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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2016
17. Jahrgang
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1. Der rechtsfehlerhafte Widerruf der Bestellung eines Pflichtverteidigers kann den Verdacht der Befangenheit begründen, wenn er mit dem Ziel erfolgt, einen missliebigen Verteidiger aus dem Verfahren zu entfernen. Dies begründet den Verdacht, der Vorsitzende werde die Interessen des Angeklagten und seines Verteidigers auch sonst nicht ausreichend berücksichtigen und geneigt sein, auf nicht genehmes Verhalten in einer für diese nachteiligen Weise sachfremd zu reagieren.
2. Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes im Sinne von § 24 Abs. 2 StPO ist grundsätzlich vom Standpunkt der Angeklagten zu beurteilen (vgl. BGHSt 24, 336, 338). Misstrauen im Hinblick auf die Unparteilichkeit eines Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (vgl. BGH NJW 2014, 2372, 2373).
3. Diese Besorgnis lässt sich grundsätzlich nicht schon allein mit einer fehlerhaften Sachbehandlung begründen. Verfahrensverstöße, die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhen, stellen grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar (st. Rspr), sondern nur dann, wenn die Entscheidungen unvertretbar sind oder den Anschein der Willkür erwecken.
4. Der Widerruf der Bestellung eines Pflichtverteidigers, der das Vertrauen der Angeklagten besitzt, berührt die Verteidigungsbelange auf das stärkste. Er setzt daher einen wichtigen Grund voraus. Es müssen Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung ernsthaft gefährden. Dieser besteht darin, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und einen geordneten Verfahrensablauf zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 39, 238, 245).
Die Erklärung über die Rücknahme der Revision ist grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar. Es kann hier offenbleiben, ob sie tauglicher Gegenstand einer Verständigung sein kann. Denn selbst wenn man eine derartige Gesamtlösung unter Einbeziehung eines anderen Verfahrens für unzulässig hält, kann dies nicht dazu führen, dass eine entsprechende Erklärung unbeachtlich ist.
1. Weder eine Anregung des Vorsitzenden gegenüber dem Verteidiger noch Gespräche zwischen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft, an denen das Gericht nicht beteiligt ist, fallen in den Regelungsbereich des § 243 Abs. 4 StPO. Für diese verbleibt es vielmehr bei der Pflicht zur Dokumentation in der Akte.
2. Um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob verständigungsbezogene – und damit eine Unterrichtungspflicht auslösende – Gespräche stattgefunden haben, muss der Revisionsführer Tatsachen zum Inhalt der Erörterungen vortragen. Es reicht nicht, wenn er lediglich behauptet, es hätten solche Gespräche stattgefunden. Erforderlich ist vielmehr die Behauptung von Tatsachen, die eine Überprüfung dahin gestatten, ob dabei ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum standen.
3. Nach ständiger Rechtsprechung beruht ein Urteil auf einem Rechtsfehler, wenn es ohne diesen möglicherweise anders ausgefallen wäre. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dieser bereits vom Reichsgericht begründeten Auslegung des § 337 Abs. 1 StPO nicht entgegensteht und die maßgebend auf die Kausalität abstellende Beruhensprüfung auch bei Verstößen gegen § 243 Abs. 4 StPO nicht um normative Gesichtspunkte zu ergänzen ist (vgl. BGH HRRS 2015 Nr. 1125).
Ein in der Hauptverhandlung durchgeführtes verständigungsbezogenes (Vor-)Gespräch ist ein Unterfall der „Erörterung des Verfahrensstandes“ im Sinne des § 257b StPO. § 257b StPO erfasst sämtliche kommunikativen Elemente, die der Transparenz und Verfahrensförderung dienen und auch eine einvernehmliche Verfahrenserledigung durch Verständigung vorbereiten können, aber nicht darauf gerichtet sein müssen. Für diese gelten die Bestimmungen des § 257c StPO, die eine gesonderte Regelung zur vorbereitenden Erörterung nicht treffen, sondern insoweit im regelungssystematischen Zusammenhang mit den Vorschriften der §§ 257b, 243 Abs. 4 StPO für verständigungsbezogene Vorgespräche in der bzw. außerhalb der Hauptverhandlung stehen.
1. Beruht die Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft des Angeklagten allein auf der Aussage eines Belastungszeugen, ohne dass weitere belastende Indizien vorliegen, so sind an die Überzeugungsbildung des Tatrichters strenge Anforderungen zu stellen. Die Urteilsgründe müssen in Fallkonstellationen der genannten Art erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, welche seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGHSt 44, 153, 159). Insbesondere die Aussage des Zeugen selbst ist einer sorgfältigen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen (vgl. BGHSt 44, 153, 158).
2. Macht der einzige Belastungszeuge in der Hauptverhandlung in einem wesentlichen Punkt von früheren Tatschilderungen abweichende Angaben, so muss sich der Tatrichter mit diesem Umstand auseinandersetzen und regelmäßig darlegen, dass und aus welchem Grund insoweit keine bewusst falschen Angaben vorgelegen haben (vgl. 44, 256, 257). Darüber hinaus ist es in Fallkonstellationen, in denen die Angaben des einzigen Belastungszeugen in der Hauptverhandlung in wesentlichen Teilen von seinen früheren Angaben abweichen, geboten, jedenfalls die entscheidenden Teile seiner Aussagen in den Urteilsgründen wiederzugeben, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist (vgl. BGH NStZ 2012, 110, 111).