Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2011
12. Jahrgang
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1. Internetchat und Verbrechensverabredung. (BGHR)
2. Der Gesetzgeber hat durch das Änderungsgesetz vom 31. Oktober 2008 auch das sexuell aufreizende Posieren von Kindern als sexuelle Handlung im Sinne des § 184g Nr. 1 StGB erfasst. Hierzu zählen jedenfalls Vorgänge, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild einen eindeutigen Sexualbezug aufweisen. Für das Posieren in obszönen Stellungen ist indes die Sicht auf sexualbezogene Körpermerkmale des Kindes erforderlich. Dies ist bei Abbildungen vollständig bekleideter Kinder nicht der Fall.
3. Der Senat billigt pauschal die Ansicht des OLG Hamburg (NJW 2010, 1893), wonach schon derjenige es unternehme, sich den Besitz von kinderpornografischen Schriften zu verschaffen, der wissentlich und willentlich Seiten mit kinderpornografischem Inhalt aus dem Internet auf dem Bildschirm seines Computers ansieht. Zur objektiven und subjektiven Tatbestandserfüllung sei hingegen weder der Plan erforderlich, die Datei manuell abzuspeichern, noch das Wissen darum, dass die Datei möglicherweise im Cache automatisch abgespeichert wird.
4. Eine Strafbarkeit wegen Verabredung eines Verbrechens setzt die vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen voraus, an der Verwirklichung eines bestimmten Verbrechens mittäterschaftlich mitzuwirken. Dies schließt die Annahme einer Verabredung zwischen Personen, die sich lediglich über einen Tarnnamen in einem Internetchatforum kennen, nicht grundsätzlich aus. Um eine auf die Begehung eines intendierten Verbrechens bezogene bindende Verabredung annehmen zu können, ist jedoch in jedem Falle erforderlich, dass jeder Beteiligte in der Lage sein muss, bei dem jeweils anderen präsumtiven Mittäter die zugesagten verbrecherischen Handlungen auch einfordern zu können. In Fällen, in denen die verabredete Tat die gleichzeitige Präsenz der Mittäter bei Tatbegehung voraussetzt, ist eine verbleibende völlige Anonymität jedoch ausgeschlossen; deren spätere Auflösung muss daher Teil des konkreten Tatplans sein.
5. Wer sich zu einem Verbrechen verabredet hat (§ 30 StGB), muss, um nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB straflos zu sein, sein Vorhaben lediglich aufgegeben haben. Diese Willensänderung muss sich nicht nach außen erkennbar manifestiert haben.
1. Die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses richtet sich auch bei der Verabredung mehrerer Verbrechen für jeden Tatbeteiligten allein nach dessen Tathandlung(en) im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB und nicht danach, in welchem konkurrenzrechtlichen Verhältnis die verabredeten Taten im Falle ihrer Verwirklichung gestanden hätten. (BGHSt)
2. Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Beitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass dieser als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung
umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein; Durchführung und Ausgang der Tat müssen somit zumindest aus der subjektiven Sicht des Tatbeteiligten maßgeblich auch von seinem Willen abhängen. Dabei deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist. (Bearbeiter)
3. Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht in jedem Fall eine Mitwirkung am Kerngeschehen. Sie kann vielmehr auch durch eine nicht ganz untergeordnete Beteiligung an Vorbereitungshandlungen begründet werden, sofern der Tatbeitrag sich nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt. (Bearbeiter)
4. Ein unmittelbares Ansetzen zum Versuch liegt nur bei solchen Handlungen vor, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht. Dabei ist auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen. (Bearbeiter)
5. Das Stadium des Versuchs des gewerbs- und bandenmäßigen Nachmachens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion (§ 152b StGB) ist erst dann erreicht, wenn der Täter vorsätzlich und in der tatbestandsmäßigen Absicht mit der Fälschungshandlung an den Karten selbst beginnt. Das Anbringen einer Skimming-Apparatur an einem Geldautomaten in der Absicht, durch diese Daten zu erlangen, die später zur Herstellung von Kartendubletten verwendet werden sollen, stellt demgegenüber lediglich eine Vorbereitungshandlung zur Fälschung von Zahlungskarten dar. (Bearbeiter)
1. Ein Rücktritt vom (unbeendeten) Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. StGB setzt zunächst voraus, dass der Versuch nicht fehlgeschlagen ist. Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn der Taterfolg aus der Sicht des Täters mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt wird.
2. Dass der Angeklagte möglicherweise mit der räumlichen Trennung von seinem Gegner sein außertatbestandliches Handlungsziel für erreicht hielt und er deshalb davon Abstand genommen haben mag, ihn endgültig kampfunfähig zu machen, kann jedenfalls einen strafbefreienden Rücktritt weder wegen Fehlschlagens des Tötungsversuchs noch wegen Unfreiwilligkeit ausschließen (vgl. BGHSt 39, 221, 230 f.).
3. Zu den erforderlichen Feststellungen hinsichtlich der Vorstellungen des Täters bei einem Rückzug des Täters vom Tatort mit einer gezogenen Waffe.
1. § 21 StGB regelt, ebenso wie § 20 StGB, soweit er auf die Einsichtsfähigkeit abstellt, einen Fall des Verbotsirrtums. Fehlt dem Täter die Einsicht wegen seiner krankhaften seelischen Störung oder aus einem anderen in § 20 StGB benannten Grund, ohne dass ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann, so ist - auch bei an sich nur verminderter Einsichtsfähigkeit - nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anzuwenden.
2. § 21 StGB kann in den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann angewendet werden, wenn die Einsicht gefehlt hat und dies dem Täter vorzuwerfen ist.
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Die Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens eines der Wohnung von Menschen dienenden Gebäudes gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist bei der Brandlegung in einem einheitlichen, teils gewerblich, teils zu Wohnzwecken genutzten Gebäude erst vollendet, wenn ein zum Wohnen bestimmter selbständiger Teil des Gebäudes durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist.
2. Schutzobjekt des durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 neu gefassten § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist jede Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient. Geschützt ist die Wohnstätte des Menschen als der örtliche Mittelpunkt menschlichen Lebens (vgl. BGHSt 26, 121, 123). Aus dem auf das Wohnen bezogenen Schutzzweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB folgt, dass die Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens eines Wohngebäudes bei einer Brandlegung in einem einheitlichen, teils gewerblich, teils als Wohnung genutzten Gebäude erst dann verwirklicht ist, wenn (zumindest) ein zum selbständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes, d.h. eine zum Wohnen bestimmte abgeschlossene Untereinheit, durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist (vgl. BGHSt 48, 14, 18, 20; NStZ-RR 2007, 78; NStZ 2007, 270, 271; NStZ 2008, 519; NStZ 2010, 151, 152; anders noch BGH, Beschluss vom 29. September 1999 - 3 StR 359/99, NStZ 2000, 197). Dass das Feuer auf zu Wohnzwecken genutzte Teile des Gebäudes hätte übergreifen können, ändert nichts am fehlenden Eintritt des in § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB tatbestandlich vorausgesetzten Erfolgs und vermag daher die Annahme einer vollendeten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 StGB nicht zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 3 StR 442/09 aaO).
3. Der beabsichtigten Entscheidung steht der Beschluss des 2. Strafsenats vom 19. Juli 2007 - 2 StR 266/07 entgegen. Die Ausführungen in dem Urteil des 2. Strafsenats vom 17. November 2010 - 2 StR 399/10 (zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) sprechen aber dafür, dass nunmehr auch der 2. Strafsenat davon ausgeht, dass für die Vollendung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens erforderlich ist, dass Wohnräume von der Zerstörungswirkung der Brandlegung betroffen sind. Eine eindeutige Aufgabe des Beschlusses vom 19. Juli 2007 - 2 StR 266/07 ist ihnen indes nicht zu entnehmen.
1. Der Täter handelt nicht gewerbsmäßig im Sinne des § 146 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 StGB, wenn er sich eine Falschgeldmenge in einem Akt verschafft hat und diese Menge dann plangemäß in mehreren Teilakten in Verkehr bringt. (BGHR)
2. Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will. Liegt diese Absicht vor, ist bereits die erste Tat als gewerbsmäßig begangen einzustufen, auch wenn es entgegen den ursprünglichen Intentionen des Täters zu weiteren Taten nicht kommt. Eine Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Deliktsbegehung setzt daher schon im Grundsatz nicht notwendig voraus, dass der Täter zur Gewinnerzielung mehrere selbständige Einzeltaten der jeweils in Rede stehenden Art verwirklicht hat. Ob der Angeklagte gewerbsmäßig gehandelt hat, beurteilt sich vielmehr nach seinen ursprünglichen Planungen sowie seinem tatsächlichen, strafrechtlich relevanten Verhalten über den gesamten ihm anzulastenden Tatzeitraum (vgl. BGH NJW 2004, 2840, 2841; NStZ-RR 2006, 106, 107). Erforderlich ist dabei stets, dass sich seine Wiederholungsabsicht auf dasjenige Delikt bezieht, dessen Tatbestand durch das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit qualifiziert ist (vgl. BGH NJW 1996, 1069). (Bearbeiter)
1. Allein der Umstand, dass sich zwei Täter vor einer gemeinsam begangenen Tat mit anderen zu einer Bande zum Zweck der Begehung von Einbruchsdiebstählen zusammengeschlossen hatten, führt nicht ohne weiteres dazu, dass alle nachfolgenden Einbruchstaten eines Bandenmitglieds als bandenmäßig begangen einzustufen sind, und zwar auch dann nicht, wenn an der jeweiligen Tat ein weiteres Bandenmitglied beteiligt war.
2. Zwar kann nach vorheriger Bandenabrede eine von nur zwei Mitgliedern verübte Diebstahlstat als Bandentat zu qualifizieren sein, denn das für das Vorliegen einer Bande erforderliche dritte Mitglied muss nicht in die konkrete Tatbegehung eingebunden sein. Voraussetzung für die Annahme einer Bandentat nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a Abs. 1 StGB ist neben der Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds aber, dass die Einzeltat Ausfluss der Bandenabrede ist und nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der unmittelbar an dem Diebstahl beteiligten Bandenmitglieder ausgeführt wird.
3. Eine Bandenabrede lässt die allgemeinen Regeln über die Tatbeteiligung unberührt, daher sind Bandenmitgliedschaft und Beteiligung an Bandentaten unabhängig voneinander zu beurteilen.
4. Ein Diebstahl ist beendet, wenn der Dieb den Gewahrsam an den entwendeten Gegenständen nach den Umständen des Einzelfalls gefestigt und gesichert hat. Dies kann beim Abtransport eines Tresors schon der Fall sein, wenn er dem unmittelbaren Herrschaftsbereich des Berechtigten entzogen ist. Der Umstand, dass es den Tätern
auf den Inhalt des Tresors ankam und sie hierfür die Hilfe eines weiteren Angeklagten benötigten, ändert nichts daran, dass das noch vom Behältnis umschlossene Diebesgut bereits aus dem Einwirkungsbereich des Berechtigten entfernt ist.
1. Das mit nicht ganz unerheblicher Krafteinwirkung verbundene Festhalten des Opfers ist ebenso wie die Überwindung von geringfügiger Gegenwehr als Gewalt zu qualifizieren; ausreichend sein kann je nach den Umständen des Falles auch das Packen an der Hand, das auf das Bett Stoßen oder das sich auf das Opfer Legen bzw. der Einsatz überlegener Körperkraft.
2. Ein mittäterschaftliches Handeln des Nötigenden ist für die Zurechnung der Nötigungshandlung bei dem die sexuellen Handlungen ausübenden Täter weder bei § 177 Abs. 1 noch bei § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erforderlich.
3. Die im Vollzug des Geschlechtsverkehrs selbst liegende Körperverletzung des Opfers (üble und unangemessene Behandlung) geht zwar als notwendige, jedenfalls regelmäßige Erscheinungsform der Vergewaltigung in dieser auf. Sonstige Verletzungen, die der Täter dem Opfer beibringt, z. B. durch Schläge, rohe Griffe, Defloration, oder Folgen der Tat (Schockwirkung) fallen aber nicht unter die Gesetzeseinheit, denn sie sind kein Merkmal, das der Tatbestand des § 177 StGB begrifflich in sich schließt (BGH NJW 1963, 1683). Der Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB ist jedenfalls durch Defloration des Opfers erfüllt.
Erforderlich für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit ist, dass der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Um fang zu verschaffen; liegt ein solches Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig zu werten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 11. Oktober 1994 - 1 StR 522/94, NStZ 1995, 85; vom 27. Januar 1998 - 1 StR 702/97, NStZ 1998, 305, 306, und vom 11. Februar 2000 - 3 StR 308/99, NStZ 2000, 657, 660).
Tathandlung des § 238 Abs. 1 StGB ist das unbefugte Nachstellen durch beharrliche unmittelbare und mittelbare Annäherungshandlungen an das Opfer und näher bestimmte Drohungen. Der Begriff des Nachstellens umschreibt Handlungen, die darauf ausgerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annäherung an das Opfer in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen und dadurch seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen (vgl. BGHSt 54, 189, 193).