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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2014
15. Jahrgang
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1. Das Rechtsschutzbedürfnis für die (verfassungsgerichtliche) Überprüfung einer Entscheidung über die Unterbringung nach dem Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) besteht angesichts des damit verbundenen tiefgreifenden Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht fort, auch wenn die Entscheidung nicht mehr die Grundlage für eine aktuelle Unterbringung bildet.
2. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juli 2013 (2 BvR 2302/11 u. a. = HRRS 2013 Nr. 693) ist § 1 Abs. 1 ThUG nur mit der Maßgabe mit dem Grundgesetz vereinbar, dass die Unterbringung oder deren Fortdauer nur angeordnet werden darf, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexual-
straftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist.
3. Eine Unterbringungsentscheidung, die diesen Anforderungen an eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung des § 1 Abs. 1 ThUG nicht genügt – insbesondere weil sie nicht den genannten strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab zugrundelegt –, verletzt den Betroffenen in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
4. Dies gilt auch für Unterbringungsentscheidungen, die bereits vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juli 2013 ergangen sind, weil es insoweit allein auf die objektive Verfassungswidrigkeit der Entscheidung und nicht darauf ankommt, ob die Grundrechtsverletzung dem Gericht vorwerfbar ist.
1. Bei dem einer Straftat lediglich Verdächtigen ist zur Wahrung der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Unschuldsvermutung eine Freiheitsentziehung im Strafverfahren nur dann zulässig, wenn die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung den Freiheitsanspruch des Beschuldigten überwiegen. Bei der Abwägung ist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen.
2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch im Hinblick auf die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung; er erfordert es, die notwendigen Ermittlungen mit der erforderlichen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten ohne vermeidbare und dem Staat zuzurechnende Verfahrensverzögerungen herbeizuführen (Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen).
3. Der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen beansprucht auch für das Zwischenverfahren nach §§ 199 ff. StPO sowie dann Geltung, wenn ein Haftbefehl wegen Strafhaft in anderer Sache nicht vollzogen wird und lediglich Überhaft vermerkt ist.
4. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer haben die Gerichte vorrangig auf objektive Kriterien wie die Komplexität der Rechtssache, die Vielzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung abzustellen.
5. An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft bereits andauert. Dieser Gedanke liegt auch der Regelung des § 121 StPO zugrunde, wonach die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig ist.
6. Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft steigen außerdem die Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen. Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich in einer Fortdauerentscheidung mit jeder der Voraussetzungen der Untersuchungshaft auseinanderzusetzen und diese bezogen auf den Einzelfall und auf den Zeitpunkt der Entscheidung zu begründen.
7. Die (zweite) Fortdauerentscheidung eines Oberlandesgerichts nach §§ 121, 122 StPO genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, wenn sie keine Ausführungen dazu enthält, dass trotz bereits seit zehn Monaten andauernder Untersuchungshaft und seit längerem bestehender Entscheidungsreife noch nicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden worden ist. Dies gilt insbesondere, wenn als einziger Beleg einer gerichtlichen Tätigkeit im Zwischenverfahren eine über mehrere Monate verzögerte Anfrage der Strafkammer an die Verteidiger wegen möglicher Hauptverhandlungstermine angeführt wird und eine Überlastung der Kammer bereits längerfristig absehbar war.
Hat eine Strafvollstreckungskammer dargelegt, dass von einem Beschwerdeführer aufgrund konkreter Umstände die Gefahr der Begehung weiterer schwerer Sexualstraftaten ausgeht, so überwiegt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit regelmäßig die mit dem Tragen einer „elektronischen Fußfessel“ für den Betroffenen verbundenen Beeinträchtigungen, so dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung zugunsten des Betroffenen nicht in Betracht kommt.