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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1098

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 79/21, Beschluss v. 23.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1098


BVerfG 2 BvR 79/21, 2 BvR 1766/21 (1. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 23. Juli 2024 (BGH / LG Potsdam)

Anhörungsrüge gegen die die Verwerfung der Revision (fehlendes Rechtschutzbedürfnis für eine Verfassungsbeschwerde gegen den Anhörungsrügebeschluss; keine neue Beschwer bei bloßem Unterbleiben einer Korrektur des gerügten Gehörsverstoßes).

Art. 103 Abs. 1 GG; § 356a StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Für die Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Revisionsgerichts, mit dem die Anhörungsrüge eines Angeklagten gegen die Verwerfung seiner Revision zurückgewiesen wird, fehlt es regelmäßig an einem Rechtschutzbedürfnis (Folgeentscheidung zu BGH, Beschlüsse vom 23. April 2020 und vom 4. November 2020 - 1 StR 559/19 -, sowie vom 1. Juli 2021 - 1 StR 204/21 - [= HRRS 2020 Nr. 1142, HRRS 2021 Nr. 22 und Nr. 973]).

2. Der Beschluss, mit dem über eine Anhörungsrüge entschieden wird, kann nur dann Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn mit ihm eine eigenständige Beschwer verbunden ist. Hieran fehlt es, wenn im Anhörungsrügeverfahren lediglich die Korrektur des gerügten Gehörsverstoßes unterbleibt. In diesen Fällen besteht kein schützenswertes Interesse, im Wege der Verfassungsbeschwerde gegen den über die Anhörungsrüge gefassten Beschluss vorzugehen. Der ursprünglich gerügte Anhörungsmangel kann dann nur durch eine Verfassungsbeschwerde gegen die mit der Anhörungsrüge beanstandete Entscheidung geltend gemacht werden.

Entscheidungstenor
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt sind. Grundsätzliche Bedeutung kommt den Verfassungsbeschwerden nicht zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt; denn sie haben keine Aussicht auf Erfolg. Es sind auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die angegriffenen Entscheidungen gegen verfassungsmäßige Rechte des Beschwerdeführers verstoßen könnten.

1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 4. November 2020 richtet, ist sie unzulässig, weil dieser mit der Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar ist.

Der Beschluss, mit dem über eine Anhörungsrüge entschieden wird, kann nur dann Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn mit ihm eine eigenständige Beschwer verbunden ist (vgl. BVerfGE 119, 292 <294 f.>). Unterbleibt im Anhörungsrügeverfahren lediglich die Korrektur des vom Beschwerdeführer gerügten Fehlers, wird also - aus seiner Sicht - der vorangegangene Anhörungsverstoß nicht korrigiert, so liegt in der durch den Anhörungsrügebeschluss bewirkten Fortdauer des vorher schon begründeten Grundrechtsverstoßes keine neue Beschwer. In diesen Fällen besteht kein Interesse, im Wege der Verfassungsbeschwerde gegen den über die Anhörungsrüge gefassten Beschluss vorzugehen. Der ursprünglich gerügte Anhörungsmangel kann dann nur durch eine Verfassungsbeschwerde gegen die mit der Anhörungsrüge beanstandete Entscheidung geltend gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. März 2007 - 2 BvR 547/07 -, juris, Rn. 8; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Juli 2007 - 2 BvR 496/07 -, juris, Rn. 2 f.; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Februar 2023 - 2 BvR 653/20 -, Rn. 28).

2. Soweit der Beschwerdeführer das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 12. März 2019 und den die Revision verwerfenden Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23. April 2020 angreift, lässt sich dem Beschwerdevorbringen die Möglichkeit einer Verletzung von verfassungsmäßigen Rechten nicht entnehmen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat sich der Bundesgerichtshof nicht die Befugnisse einer Tatsacheninstanz angemaßt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 8. März 2011 - 1 BvR 1880/10 -, Rn. 2) und dadurch in der Revisionsinstanz das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt, sondern ist vielmehr mit tragfähiger und von Verfassungs wegen nicht zu beanstandender Begründung zu einer offenbar vom Verständnis des Beschwerdeführers abweichenden Lesart der landgerichtlichen Feststellungen gelangt.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam richtet, genügt sie schon nicht den gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG an ihre Begründung zu stellenden Anforderungen. Der Beschwerdeführer zieht die landgerichtliche Entscheidung lediglich als Bezugspunkt für die tatrichterlichen Feststellungen heran. Einen verfassungsrechtlich bedeutsamen Mangel im Hinblick auf diese Entscheidung zeigt er hingegen nicht auf.

3. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 23. Februar 2021 und den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 1. Juli 2021 mit der Begründung wendet, die durch den ersten Rechtsgang eingetretene Verletzung verfassungsmäßiger Rechte wirke durch die angefochtenen Entscheidungen im zweiten Rechtsgang fort, ist der Rüge bereits mit Blick auf die voranstehenden Ausführungen die Grundlage entzogen.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1098

Bearbeiter: Holger Mann