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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2022
23. Jahrgang
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1. Für die Ermittlung der Bemakelungsquote eines nach § 74 Abs. 2 StGB einzuziehenden Tatobjektes ist der Verkehrswert des Tatobjektes zum Zeitpunkt der Tatbegehung maßgeblich. (BGHR)
2. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 74b Abs. 1 StGB aF bzw. § 74f Abs. 1 StGB nF kann neben der Höhe der Bemakelungsquote und dem aktuellen Verkehrswert zum Zeitpunkt der Einziehung auch Berücksichtigung finden, wer wirtschaftlicher Eigentümer des Tatobjektes ist. (BGHR)
3. Die Einziehung nach § 74 Abs. 1 und 3 StGB hat den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar. Wird dem Täter auf diese Weise ein ihm gehörender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, so ist dies als ein bestimmender Gesichtspunkt sowohl bei der Bemessung der zu verhängenden Einzelstrafen als auch bei der Gesamtstrafe zu berücksichtigen. (Bearbeiter)
4. Geht es um die Einziehung von Tatobjekten nach § 74 Abs. 2 StGB ist zu differenzieren: Handelt es sich bei den eingezogenen Gegenständen um Gegenstände, die der Täter überhaupt nicht besitzen durfte, weil bereits der Besitz selbst unter Strafe steht, besteht zu einer mildernden Berücksichtigung der Einziehung kein Anlass, denn der Täter erleidet hierdurch keinen ausgleichsfähigen Nachteil. Gleiches gilt, wenn der Besitz aus einer strafbaren Handlung, z. B. einer Geldwäsche, herrührt und das Tatobjekt ausnahmslos mit inkriminierten Mitteln erworben wurde. Anderes gilt hingegen, wenn der nach § 74 Abs. 2 StGB einzuziehende Gegenstand mit Bargeld aus einer Geldwäschevortat und legal erworbenem Vermögen finanziert wurde. In Fällen der Mischfinanzierung wird dem Täter nämlich ein Gegenstand entzogen, dessen Wert den deliktisch erlangten Vermögenszuwachs übersteigt. Dies ist ein bei der Strafzumessung zu berücksichtigender Umstand. (Bearbeiter)
5. Taugliches Tatobjekt der Geldwäsche ist jeder Vermögensgegenstand, der seinem Inhalt nach bewegliche oder unbewegliche Sachen oder Rechte umfasst. Dazu gehören auch solche Gegenstände, die erst durch eine Verwertung des vom Vortäter ursprünglich Erlangten als Surrogat erworben werden und daher nur mittelbar aus der Vortat stammen. (Bearbeiter)
6. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll durch die Wahl des weiten Begriffs des „Herrührens“ eine für Geldwäsche typische Kette von Verwertungshandlungen erfasst werden, bei denen der ursprünglich bemakelte Gegenstand gegebenenfalls mehrfach durch einen anderen oder auch durch mehrere Surrogate ersetzt wird. Maßgeblich ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, wonach Gegenstände als bemakelt anzusehen sind, wenn sie sich im Sinne eines Kausalzusammenhangs auf die Vortat zurückführen lassen und nicht wesentlich auf der Leistung Dritter beruhen. (Bearbeiter)
7. In Fällen der Vermischung legal erworbener und inkriminierter Geldmittel kommt es entscheidend darauf an, dass der aus Vortaten herrührende Anteil bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht völlig unerheblich ist. Maßgeblich für die Prüfung, ob der Anteil inkriminierter Gelder an der investierten Gesamtsumme bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht völlig unerheblich ist, ist der Zeitpunkt der Tatbegehung. (Bearbeiter)
8. Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte
gibt, sind nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zu Grunde zu legen. Das Tatgericht hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen es außer den nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte gibt. (Bearbeiter)
1. Außergewöhnlich hohe Strafen bedürfen einer Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die das Abweichen vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich macht.
2. Grundsätzlich erfordert die individuelle Strafzumessung eine Wertung der für die Strafzumessung maßgeblichen Umstände, weil die gesetzliche Vorgabe eines Strafrahmens grundsätzlich bedeutet, dass innerhalb des Rahmens nur für die denkbar schwersten Fälle die Höchststrafe verhängt werden darf (vgl. BGHSt 58, 158 Rn. 56). Dies schließt, um eine Wertung innerhalb des Strafrahmens vornehmen zu können, den Vergleich mit eher „durchschnittlichen“ Fällen notwendigerweise mit ein. Dabei haben freilich bei der individuellen Strafzumessung fremde hypothetische Sachverhalte ebenso außer Betracht zu bleiben wie von anderen Gerichten verhängte Strafen. Maßstab sind das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut und der Grad seiner schuldhaften Beeinträchtigung.
3. Bei Betäubungsmitteldelikten prägen Art und Menge des Rauschgifts den Unrechtsgehalt der Tat; sie sind deshalb nicht nur „bestimmende Umstände“ (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), sondern regelmäßig vorrangig in die Abwägung einzustellen. Gleichwohl verlieren die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung nach den §§ 46 ff. StGB im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität nicht ihre Bedeutung. Danach ist auch bei Rauschgiftgeschäften die Strafe nach dem Maß der individuellen Schuld zuzumessen. Eine reine „Mengenrechtsprechung“ wäre mit diesen Grundsätzen nicht zu vereinbaren.
4. Vor allem darf bei Einfuhrfällen das Strafengefüge der §§ 30, 30a BtMG nicht außer Blick geraten. Nach der gesetzlichen Konzeption kommt Qualifikationsmerkmalen wie etwa der Bandenmitgliedschaft (§ 30a Abs. 1 Variante 4 BtMG) oder des Beisichführens einer Waffe (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 Variante 2 BtMG) erheblich straferschwerendes Gewicht zu; dies zeigt sich an der gegenüber der in § 30 Abs. 1 BtMG normierten Strafrahmenuntergrenze von zwei Jahren Freiheitsstrafe signifikant höheren des § 30a Abs. 1, 2 BtMG mit einer solchen von fünf Jahren Freiheitsstrafe.
1. Die Sprachunkundigkeit eines Ausländers kann nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein. So genügt es regelmäßig für eine erfolgversprechende Maßregelanordnung, wenn der Betreffende zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt.
2. Es muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden, insbesondere dann nicht, wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm absehbar nur schwer oder gar nicht möglich sein wird. Bei weitgehender Sprachunkundigkeit wird die Annahme fehlender Erfolgsaussicht nahe liegen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte ein Absehen von der Maßregelanordnung insbesondere bei ausreisepflichtigen Ausländern ermöglicht werden, bei denen infolge erheblicher sprachlicher Verständigungsprobleme eine erfolgversprechende Therapie kaum vorstellbar ist.
Eine Tat ist erheblich im Sinne von § 63 Satz 1 StGB, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten, die im Höchstmaß mit mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden, gehören regelmäßig zum Bereich der mittleren Kriminalität. Die Erheblichkeit ist bei solchen Taten insbesondere anzunehmen, wenn sie Zufallsopfer im öffentlichen Raum treffen und zu erheblichen Einschränkungen der Lebensführung des Opfers oder sonst schwerwiegenden Folgen führen. Hinzukommen muss nach § 63 Satz 1 StGB, dass die von solchen Taten betroffenen Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird.
1. Nach § 63 StGB darf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten schuldunfähig oder vermindert
schuldfähig war. die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB müssen bei der Maßregelprüfung daher positiv festgestellt sein. Die bloße Möglichkeit ihres Vorliegens genügt nicht.
2. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist erst dann strafrechtlich von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Unrechtseinsicht zur Folge hat. In diesen Fällen ist der Anwendungsbereich des § 21 StGB, der insoweit nur eine Sonderregelung des Verbotsirrtums darstellt, eröffnet, wenn das Fehlen der Unrechtseinsicht vorwerfbar ist; kann ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden, greift § 20 StGB ein. Erkennt der Täter dagegen das Unrecht seiner Tat, handelt er – unbeschadet seiner eingeschränkten Einsichtsfähigkeit – voll schuldhaft.
Durch die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er der faktischen Verfügungsgewalt des Täters unterliegt. Zwischen der Tat und dem Erlangen des einzuziehenden „Etwas“ muss mithin ein Kausalzusammenhang bestehen. Dieser ist dann gegeben, wenn der Vermögenszufluss auf der Verwirklichung des Tatbestandes beruht. Daran fehlt es bei solchen Vermögenswerten, die dem Täter erst durch weitere, nicht tatbestandsmäßige Handlungen oder Rechtsgeschäfte oder als Ersatzgegenstände im Sinne von § 73 Abs. 3 StGB zufließen.
Wenn ein Angeklagter die Tat leugnet, bagatellisiert oder einem anderen die Schuld an dieser zuschiebt, ist dies grundsätzlich zulässiges Verteidigungsverhalten. Die Grenze ist erst erreicht, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers sich als Ausdruck einer besonders verwerflichen Einstellung des Täters darstellt, etwa weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwürdigung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung einhergeht.
Für ein Zurückgehen der Anlasstat auf den Hang i.S.d. § 64 StGB ist es nicht erforderlich, dass dieser alleinige Ursache oder bestimmender Auslöser für die Anlasstat war. Es genügt vielmehr, dass der Hang neben anderen Umständen mitursächlich war bzw. negativen Einfluss auf die Qualität der Straftat hatte.