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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2014
15. Jahrgang
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1. Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ergibt sich für die Fachgerichte die Verpflichtung, auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wirksame Kontrolle – hier: der Versagung einer medizinischen Behandlung im Strafvollzug – zu gewährleisten.
2. Bei Vornahmesachen verlangt Art. 19 Abs. 4 GG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass dies zur Abwendung schwerer und unzumutbarer, Nachteile erforderlich ist. Im Einzelfall kann dabei auch eine Vorwegnahme der Hauptsache zulässig und geboten sein.
3. Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Jedenfalls soweit eine erhebliche Grundrechtsverletzung – wie etwa die Verletzung des Rechts auf Leben oder körperliche Unversehrtheit – in Rede steht, sind die Fachgerichte
auch im Eilverfahren grundsätzlich gehalten, die entscheidungserheblichen Umstände zu ermitteln.
4. Mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG sind auf Einschätzungen des Anstaltsarztes gestützte vollzugliche Entscheidungen über die medizinische Behandlung eines Gefangenen nicht jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen, sondern unterliegen der Überprüfung daraufhin, ob die Grenzen pflichtgemäßen ärztlichen Ermessens überschritten worden sind.
5. Verweist ein Anstaltsarzt einen Gefangen nach einer Augenverletzung darauf, zunächst abzuwarten, ob es zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes kommt, während der Gefangene vorbringt, es drohten ihm irreversible Gesundheitsschäden, wenn er nicht umgehend einem externen Facharzt vorgestellt werde, so muss sich das Gericht auch im Eilverfahren im Einzelnen mit den von dem Gefangenen vorgebrachten Gründen auseinandersetzen und erforderlichenfalls den Sachverhalt weiter aufklären.
1. Die verfassungsrechtliche Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung stellt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz. Dieser erstreckt sich auch auf geschäftlich genutzte Räume.
2. Der mit einer Durchsuchung verbundene schwerwiegende Eingriff in diesen Schutzbereich bedarf einer besonderen Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Voraussetzung einer Durchsuchung ist zum einen der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Daneben muss die Durchsuchung vor allem in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen.
3. Bei der Gewichtung des Tatverdachts ist nicht nur auf die Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahren, sondern auch auf den Grad des Auffindeverdachts abzustellen. Bei einem nur vagen Auffindeverdacht bedarf die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung eingehender Begründung.
4. Wird gegen einen Apotheker wegen des Verdachts des Inverkehrbringens nicht zugelassener Arzneimittel ermittelt, so bedarf der Auffindeverdacht einer besonderen Begründung, wenn ein die Stammapotheke betreffender Durchsuchungsbeschluss nachträglich auf eine Filialapotheke erweitert werden soll, obwohl der Apotheker diese erst zu einem Zeitpunkt übernommen hat, als die den Tatverdacht begründenden Medikamentenlieferungen bereits abgeschlossen waren. Erst recht sind besondere Anhaltspunkte für einen Auffindeverdacht darzulegen, wenn auch die Privatwohnung des Apothekers durchsucht werden soll.
1. Das Recht auf rechtliches Gehör steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie und gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich vor dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem Sachverhalt zu äußern, der der Entscheidung zugrunde gelegt wird.
2. Werden im strafprozessualen Ermittlungsverfahren Eingriffsmaßnahmen ohne vorherige Anhörung des Betroffenen gerichtlich angeordnet, ist das rechtliche Gehör spätestens im Beschwerdeverfahren nachträglich zu gewähren. Daher darf eine für den Beschuldigten nachteilige gerichtliche Entscheidung jedenfalls im Beschwerdeverfahren nur auf der Grundlage solcher Tatsachen und Beweismittel getroffen werden, über die er zuvor sachgemäß unterrichtet wurde und zu denen er sich äußern konnte.
3. Eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, die zur Aufhebung einer Entscheidung durch das BVerfG führt, scheidet allerdings aus, wenn auch nach dem Vorbringen des Beschuldigten auszuschließen ist, dass die Umstände, zu denen kein Gehör gewährt wurde, für die Entscheidung ursächlich waren.
4. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Erweiterung des gerichtlichen Aktenbestandes. Lag dem Gericht bei Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses ein polizeilicher Vermerk vor, auf dessen Grundlage eine Durchsuchung angeordnet werden durfte, so ist der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör nicht verletzt, wenn die polizeilichen Observationsberichte und die Protokolle einer Telekommunikationsüberwachung, auf denen der Vermerk basiert, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht zu den Akten genommen waren.
5. Um der Funktion des Richtervorbehalts aus Art. 13 Abs. 2 GG als einer vorbeugenden Kontrolle einer Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz gerecht zu werden, darf das Beschwerdegericht eine Entscheidung nicht auf Gründe stützen, die dem Ermittlungsrichter nicht bekannt waren. Prüfungsmaßstab bleibt im Beschwerdeverfahren die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses.