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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2023
24. Jahrgang
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1. Im Falle des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, darf nur bei vollumfänglich illegalen Beschäftigungsverhältnissen bei der Hochrechnung der Nettolöhne auf Bruttolöhne der Eingangssteuersatz der Lohnsteuerklasse VI (vgl. § 39c EStG) zugrunde gelegt werden. Wenn indes die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitnehmer bekannt waren oder ohne Weiteres hätten festgestellt werden können, muss der Umfang hinterzogener Sozialversicherungsbeiträge anhand der tatsächlich gegebenen Lohnsteuerklasse der Arbeitnehmer ermittelt werden.
2. Durch die Tat erlangt sind alle Vermögenswerte, die dem Täter aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen. Der in diesem Sinn aus den gegenständlichen Taten nach § 266a StGB resultierende wirtschaftliche Vorteil liegt darin, dass geschuldete Beträge zur Sozialversicherung nicht abgeführt werden müssen, wobei dieser Vorteil schon begrifflich allein im Vermögen des zahlungsverpflichteten Arbeitgebers anfällt und sich als nicht gegenständlicher Vorteil bereits mit seiner Inanspruchnahme verbraucht.
3. Für die Tat erlangt ist, was dem Täter oder Teilnehmer als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt wird und sich nicht als Vermögensvorteil darstellt, der auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruht. Abzugrenzen sind hiervon Zuwendungen, die der Tatbeteiligte aus einem anderen, von der Tatbegehung unabhängigen Rechtsgrund erhält. Ob ein solcher Rechtsgrund tatsächlich vorliegt oder ob der Tatlohn lediglich unter dem Deckmantel eines solchen dem Tatbeteiligten gewährten Anspruchs an ihn weitergeleitet wird, ist Tatfrage und im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
1. Bei Waffen im technischen Sinn und den in § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) WaffG normierten, sog. gekorenen Waffen liegt die Bestimmung durch den Täter zur Verletzung von Menschen auf der Hand, so dass es einer ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen nicht bedarf.
2. Bei sonstigen Gegenständen, die nicht typischerweise dazu eingesetzt werden, jemanden zu verletzen, sind tatrichterliche Feststellungen zur Zweckbestimmung durch den Täter unerlässlich; dies gilt insbesondere bei Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens. Allerdings kann die Annahme einer Zweckbestimmung im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nahe liegen, wenn nach den Umständen des Falles ein nachvollziehbarer Grund dafür fehlt, dass der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand griffbereit mit sich führt.
3. Der Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens kann auch dann noch erfüllt sein, wenn der Täter den Gegenstand erst in der Schlussphase des Betäubungsmittelgeschäfts vor dessen Beendigung mit einer entsprechenden Zweckbestimmung bei sich führt. Danach kann ein Waffeneinsatz im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auch dann noch in Betracht kommen, wenn der Erwerber noch keine sichere Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel erlangt hat.
1. Bei einem länderübergreifenden Transport ist erst dann der Tatbestand der Einfuhr nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG erfüllt, wenn die Drogen deutsches Staatsgebiet erreichen. Die Norm schützt (nur) die inländische Bevölkerung vor den Gefahren der Drogensucht, nicht die niederländische.
2. Ein zu hohes Gesamtstrafübel, das sich dadurch ergibt, dass die Zäsurwirkung eines Urteils die Bildung mehrerer Gesamtstrafen erfordert, ist auszugleichen, insbesondere bei einer voraussichtlichen Gesamtvollstreckungsdauer, die diejenige einer lebenslangen Freiheitsstrafe erreicht oder überschreitet.
3. Das Tatgericht hat in solchen Fällen die besondere Größenordnung der Gesamtstrafensumme im Urteil zu erörtern und durch einen erheblichen Härteausgleich sichtbar Rechnung zu tragen. Dabei ist auch das Ausmaß der Warnwirkung des zäsurbildenden Urteils zu berücksichtigen.
1. Für die Vollendung des Handeltreibens reicht es aus, dass der Täter bei einem beabsichtigten Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln in ernsthafte Verhandlungen mit dem potenziellen Verkäufer eintritt. Der Tatbestand ist auch dann erfüllt, wenn es nicht zur Übereinkunft und deren Erfüllung gekommen ist.
2. Besitzt der Täter Betäubungsmittel teils zur gewinnbringenden Weiterveräußerung und teils zu anderen Zwecken, geht der Besitz an der zum Handel bestimmten Betäubungsmittelmenge im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf. Nur für die anderen Zwecken dienende Menge verbleibt es bei der Strafbarkeit wegen Besitzes von Betäubungsmitteln.
1. Bei der Verurteilung wegen einer Betäubungsmittelstraftat bedarf es regelmäßig Feststellungen zum Wirkstoffgehalt. Auf diesen kommt es neben Art und Menge der gehandelten Betäubungsmittel nicht nur für die Bestimmung einer nicht geringen Menge, sondern auch für die Strafrahmenwahl und die Strafzumessung im engeren Sinne an, weil dadurch der Schuldumfang der Tat und die Schuld des Täters maßgeblich bestimmt werden. Dies gilt auch in Fällen, in denen es lediglich zum Ankauf der Betäubungsmittel kam und eine spätere Auslieferung nicht festgestellt ist, da insoweit das Vorstellungsbild des Angeklagten entscheidend ist. Bei der Strafzumessung in Beihilfefällen ist die Feststellung der Wirkstoffmenge für die Bestimmung der Schwere der Haupttat erforderlich, auch wenn dem Gewicht des Tatbeitrags des Gehilfen die maßgebliche Bedeutung zukommt.
2. Stehen Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht zur Verfügung, muss das Tatgericht die Wirkstoffmenge oder den Wirkstoffgehalt unter Berücksichtigung der anderen hinreichend sicher festgestellten Tatumstände (wie
Herkunft, Preis, Aussehen, Verpackung, Beurteilung durch Tatbeteiligte, Handelsstufe), gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes, zahlenmäßig schätzen. Eine Umschreibung in allgemeiner Form, etwa „durchschnittliche Qualität“ reicht nicht aus.
3. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei, muss es regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung die als erwiesen angesehenen Tatsachen feststellen, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden konnten. Denn es ist Aufgabe der Urteilsgründe, dem Revisionsgericht auf diese Weise eine umfassende Nachprüfung der freisprechenden Entscheidung zu ermöglichen.
4. Der Zeitablauf zwischen Tat und Urteil gehört zu den Umständen, die nach am Einzelfall orientierten Maßgaben als sonstiger Aspekt im Sinne des § 46 Abs. 2 StGB Einfluss auf die Bemessung der Strafe gewinnen können, da der Ablauf der Zeit zwar nicht die Tatschuld mindert, aber Tat und Täter unter den Aspekten von Schuld und Spezialprävention in einem günstigeren Licht erscheinen lassen kann, als es bei schneller Ahndung der Fall gewesen wäre. Deshalb führt ein langer Zeitablauf nach der Tat nicht nur zu einer Minderung des Sühneanspruchs, weil das Strafbedürfnis allgemein abnimmt, sondern erfordert auch eine gesteigerte Prüfung der Wirkungen der Strafe für den Täter.
Die Sicherstellung von Betäubungsmitteln beendet das Handeltreiben i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG nicht, wenn ein Täter sich in Unkenntnis der Sicherstellung weiter darum bemühten, in den Besitz der Betäubungsmittel zu kommen. Denn für die Strafbarkeit des Täters beim Handeltreiben kommt es nicht auf den tatsächlichen Umsatzerfolg an, sondern allein auf das hierauf abzielende Verhalten. Für eine Beihilfe zum Handeltreiben reicht es in diesen Konstellationen dementsprechend aus, wenn der Gehilfe das auf den Erfolg abzielende Verhalten des Haupttäters unterstützt.
Bei der Verhängung einer Jugendstrafe genügt eine lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens nicht.