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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2021
22. Jahrgang
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Von Wiss. Mit. Ann-Christin Hagedorn, Hannover[*]
Seit vielen Jahren genießt die Thematik der Abrechnung von Schlüsseldiensten große Aufmerksamkeit.[1] Neben der psychischen Belastung der Ausgesperrten kann die böse Überraschung nach dem Öffnen der Tür kommen, wenn eine Rechnung erstellt wird, die mehrere Hundert Euro für die Leistung fordert. Neben der möglicherweise zivilrechtlichen Rückforderung über das Bereicherungsrecht in Folge einer Nichtigkeit des Vertrages gem. § 138 BGB, hatten sich die Gerichte in der Vergangenheit wiederholt auch mit den strafrechtlichen Folgen eines solchen Verhaltens auseinanderzusetzen. Dabei ist auffällig, dass die bisherige Rechtsprechung eher zurückhaltend mit der Verurteilung wegen eines möglichen Betruges
oder Wuchers[2] war. Eine Strafbarkeit wegen Betruges war zumeist nicht Gegenstand der bereits erfolgten Entscheidungen.[3] Des Weiteren wurde eine Strafbarkeit wegen (Leistungs-) Wuchers gem. § 291 StGB häufig abgelehnt, da die Gerichte davon ausgingen, dass eine Zwangslage im Sinne der Vorschrift nicht vorläge. Um eine solche Zwangslage begründen zu können, müssten nach der bisherigen Rechtsprechung, neben das bloße Ausgesperrtsein weitere Umstände hinzutreten, die eine solche Lage als Zwangslage qualifizieren könnten.[4] Dem ist der BGH mit der hier zu besprechenden Entscheidung nun entschieden entgegengetreten, weshalb eine Verurteilung wegen Wuchers, bei einer um das Doppelte überzogenen Rechnungstellung, durchaus ohne das Hinzutreten weiterer Umstände möglich ist. Auch eine Strafbarkeit wegen Betruges wurde unter Heranziehung der im BGB geregelten Üblichkeit der Vergütung bei Werkverträgen angenommen.
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall setzte der Angekl. A den Mitangeklagten B als Geschäftsführer der C-GmbH ein, hielt tatsächlich jedoch die Geschicke der GmbH in den Händen und traf die maßgeblichen Entscheidungen und Anweisungen. Das Unternehmen bot deutschlandweit Schlüsseldienstleistungen über die Gelben Seiten, sowie über das Internet an. Diese Dienstleistung wurde durch verschiedene fiktive, angeblich ortsansässige Unternehmen, mit dazugehöriger örtlicher Telefonnummer angeboten. Tatsächlich existierten diese Unternehmen jedoch nicht und die Verbraucher gelangten über die Telefonnummer in die Telefonzentrale der C-GmbH, in dem Glauben bei einem ortsansässigen Schlüsseldienst anzurufen.
Von dort aus wurden die Monteure, die unter Absprache mit den Angekl. eigenständig abrechneten, koordiniert und zu dem jeweiligen Einsatzort geleitet. Vor Ort traten die Monteure sodann absprachebedingt weiterhin so auf, als seien sie bei einem ortsansässigen Schlüsseldienst tätig. Die Kunden waren dadurch nach wie vor in dem Glauben einen ortansässigen Schlüsseldienst beauftragt zu haben, der zu ortsüblichen Preisen abrechnet. Tatsächlich wurden von der C-GmbH Preise verlangt, die die ortsansässigen Preise um das Doppelte überstiegen.
Bereits das LG[5] hatte die Angeklagten gem. §§ 263 Abs. 5, Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB verurteilt, gegen welche die Revision dieser keinen Erfolg hatte. Auch der BGH ist der Ansicht, dass die Monteure hier über die Üblichkeit des Preises getäuscht haben, welches den Angeklagten über § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet wird. Dem gegenüber hatte die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolg, denn diese sah auch die Strafbarkeit gem. § 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 Nr. 3 StGB erfüllt. Diesem stimmte auch der BGH zu, weshalb zusätzlich eine Verurteilung wegen Wuchers erfolgte.
Zunächst ist anzumerken, dass sich die bisherigen Fälle der Rechtsprechung in einem anderen Rahmen bewegt haben: Zumeist handelt es sich um den einfach gelagerten Fall, dass ein Schlüsseldienst nach erfolgter Leistung, zu erheblich überzogenen Preisen abrechnet. In dem oben geschilderten Fall wird dem Leser auffallen, dass die Angeklagten mit einer erhöhten kriminellen Energie vorgingen, indem ein ganzes Netzwerk konstruiert wurde, um die Kunden bestmöglich in die Irre zu führen. Jedoch könnten die Ausführungen des BGH Anlass dazu geben, die grundsätzliche Strafbarkeit von Schlüsseldiensten, die zu überhöhten Preisen abrechnen, neu zu beleuchten. Dieses könnte insgesamt zu einer Strafverschärfung eines solchen Vorgehens führen.
a) Bei der Strafbarkeit wegen Betrugs gegenüber und zu Lasten der Kunden ist bereits fraglich, ob es sich um ein täuschungsrelevantes Verhalten der jeweiligen Monteure handelt. Denn grundsätzlich herrscht das Prinzip der Vertragsfreiheit, weshalb auch ein Schlüsseldienst seine Leistung zu einem selbst gebildeten Preis anbieten und abrechnen kann (Preisgestaltungsfreiheit).[6] In diesem Zusammenhang ist kein Raum für die Annahme einer konkludenten Erklärung über die Angemessenheit oder Üblichkeit des Preises.[7] Somit kann im Fordern eines überhöhten Preises für eine Ware oder eine Leistung nicht grundsätzlich eine Täuschung gesehen werden.[8] Etwas anderes könnte sich jedoch daraus ergeben, dass es sich vorliegend nicht um einen Kaufvertrag handelt, bei dem an einen etwaigen Preisgestaltungsbetrug durch konkludentes Täuschen grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen sind.[9] Bei einem solchen ist es nämlich
Sache des Käufers zu entscheiden, ob die Sache ihren Preis wert ist und er diese infolge dessen erwerben möchte.[10] Anders allerdings könnten Vertragstypen zu beurteilen sein, bei denen das Gesetz Anhaltspunkte für die Vergütung enthält.[11] Denn für die Auslegung des Erklärungsverhaltens als eine konkludente Täuschung sind neben der Verkehrsanschauung auch rechtliche Vorschriften von Belang, welche diese prägen oder gar ersetzen können.[12] So kann sich etwa aus einer zivilrechtlichen Normierung eine Risikoverteilung ergeben, die sodann auch für die Betrugsstrafbarkeit maßgebend sein kann.[13] Der Vertrag zwischen dem Kunden und einem Handwerker (hier dem Schlüsseldienst) dürfte regelmäßig als Werkvertrag einzustufen sein. Soweit über eine Vergütung im Vorfeld der Leistungserbringung nicht gesprochen wird – was der Regelfall sein dürfte – kann eine Vergütung unter Heranziehung des § 632 Abs. 2 BGB[14] zumindest mitbestimmt werden.[15] Nach § 632 Abs. 2 BGB ist, soweit keine Vergütung vereinbart ist und auch eine taxmäßige Vergütung nicht besteht, die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
Gerade beim Abschluss eines Werkvertrages, der zwischen dem Kunden und einem Schlüsseldienst zu Stande kommt, wird im Vorfeld zumeist kein festgelegter Preis ausgehandelt. Somit gilt gem. § 632 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung als stillschweigend vereinbart. Der BGH stellt damit fest, dass der Monteur nach Leistungserbringung konkludent erklärt, dass das geforderte Entgelt dem als vereinbart geltenden Üblichen entspricht.[16] Somit wird die Täuschungshandlung erst bei Rechnungsstellung begangen.[17] Um eine Üblichkeit feststellen zu können, ist auf eine Vergütung abzustellen, die zur Zeit des Vertragsschlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt wird.[18] Vergleichsmaßstab sind dabei Leistungen gleicher Art, gleicher Güte und gleichen Umfangs, wobei die Anerkennung der Üblichkeit gleiche Verhältnisse in zahlreichen Einzelfällen voraussetzt.[19] Da nicht jede marginal zu hoch abgerechnete Leistung eines Monteurs von der Strafbarkeit erfasst werden soll, muss eine gewissen Schwankungsbreite bei der Üblichkeit des Preises berücksichtig werden, sodass nur eine deutliche Erhöhung betrugsrelevant ist.[20] Ein solch auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wird nach der Rechtsprechung des BGH angenommen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist, wie der Wert der Gegenleistung.[21] Soweit diese Kriterien berücksichtigt werden, kann eine konkludente Täuschung über die Üblichkeit des Preises angenommen werden, wodurch sich ein anderer (durch die gesetzliche Regelung des § 632 Abs. 2 BGB geringerer) Maßstab bezüglich des betrugsrelevanten Verhaltens, als dieser bei Kaufverträgen gebildete wurde, angenommen werden kann.
Ein Irrtum dürfte in diesen Fällen über ein sachgedankliches Mitbewusstsein bei den Kunden anzunehmen sein.[22] Diese müssen sich danach keine konkrete Vorstellung über das Zustandekommen oder die Berechnung des geforderten Entgeltes des Schlüsseldienstes machen. Es reiche vielmehr aus, dass diese bei Rechnungsstellung davon ausgehen, dass schon "alles in Ordnung" sei.[23] Der Adressat nimmt somit an, dass das Vorliegen gewisser Umstände selbstverständlich ist,[24] was hier die Üblichkeit des Preises betrifft. Daraufhin zahlten die Kunden täuschungsbedingt mehr, als sie vertraglich schuldeten und erlitten in Höhe der Überzahlung einen Vermögensschaden.[25]
b) Nach der Entscheidung des BGH sollte im Blick behalten werden, wie die Auswirkungen dieser Entscheidung das Schlüsseldienstgewerbe – aber auch andere Gewerke – betreffen werden. Dieses dürfte vor allem deshalb interessant sein, da eine Verurteilung wegen Betruges in Zukunft weitaus häufiger auftreten dürfte. Verwunderlich erscheint hier jedoch die bisherige Praxis der Zurückhaltung mit Verurteilung wegen Betruges bei einer überhöhten Handwerkerrechnung. So wurden bereits in früheren BGH – Entscheidungen, als auch in der Literatur, die Üblichkeit der Vergütung, wie sie im BGB geregelt ist, angesprochen und darüber eine konkludente Täuschung begründet.[26] Nach den angeführten Erläuterun-
gen der Entscheidung dürfte auf der Hand liegen, dass keine zusätzlichen Täuschungshandlungen (wie z.B. im vorliegenden Fall über die örtliche Nähe des Schlüsseldienstes) erfolgen müssen, um eine konkludente Täuschung annehmen zu können. Bei einer Differenzierung zwischen Vertragsschluss und Rechnungslegung müsste deutlich werden, dass der Werkunternehmer bei Stellung der Rechnung nach erbrachter Werkleistung, konkludent die Üblichkeit der Vergütung nach § 632 Abs. 2 BGB miterklärt. Soweit der geforderte Betrag dann das Doppelte des Üblichen übersteigt, kann eine konkludente Täuschung angenommen werden. Dieses ist augenscheinlich nicht nur relevant für Schlüsseldienste, sondern für alle Werkunternehmer, die im Vorfeld keine Verhandlungen über den Preis treffen, was vor allem Notdienste[27] aller Art betreffen dürfte. Des Weiteren sind Fallgestaltungen einzubeziehen, die ebenfalls an eine Üblichkeit im Gesetz anknüpfen, wie dieses beim Dienstvertrag gem. § 612 Abs. 2 BGB und beim Maklervertrag gem. § 654 Abs. 2 BGB der Fall ist.
Kritiker dürften durch die Annahme einer konkludenten Täuschung unter Heranziehung des § 632 Abs. 2 BGB das Konzept der freien Marktwirtschaft in Gefahr sehen, demzufolge grundsätzlich Leistungen zu jedem Preis angeboten werden können und die Nachfrager es selbst in der Handhaben zu entscheiden, ob sie diese Leistung annehmen wollen oder nicht.[28] Dabei bleibt jedoch die gesetzgeberische Wertung der Üblichkeit der Vergütung außer Betracht, die in speziellen Fällen eine Ausnahme zu diesem Grundsatz bilden kann. Des Weiteren ist die Einschränkung des BGH zu berücksichtigen, dass eine solche betrugsrelevante Täuschung auch nur bei dem Übersteigen des Entgeltes um das Doppelte vorliegt. Dieses dürfte keinen übermäßigen Einschnitt bei der Preisfindung nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen bedeuten.
Weiter ist der Gedanke zu berücksichtigen, dass unsere Wirtschaftsordnung elementar durch die soziale Marktwirtschaft geprägt wird. Die sozialen Belange der Verbraucher sind also wenigstens dort zu berücksichtigen, wo ein Missbrauch Einzelner unter Ausnutzung der eigenen Freiheit im Raum steht.[29] Somit wird durch das gefundene Ergebnis gerade der Gedanke der sozialen Marktwirtschaft gestärkt.
Nicht außer Betracht gelassen werden darf darüber hinaus, dass die Üblichkeit der Vergütung einer Leistung gerade durch die Marktteilnehmer festgelegt wird. Diese Üblichkeit kann durch Angebot und Nachfrage reguliert werden. Soweit Leistungen im Allgemeinem zu einem höheren Preis angeboten werden und dieses von der Marktgegenseite in Anspruch genommen wird, kann eine neue Üblichkeit geschaffen werden, die dann gerade keine Betrugsrelevanz aufweist.
Demnach stehen die getroffenen Wertungen des BGH auch mit sonstigen marktwirtschaftlichen Erwägungen im Einklang.
Grundsätzlich ist bei der Feststellung einer konkludenten Täuschung in jedem Falle zu berücksichtigen, dass die Ausführungen des BGH "in aller Regel" für Fälle der vorliegenden Art gelten. Auch, wenn hier eine Fallgruppe der konkludenten Täuschung gebildet wurde, kommt es auf die Äußerungen und die Umstände im Einzelfall an, die das Tatgericht als auch das Revisionsgericht stets umfassend zu würdigen haben.[30]
a) Zentraler Schwerpunkt bei der Beurteilung einer Strafbarkeit gem. § 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 Nr. 3 StGB ist das Vorliegen einer Zwangslage. Nach dem überwiegenden Teil der Rechtsprechung wurde eine solche nicht allein durch das bloße Ausgesperrtsein aus der Wohnung angenommen, sondern es mussten weitere Umstände (bspw. Feuer in der Wohnung, ein eingesperrtes Kind ) hinzutreten, um eine solche Zwangslage anzunehmen.[31] Dem hat sich der BGH nun durch eine weniger enge Auslegung entgegengestellt: Bereits das Ausgesperrtsein aus der eigenen Wohnung begründe, so der BGH, regelmäßig eine Zwangslage, ohne dass weitere besonders bedrängende Umstände hinzutreten müssten.[32] Der BGH begründet seine Auslegung vor allem mit der Ersetzung des gesetzlichen Begriffs der Notlage (§ 302a Abs. 1 StGB a.F.) durch den der Zwangslage, die keine Existenzbedrohung mehr voraussetzt.[33] Die Änderung sollte vor allem dem Problem Rechnung tragen, dass der Wuchertatbestand sich als bisher wenig praktikabel erwiesen habe.[34] Der Tatbestand sei nicht umfassend genug, um strafwürdige Verhaltensweisen, die in der wirtschaftlichen Ausnutzung der Schwäche einer anderen Person liegen, wirksam zu bekämpfen.[35]
Durch die besonders ungünstige Lage des Ausgesperrtseins wird regelmäßig keine Zeit verbleiben, um mögliche Angebote einzuholen oder gar Preise für die Türöffnung zu verhandeln. Somit ist der Wohnungsnutzer den
Preisen der Schlüsseldienste ausgesetzt, was die Monteure sodann ausbeuten könnten.[36]
Ein Ausgleich dieses weiten Verständnisses soll nach Ansicht des BGH dann jedoch über das Tatbestandsmerkmal des "auffälligen Missverhältnisses" gefunden werden. Dieses ist üblicherweise nur gegeben, soweit der geforderte Werklohn den üblichen Marktpreis regelmäßig um mehr als das Doppelte übersteigt.[37] Dadurch wird nicht jedes Ergreifen einer wirtschaftlich günstigen Chance in den Bereich der Strafbarkeit eingeordnet.[38]
b) Auch in seinen Ausführungen zum Wucher und der damit einhergehenden Auslegung der Notlage ist dem BGH zuzustimmen. Gerade durch die vermehrt auftretende Praxis der überhöhten Abrechnung von Schlüsseldiensten erscheint es rechtspolitisch erstrebenswert, den Tatbestand des Wuchers zunächst einmal zu eröffnen, um diese Fälle überhaupt durch das Strafrecht erfassen zu können.[39] Durch das weitere Tatbestandsmerkmal des "auffälligen Missverhältnisses" kann eine ausreichende Korrektur geschaffen werden, um dem ultima ratio – Gedanken des Strafrechts gerecht zu werden und nicht jedes Ergreifen einer gewinnträchtigen Chance zu kriminalisieren. Des Weiteren dürfte das Übersteigen des Werklohnes um das Doppelte eine großzügig geschaffene Grenze darstellen, die erst einmal erreicht werden muss, um ein strafrechtlich relevantes Verhalten zu schaffen.
Der BGH hat im vorliegenden Fall die Maßstäbe einer Strafbarkeit von Schlüsseldiensten festgelegt, wobei es sich bei der Strafbarkeit wegen Betruges um Kriterien handelt, die bereits zuvor in Literatur und Rechtsprechung aufgegriffen wurden. Die Ausführungen zur Wucherstrafbarkeit können nun Klarheit bei der Auslegung der Zwangslage von ausgesperrten Personen schaffen. Es ist zu erwarten, dass eine Strafbarkeit wegen Wuchers die Schlüsseldienste wesentlich häufiger treffen wird, da der BGH den objektiven Tatbestand nun erheblich weiter versteht als ein Großteil der früheren Rechtsprechung. Des Weiteren könnte das Urteil dazu anregen, auch die Betrugsstrafbarkeit der zu hoch abrechnenden Schlüsseldienste genauer in den Blick zu nehmen. Sobald eine Abrechnung über dem Doppelten des Üblichen vorliegt, sehen sich zweifelhafte Schlüsseldienstunternehmen nicht nur der Gefahr einer möglichen zivilrechtlichen Rückförderung der zu Unrecht erlangten Vergütung ausgesetzt, sondern auch der Gefahr einer persönlichen strafrechtlichen Sanktionierung.
[*] Die Verfasserin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht (Prof. Dr. Sascha Ziemann) an der Leibniz Universität Hannover. Sie bedankt sich bei ihrem Professor Herrn Sascha Ziemann für die inhaltliche Unterstützung und für die sprachliche Überarbeitung des Beitrages.
[1] Siehe bspw. https://www.faz.net/aktuell/finanzen/ranking-teure-schluesseldienste-16802048.html und https://www.stern.de/wirtschaft/news/schluesseldienst-betrug--rechnung-ueber-1240-euro-fuer-einmal-tuer-aufmachen-8485766.html.
[2] Die Strafbarkeit des Wuchers ist zumindest in Bremen, dem Saarland und Thüringen Pflichtstoff der ersten Staatsprüfung, vgl. Joecks, Studienkommentar StGB, 12. Aufl. (2020), S. 802. Jedoch dürfte sich der vorliegende Fall auch für die anderen Bundesländer als Prüfungsstoff anbieten, da sowohl die sehr relevante Strafbarkeit des Betruges als auch eine unbekannte, vom Prüfungsstoff nicht erfasste Norm, abgefragt werden kann.
[3] Siehe Anm. Breit zum Beschluss des OLG Brandenburg vom 07. November 2019, FD-StrafR 2020, 424526, in welcher darauf hingewiesen wurde, dass die üblichen Fragen zum Betrug in den Fällen einer überhöhten Schlüsseldienstrechnung offenblieben; anders OLG Düsseldorf NStZ-RR 2008, 241 mit Ausführungen zu § 263 StGB bei einer überhöhten Handwerkerrechnung.
[4] OLG Köln BeckRS 2016, 20875 Rn. 9; OLG Brandenburg BeckRS 2019, 31132 Rn. 13; anders LG Bonn BeckRS 2006, 7837 Rn. 60.
[5] Siehe LG Kleve BeckRS 2018, 50814.
[6] Saliger, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), § 263 Rn. 47; Vgl. auch Hecker JuS 2020, 895, 896.
[7] BGH NStZ 2015, 461 = HRRS 2015 Nr. 685; BGH BeckRS 1951, 31193352; Gaede, in: AnwK-StGB, 3. Aufl. (2020), § 263 Rn. 36; OLG Stuttgart NStZ 1985, 503, 504 mit Anm. Lackner/Werle; Schmidt, in: BeckOK, 47. Ed., StGB, § 291 Rn. 48.
[8] Vgl. Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 263 Rn. 17c; Becker JuS 2014, 307, 311.
[9] OLG Stuttgart NStZ 1985, 503: bei Kaufverträgen ist eine Üblichkeit über die Vergütung gerade nicht im Gesetz angelegt, wie dieses zum Beispiel beim Werkvertrag gem. § 632 Abs. 2 BGB der Fall ist;
siehe auch BGH NStZ 2015, 461, 462 = HRRS 2015 Nr. 685: Die Forderung und/oder Vereinbarung eines bestimmten Preises umfasse nicht die konkludente Erklärung, dass die Kaufsache auch ihren Preis wert sei.
[10] Konzept der Marktwirtschaft, vgl. auch Rengier, Strafrecht BT I, 22. Aufl. (2020), § 13 Rn. 16.
[11] Vgl. Scheuer, Grenzen der Preisgestaltungsfreiheit im Strafrecht (1989), S. 120; siehe auch Hefendehl, in: MüKo, StGB, 3. Aufl. (2019), § 263 Rn. 172; bei rechtsgeschäftlichen Beziehungen sind vor allem die den jeweiligen Geschäftstyp kennzeichnenden Umstände zu berücksichtigen; vgl. Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. (2020), § 14 Rn. 31.
[12] Tiedemann, in: LK-StGB, 12. Aufl. (2012), § 263 Rn. 30; Wagemann GA 2007, 146, 149.
[13] Vgl. Tiedemann, in: LK-StGB, 12. Aufl. (2012), § 236 Rn. 30: Auswirkung der Einheit der Rechtsordnung.
[14] Siehe auch § 612 Abs. 2 BGB beim Dienstvertrag, § 653 Abs. 2 BGB beim Maklervertrag; zu Abrechnungsgrundlagen und einhergehender konkludenten Täuschung bei der Rechnungstellung durch Ärzte siehe BGH BeckRS 1991, 30932321 und BGH NStZ 1993, 388, 389.
[15] Im Ergebnis aber eine Täuschung ablehnend: OLG München BeckRS 2009, 25539, wobei das OLG nicht auf die Unterscheidung zwischen Vertragsschluss und abschließender Rechnungsstellung nach erbrachter Werkleistung eingegangen ist; dem zustimmend Kudlich JA 2010, 67, 69.
[16] BGH NStZ-RR 2020, 213, 214 = HRRS 2020 Nr. 620.
[17] Vgl. diese Differenzierung bereits bei Scheuer, Grenzen der Preisgestaltungsfreiheit im Strafrecht (1989), S. 120.
[18] Das LG zog für einen Vergleich die Preisempfehlungen des Bundesverbandes für Metall heran; der BGH sah hierin einen zutreffend gewählten Vergleichsmaßstab.
[19] Aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung: BGH NZV 2014, 162 Rn. 12; BGH NJW 2001, 151, 152.
[20] BGH NStZ-RR 2020, 213, 214 = HRRS 2020 NR. 620; vgl. auch OLG Düsseldorf NStZ-RR 2008, 241.
[21] Vgl. BGH NJW 2004, 3553, 3554; vgl. auch Saliger, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl (2020), § 263 Rn. 48.
[22] Die Annahme der Konstruktion eines sachgedanklichen Mitbewusstseins ist jedoch umstritten, siehe Fischer, StGB, 67. Aufl. (2020), § 263 Rn. 61.
[23] Siehe BGH NJW 2009, 2900, 2901 = HRRS 2009 Nr. 647 zu einem betrugsrelevanten Irrtum bei der Forderung einer öffentlich-rechtlichen überhöhten Straßenreinigungsgebühr; siehe auch BGH NStZ 2007, 151 Rn. 16 = HRRS 2007 Nr. 1 für die Annahme eines sachgedanklichen Mitbewusstseins bei er Manipulationsfreiheit von Sportwetten.
[24] Hefendehl, in: MüKo StGB, 3. Aufl. (2019), § 263 Rn. 252.
[25] BGH NStZ-RR 2020, 213, 214 = HRRS 2020 Nr. 620.
[26] Vgl. BGH BeckRS 1951, 31193352 zur Geltung einer tarifmäßigen Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB bei der Vereinbarung von Rollgeldern; Kindhäuser, in: NK-StGB 5. Aufl. (2017), § 263 Rn. 131; Lackner/Werle NStZ 1985, 503, 505; Scheuer, Grenzen der Preisgestaltungsfreiheit im Strafrecht (1989), S. 120.
[27] Zu denken wäre bspw. an Notdienste bei einem Rohrbruch oder Heizungsausfall.
[28] Bei der Ermittlung eines konkludenten Erklärungsinhaltes besteht generell die Gefahr des Abgleitens in normative Unterstellungen, vgl. Gaede, in: AnwK-StGB, 3. Aufl. (2020), § 263 Rn. 27; Fischer, StGB, 67. Aufl. (2020), § 263 Rn. 21a; Schröder, in: Momsen/Grützner WirtschaftsStrafR-HdB, 2. Aufl. (2020), Kap. 5 Rn. 41.
[29] Vgl. Leistner, in: Gloy/Loschelder/Danckwerts Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. (2019), § 6 Rn. 5.
[30] Gaede, in: AnwK-StGB, 3. Aufl. (2020), § 263 Rn. 31.
[31] Vgl. OLG Brandenburg BeckRS 2019, 31132 Rn. 13; OLG Köln BeckRS 2016, 20875 Rn. 9; anders LG Bonn BeckRS 2006, 7837 Rn. 60: hier nahm das Gericht eine Zwangslage ohne das Hinzutreten weiterer Umstände durch das bloße Ausgesperrtsein an, da sich die Kunden in ernster Bedrängnis befanden und auf die Hilfe des Angeklagten angewiesen waren.
[32] BGH NStZ-RR 2020, 213, 214 = HRRS 2020 NR. 620; zustimmend auch Schmidt, in: BeckOK, 47. Ed., StGB, § 291 Rn. 24.
[33] BGH NStZ-RR 2020, 213, 214 = HRRS 2020 Nr. 620.
[35] Ebd.
[36] BGH NStZ-RR 2020, 213, 215 = HRRS 2020 Nr. 620.
[37] Ebd.
[38] BT-Dr. 7/3441, S. 41: "Verlangt wird, daß der Täter die Zwangslage eines anderen zur Erzielung eines ungewöhnlich hohen Gewinnes ausnutzt. Die Erweiterung des Wuchertatbestandes wird sich deshalb nicht als eine unangemessene Behinderung des Geschäftsverkehrs auswirken können."
[39] Für eine weite Auslegung des Merkmals "Zwangslage" auch Bechtel JR 2019, 503, 505 ff.