Empfängerin einer sonstigen Leistung eines ausländischen Unternehmers (vgl. § 13b Abs. 4 UStG a.F.) überginge, wäre diese Gesellschaft und nicht die I. Schuldnerin der durch die Leistungserbringung entstandenen Umsatzsteuer.
bb) Gleichwohl schuldete die I. die in den Gutschriften der C. ausgewiesene Umsatzsteuer. Sie wurde gemäß § 14c Abs. 2 UStG - nach dem Wissensstand der Angeklagten nach § 14c Abs. 1 UStG (vgl. Widmann in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, Stand: 8. Mai 2017, § 14c Rn. 11) - Schuldnerin dieser Umsatzsteuer, weil sie den ihr von der C. übermittelten Gutschriften als vereinbarte Abrechnungsweise nicht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG widersprochen hatte (vgl. BFH, Urteile vom 19. November 2014 - V R 41/13, DStR 2015, 361; vom 16. Oktober 2013 - XI R 39/12, BFHE 243, 77 und vom 23. April 1998 - V R 13/92, BStBl. II, 1998, 418; FG Niedersachsen, Urteil vom 9. Oktober 2013 - 5 K 319/12, DStRE 2014, 1328; FG München, Urteil vom 28. Juni 2016 - 2 K 3248/13, EFG, 1484; Korn in Bunjes, UStG, 16. Aufl., § 14 Rn. 60; Weymüller in BeckOK-UStG, § 14c Rn. 90 f. und 211 f.; Abschn. 13b.14 Abs. 1 und 14c.1 Abs. 3 UStAE mwN).
Die Steuer nach § 14c UStG entstand jeweils mit der Ausgabe der Gutschriften anstelle von Rechnungen, da die Beteiligten diesen Abrechnungsweg vereinbart hatten (vgl. zu § 13 Abs. 1 Nr. 3 und 4 UStG a.F.: BFH, Urteile vom 8. September 2011 - V R 5/10, BFHE 235, 481 und vom 5. Juni 2014 - XI R 44/12, DStR 2014, 1673). Die Urteilsfeststellungen zu den Abläufen in der betrügerischen Handelskette, in der die I. die Rolle eines Buffers innehatte, belegen, dass die Gutschriften jeweils taggleich mit den Ketten-Veräußerungen der Zertifikate erstellt und den jeweiligen Verkäufern - darunter der I. - zugeleitet wurden (UA S. 29 ff. sowie UA S. 48 ff.). Auch die I. übermittelte der E. ihre Gutschriften und Provisionsrechnungen taggleich (UA S. 29).
cc) Der Umstand, dass für diese Steuerbeträge in den Umsatzsteuervoranmeldungen ein falscher Rechtsgrund angegeben wurde, nämlich „steuerpflichtige Umsätze“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG anstatt „andere Umsätze“ gemäß § 14c UStG, führt zu keinem anderen Ergebnis (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 579/13, wistra 2014, 144).
c) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen auch den Tatvorsatz der Angeklagten. Denn danach gingen die Angeklagten entgegen ihrer Einlassung nicht davon aus, dass während der Monate April und Mai 2009 eine deutsche Betriebsstätte der I. und deren Berechtigung zum Umsatzsteuerausweis bestanden hatte (UA S. 111). Sie erkannten die daraus resultierenden steuerrechtlichen Konsequenzen, nämlich dass kein Recht zum Vorsteuerabzug bestand. Dabei setzten sie sich bewusst über diese Erkenntnis hinweg und nahmen Steueranmeldungen mit unzutreffendem Inhalt billigend in Kauf.
Unabhängig davon, dass die vom Landgericht getroffenen Feststellungen wegen der Erstellung der Umsatzsteueranmeldungen in der Steuerberaterkanzlei sogar eine Verurteilung wegen täterschaftlich begangener Steuerhinterziehung gerechtfertigt hätten, liegen auch die subjektiven Voraussetzungen einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor.
Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den sog. berufstypischen bzw. „neutralen“ Handlungen vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - 1 StR 112/16, Rn. 30, NStZ 2017, 337; Urteile vom 21. August 2014 - 1 StR 13/14, NStZ-RR 2014, 316; vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12, wistra 2014, 176 und vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 21; Beschluss vom 20. September 1999 - 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20; jeweils mwN), ergibt sich im vorliegenden Fall kein anderes Ergebnis. Zwar wurden die unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen von den Angeklagten im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als steuerliche Berater erstellt und eingereicht. Auch war ihnen die Einbindung der I. in ein „Umsatzsteuerbetrugssystem“ nicht bekannt. Zudem gingen sie davon aus, dass „ein materieller Steuerschaden“ nicht entstehe, weil sich für die I. aufgrund der Umsatzsteuervoranmeldungen jeweils eine geringe Zahllast ergab. Die Feststellungen belegen jedoch, dass das von ihnen erkannte Risiko eines strafbaren Verhaltens des Mitangeklagten G. derart hoch war, dass sie sich mit ihrer Hilfeleistung die Förderung einer erkennbar tatgeneigten Person angelegen sein ließen. Nach den Feststellungen hielten sie es für „höchst wahrscheinlich“, dass die I. während der Monate April und Mai 2009 über keine Betriebsstätte oder sonstige Niederlassung in Deutschland verfügte, und erkannten die daraus resultierenden steuerrechtlichen Konsequenzen, nämlich dass kein Recht zum Vorsteuerabzug bestand. Sie setzten sich bewusst über diese Erkenntnis hinweg. In dieser Situation verlor ihr Tun den „Alltagscharakter“ als berufstypisch; es ist als „Solidarisierung“ mit einem Straftäter zu deuten und damit auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen.
d) Eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass betreffend die I. für die Voranmeldungszeiträume April und Mai 2009 durch den zuerst beauftragten Steuerberater sog. Nullmeldungen abgegeben worden waren.
Zwar sind durch diese „Nullmeldungen“ bereits Steuerverkürzungen eingetreten, weil die eingereichten Steueranmeldungen, in denen die nach § 14c UStG geschuldete Umsatzsteuer nicht erklärt wurde, gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung gleichstehen. Dies schließt jedoch neue Steuerverkürzungen durch „berichtigte“ Umsatzsteuervoranmeldungen nicht aus, auch wenn diese hier jeweils zu einer geringen Zahllast und damit zu einer etwas niedrigeren Steuerverkürzung als die Nullmeldungen führten.
Die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch nicht notwendig Verletzungsdelikt. Wie die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt, genügt für eine Steuerverkürzung schon die zu niedrige Festsetzung von Steuern, also eine konkrete Gefährdung des Steueranspruchs. Dies lässt auch die mehrfache Verwirklichung eines tatbestandlichen Erfolges zu (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, Rn. 22 f. mwN, wistra 2009, 114).
So verhält es sich auch hier. Indem in den „berichtigten“ Umsatzsteuervoranmeldungen statt der nach § 14c UStG geschuldeten Umsatzsteuer eine solche aus Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) angemeldet wurde, wobei die Zahllast durch unberechtigte Vorsteuerbeträge vermindert wurde, wurden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gemacht. Diese führten gemäß § 168 Satz 1 AO zu einer zu niedrigen Steuerfestsetzung. Da der in Wirklichkeit bestehende Steueranspruch aus § 14c UStG durch neue unrichtige Angaben weiter verschleiert wurde, liegt in der unrichtigen „Berichtigung“ auch eine weitere Gefährdung des Steueraufkommens.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob in der vorliegenden Fallkonstellation für eine an der Abgabe der unrichtigen „Nullmeldungen“ beteiligte Person die Annahme einer mitbestraften Nachtat (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. Februar 2015 - 1 StR 405/14, BGHSt 60, 188, 195 mwN) in Betracht kommen könnte. Denn für die Angeklagten scheidet die Annahme einer mitbestraften Nachtat schon deshalb aus, weil sie an den als Vortaten in Betracht kommenden und durch die Abgabe der ursprünglichen Umsatzsteuervoranmeldungen verwirklichten Steuerhinterziehungen nicht beteiligt waren (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1993 - 5 StR 212/93, wistra 1993, 302).
3. Auch die Strafzumessung weist keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
Revisionen der Staatsanwaltschaft
Die wirksam auf den Freispruch vom Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung hinsichtlich des Monats Juni 2009 und im Übrigen auf den Strafausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben nur hinsichtlich des Teilfreispruchs Erfolg.
I. Die Freisprechung der Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Monat Juni 2009 hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand; sie beruht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.
Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. April 2015 - 5 StR 79/15 mwN). Solche Rechtsfehler liegen hier vor. Die Beweiswürdigung des Landgerichts erweist sich zum Kenntnisstand der Angeklagten für den Monat Juni 2009 als widersprüchlich.
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Monat Juni 2009 mit der Begründung freigesprochen, es sei bereits nicht auszuschließen, dass der Mitangeklagte G. die ihm ab Juni 2009 zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten tatsächlich als Betriebsstätte genutzt habe. Jedenfalls seien die Angeklagten davon ausgegangen, dass die I. ab Anfang Juni 2009 über eine Betriebsstätte in Deutschland verfügt und die Geschäfte von dort aus betrieben habe.
Dies steht jedoch im Widerspruch zu der vom Landgericht getroffenen Feststellung, dass es die Angeklagten für höchst wahrscheinlich hielten, der Mitangeklagte G. habe erst infolge ihrer Steuerberatung den Mietvertrag über die Büroräumlichkeiten abgeschlossen. Nach den Urteilsfeststellungen wurde die gutachterliche Stellungnahme zur umsatzsteuerrechtlichen Situation der I. erst am 5. Juni 2009 an G. übersandt, woraufhin sich G. am 8. Juni 2009 von der Angeklagten Sc. nach Abstimmung mit dem Angeklagten S. nochmals die Voraussetzung für die Errichtung einer Betriebsstätte in Deutschland erläutern ließ. Aufgrund dieses Telefonats gelangte das Landgericht rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung, dass „den Angeklagten S. und Sc. eindeutig vermittelt wurde, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine deutsche Zweigniederlassung der I. bestand“ (UA S. 114).
Der Teilfreispruch beruht auch auf dieser fehlerhaften Beweiswürdigung. Nach den Feststellungen erteilte die I. der E. für die Übertragung von Emissionszertifikaten unter dem Datum des 3. Juni 2009 zwei Gutschriften im Umfang von insgesamt netto 1.165.600 Euro. Aus diesen hätte bei Fehlen einer inländischen Betriebsstätte der I. kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden dürfen. Die Angeklagten wiederum hätten durch Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldung für den Juni 2009 zur Steuerhinterziehung des Mitangeklagten G. zugunsten der I. Beihilfe geleistet. Der Freispruch ist daher insoweit mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben.
II. Die Strafzumessung hinsichtlich der Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer für die Monate April und Mai 2009 hält dagegen rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ist nicht zu besorgen, dass das Landgericht bei der Strafrahmenwahl die Verkürzung einer nach § 14c UStG entstandenen Umsatzsteuer für strafrechtlich weniger schutzwürdig als einer nach anderen Normen entstandenen Steuer erachtet haben könnte.
Zwar wäre dies rechtsfehlerhaft, da es sich bei dem Steueranspruch aus § 14c UStG nicht um eine Steuer minderer Qualität handelt. Er dürfte deshalb bei der Rechtsfolgenentscheidung nicht einfach außer Betracht gelassen werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. August 2012 - 1 StR 257/12, Rn. 31, wistra 2013, 28). Denn mit der Vorschrift des § 14c UStG wollte der Gesetzgeber das Steueraufkommen vor den Folgen eines unberechtigten Vorsteuerabzugs schützen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2014 - 1 StR 209/14, wistra 2015, 33 Rn. 13 und Urteil vom 11. Juli 2002 - 5 StR 516/01, BGHSt 47, 343 zu § 14 Abs. 3 UStG a.F.).
Hier hat sich die mit der Ausstellung unrichtiger Gutschriften entstandene Gefahr mit der tatsächlichen Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus ebendiesen Gutschriften auch tatsächlich realisiert (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2014 - 1 StR 209/14, wistra 2015, 33 Rn. 13 und Urteil vom 30. April 2009 - 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311), weil die C. die Vorsteuer aus den Gutschriften geltend machte. Dies hat das Landgericht jedoch nicht aus dem Blick verloren. Vielmehr hat es ausdrücklich berücksichtigt, dass mit Unterstützung der Angeklagten ein dauerhafter Steuerschaden entstanden sei, für den die Angeklagten auch hafteten (UA S. 134).
2. Es stellt auch keinen Rechtsfehler dar, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zugunsten der Angeklagten gewertet hat, dass aus deren Sicht der deutsche Staat im Ergebnis höhere Steuereinnahmen erzielte, als ihm bei korrekter Fakturierung und steuerlichen Anmeldung zugestanden hätte (UA S. 133).
Maßgeblich ist insoweit, dass die Angeklagten von der Einschaltung der E. durch den Mitangeklagten G. als sog. Missing Trader keine Kenntnis hatten und deshalb von einem unternehmerischen Tätigwerden der I. ausgingen. Aus ihrer Sicht bestand daher die Möglichkeit, die von der C. ausgestellten und von der I. akzeptierten Gutschriften jederzeit wieder zu berichtigen. Zwar stellt allein die bloße Möglichkeit der Schadenswiedergutmachung keinen strafmildernden Umstand dar (vgl. zur Möglichkeit der Berichtigung im Rahmen der Umsatzsteuerjahreserklärung BGH, Urteil vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08, Rn. 40 ff., BGHSt 53, 221, 230). Einen solchen hat das Landgericht jedoch auch nicht angenommen. Es hat vielmehr - was zulässig ist - bei der Bewertung der kriminellen Energie der Angeklagten in den Blick genommen, dass aus ihrer Sicht seitens des Haupttäters keine mit einem „Griff in die Kasse des Staates“ verbundene Steuerhinterziehung erfolgte (UA S. 133). In diesem Zusammenhang durfte das Landgericht auch berücksichtigen, dass die I. - was auch aus Sicht der Angeklagten richtig gewesen wäre - keine deutsche Umsatzsteuer zu entrichten gehabt hätte, wenn sie weder deutsche Umsatzsteuer ausgewiesen noch Vorsteuer geltend gemacht hätte. Den Umstand, dass es sich aus Sicht der Angeklagten mithin um eine Konstellation handelte, in der G. aus dem Wunsch heraus, die I. als deutschen Unternehmer auftreten zu lassen, sich zu Unrecht deutscher Umsatzsteuer unterwerfen wollte, durfte das Landgericht bei der Bewertung des Maßes ihrer kriminellen Energie ebenfalls zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigen (zur tatgerichtlichen Wertung des Ausmaßes der aufgewendeten kriminellen Energie als gering vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, NStZ-RR 2016, 107). Die Tatsache, dass sich hier wegen der Einbindung der I. in ein den Angeklagten nicht bekanntes Umsatzsteuerhinterziehungssystem die sich aus der Ausstellung unrichtiger Gutschriften ergebende Gefahr für das Steueraufkommen tatsächlich realisierte und für den Fiskus auch zu einem dauerhaften Steuerschaden führte, hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich zum Nachteil der Angeklagten berücksichtigt (UA S. 134).
3. Soweit das Landgericht zugunsten der Angeklagten deren drohende Inanspruchnahme in Millionenhöhe seitens der Steuerbehörden wegen der verfahrensgegenständlichen Taten gesehen hat, begegnet dies ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar kommt eine strafmildernde Berücksichtigung einer möglichen Heranziehung gemäß § 71 AO nur dann in Betracht, wenn ein Angeklagter nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls tatsächlich mit seiner Heranziehung rechnen muss und dies eine besondere Härte darstellen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12, wistra 2013, 67). Solche Umstände lassen sich den Urteilsgründen indes entnehmen. So drohte nicht nur dem Angeklagten S. im Hinblick auf seine guten wirtschaftlichen Verhältnisse (UA S. 13) konkret die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner. Auch musste sich die Angeklagte Sc. u.a. wegen der drohenden Haftung in Millionenhöhe in psychotherapeutische Behandlung begeben (UA S. 134). Die besondere Härte einer solchen Inanspruchnahme ergibt sich schon daraus, dass beide Angeklagte erheblich gesundheitlich beeinträchtigt sind und von den verfahrensgegenständlichen Taten finanziell in kaum messbarem Umfang profitiert haben (UA S. 133).
4. Allerdings ist das Landgericht bei der Prüfung, ob das Regelbeispiel eines besonderen schweren Falles der Steuerhinterziehung i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO verwirklicht wurde, rechtsfehlerhaft von einer Wertgrenze von 100.000 Euro ausgegangen. Denn das nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des Regelbeispiels der Hinterziehung „in großem Ausmaß“ ist bereits dann erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 Euro übersteigt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 StR 373/15, BGHSt 61, 28). Werden steuermindernde Tatsachen - wie hier nicht bestehende Vorsteuerbeträge - geltend gemacht, bleibt es bei der Wertgrenze von 50.000 Euro. Diese Grundsätze sind auch in Fällen der Beihilfe anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12, NStZ 2012, 637). Bei Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist aber für die Strafrahmenwahl nicht entscheidend, ob sich die Tat des Haupttäters, zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist; zu prüfen ist vielmehr, ob sich die Beihilfe selbst - bei Berücksichtigung des Gewichts der Haupttat - als besonders schwerer Fall darstellt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 25. April 2017 - 1 StR 606/16, StraFo 2017, 242 und vom 6. September 2016 - 1 StR 575/15, NZWiSt 2016, 474 mwN). Im Hinblick auf die vom Landgericht vorgenommene Gesamtwürdigung, aufgrund deren es die Indizwirkung des Regelbeispiels aus § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO für entkräftet gehalten hat, und den Umstand, dass die Hinterziehungsbeträge jeweils weit über 100.000 Euro lagen, schließt der Senat aus, dass das Landgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn es von einer Wertgrenze von 50.000 Euro ausgegangen wäre. Somit beruht das Urteil auf diesem Rechtsfehler nicht.
5. Die Verhängung von Geldstrafen löst sich hier auch nicht deswegen von ihrer Bestimmung, angemessener Schuldausgleich zu sein, weil der Verkürzungsbetrag der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung für Mai 2009 1.146.788,70 Euro betrug.
Der Hinterziehungsbetrag ist zwar ein bestimmender Strafzumessungsgrund für die Steuerhinterziehung, der eine an der Höhe der verkürzten Steuern ausgerichtete Differenzierung der Einzelstrafen nahelegt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 1998 - 5 StR 693/97, wistra 1998, 269, 270). Allein das Ausmaß der Steuerverkürzung kann jedoch nicht in dem Sinne ausschlaggebend für die Strafhöhenbemessung sein, dass die Strafe gestaffelt nach der Höhe des Hinterziehungsbetrages schematisch und quasi „tarifmäßig“ verhängt wird. Jeder Einzelfall ist vielmehr nach den von § 46 StGB vorgeschriebenen Kriterien zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2012 - 1 StR 423/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 26 sowie die Beispiele für Strafmilderungs- und Strafschärfungsgründe in BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, Rn. 44 ff., BGHSt 53, 71, 81). Bereits bei der Strafrahmenwahl hat das Tatgericht damit dem typisierten Milderungsgrund der Beihilfe und den besonderen beihilfebezogenen Umständen, wie etwa dem Gewicht der Beihilfehandlungen, angemessen Rechnung zu tragen.
Diesen Anforderungen hält die Strafzumessung des Landgerichts stand. Da hier im Hinblick auf die Vielzahl gewichtiger Strafmilderungsgründe - darunter die gesundheitliche Situation der Angeklagten und die gravierenden Auswirkungen des Strafverfahrens auf deren berufliche Stellung als Steuerberater - die Wertung Bestand hat, dass hier auch ohne Verbrauch des typisierten Milderungsgrundes der Beihilfe (§ 27 StGB) keine besonders schweren Fälle der Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 3 AO gegeben sind (s.o.), durfte das Landgericht die Einzelstrafen dem gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnehmen. Ausgehend hiervon lösen sich die vom Landgericht gegen die Angeklagten verhängten Geldstrafen noch nicht nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein.
III. Die Gesamtstrafenaussprüche haben Bestand. Nur im Falle einer weiteren Verurteilung werden die festgesetzten Gesamtstrafen aufzulösen und unter Einbeziehung sämtlicher Einzelstrafen neue Gesamtstrafen festzusetzen sein (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2016 - 5 StR 570/15, Rn. 15).
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 181
Externe Fundstellen: NJW 2018, 480 ; NStZ 2018, 345 ; StV 2019, 48
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede