HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Februar 2016
17. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Der Vermögensschaden als Tatbestandsmerkmal im Schatten des "Verschleifungsverbots"

Von Dr. Frauke Rostalski, Marburg[*]

I. Einleitung

Ein Gespenst geht um im deutschen Strafrecht – das Gespenst des "Verschleifungsverbots". Seinen Ausgangspunkt findet solcher Spuk in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das zunächst im Hinblick auf das strafbewehrte Verbot der Untreue gemäß § 266 StGB und etwas später auch in Bezug auf das Betrugsverbot des § 263 StGB klargestellt hat, dass eine "Verschleifung" verschiedener Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Vorschriften nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Gesetzlichkeitsgrundsatzes entspreche.[1] Wer nach diesen – und grundsätzlich allen anderen[2] – Sanktionsnormen des deutschen Strafgesetzbuchs strafbar sein soll, der muss nachweislich sämtliche gesetzlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt haben. Unzulässig sei es demgegenüber, unterschiedliche Merkmale derart miteinander zu "verschleifen", dass das eine in dem anderen letztlich aufgehe. Bei den Vorschriften der §§ 263, 266 StGB können normative Gesichtspunkte zur Feststellung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen zwar "durchaus eine Rolle spielen". Diese dürfen jedoch "wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen", soll nicht der Charakter beider Delikte als "Vermögensdelikt und Erfolgsdelikt" verloren gehen. Den Bundesgerichtshof (BGH) haben diese Ausführungen offenbar das Fürchten gelehrt. So scheinen neuere Entscheidungen, die im Schatten des "Verschleifungsverbots" getroffen worden

sind, von der Unsicherheit geprägt, wie fortan in Sachen Schadensdogmatik verfahren werden soll.[3] In den Fokus rückt hinsichtlich der Betrugsstrafbarkeit insbesondere die Rechtsfigur des "individuellen Schadenseinschlags".[4] Zwar hat der BGH eine Entscheidung darüber, ob diese "in Teilen einer Korrektur bedarf", bislang nicht als erforderlich erachtet. Die stete Wiederholung dieser Aussage lässt jedoch erahnen, dass sich dies künftig ändern könnte. Jüngst findet sie sich in einer höchstrichterlichen Entscheidung zum Eingehungsbetrug beim Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen.[5] Die Judikatur gibt daher Anlass, sich allgemein mit den Folgen des "Verschleifungsverbots" für die Bestimmung eines Vermögensschadens unter Rückgriff auf den individuellen Schadenseinschlag zu befassen. Einer höchstrichterlichen Rechtsprechungsänderung, die eine (jedenfalls in Teilen unangemessene) Verabschiedung dieser Rechtsfigur zur Folge haben könnte, soll auf diese Weise entgegen gewirkt werden – damit es am Ende nicht die eigens gerufenen Geister sind, die der BGH nicht mehr loswird.[6]

II. Solar-Anleihen-Beschluss des BGH im Schatten des "Verschleifungsverbots"

Der Entscheidung aus dem Jahr 2014 liegt ein Fall des Eingehungsbetrugs zugrunde.[7] Die Angeklagten vertrieben Inhaberschuldverschreibungen mit der Bezeichnung "EURO ANLEIHE – Expansionskapital Erneuerbare Energien: Zukunftsmarkt Solarenergie" (Solar-Anleihe). Diese wurden interessierten Kapitalanlegern mit der Maßgabe angeboten, dass die eingeworbenen Gelder nahezu vollständig in den Bereich der erneuerbaren Energien investiert werden sollten. Die Angeklagten stellten diesen Markt als besonders zukunftsträchtig dar und versprachen den Erwerbern nach dem Ende der Laufzeit von sechs Jahren eine hundertprozentige Rückzahlung zum Nennwert. Dabei wiesen sie das Risiko eines Totalverlusts als besonders gering aus. Die Anleger zeichneten die Solar-Anleihe im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben und zahlten inklusive Stückzinsen insgesamt rund fünfzig Millionen Euro an die von den Angeklagten als Vorstandsmitglieder geführte Aktiengesellschaft. Wie von Anfang an geplant, investierten die Angeklagten die eingeworbenen Gelder indes nicht im Bereich der erneuerbaren Energien, sondern schafften damit erheblich risikobehaftete Kunstobjekte an. Im Übrigen verwendeten sie die Mittel zur Schuldentilgung, Deckung laufender Kosten und Vertriebskosten sowie zur Zahlung der Zinsen der Anleger. Dabei nahmen sie (billigend) in Kauf, dass es ihnen aufgrund dieser anderweitigen Investition und des dadurch bedingten Liquiditätsabflusses nicht möglich sein würde, den Anlegern die versprochenen Zinsen sowie mit Ende der Laufzeit die Anlagebeträge zum Nennwert zahlen zu können, sofern der Zufluss weiterer Gelder durch die Anwerbung neuer Anleger nicht kontinuierlich aufrechterhalten würde.[8] Darüber hinaus hatten die Angeklagten Kenntnis von dem hohen Verlustrisiko, das mit dem Handel von Kunstobjekten einhergeht, und nahmen jedenfalls (billigend) in Kauf, dass diese Geschäfte nicht von Erfolg gekrönt sein könnten. Als sich der Handel mit Kunstobjekten tatsächlich als wenig erfolgreich herausstellte, beschlossen die Angeklagten zwar, ihre wirtschaftlichen Bemühungen fortan vornehmlich dem Bereich der erneuerbaren Energien zuzuwenden. Indes wurde ihr Geschäftsverhalten nunmehr bekannt und löste eine Vielzahl zivilrechtlicher Klagen aus, an deren Ende die Insolvenz der Aktiengesellschaft der Angeklagten stand. Die Anleger erlitten einen Verlust von mindestens 85% ihres angelegten Kapitals.

Das Ausgangsgericht wertete diesen Sachverhalt als Eingehungsbetrug der Angeklagten. Von Interesse für die vorliegende Untersuchung ist dabei vorrangig die Begründung des Vermögensschadens. Insoweit stellte das Ausgangsgericht darauf ab, dass die Anleger ihr Geld "in etwas völlig anderes", "nämlich in ein aliud" gegenüber dem ihnen Versprochenen investiert hätten. An diesem hätten sie aber kein Interesse. Grund dafür sei der Umstand, dass ihr Zins- und Rückzahlungsanspruch infolge der tatsächlich seitens der Angeklagten beabsichtigten Investitionsart bereits bei Zeichnung der Solar-Anlage mit einem erheblich größeren Verlustrisiko behaftet war, als dies bei der vereinbarten Investition im Bereich der erneuerbaren Energien der Fall gewesen wäre. Dieses mit dem abredewidrigen Kauf von Kunstobjekten einhergehende, ungewollt hohe Risiko sei nicht kompensiert worden.[9]

Auf die Revision der Angeklagten hat der BGH das Urteil des Landgerichts indes aufgehoben. Im Zentrum seiner Entscheidung steht die Rüge, das Ausgangsgericht habe den für die Verurteilung nach § 263 StGB erforderlichen Vermögensschaden nicht regelkonform bestimmt.[10] Der Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen stelle ein Risikogeschäft dar. Bei einem solchen käme es für die Bestimmung des Schadens entscheidend auf die "täuschungs- und irrtumsbedingte Verlustgefahr" an.[11] Sofern ein Vermögensabfluss lediglich drohe, mithin ungewiss sei, könne allein dann von einem Schaden ausgegangen werden, "wenn der Geldwert des seitens des Getäuschten erworbenen Anspruchs infolge der Verlustgefahr geringer ist als derjenige der eingegangenen Verpflichtung". Für

die Berechnung komme es insoweit auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an, durch die der Schaden konkret festzustellen sei. Übertragen auf den zur Entscheidung stehenden Fall könne sich ein Schaden daher aus einem Minderwert der durch den Erwerb der Solar-Anleihe erlangten Gegenleistung ergeben. Dieser könne aus der Gefahr folgen, dass die Angeklagten nach Ende der Laufzeit nicht in der Lage sein werden, ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Anlegern zu erfüllen.

Anders als das Ausgangsgericht sieht es der BGH in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nicht als erforderlich an, zur Begründung eines Vermögensschadens die Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags und die zum Anlagebetrug ergangene "aliud"-Rechtsprechung heranzuziehen. Danach sei die gesamte Leistung des Anlegers als Schaden anzusehen, "wenn er über Eigenart und Risiko des Geschäfts derart getäuscht worden ist, dass er etwas völlig anderes erwirbt, als er erwerben wollte (‚aliud‘), die empfangene Leistung für ihn mithin in vollem Umfang unbrauchbar ist".[12] Weil der BGH diese Grundsätze nicht berührt sieht, hält er es auch nicht für erforderlich, auf deren etwaige Korrekturbedürftigkeit "angesichts der neueren Rechtsprechung des BVerfG" einzugehen. Sofern das seitens des Getäuschten Erlangte "einen für jedermann realisierbaren Geldwert aufweist", komme es auf die Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags nicht an. Die bloße Erhöhung der Verlustgefahr bei Abschluss eines Risikogeschäfts lasse aber die "Realisierbarkeit des dennoch verbleibenden Geldwerts prinzipiell unberührt" und rechtfertige es daher nicht, einen Vermögensschaden anzunehmen. In der Konsequenz habe der "Aspekt des subjektiven Schadenseinschlags" immer dann "keinen Einfluss" auf die Bestimmung des Vermögensschadens, wenn sich der Minderwert der Leistung des Täuschenden allein aus einem erhöhten Verlustrisiko ergibt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall sei die Begründung des Vermögensschadens durch das Ausgangsgericht daher nicht haltbar. Dass die Gelder der Anleger zu einem abredewidrigen Zweck eingesetzt worden seien, könne zwar die Verlustgefahr erhöhen, berühre aber nicht den Geldwert der gleichwohl in den Rückzahlungsansprüchen verkörpert sei. "Von dem erhöhten Risiko abgesehen" sei die Anleihe in ihrer "Brauchbarkeit" nicht eingeschränkt. Um einen Vermögensschaden anzunehmen, sei daher die Bestimmung des (verbleibenden) Geldwerts zwingend erforderlich. Diese lasse das tatrichterliche Urteil aber vermissen. Im Rahmen der im Anschluss an die erfolgreiche Revision neu durchzuführenden Hauptverhandlung müsse folglich geprüft werden, ob sich eine "Wertdifferenz zwischen dem zu zahlenden Anleihebetrag nebst Stückzinsen einerseits und dem im Gegenzug erworbenen Rückzahlungsanspruch inklusive Zinsanspruchs andererseits" ergebe.[13] Aus Sicht des BGH spreche zwar "vieles dafür, dass für die Anleger allenfalls eine geringe Aussicht bestand, nach dem Ende der Laufzeit der Anleihe den Nennbetrag zurückzuerhalten". Gleichwohl müsse aber "das zum Verfügungszeitpunkt bestehende Verlustrisiko anhand des vorhandenen Unternehmensvermögens und der in Anbetracht der Pläne der Angeklagten zu prognostizierenden Unternehmensentwicklung mit sachverständiger Hilfe nach wirtschaftswissenschaftlichen Bewertungsverfahren beziffert und in den Urteilsgründen dargelegt werden". Auf einen Vergleich mit dem hypothetischen Wert des Rückzahlungsanspruchs, der bei abredegemäßer Mittelverwendung zu erwarten gewesen wäre, komme es dabei nicht an. "Die Frage des Verlustrisikos im Falle einer tatsächlichen Investition in die Solarenergie" könne allenfalls für die "Prüfung der Ursächlichkeit von Täuschung und Irrtum für die Vermögensverfügung" auf der Basis der Vorstellung der Anleger eine Rolle spielen, nicht aber für die Bestimmung des Vermögensschadens.

III. Inkonsistenzen der Schadensbestimmung im Solar-Anleihen-Beschluss im Lichte der früheren aliud-Rechtsprechung

Dass die aktuelle Entscheidung des BGH auf einer Linie mit seiner früheren aliud-Rechtsprechung liegt und sich aus dieser mithin "auch nicht" "etwas anderes" ergibt, ist allerdings weniger eindeutig, als es die Ausführungen des BGH glauben lassen wollen. So hat es der BGH in einem Fall des Anlagenbetrugs für die Annahme eines Vermögensschadens noch als ausreichend erachtet, wenn der Getäuschte ein aliud erworben hat, das beim Versprechen einer wertbeständigen Kapitalanlage in dem Erhalt einer "höchst risikoreichen Beteiligung" zu sehen sei.[14] Weil die Anlageform bereits im Zeitpunkt der Zeichnung die "konkrete Gefahr des endgültigen Verlustes der zu leistenden Einlagen" getragen habe, sei sie zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck "unbrauchbar". Der Vermögensschaden sei daher in Höhe der gesamten Investitionssumme entstanden. Vor diesem Hintergrund unterscheidet sich die jüngere Entscheidung des BGH aber jedenfalls insoweit von seinen früheren Richtersprüchen, als es nunmehr sehr wohl auf eine weitere Bezifferung des Verlustrisikos ankommen soll. Während es vormals noch genügte, den Erwerb eines aliuds als Ausgangspunkt für einen Vermögensschaden in vollem Umfang der Einlage zu begründen, bedarf es nach Auffassung des BGH fortan weiterer Angaben, die notfalls unter Zuhilfenahme wirtschaftswissenschaftlicher Bewertungsverfahren zu ermitteln seien.

Ein inhaltliches Abweichen des Solar-Anleihen-Beschlusses gegenüber früheren Judikaten, das solch gravierende Unterschiede in der Bestimmung des Vermögensschadens rechtfertigt, ist indes nicht ersichtlich. Insbesondere ließen sich die in der Entscheidung zu den Solar-Anleihen entwickelten Grundsätze ohne Schwierigkeiten auf den Anlagenbetrugsfall übertragen. In Letzterem täuschten die Angeklagten über Art, Zweck und Qualität der Fondsanlagen, indem sie zwar vereinbarungsgemäß Immobilien erwarben, ihr gesamtes Ge-

schäftsmodell aber nicht auf die Gewinnerzielung für die Anleger richteten, sondern nach Art eines Schneeballsystems auf ihre eigene Bereicherung. Unter Heranziehung der Maßstäbe des höchstrichterlichen Beschlusses zu den Solar-Anleihen ließe sich auch im Anlagenbetrugsfall die Auffassung vertreten, dass die erworbenen Immobilien gleichwohl einen Wert für die Anleger hatten, anhand dessen das Verlustrisiko näher hätte beziffert werden müssen. Dass die Gelder in den erworbenen Grundstücken gebunden waren und die Anleger "als Kommanditisten der Fondsgesellschaften zudem gesellschaftsrechtlichen Vorgaben" unterlagen,[15] kann dem nicht entgegenstehen, kommt es doch nach jüngster Rechtsprechung des BGH auf den Wert der Rückzahlungsansprüche im Zeitpunkt der Zeichnung an.[16] Die nunmehr aufgestellten Anforderungen an die Berechnung des Vermögensschadens implementieren damit in Fällen von Risikogeschäften stets ein prognostisches Element, das auch im Anlagenbetrugsfall in die Schadensbezifferung hätte einbezogen werden können.

Festgehalten werden kann vor diesem Hintergrund, dass sich aus der Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags für die Entscheidung im Fall der Solar-Anleihen durchaus "etwas anderes" in Bezug auf die Bestimmung des Vermögensschadens ergibt. Dass der BGH gleichwohl bemüht ist, diesen Umstand zu überspielen, lässt sich als Unsicherheit im Hinblick auf die Zukunft eines "normativen Vermögensbegriffs" nach den Entscheidungen des BVerfG zum "Verschleifungsverbot" interpretieren. Gemeint ist damit im vorliegenden Kontext ein Verständnis des Vermögens, das die Verfügungsbefugnis des Einzelnen in das Schutzinteresse einbezieht. Zum Vermögen gehört danach nicht allein das wirtschaftlich Messbare, sondern darüber hinaus die Freiheit des Betreffenden, über dessen konkreten Einsatz zu bestimmen.[17] In der Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags kommt ein solcher Vermögensbegriff unmittelbar zum Ausdruck: Sofern sich nach wirtschaftlicher Betrachtung kein Negativsaldo des Getäuschten errechnen lässt, kann ein Vermögensschaden gleichwohl angenommen werden, wenn das durch einen Austauschvertrag Erlangte für ihn keinen oder nur einen geringeren "Wert" aufweist. Dies kann etwa der Fall sein, wenn er es nicht bzw. nicht vollumfänglich zu dem vertraglich vereinbarten Zweck verwenden kann.[18] In diesem Fall ist seine Dispositionsfreiheit über sein Vermögen enttäuscht, weshalb aus normativen Gründen ein individueller Schaden entstanden ist.

In der eingangs zitierten Aussage des BVerfG, wonach normative Kriterien die wirtschaftliche Betrachtung nicht verdrängen dürfen, scheint der BGH eine Gefahr für einen solchen Vermögensbegriff zu sehen.[19] Nicht anders kann sein Bemühen ausgelegt werden, von der Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags keinen Gebrauch machen zu wollen und den Vermögensschaden bei Risikogeschäften einer wirtschaftlichen Betrachtung zu unterziehen. Indes gelingt dem BGH dieses Vorhaben bei Lichte besehen allenfalls halbherzig: Indem er den Schaden anhand eines wirtschaftlichen Vergleichs des Anleihebetrags nebst Stückzinsen mit dem Rückzahlungsanspruch inklusive Zinsanspruchs vornimmt, wählt er selbst wiederum einen normativen Gesichtspunkt zum Ausgangspunkt seiner Schadensberechnung. Grund dafür ist der Umstand, dass es dem BGH bei dieser Berechnung darauf ankommt, ob der zu prognostizierende Rückzahlungsanspruch hinter der vertraglichen Vereinbarung zurückbleibt, immerhin den vollständigen Nennbetrag zurückzuerhalten. Auf diese Weise bezieht der BGH in seine Überlegung aber das ursprünglich zwischen den Vertragsschließenden vereinbarte Risiko ein, das nämlich eine Rückzahlung des Nennbetrags ermöglichen sollte. Anders als der BGH meint, spielt daher die "Frage des Verlustrisikos im Falle einer tatsächlichen Investition in die Solarenergie" sehr wohl eine Rolle für die Annahme eines Vermögensschadens. So nimmt er selbst im Rahmen der Schadensbestimmung einen Vergleich beider Risiken vor, indem er zum Ausgangspunkt seiner damit nur vermeintlich rein wirtschaftlichen Betrachtung die ursprüngliche Vereinbarung eines Risikos wählt, das es

zulassen sollte, den Nennbetrag vollständig zurückzuzahlen. Auf diese Weise hält jedoch – in der höchstrichterlichen Rechtsprechung quasi durch die Hintertür – die Dispositionsfreiheit der Anleger wiederum Einzug in die Schadensberechnung, da berücksichtigt wird, dass diese sich mit den Angeklagten auf die Eingehung eines bestimmten Risikos für ihre Vermögensinvestition geeinigt haben.[20] Kurz: Indem das vereinbarte Risiko den Vergleichsmaßstab für die Errechnung eines Negativsaldos bildet, kommt darin der Schutz der Dispositionsfreiheit der Anleger zum Ausdruck, die allein dieses Risiko eingegangen sind. Wenn der Rückzahlungsanspruch dahinter zurückbleibt, ergibt sich aus diesem Umstand ein höheres Risiko als vereinbart, weshalb die ursprünglich bestimmte spezifisch risikobezogene Verwendung der Anlage verfehlt und damit die vermögensbezogene Dispositionsfreiheit der Betroffenen verletzt wird. Auch der letztlich eintretende entsprechende Vermögensnachteil steht außer Frage.

In der Konsequenz ist auch der BGH in seinem Solar-Anleihen-Beschluss auf die Einbeziehung normativer Kriterien zur Bestimmung des Vermögensschadens angewiesen. Die Dispositionsfreiheit der Anleger spielt darin nach wie vor eine Rolle, wenngleich die Tatsache, dass sich die Vertragsschließenden in diesem Fall fest auf die Rückzahlung des Nennwerts geeinigt haben, dem BGH die Möglichkeit bietet, diesen Umstand unausgesprochen zu lassen. Dies zeigt das Gedankenmodell eines Sachverhalts, der sich von dem der Entscheidung zugrunde liegenden nur dahingehend unterscheidet, dass eine solche Fixvereinbarung in den Vertrag nicht aufgenommen wurde. Eine Schadensbestimmung wäre dem BGH unter dieser Bedingung nur möglich gewesen, wenn er das ursprünglich vereinbarte Risiko mit dem aufgrund der Täuschung eingegangenen verglichen hätte. Selbst wenn der BGH dabei nicht ausdrücklich auf die Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags Bezug genommen hätte, wäre in dieser Konstellation ganz deutlich der Schutz der Dispositionsfreiheit in den Vordergrund getreten, der in der ergangenen Entscheidung allein aufgrund der festen Abrede, den Nennwert zurückzuzahlen, überspielt werden konnte.

Obgleich die Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags gemieden werden soll, nimmt der BGH in der Solar-Anleihen-Entscheidung mithin keinen Abstand von einer normativen Bestimmung des Vermögensschadens. Wenn aber die Dispositionsfreiheit des Einzelnen dafür nach wie vor eine Bedeutung entfaltet, ist unklar, weshalb es nicht bei einer Schadensberechnung nach den Grund­sätzen der aliud-Rechtsprechung bleiben darf. Indem sich die Anleger auf Solar-Anleihen verständigt haben, mit denen ein bestimmtes wirtschaftliches Risiko für ihre Investition einherging, wurde diese Disposition durch die Anschaffung von Kunstgegenständen in vollem Umfang enttäuscht. Vor diesem Hintergrund ist es aber inkonsequent, lediglich einen Vergleich des vereinbarten mit dem tatsächlich eingegangenen Risiko für die Schadensbestimmung vorzunehmen. Dies liefe darauf hinaus, den Anlegern zu unterstellen, sie hätten ihr Geld für irgendein Investitionsrisiko zur Verfügung gestellt.[21] Hiervon kann aber keine Rede sein, was letztlich auch der BGH anerkennt, indem er die Rückerstattung des Nennwerts als Ausgangspunkt für die Errechnung des Vermögensschadens wählt. Auch insoweit offenbart sich, dass in der Solar-Anleihen-Entscheidung keine abweichende Schadensbeurteilung denkbar ist als bereits in dem früheren Fall des Anlagenbetrugs, durch den ein Schneeballsystem finanziert wurde. Ein Unterschied beider Judikate kann sich nicht etwa aus dem denkbaren Einwand ergeben, das bei einer durch Täuschung bedingten Investition in ein Schneeballsystem eingegangene Risiko sei erheblich größer als im Solar-Anleihen-Fall, weshalb allein in dieser Konstellation von einem aliud ausgegangen werden könne. Eine solche Argumentation übersieht, dass die Annahme eines aliuds entscheidend davon abhängt, worauf die Beteiligten sich geeinigt haben. Sofern die getroffene Vereinbarung in Bezug auf die konkrete Verwendung zur Verfügung gestellter Mittel missachtet wird, liegt hierin ein aliud – unabhängig davon, ob die Abweichung der Verlustgefahr mehr oder weniger erheblich ausfällt. Der Charakter des eingegangenen Risikos hängt von spezifischen Eigenschaften des Geschäfts ab wie beispielsweise der Investition in eine bestimmte Branche. Weil die Verlustgefahren des Handels mit Kunstobjekten im Solar-Anleihen-Fall anders (im konkreten Fall: höher) ausfielen als bei der vereinbarten Investition in den Bereich der Solar-Energie, liegt hierin ein aliud, weshalb es nicht darauf ankommt, in welchem Ausmaß vereinbartes und tatsächlich eingegangenes Risiko letztlich voneinander abweichen. Die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung zur Berechnung des Vermögensschadens bei Risikogeschäften kann daher aus keiner denkbaren Perspektive überzeugen: Bei ihr handelt es sich weder um eine konsequente Hinwendung zu einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff noch wahrt sie die Grundsätze, die sich aus einem normativen Verständnis des Vermögens ergeben. Als trojanisches Pferd, in dessen Leib der normative Vermögensbegriff im Reich des "Verschleifungsverbots" verborgen werden soll, erweist sie sich als ungeeignet und inakzeptabel. So wirft

sie mehr Fragen auf, als sie Antworten zu geben vermag, vor allem: Ist solches Versteckspiel wirklich erforderlich?

IV. Vereinbarkeit eines normativen Vermögensbegriffs mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum "Verschleifungsverbot"

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Frage ist eindeutig mit "Nein" zu beantworten. Bei genauerem Hinsehen erweisen sich die Befürchtungen des BGH, die ihn zu der aufgezeigten Inkonsequenz in der Bestimmung des Vermögensschadens beim Betrug bewogen haben können, als unberechtigt. Mit einem normativen Vermögensbegriff sind die Ausführungen des BVerfG zum "Verschleifungsverbot" ohne Weiteres in Einklang zu bringen.

1. Notwendigkeit und Konsequenzen eines normativen Vermögensbegriffs

Insoweit bedarf es zunächst einer Vergewisserung der Berechtigung eines normativen Vermögensbegriffs. Wie bereits angeklungen, werden im vorliegenden Kontext unter dieser Bezeichnung all jene Positionen zusammengefasst, die das Vermögen als schutzwürdiges Interesse nicht lediglich im Wege einer reinen Saldierung wirtschaftlich relevanter Berechnungsposten bestimmen, sondern darüber hinaus die Freiheit des Einzelnen, über solche Vermögenswerte zu verfügen, in den Schutzbereich einbeziehen. Das Rechtsgut des Betrugs wird danach nicht etwa allein durch die allgemeine Dispositionsfreiheit definiert. Vielmehr muss diese einen Vermögensbezug aufweisen, weshalb dem Schutzinteresse der Vermögensdelikte eine Doppelnatur eigen ist: Es handelt sich dabei um die Freiheit des Einzelnen, über die seiner Person rechtlich zustehenden wirtschaftlich oder in sonstiger Weise wertvollen Güter zu verfügen.[22] Hintergrund ist insoweit die Überlegung, dass eine sinnvolle Trennung von Dispositionsmacht und wirtschaftlichen Gütern aus Schutzgesichtspunkten nicht möglich ist. Bei dem Vermögen handelt es sich um die liquide Freiheit des Einzelnen.[23] Dieser kann wirtschaftlich Wertvolles zum Einsatz bringen, um seine Freiheitssphäre zu erweitern. Körperliche Verfasstheit und individuelle Fähigkeiten setzen der Person Grenzen in Bezug auf ihre Handlungsmöglichkeiten. Beispielhaft kann ein Einzelner allein allenfalls unter großen Anstrengungen ein Haus bauen und wäre dabei gleichwohl hinsichtlich der zum Einsatz gebrachten Materialien in hohem Maße eingeschränkt, sofern er nicht auf die Unterstützung Dritter zurückgreifen könnte. Hierin offenbart sich die Angewiesenheit der Person auf andere, die in sämtlichen Lebensbereichen begegnet. Wirtschaftliche Werte ermöglichen vor diesem Hintergrund, Dritte für die eigene Sache in Anspruch zu nehmen – etwa eine Fachfirma für den Bau des Eigenheims zu beauftragen. Auf diese Weise sind sie geeignet, den persönlichen Freiheitsradius über die Grenzen der eigenen Fähigkeiten hinaus auszudehnen. Dies offenbart nicht zuletzt der Begriff des "Vermögens" selbst: Sprachlich unterfallen diesem sämtliche Dinge, mit denen der Einzelne etwas zu tun "vermag". Individuelles Können ist aber gleichbedeutend mit personaler Freiheit.

Wirtschaftliche Güter wären damit für ihren Inhaber nutzlos und zugleich nicht länger von "Wert", wollte man sie von der Dispositionsmacht des Einzelnen lösen.[24] Sofern der Betreffende über deren konkrete Verwendung keine Entscheidungsbefugnis hätte, läge darin keine Erweiterung des individuellen Freiheitsradius, sodass etwa Geldscheine für ihn lediglich bunt bedrucktes Papier

darstellten, mit dem nichts weiter anzufangen wäre. Damit wird deutlich, dass diese – wie andere wirtschaftliche Güter – ihren eigentlichen Wert aus Sicht des Individualrechtsgüterschutzes erst durch die ihnen unsichtbar anhaftende Freiheit erlangen, damit nach eigenem Belieben verfahren zu dürfen.[25] Allein im Wege einer solchen Zuschreibung individueller Verfügungsmacht über Wirtschaftsgüter erwachsen diese in ein für den Einzelnen relevantes Interesse, das auch des (straf‑)rechtlichen Schutzes bedarf. Anderenfalls befände sich ihr Inhaber in einem ähnlichen Dilemma wie König Midas, der zwar die Fähigkeit besaß, durch eine bloße Berührung alles zu Gold werden zu lassen, jedoch am Ende verhungerte, weil er sein Talent nicht steuern konnte.

Vor diesem Hintergrund offenbart sich zugleich der Freiheitsverlust, der mit der Verfehlung der spezifischen Verwendungsabsicht des Inhabers wirtschaftlicher Güter einhergeht. Um im Beispiel zu bleiben, handelte es sich bei Geldscheinen für ihren Inhaber nicht lediglich dann um nutzloses Papier, wenn dieser sie nicht nach seinem Belieben verwenden dürfte. Ebenso verhält es sich, wenn er sie in einer für andere rechtsverbindlichen Weise zu einem bestimmten Zweck einsetzt, dieser aber konterkariert wird. Wer Tennisbälle kauft und vom Verkäufer Fußbälle erhält, wird die von ihm anvisierte Freizeitbeschäftigung nicht ausüben können. Die mit dem Einsatz der wirtschaftlichen Güter verbundene Absicht, den eigenen Freiheitsradius in spezifischer Weise zu mehren, wurde frustriert: Dem Betreffenden ist ein Schaden entstanden. Zur Klarstellung: Dieser betrifft nach dem Gesagten nicht lediglich seine allgemeine Dispositionsfreiheit. Weil es sich um die auf einen nach rechtlichen Grundsätzen zu bestimmenden wirtschaftlichen Wert gerichtete Freiheitsausübung des Einzelnen handelt, gehört diese selbst zu seinem Vermögen, weshalb ihre Enttäuschung einen Vermögensschaden begründet.[26] So darf jedenfalls nicht außer Acht gelassen werden, dass derjenige, der Fuß- anstatt Tennisbälle erhalten hat, erstere infolge ihrer für ihn und auch nach dem vertraglich vorausgesetzten Zweck bestehenden Nutzlosigkeit zur Generierung eines Wertes weiterverkaufen muss. Das zum Erwerb einer Sache eingesetzte Geld ist aufgrund der mit dem Weiterverkauf verbundenen Aufwendungen aber stets mehr wert als die ihrem Preis "an sich" entsprechende Ware – und zwar auch und gerade bei wirtschaftlicher Betrachtung.

Diese Erkenntnis spiegelt sich grundsätzlich sowohl in der Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags als auch der Zweckverfehlungslehre. Letztgenannte ermöglicht bei bewussten Vermögenseinbußen prinzipiell auch dann die Annahme eines Vermögensschadens, wenn diese den damit verbundenen Zweck nicht erfüllt.[27] In beiden Rechtsinstituten kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass die vermögensbezogene Dispositionsfreiheit des Schutzes bedarf und bei ihrer Verletzung ein Vermögensschaden auch dann anzunehmen sein kann, wenn die erhaltene Leistung "an sich" dem investierten Wert entspricht, sofern sich die Investition gerade nicht auf diese erhaltene Leistung bezieht.[28] Für den dem BGH im Solar-

Anleihen-Beschluss zur Entscheidung vorliegenden Fall ergibt sich daraus die Konsequenz, dass ein Vermögensschaden in vollem Umfang der getätigten Investitionen anzunehmen ist. Das Vermögen weist im Gegensatz zu anderen Rechtsgütern die Besonderheit auf, dass es anderen zeitweise zur Verfügung gestellt werden kann.[29] Sein Inhaber hat etwa zur langfristigen Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage die Möglichkeit, diese Rechtsposition auf andere zu übertragen. Ein gutes Beispiel dafür bilden insoweit Risikogeschäfte, bei denen der Vermögensinhaber seine Verfügungsmacht über wirtschaftliche Güter auf einen anderen überträgt, um diesen in die Lage zu versetzen, eine Mehrung des Vermögens herbeizuführen. Für die Annahme eines Vermögensschadens kommt es in diesen Fällen mithin entscheidend darauf an, den spezifischen Verwendungszweck zu bestimmen, den der Betreffende mit der Hingabe seines Vermögens verfolgt hat. Denkbar ist hier, dass anders als in dem Solar-Anleihen-Fall keine konkrete Zweckbindung mit der Investition verbunden ist. So könnten sich die Anleger mit ihren Vertragspartnern darauf einigen, bestimmte Gelder zur freien Verfügung hinzugeben. Selbst die Vereinbarung einer spezifischen Risikogrenze kann entfallen – insoweit sind der Verfügungsfreiheit der Investoren keine Grenzen gesetzt. Sofern in einem solchen Fall nach dem Ende der Laufzeit keine Gewinne erzielt worden wären, die Anleger ihre Investition mithin in vollem Umfang verlören, läge hierin gleichwohl kein Vermögensschaden. Schließlich entspräche die Eingehung eines solchen – maximalen – Risikos der freien Entscheidung der Vermögensinhaber, weshalb auch aus normativen Gründen kein Vermögensschaden angenommen werden könnte.

Indessen verhält es sich in dem Solar-Anleihen-Beschluss anders. Hier trafen die Anleger mit den Angeklagten eine konkrete Risikovereinbarung, die sich an der mit der Investition in den Bereich der Solarenergie einhergehenden Verlustgefahr orientierte. Die Investoren waren ausschließlich dazu bereit, ihr Vermögen zur Eingehung eines solchen Risikos zum Einsatz zu bringen. Weil ihre Gelder indes zu einem ganz anderen Risiko in Gestalt hoch spekulativer Geschäfte mit Kunstobjekten verwendet wurden, liegt hierin eine Verfehlung ihrer vermögensbezogenen Dispositionsfreiheit. Diese wurde in vollem Umfang enttäuscht, weshalb eine Verrechnung mit dem durch das tatsächlich eingegangene Risiko Erlangten – abgesehen von einer Berücksichtigung auf Strafzumessungsebene bei den verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 1 S. 2 StGB) – nicht in Betracht kommt. Wie ein Fußball sich wenig zum Tennisspielen eignet, gibt es eben auch einen Unterschied zwischen Risiken. Eine "Kompensation" kommt nicht in Betracht, wenn das Erlangte nicht dem entspricht, worauf sich die Vertragsschließenden bei einem Risikogeschäft geeinigt haben. Alles andere liefe auf die Unterstellung hinaus, die Investoren hätten sich auf irgendein Risiko eingelassen, wovon aber im Solar-Anleihen-Fall keine Rede sein kann. Am Rande bemerkt sei außerdem, dass in diesem Fall selbst die Zulassung einer – hier abgelehnten – Kompensation und gerade eine wirtschaftliche Betrachtung zur Annahme eines Vermögensschadens führen muss: Ein finanzieller Minderwert ergibt sich zunächst aus dem erhöhten Risiko, das den tatsächlich erworbenen Anleihen anhaftet und eine Weiterveräußerung allenfalls unter Verlust ermöglicht. Daneben treten die für die Veräußerung zu tätigenden Aufwendungen, die einen weiteren Minderwert begründen.

2. Verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des normativen Vermögensbegriffs trotz "Verschleifungsverbots"

Bedarf es aber im Schatten der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum "Verschleifungsverbot" einer Revision der dargelegten Grundsätze? Zur Erinnerung: In seinem Untreue-Beschluss hat das BVerfG zum Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils ausgeführt, dass diesem nach dem gesetzgeberischen Willen ein eigenständiger Stellenwert neben der Pflichtverletzung zukommt. Die Auslegung durch den Richter "darf daher dieses Tatbestandsmerkmal nicht mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal verschleifen, d.h., es in diesem Merkmal aufgehen lassen."[30] Vielmehr seien "eigenständige Feststellungen zum Vorliegen eines Nachteils geboten". Hieraus folgt nach Auffassung des BVerfG: "Normative Gesichtspunkte können bei der Feststellung eines Nachteils durchaus eine Rolle spielen. Sie dürfen aber, soll der Charakter der Untreue als Vermögensdelikt und Erfolgsdelikt bewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht verdrängen. So kann beispielsweise die Verwendung des anvertrauten Vermögens zu verbotenen Zwecken nicht per se als nachteilsbegründend angesehen werden; vielmehr bleibt es auch in solchen Fällen erforderlich, zu prüfen, ob das verbotene Geschäft – wirtschaftlich betrachtet – nachteilhaft war." Auch im Hinblick auf die Betrugsstrafbarkeit hat sich das BVerfG zur Geltung des Verschleifungsverbots geäußert. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Angeklagte Lebensversicherungen abgeschlossen, um die bei Eintritt des Versicherungsfalls erzielten Summen für die Finanzierung der Organisation Al Qaida einzusetzen.[31] Zu diesem Zweck plante er bereits bei Vertragsschluss, zu einem späteren Zeitpunkt durch Vortäuschen eines tödlichen Unfalls die Versicherungssumme zu erlangen. Der BGH hatte den Abschluss der Verträge als vollendeten Eingehungsbetrug bewertet.[32] Dem stehen nach Auffassung des BVerfG jedoch der Gesetzlichkeitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG und das daraus folgende "Verschleifungsverbot" entgegen. Dahingehend findet sich in dieser Entscheidung erneut die Aussage, normative Gesichtspunkte könnten bei der Schadensbewertung zwar eine Rolle spielen, dürften die wirtschaftliche Betrachtung aber "nicht überlagern oder verdrängen".[33]

Diese Grundsätze habe der BGH allerdings nicht gewahrt, da er zwar – in grundsätzlich zulässiger Weise[34] – einen Gefährdungsschaden angenommen, diesen aber nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise beziffert habe.

a) Inhalt des "Verschleifungsverbots"

Das "Verschleifungsverbot" kann vor diesem Hintergrund zunächst als allgemeines Gebot der Substantiierung eines Vermögensschadens angesehen werden.[35] Insbesondere im Hinblick auf die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens verlangt das BVerfG trotz im Einzelfall schwieriger Berechnung eine wirtschaftlich nachvollziehbare Darlegung der konkreten Schadenshöhe.[36] Bei bestehenden Unsicherheiten sei immerhin ein "Mindestschaden im Wege einer tragfähigen Schätzung" zu ermitteln.[37] Dieses Begehren des BVerfG verdient Zuspruch. Für den Schuldspruch ist es erforderlich, immerhin einen nicht ganz unerheblichen Vermögensschaden festzustellen.[38] Im Anschluss daran spielt es auf der Ebene der Strafzumessung eine maßgebliche Rolle, in welcher Höhe der Vermögensschaden eingetreten ist. Sachgerecht ist in diesem Kontext auch die Erleichterung des Substantiierungsgebots durch das BVerfG selbst: Die Angabe eines Mindestschadens trägt in angemessener Weise sowohl den Interessen der Strafverfolgung als auch des Angeklagten Rechnung und ermöglicht zugleich einen prozessökonomischen Umgang mit Fällen der anspruchsvollen Berechnung eines Vermögensschadens.

Darüber hinaus ist dem "Verschleifungsverbot" die – grundsätzlich triviale – Aussage zu entnehmen, dass für die Annahme einer Strafbarkeit jedwedes Tatbestandsmerkmal der betroffenen Sanktionsnorm erfüllt sein muss. Eine Strafbarkeit wegen Betrugs verlangt neben der Täuschung u.a. auch das Vorliegen eines Vermögensschadens, weshalb ein "Zusammenfallen" beider Tatbestandsmerkmale in dem Sinne, dass bei Annahme einer Täuschung "automatisch" der Vermögensschaden vorliegt, ausgeschlossen ist. Auch diese Aussage verdient Zuspruch, zumal es sich dabei um ein unmittelbar aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgendes Gebot handelt.[39] Freilich sollte sie nicht so verstanden werden, dass jedwedem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal eine eigenständige Eingrenzungsfunktion im Hinblick auf die Strafbarkeit zukommt.[40] In Strafgesetzen enthaltene Kriterien, die keine strafbarkeitseinschränkende Funktion aufweisen, stellen keine Seltenheit dar und erweisen sich außerdem als unschädlich in Bezug auf die Wahrung verfassungsrechtlicher Vorgaben. Zu denken ist insoweit etwa an die in § 212 Abs. 1 StGB vorgenommene gesetzliche Formulierung "ohne Mörder zu sein", die lediglich einen – überflüssigen – Hinweis auf eine Konkurrenzregel darstellt.[41] Ebenso verhält es sich im Hinblick auf die formelle Subsidiaritätsklausel des § 246 Abs. 1 StGB.[42] Beiden Formulierungen kommt keine eigenständige, die Strafbarkeit weiter eingrenzende Bedeutung zu. Ein Verstoß gegen ein "Verschleifungsverbot" liegt darin nicht.

b) Wahrung der Vorgaben des "Verschleifungsverbots" durch einen normativen Vermögensbegriff

Mit den auf diese Weise zusammengefassten Vorgaben, die sich aus dem "Verschleifungsverbot" des BVerfG ergeben, ist das hier vorgeschlagene Konzept eines normativen Vermögensbegriffs einschließlich seiner Konsequenzen für die Bestimmung des Vermögensschadens in vollem Umfang in Einklang zu bringen. Dies gilt zunächst für das Substantiierungsgebot. Im Solar-Anleihen-Fall erstreckt sich der Vermögensschaden der Anleger in voller Höhe auf die von ihnen getätigten Investitionen. Zur Berechnung des Schadens bedarf es mithin lediglich eines Blicks auf die an die Angeklagten durch die Anleger ausgezahlte Summe. Schwierigkeiten können in diesem Zusammenhang hingegen die seitens des BGH aufgestellten Anforderungen zur Schadensbestimmung mit sich bringen. In Abkehr von der Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags kommt es nach dessen Auffassung darauf an, das aufgrund der Täuschung eingegangen Risiko zu berechnen und in einen Vergleich zu der Investitionssumme zu bringen, die nach vertraglicher Abrede vollständig zurückgezahlt werden sollte.[43] In der Praxis

dürfte diese Berechnung erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen, sodass allenfalls die Festlegung eines Mindestschadens zu erwarten ist. Weil aber nach zutreffender Umsetzung der Vorgaben eines normativen Vermögensbegriffs ein Schaden in vollem Umfang der getätigten Investitionen entstanden ist, verkompliziert diese Lösung des BGH die praktische Handhabe nicht nur unnötig, sondern ist darüber hinaus sachlich nicht angemessen.[44]

Das vorliegende Konzept eines normativen Vermögensbegriffs lässt sich außerdem auch insoweit mit dem verfassungsrechtlichen "Verschleifungsverbot" in Einklang bringen, als darin Täuschung und Vermögensschaden nicht in eins fallen. Diese Gefahr besteht allein unter den Prämissen eines auf den Schutz der bloßen Handlungsfreiheit gerichteten Vermögensbegriffs. Ein solcher verwischt den Charakter des Betrugs als Vermögensdelikt.[45] Unter dieser Voraussetzung spielt der "Vermögensschaden" als eigenständiges Tatbestandsmerkmal in der Tat keine Rolle: Sofern eine Täuschung erfolgt ist, liegt hierin die Verletzung der Dispositionsfreiheit des Einzelnen. Insoweit zeigt sich auch, dass die unter dem Begriff des "Verschleifungsverbots" gehegten Bedenken des BVerfG für die Betrugsstrafbarkeit keinen wirklich neuen Gedanken aufwerfen: Das Reißen und Ziehen um den Charakter des Betrugs als Delikt zum Schutz des Vermögens und gerade nicht der reinen Dispositionsfreiheit bestimmt seit jeher die Diskussion um die zutreffende inhaltliche Bestimmung des Vermögensbegriffs und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Annahme eines Vermögensschadens.[46] Im "Verschleifungsverbot" kann im Hinblick darauf lediglich eine verfassungsgerichtliche Stellungnahme gegen den bloßen Schutz der Dispositionsfreiheit gesehen werden. Einen solchen intendiert der hier vertretene normative Vermögensbegriff indes nicht. Ursächlich dafür ist der Umstand, dass nicht jedwede Dispositionsfreiheit der Person in den Schutzbereich des Betrugsverbots aufgenommen wird. Vielmehr muss es sich nach dem Gesagten um die auf den Umgang mit wirtschaftlichen Gütern bezogene Dispositionsfreiheit handeln.[47] In der Folge kann sich ein Schaden daher unter keinen Umständen allein aus dem Vorliegen einer rechtlich missbilligten Täuschung ergeben. Vielmehr bedarf es dafür zwingend einer Vermögensverfügung – die Täuschung allein bewirkt eine solche gerade nicht.[48] In Fällen des individuellen Schadenseinschlags wie etwa der Solar-Anleihen-Entscheidung des BGH ergibt sich ein Schaden des Getäuschten jedenfalls aus dem Umstand, dass er eine auch wirtschaftlich betrachtet minderwertige Leistung erhalten hat. Dem Vermögensschaden kommt daher bei Geltung eines normativen Vermögensbegriffs durchaus ein eigenständiger Stellenwert gegenüber den übrigen Tatbestandsmerkmalen des Betrugs zu. Dies gilt im Übrigen nicht allein für das Verhältnis zwischen Täuschung und Schaden: Auch eine "Verschleifung" von Vermögensverfügung und Schaden droht nicht, handelt es sich bei der erstgenannten doch nicht um ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Wenn das "Verschleifungsverbot" auf sie gleichwohl Anwendung finden sollte,[49] bleibt es dennoch

allein die Ebene des Vermögensschadens, auf der Fragen einer etwaigen Schadenskompensation Bedeutung entfalten.[50]

3. Das "Verschleifungsverbot" bedeutet keine Absage gegenüber einem normativen Vermögensbegriff

Eine Unvereinbarkeit des normativen Vermögensbegriffs mit dem "Verschleifungsverbot" ließe sich auf dieser Basis allein unter der Annahme begründen, dass sich darin eine generelle Absage der Verfassungsrichter gegenüber jedweder Einbeziehung normativer Gesichtspunkte zur Schadensbestimmung finde. Hiervon kann indes keine Rede sein.[51] Gegen eine solche Interpretation des "Verschleifungsverbots" sprechen bereits die Ausführungen des BVerfG selbst, das normativen Erwägungen lediglich die Berechtigung abspricht, die wirtschaftliche Betrachtung vollends zu verdrängen. Im Übrigen können sie bei der Bewertung von Schäden durchaus "eine Rolle spielen". Dem entspricht aber ein Vermögensbegriff, der die auf wirtschaftliche Güter bezogene Dispositionsfreiheit umfasst. Normative und wirtschaftliche Gesichtspunkte stehen darin nebeneinander, weshalb es für die Annahme eines Vermögensschadens beim Betrug analog der Mahnung des BVerfG im Untreue-Beschluss nicht genügt, diesen "per se" mit der abredewidrigen Verwendung des Vermögens zu begründen. Vielmehr muss diese auch einen Vermögensnachteil des Betreffenden bewirkt haben, was aber gewährleistet ist, sofern – wie hier – der Schutz des Betrugsverbots nicht auf die bloße Dispositionsbefugnis ausgedehnt wird.

Insoweit liegen die verfassungsgerichtlichen Vorgaben des "Verschleifungsverbots" auf einer Linie mit der Erkenntnis, dass eine rein wirtschaftliche Bestimmung von Vermögensschäden ihrerseits an Grenzen stößt. Ohne die Bezugnahme auf normative Gesichtspunkte kann ein Schaden nicht bestimmt werden. Grund dafür ist die an früherer Stelle dargelegte, zwingende Verknüpfung individueller Dispositionsfreiheit mit wirtschaftlichen Gütern, die allein es ermöglicht, letzteren einen "Wert" zuzuschreiben.[52] Gelöst von jener, dem jeweiligen Gut unsichtbar anhaftenden Verfügungsfreiheit seines Inhabers handelte es sich dabei um kein für ihn relevantes Interesse, das des (straf-)rechtlichen Schutzes bedürfte. In der Konsequenz geht jedweder wirtschaftlichen Betrachtung notwendig eine normative voraus.[53]

Gegen einen normativen Vermögensbegriff lässt sich zuletzt auch nicht die Entscheidung des BVerfG im Lebensversicherungsfall ins Feld führen. Zwar ist dem BVerfG darin zuzustimmen, dass kein vollendeter Eingehungsbetrug in dem Abschluss einer Lebensversicherung zu sehen ist, bei dem der Versicherungsnehmer bereits späteres deliktisches Verhalten zur Herbeiführung des Versicherungsfalles plant. Der Grund dafür liegt indes – anders als das BVerfG meint – nicht in dem Verstoß gegen das aus dem "Verschleifungsverbot" resultierende Substantiierungsgebot. Dieses sah das BVerfG angesichts der Tatsache als verletzt an, dass der BGH sich in seiner Entscheidung zwar auf die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens berief, indes keine weitere Berechnung seiner genauen Höhe als erforderlich erachtete.[54] Wenngleich dem BVerfG im Ergebnis zuzustimmen ist, setzt dessen Kritik an der Entscheidung des BGH jedoch an zu später Stelle an. So kann in der Vereinbarung einer Lebensversicherung in der Absicht, zu einem späteren Zeitpunkt über den Versicherungsfall zu täuschen, keine unter Betrugsaspekten rechtlich missbilligte Täuschung gesehen werden. Zwar erweckt der Angeklagte durch den Abschluss des Vertrags möglicherweise konkludent den unzutreffenden Eindruck, künftig keine Handlungen vorzunehmen, die auf eine Vortäuschung des Versicherungsfalls hinauslaufen. Indes ist der auf diese Weise hervorgerufene Irrtum des Versicherungsgebers keiner, vor dem das Betrugsverbot schützt. Grund dafür ist der Umstand, dass der Plan späteren deliktischen Verhaltens im

Zeitpunkt des Vertragsschlusses allenfalls die Annahme rechtfertigt, es hier mit einem in Bezug auf ein später zu erwartendes Vortäuschen des Versicherungsfalls gefährlichen Vertragspartner zu tun zu haben.[55] Die Vermögensinteressen der Versicherung sind bei Abschluss des Vertrags dadurch jedoch nicht berührt.[56] Zwar kann gesagt werden, dass für die Versicherung in einem solchen Fall tatsächlich ein höheres Risiko besteht, als es aus den vertraglichen Vereinbarungen ersichtlich ist.[57] In der Folge sei ihre vermögensbezogene Dispositionsfreiheit tangiert, weshalb von einem rechtlich relevanten Betrugsverhalten ausgegangen werden könne. Eine solche Argumentation übersieht jedoch den spezifischen Charakter der Risiken, auf die sich der Versicherungsgeber mit dem Versicherungsnehmer verständigt. Insoweit lohnt der Vergleich mit dem Beispiel des Verschweigens einer tödlich verlaufenden Erkrankung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.[58] Hierbei handelt es sich um ein bereits bei Abschluss der Versicherung konkret vorliegendes Risiko, vor dem sich die Versicherung durch entsprechende Rückfragen an den Versicherungsnehmer schützen möchte. Im Gegensatz zu dem Vorhaben späteren deliktischen Verhaltens ist dieses Risiko Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen und nicht mehr von einer mitunter erheblichen Anzahl an weiteren Entscheidungen und Handlungen des Versicherungsnehmers abhängig. Der Vergleich gegenüber dem Verschweigen einer lebensbedrohlichen Erkrankung zeigt mithin, dass es sich bei dem bloßen Vorhaben deliktischen Verhaltens nicht um ein die Vermögensinteressen des Versicherungsgebers bei Vertragsschluss in rechtlich relevanter Weise berührendes Risiko handelt. Wenngleich eine rein wirtschaftliche Betrachtung wegen des gesteigerten Risikos für den Versicherungsgeber hier zur Annahme eines Schadens führen könnte, ist dieses Ergebnis aus normativen Gründen gesperrt.[59] Eine entsprechende Täuschung ist jedenfalls unter Betrugsaspekten nicht rechtlich relevant, weshalb bereits aus diesem Grund eine Strafbarkeit im Lebensversicherungsfall abzulehnen ist.[60]

V. Fazit

Die Entscheidungen des BVerfG zum "Verschleifungsverbot" beinhalten keine Absage gegenüber einem normativen Vermögensbegriff. Ohne normative Kriterien ist die Bestimmung eines Vermögensschadens beim Betrug ausgeschlossen. Dem trägt ein Vermögensbegriff Rechnung, der die Dispositionsfreiheit des Einzelnen im Hinblick auf die ihm rechtlich zustehenden wirtschaftlich oder in sonstiger Weise wertvollen Güter umfasst. Ihm gelingt sowohl die verfassungsrechtlich gebotene Substantiierung der konkreten Schadenshöhe als auch die Wahrung des eigenständigen Gehalts sämtlicher Tatbestandsmerkmale beim Betrug. Mit dieser Maßgabe sind gegen die Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags sowie die Zweckverfehlungslehre keine Einwände zu erheben, soweit es dabei um den Schutz des Einzelnen geht, über die konkrete Verwendung eines ihm rechtlich zustehenden Vermögensbestandteils zu verfügen. Dem BGH ist vor diesem Hintergrund zu raten, sich in seiner bisherigen Anerkennung beider Rechtsinstitute nicht weiter irritieren zu lassen. Anderenfalls droht in dem Bemühen, vermeintlichen verfassungsgerichtlichen Vorgaben zu entsprechen, Richtiges mit Unrichtigem verschliffen zu werden. Ein solches "Verschleifungsverbot" gilt aber auch für höchstrichterliche Argumentationen und sollte im Rahmen künftiger Judikate zum Vermögensschaden Beachtung finden.


* Dr. Frauke Rostalski ist Habilitandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie am Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg (Inhaber: Prof. Dr. Dr. h.c. Georg Freund).

[1] BVerfG NJW 2010, 3209 = 2 BvR 2559/08; NStZ 2012, 496, 504 = HRRS 2012 Nr. 27. Zu den nachfolgenden Zitaten s. BVerfG NJW 2010, 3209, 3215.

[2] Dem "Verschleifungsverbot" kommt nach Auffassung des BVerfG NJW 2010, 3209, 3211 über den Bereich der §§ 266, 263 StGB hinaus allgemeine Bedeutung zu, s. auch Gaede, in: Anwaltskommentar StGB, 2. Aufl. 2015, § 1 Rn. 29; Saliger, in: Matt/Renzikowski, 2013, § 263 Rn. 159, 183; Schlösser HRRS 2011, 254, 255. S. aber noch unten IV. 2. a. dazu, dass in Strafgesetzen enthaltene Kriterien, die keine strafbarkeitseinschränkende Funktion aufweisen, keine Seltenheit darstellen, weshalb das "Verschleifungsverbot" auf diese nicht erstreckt werden darf.

[3] S. zu diesem Eindruck auch Piel NStZ 2015, 399.

[4] Aus dem "Verschleifungsverbot" wollen verschiedene Autoren die Verfassungswidrigkeit der Zweckverfehlungslehre (Schlösser HRRS 2011, 254 sowie Fröba/Straube StraFo 2014, 500) bzw. die Unmöglichkeit ableiten, unter Berufung auf die Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags einen Schaden in voller Höhe der Investitionssumme beim Anlagebetrug zu begründen (Piel NStZ 2015, 399, 400; ähnlich Gaede, in: Anw-StGB[Anm. 2], § 263 Rn. 139 i.V.m. § 1 Rn. 29). S. zur Konjunktur eines Berufens auf das Verschleifungsverbot in verschiedenen Bereichen des Strafrechts Krell ZStW 126 (2014), 902.

[5] BGH NStZ 2014, 318, 320. S. ferner BGH NStZ 2014, 517, 519 = HRRS 2014 Nr. 792.

[6] Goethe, Der Zauberlehrling ("Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.").

[7] S. zur ausführlichen Sachverhaltsdarstellung BGH NStZ 2014, 318, 319.

[8] Dem Urteil lässt sich nicht entnehmen, ob die Angeklagten auch damit rechneten, dass ihnen die Anwerbung neuer Anleger nicht fortdauernd gelingen würde. Hiervon soll im Folgenden ausgegangen werden.

[9] S. BGH NStZ 2014, 318, 319.

[10] BGH NStZ 2014, 318, 319 ff.

[11] BGH NStZ 2014, 318, 320.

[12] S. zu den nachfolgenden Zitaten BGH NStZ 2014, 318, 320 mit Hinweis auf die aliud-Rechtsprechung in BGH NStZ-RR 2006, 206 = HRRS 2006 Nr. 391; NJW 2006, 1679, 1681; NStZ 2010, 700.

[13] S. zu den nachfolgenden Zitaten BGH NStZ 2014, 318, 321.

[14] BGH NStZ-RR 2006, 206, 207. S. dazu auch BGH BeckRS 2011, 16674 Rz. 28 = HRRS 2011 Nr. 870.

[15] BGH NStZ-RR 2006, 206, 207.

[16] BGH NStZ 2014, 318, 321.

[17] Mit der in dieser Weise vorgenommenen – äußerst groben – Erfassung einer Vielzahl von Vermögensbegriffen sollen deren teils erhebliche inhaltliche Abweichungen nicht unterminiert werden (vgl. nur Hefendehl, in: Münchener Kommentar StGB, Band 5, 2. Aufl. 2014, § 263 Rn. 2 ff., 357 ff, 362 ff., 374 ff. sowie Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, Band 1, 12. Aufl. 2012, Vor § 263 Rn. 20a unter Hinweis auf die sämtlichen dieser Auffassungen gemeinsame Annahme, die Freiheitsausübung müsse sich immerhin "auf das Gebiet der Wirtschaft und des Wirtschaftens mit Wirtschaftsgütern" beziehen). Es geht dabei vielmehr um die Wahrung der Abgrenzung, die das BVerfG seinen Entscheidungen zum "Verschleifungsverbot" zugrunde gelegt hat. Unabhängig von dem Stellenwert, der der individuellen Dispositionsfreiheit im Rahmen des jeweiligen Vermögensbegriffs eingeräumt wird, ist diese prinzipiell angesprochen, sofern es um eine Unterscheidung gegenüber einer dispositionsunabhängigen "wirtschaftlichen" Betrachtung geht. Nachfolgend soll gezeigt werden, dass das Verschleifungsverbot einem solchen Vermögensverständnis nicht entgegensteht. S. zu weiteren Nachweisen zur Problematik des Vermögensbegriffs noch unten Anm. 22.

[18] S. umfassend zur Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags Hefendehl, in: MK (Anm. 17), § 263 Rn. 692 ff. Freilich liegt in solchen Fällen bei konsequenter wirtschaftlicher Betrachtung bereits auf dieser Basis ein Vermögensschaden vor: Insoweit verdient die Rechtsprechung des BGH zum Vermögensschaden in Fällen des individuellen Schadenseinschlags ihrerseits Kritik, wenn ein Schaden abgelehnt wird, falls das bei einem Austauschvertrag Erhaltene für den Getäuschten zwar nutzlos ist, jedoch seinem Preis entspricht und von ihm "ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand" weiterverkauft werden kann (s. BGH NJW 2006, 1679, 1681). Dieser Position ist bereits aus wirtschaftlichen Gründen zu widersprechen: Auch nach wirtschaftlicher Betrachtung liegt hier ein Vermögensschaden vor, da das zum Erwerb der Sache eingesetzte Geld aufgrund des Minderwerts der mit dem Weiterverkauf verbundenen Bemühungen stets mehr wert ist als die ihrem Preis entsprechende Ware. S. dazu noch weiter unter IV. 1. – Ebenfalls kritisch zur Schadenskompensation durch eine Weiterveräußerungsmöglichkeit Hefendehl, in: MK (Anm. 17), § 263 Rn. 700; Schmoller ZStW 103 (1991), 92, 98.

[19] Zwar vertritt der BGH grundsätzlich einen wirtschaftlichen Vermögensbegriff, räumt davon aber – etwa in Gestalt der Rechtsfigur des individuellen Schadenseinschlags – mitunter großzügige Ausnahmen ein, um "im Einzelfall" sachgerechte Ergebnisse zu erzielen. Vgl. dazu Saliger, in: Matt/Renzikowski (Anm. 2), § 263 Rn. 153 f.

[20] Vor diesem Hintergrund ist auch Hefendehl, in: MK (Anm. 17), § 263 Rn. 704 zu widersprechen, der meint, bei einer Schadensberechnung durch den Vergleich "der hingegebenen und der erlangten Vermögenspositionen" auf "Erwägungen zur Zweckverfehlung" verzichten zu können. Wie der BGH übersieht er, dass der Verwendungszweck bei Risikogeschäften gerade in der Vereinbarung eines bestimmten Verlustrisikos liegt. Wenn daher das vereinbarte mit dem erhaltenen Risiko verglichen wird, liegt hierin nichts anderes als die Prüfung, ob der mit der Investition verfolgte Zweck verfehlt wurde.

[21] Die Kritik trifft auch Saliger, in: Matt/Renzikowski (Anm. 2), § 263 Rn. 231, der meint, für die Annahme eines Schadens komme es darauf an, ob die Verfügung des Anlegers zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat, in dem der "Organisator eines Schneeballsystems (…) nicht mehr vorhat, das Geld zurückzuzahlen, oder nicht mehr in der Lage ist, die versprochene Mindestrendite zu erbringen." Dabei wird übersehen, dass ein Schaden der Anleger bereits darin zu sehen ist, dass ihre Gelder entgegen der getroffenen Risikovereinbarung zu einem im Schneeballsystem verkörperten, viel höheren Risiko verwendet werden. Hierin liegt keine zu weit gehende "Normativierung des Schadens", sondern allein eine konsequente Anerkennung des spezifischen Charakters von Risikogeschäften, bei denen Vermögen zu einem konkreten Nutzen hingegeben werden kann, womit zugleich eine spezifische Risikovereinbarung getroffen wird.

[22] Vgl. Bergmann/Freund JR 1988, 189, 192; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, S. 263. Auch im "normativ-ökonomischen Vermögensbegriff" Hefendehls, in: MK (Anm. 17), § 263 Rn. 374 f. spielt die Dispositionsfreiheit des Einzelnen eine hervorgehobene Rolle, wenngleich er selbst diese auf eine "akzessorische Bedeutung" (Rn. 5) zurückstuft. Ähnlich Schünemann, in: LK (Anm. 17), § 266 Rn. 166 sowie Gaede, in: Anw-StGB (Anm. 2), § 263 Rn. 1. Auch Saliger, in: Matt/Renzikowski (Anm. 2), § 263 Rn. 188 nimmt an, "dass Vermögen immer auch den wirtschaftlichen Nutzungs- und Gestaltungswert des Vermögensinhabers repräsentiert".

[23] So bereits Rostalski RW 2015, 1, 7 f. Vgl. auch Saliger, in: Matt/Renzikowski (Anm. 2), § 263 Rn. 1: "geronnene Freiheit"; Wostry, Schadensbezifferung und bilanzielle Berechnung des Vermögensschadens bei dem Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB), 2016, S. 33 ff., 42.

[24] S. nur BGH NJW 1962, 309, 311: "Dabei ist zu beachten, daß der Wert eines Vermögens für die (…) wirtschaftliche Betrachtung sich nicht nur nach dem Betrag bemißt, der sich aus der Zusammenzählung des Wertes der einzelnen Vermögensgegenstände ergibt, sondern daß dieser Wert mitbestimmt wird durch die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, die vorhandenen Vermögensstücke entsprechend den sachlich anzuerkennenden Bedürfnissen des jeweiligen Vermögensträgers zu verwenden." S. ferner bereits Hauck ZIS 2011, 919, 922; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar StGB, Band 3, 4. Aufl. 2013, § 263 Rn. 26; Pawlik, Verhalten beim Betrug (Anm. 22), S. 266; Schmoller ZStW 103 (1991), 92, 110. – Diesen relevanten Zusammenhang möchte Schlösser HRRS 2011, 254, 260 lediglich für die Fallgestalt des individuellen Schadenseinschlags, nicht aber die Zweckverfehlungslehre gelten lassen. Bei Letzterer verdränge der Freiheitsschutzaspekt die wirtschaftliche Betrachtung in Gänze, weshalb Schlösser (258) das Rechtsinstitut kategorisch für verfassungswidrig erklärt (sich ihm anschließend Fröba/Straube StraFo 2015, 500 ff.). Dieses Urteil fällt indes zu pauschal aus, solange davon auch Fälle der Verfehlung des mit der Vermögenshingabe verbundenen Verwendungszwecks erfasst sind (s. dazu weiter im Text sowie Anm. 28). Ohnedies trägt Schlössers Begründung für eine Andersbehandlung gegenüber dem individuellen Schadenseinschlag wenig: Die Annahme, dass in Fällen der Zweckverfehlungslehre nichts "empfangen" werde, übersieht, dass bereits in der Hingabe von Vermögen dessen Nutzung liegen kann: Die Bestimmung seiner konkreten Verwendung gehört damit zum Kern des geschützten Interesses, weshalb deren Verfehlung den Grundfall eines vereitelten Nutzungsrechts bildet. Insofern liegt auch ohne Verstoß gegen ein "Verschleifungsverbot" in diesen Fällen ein Vermögensschaden vor. Dass der Betreffende auch bei zutreffendem Einsatz seines Vermögens einen Negativsaldo erzielt hätte, stellt eine hypothetische Erwägung dar, die nicht nur für die Frage der rechtlichen Verhaltensmissbilligung des Täuschenden außer Acht bleiben muss, sondern auch den – davon zu trennenden – täuschungsbedingt real eingetretenen Vermögensschaden unberührt lässt. Zur Unbeachtlichkeit hypothetischer Verläufe im Strafrecht s. Rostalski JR 2015, 306.

[25] Vorausgesetzt ist dabei, dass sich die Gemeinschaft auf ein spezifisches Wertsystem geeinigt hat, dem etwa das Geld zugeordnet werden kann. Insoweit geht mit dem hier vertretenen Vermögensbegriff auch keine "Subjektivierung" einher, die Gefahr läuft, Täuschung und Vermögensschaden miteinander gleichzusetzen. Worin ein wirtschaftlicher Wert liegt, ist durch insbesondere zivilrechtliche Grundsätze bestimmt, sodass die Frage, was einen Vermögensbestandteil ausmacht, nicht ins willkürliche Belieben des Einzelnen gestellt ist. S. dazu bereit Hefendehl, in: MK (Anm. 17), § 263 Rn. 375 ff.

[26] Vgl. dazu Saliger, in: Matt/Renzikowski (Anm. 2), § 263 Rn. 189, der mit Recht davon ausgeht, dass bei § 263 StGB "ein zulässiger unselbständiger von einem unzulässigen selbständigen Dispositionsschutz" zu unterscheiden ist.

[27] Saliger, in: Matt/Renzikowski (Anm. 2), § 263 Rn. 214, s. dort sowie unter Rn. 148 noch dazu, dass nach verbreiteter Auffassung auch bewusste Selbstschädigungen eine Vermögensverfügung i.S.d. § 263 StGB darstellen können.

[28] An dieser Stelle ist nicht der Raum, auf die Notwendigkeit einer Trennung beider Rechtsfiguren einzugehen. An einer solchen bestehen jedenfalls insoweit Zweifel, als sich beide Institute auf die grundsätzliche Überlegung reduzieren lassen, dass die vermögensbezogene Dispositionsmacht des Einzelnen nicht enttäuscht werden darf (bei der Frage, ob bewusste Selbstschädigungen betrugstaugliche Vermögensverfügungen darstellen können, handelt es sich um ein eigenständiges Problem, s. dazu den Nachweis in Anm. 27). Auf der Basis des hier vertretenen Vermögensbegriffs spricht einiges dafür, allein diese Gemeinsamkeit für Fragen der Betrugsstrafbarkeit als relevant zu erachten. Diese Position hat allerdings mitunter weitreichende Konsequenzen für die in Literatur und Rechtsprechung teilweise vertretenen Fallgestalten, die unter den Begriffen des individuellen Schadenseinschlags bzw. der Zweckverfehlungslehre zusammengefasst werden (ebenfalls für einen restriktiveren Umgang mit Fällen der Zweckverfehlung spricht sich Hefendehl, in: MK[Anm. 17], § 263 Rn. 24 aus). Nach hier vertretener Auffassung kann es sich allein unter der Voraussetzung um eine rechtlich missbilligte Täuschung i.S.d. § 263 StGB handeln, wenn diese einen Irrtum hinsichtlich der legitimen Verwendung von rechtlich dem Einzelnen zustehendem Vermögen hervorruft (vgl. demgegenüber den Überblick zu den gegenwärtig vertretenen Konkretisierungsansätzen im Hinblick auf beachtliche Zwecke bei Hefendehl, in: MK[Anm. 17], § 263 Rn. 725). Sofern etwa beim Spendenbetrug nicht über die konkrete Verwendung der Spende getäuscht wird, sondern lediglich über den Umstand, dass die Nachbarn des Getäuschten bereits hohe Summen gespendet haben, was diesen selbst zu einer großzügigen Gabe veranlasst, liegt hierin keine unter Betrugsaspekten rechtlich missbilligte Täuschung. Sofern es bereits an dieser fehlt, scheidet die Betrugsstrafbarkeit aber aus, sodass es auf die Frage, ob dem Betreffenden ein Vermögensschaden entstanden ist, nicht mehr ankommt – sie müsste freilich mit "Nein" beantwortet werden. Aus dem besonderen Charakter des Vermögens als liquide Freiheit folgt, dass dieses allein vor Täuschungen geschützt wird, die die Verwendung der wirtschaftlichen Güter betreffen. Sofern Letztere jedoch zu dem Zweck eingesetzt werden, den der Vermögensinhaber damit verfolgt, ist seine vermögensbezogene Dispositionsfreiheit nicht betroffen, weshalb eine Täuschung über die Motive für die Vermögensverfügung unter Betrugsaspekten nicht rechtlich missbilligt ist (ebenso Pawlik, Verhalten beim Betrug[Anm. 22], S. 276). S. zu dem Beispiel aber die anderslautende Entscheidung des BayObLG NJW 1952, 798 sowie Albrecht JZ 2015, 841, 844, deren Orientierung am "faktischen Kriterium einer Einbeziehung oder Anerkennung des Zwecks durch den Täter" deutlich die negativen Folgen aufzeigt, die ein Außerachtlassen normativer Erwägungen mit sich bringen kann: Mit der Zweckverfehlungslehre ist nicht intendiert, den "Täter" pauschal "in die Verantwortung für die Selbstschädigung einzubeziehen". Verantwortlich sein kann er von Vornherein nur für Selbstschädigungen, die unter Betrugsaspekten eine Relevanz aufweisen, weshalb eine normative Betrachtung zwingend geboten ist. Ebenfalls kritisch Saliger, in: Matt/Renzikowski (Anm. 2), § 263 Rn. 216 m.w.N.

[29] Allein aus diesem Umstand folgt, dass davon entgegen Schmidhäuser, Strafrecht, Besonderer Teil, 2. Aufl. 1983, 11/1 nicht der Persönlichkeitsschutz umfasst ist, s. auch Tiedemann, in: LK (Anm. 17), Vor § 263 Rn. 27.

[30] BVerfG NJW 2010, 3209, 3215. S. dort auch zu den nachfolgenden Zitaten aus dem Untreue-Beschluss.

[31] BVerfG NStZ 2012, 496.

[32] BGH NJW 2009, 3448, 3463 ff. = HRRS 2009 Nr. 890.

[33] BVerfG NStZ 2012, 496, 504.

[34] BVerfG NStZ 2012, 496, 504.

[35] In diese Richtung auch Heghmanns ZIS 2015, 102, 108; Wostry, Schadensbezifferung (Anm. 23), S. 27, 46 ff., der dieses Gebot allerdings nicht als auf den Bereich des Gefährdungsschadens begrenzt ansehen möchte. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, wenngleich es für die Annahme eines Vermögensschadens als ausreichend erachtet werden muss, dass ein Vermögensschaden von einer gewissen Erheblichkeit festgestellt werden kann. S. dazu weiter im Text sowie Anm. 38.

[36] S. zur Gefahr, die Praxis durch diese Anforderungen zu überfordern, Schünemann, in: LK (Anm. 17), § 266 Rn. 163.

[37] BVerfG NJW 2010, 3209, 3215; NStZ 2012, 496, 504.

[38] Eine Parallele bietet hier der Körperverletzungstatbestand. Für die Annahme einer Strafbarkeit wegen Körperverletzung ist es lediglich erforderlich, eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung der Körperintegrität bzw. Gesundheit des anderen festzustellen. Erst auf Strafzumessungsebene ist eine weitere Gewichtung vorzunehmen, die einen Schweregrad-Vergleich mit anderen Fällen der Körperverletzung zulässt. Nicht anders verhält es sich in Bezug auf § 263 StGB: Die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift scheitert nicht daran, dass der genaue Betrag des Vermögensschadens nicht beziffert werden kann. Vielmehr genügt hier die Feststellung einer nicht ganz unerheblichen Vermögensbeschädigung, die allerdings auf Strafzumessungsebene einer weiteren Einordnung jedenfalls im Sinne eines Mindestwerts bedarf, um den Vergleich mit anderen Betrugsfällen zu ermöglichen.

[39] So auch BVerfG NJW 2010, 3209, 3211.

[40] Vgl. Krell ZStW 126 (2014), 902, 905. Problematisch erscheint es daher, das "Verschleifungsverbot" mit Hefendehl, in: MK (Anm. 17), § 263 Rn. 729 m. Fn. 2158 als allgemeinen Grundsatz zu interpretieren, "wonach jedem Tatbestandsmerkmal ein eigenständiger Bedeutungsgehalt zuzumessen ist".

[41] Fischer, Strafgesetzbuch, 62. Aufl. 2015, § 212 Rn. 2.

[42] Freund/Putz NStZ 2003, 242, 245.

[43] S. dazu schon oben II. In diese Richtung auch Gaede, in: Anw-StGB (Anm. 2), § 263 Rn. 138 f. – Nicht überzeugen kann in diesem Zusammenhang die Annahme Tiedemanns, in: LK (Anm. 17), § 263 Rn. 178, wonach es zur Vermeidung der Grenzverwischung zwischen Vermögensdelikt und Delikt zum Schutz der bloßen Handlungsfreiheit in Fällen des individuellen Schadenseinschlags einer Orientierung an der Beurteilung einer objektiven "Maßfigur" bedürfe. Die Frage, ob der mit einer Vermögensverfügung verbundene Zweck erreicht wurde, ist unter allen Umständen insoweit eine "subjektive", als diese an den Vorstellungen des Vermögensinhabers im Verfügungszeitpunkt orientiert werden muss. Sie bleibt gleichwohl eine "objektive", da zu ihrer Beantwortung nicht die (willkürliche) Meinung des Getäuschten im Nachhinein ausschlaggebend ist, sondern eine sachliche Beurteilung anhand seiner ursprünglichen Vorstellungen gemessen etwa an der mit dem Täuschenden getroffenen Vereinbarung. Zu einer Umwandlung des Betrugs in ein Delikt zum Schutz der Dispositionsfreiheit kommt es nicht, wenn in einem solchen Fall eine Zweckverfehlung auch dann angenommen wird, wenn der Betreffende das Erlangte zwar nutzen kann, seine Verfügung zu diesem Zweck aber nicht vorgenommen hat (Beispiel: A investiert auf der Basis seiner Vorstellung mehrere hundert Euro in den Erwerb von Tennisbällen, um seine Fähigkeiten in dieser Sportart künftig auszubilden, erhält aber täuschungsbedingt Fußbälle: Hier ist ein Schaden unabhängig davon gegeben, ob A dem Beruf des Fußballprofis oder des Balletttänzers nachgeht[zum sogar bei rein wirtschaftlicher Betrachtung anzunehmenden Minderwert der Ware im Verhältnis zu den entsprechenden flüssigen Mitteln vgl. bereits oben III.]). Vielmehr garantiert die Beibehaltung des Betrugs als Vermögensdelikt allein die notwendige Bezugnahme der Dispositionsfreiheit des Einzelnen zu einem rechtlich anerkannten Wirtschaftsgut – die Perspektivenfrage bei der Zweckverfehlung hat damit nichts zu tun, weshalb Hefendehl, in: MK (Anm. 17), § 263 Rn. 693 die Maßstabsperson des "sachlichen Beurteilers" auch lediglich zur Vermeidung einer Abhängigkeit von der "beliebigen Einschätzung des Vermögensträgers" heranziehen möchte. S. dazu ferner Saliger, in: Matt/Renzikowski (Anm. 2), § 263 Rn. 208.

[44] Auch bei konsequenter Geltung eines normativen Vermögensbegriffs kann die Schadensberechnung Schwierigkeiten aufwerfen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn – anders als in der Solar-Anleihen-Entscheidung – der Getäuschte nicht etwas ganz anderes als das Vereinbarte erhält, sondern lediglich eine Sache, die sich in geringerem Umfang als zugesagt zu dem verfolgten Verwendungszweck eignet (s. zum klassischen Beispiel des Melkmaschinen-Falls BGH NJW 1962, 309 sowie Hefendehl, in: MK[Anm. 17], § 263 Rn. 690). Bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale des Betrugs bedarf es auf der Ebene der Schadensfeststellung der Berücksichtigung etwaiger Kompensationen, was mitunter anspruchsvolle Berechnungen nach sich ziehen kann.

[45] Der Vorwurf wird insbesondere gegenüber der personalen Vermögenslehre erhoben, wie sie sich bei Bockelmann JZ 1952, 461, 464; Otto, Grundkurs Strafrecht, 6. Aufl. 2002, § 38 Rn. 7; dems., Die Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, 1970, S. 34 ff.; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, 1990, S. 116 ff. findet, s. dazu Schünemann, in: LK (Anm. 17), § 266 Rn. 166 sowie allgemein Hefendehl, in: MK (Anm. 17), § 263 Rn. 357 ff., 362 ff.; Tiedemann, in: LK (Anm. 17), Vor § 263 Rn. 29 f.

[46] S. insoweit nur die eindrucksvolle Auseinandersetzung Kindhäusers, in: NK (Anm. 24), § 263 Rn. 25 ff. mit einem rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff.

[47] S. zu dieser entscheidenden Konkretisierung schon oben IV. 1.

[48] Ebenso in Bezug auf die Zweckverfehlungslehre Hefendehl, in: MK (Anm. 17), § 263 Rn. 729.

[49] So Schlösser HRRS 2011, 254, 256 unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte des § 263 StGB. Weil das "Verschleifungsverbot" Ausfluss des Gesetzlichkeitsgrundsatzes ist, erscheint es aber wenig überzeugend, seine Geltung auch auf ungeschriebene Tatbestandsmerkmale erstrecken zu wollen. Die historische Entstehung der heutigen Fassung des § 263 StGB ändert nichts daran, dass die Vermögensverfügung als eigenständiges Merkmal nicht Eingang in das Gesetz gefunden hat. Darüber hinaus macht der bloße Umstand allein, dass die Vermögensverfügung als im Tatbestand des Betrugs "versteckt" angesehen werden kann, diese nicht zu einem geschriebenen Merkmal. S. außerdem die weitere Kritik bei Krell ZStW 126 (2014), 902, 918.

[50] Vor diesem Hintergrund problematisch ist die Annahme Hefendehls, in: MK (Anm. 17), § 263 Rn. 729, dass erst auf der Ebene des Vermögensschadens das Problem aufgeworfen werde, "inwieweit Fragen der Zweckverfehlung eine normative Relevanz entfalten". Nach hier vertretener Auffassung müssen die unter diesem Gesichtspunkt allgemein diskutierten Problemkreise teilweise bereits auf der Ebene der rechtlich missbilligten Täuschung Berücksichtigung finden: Sofern die Fehlvorstellung des Getäuschten unter Betrugsaspekten keine Relevanz aufweist, fehlt es bereits an der betrugsrelevanten (spezifisch missbilligten) Täuschung. S. dazu Anm. 28, 60.

[51] Auch Saliger, in: Matt/Renzikowski (Anm. 2), § 263 Rn. 184 kommt zu dem Ergebnis, dass das BVerfG lediglich eine "primär wirtschaftliche Schadenslehre" verlangt (Hervorhebung F. R.).

[52] S. oben IV. 1.

[53] In diese Richtung Saliger, in: Matt/Renzikowski (Anm. 2), § 263 Rn. 159: "(…) jede Vermögens- (und Schadens‑)lehre ist auch normativ" (Hervorhebung im Original).

[54] BVerfG NStZ 2012, 496, 504. Zustimmend Saliger, in: Matt/Renzikowski (Anm. 2), § 263 Rn. 229, 241.

[55] Die Gefährlichkeit einer Person kann für sich genommen keine rechtlichen Ver- oder Gebote begründen. Vielmehr kommen insoweit ausschließlich gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen in Betracht, s. Timm, Gesinnung und Straftat – Besinnung auf ein rechtsstaatliches Strafrecht, 2012, S. 86 f., 111 ff., 118 ff.

[56] Auch Hefendehl, in: MK (Anm. 17) stuft das Verhalten als straflose Vorbereitung ein.

[57] In dieser Richtung BGH NJW 2009, 3448, 3464.

[58] Auch in dem Lebensversicherungs-Fall hatte der Angeklagte über eine Vorerkrankung getäuscht (BGH NJW 2009, 3448, 3464). In Abhängigkeit davon, inwieweit hieraus ein erhöhtes Risiko für die Versicherung resultierte, könnte dies eine rechtlich missbilligte Täuschung begründen, die auch einen Vermögensschaden hätte zur Folge haben können. Indes fehlen hierzu hinreichende Angaben in der Entscheidung des BGH, zumal die Annahme eines Gefährdungsschadens allein auf den deliktischen Plan des Angeklagten gestützt wird. Das BVerfG greift diesen Aspekt selbst nicht mehr auf.

[59] Ähnliche Probleme ergeben sich beim Anstellungsbetrug: Sofern der Bewerber Vorstrafen wegen Diebstahls verschweigt, und zugleich plant, seinen künftigen Arbeitgeber ebenfalls zu bestehlen, liegt hierin im Grundsatz noch keine rechtlich relevante Täuschung. Anders verhält es sich allenfalls, wenn es sich um die Bewerbung um eine Position handelt, die besonderes Vertrauen in den jeweiligen Arbeitnehmer voraussetzt (bspw. bei signifikanten Freiheitsräumen im Umgang mit dem Vermögen des Arbeitgebers; s. dazu Fischer, StGB [Anm. 41], § 263 Rn. 154).

[60] Hierin liegt im Übrigen keine "beim Opfer ansetzende normative" Ausgrenzung, die Gefahr läuft, ihrerseits gegen das "Verschleifungsverbot" zu verstoßen (zu entsprechenden Bedenken s. Saliger, in: Matt/Renzikowski [Anm. 2], § 263 Rn. 27). Die Erkenntnis, dass im Lebensversicherungsfall bereits das Vorliegen einer rechtlich missbilligten Täuschung abzulehnen ist, trägt vielmehr der Trennung von Verhaltens- und Erfolgsunrecht Rechnung, wie es § 263 StGB verlangt. Insoweit geht es nicht darum, bestimmte irrtumsbedingte Dispositionen des Opfers etwa im Sinne einer viktimodogmatischen Position als nicht schutzwürdig herauszustellen, weshalb die normative Betrachtung auch nicht am Opfer ansetzt, sondern an der erforderlichen rechtlichen Beurteilung des Täterverhaltens. S. grundsätzlich zur notwendigen normativen Betrachtung der Täuschung in § 263 StGB Gaede, in: Festschrift für Roxin, Band 2, 2011, S. 967, 974 ff.; Kubiciel HRRS 2015, 382, 384 f.