Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2008
9. Jahrgang
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
mit der November-Ausgabe publizieren wir insbesondere die Entscheidung des BGH im "Fall Claassen", die wesentliche Ausführungen zur Auslegung und Feststellung der Unrechtsvereinbarung umfasst. Die hoch problematische Entscheidung des 5. Strafsenats zur Ausdehnung der Konnexität beim Beweisantrag wird in einer Anmerkung von Fezer sehr kritisch besprochen. Adick arbeitet in seinem Beitrag zum "Gefährdungsnachteil" bei der Untreue die entstanden Divergenz unter den BGH-Senaten auf.
Insgesamt umfasst die Ausgabe 175 Entscheidungen - eine Rekordzahl für die HRRS.
Mit freundlichen Grüßen für die Redaktion
Dr. Karsten Gaede, Schriftleiter
1. Strafrechtliche Eingriffe in die Äußerungsfreiheit (Meinungsfreiheit) des Art. 10 EMRK sind nur zulässig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entsprechen. Auch vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen Ungarns ist ein solches dringendes Bedürfnis bei der schlichten Verwendung eines kommunistischen Propagandasymbols (hier: der „rote Stern“) nicht zu begründen. 2. Die Äußerungsfreiheit des Art. 10 EMRK schützt auch Äußerungen, die beunruhigen, schockieren oder stören. Der Einschränkungsvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 EMRK muss gerade im politischen Meinungskampf eng ausgelegt werden.
3. Beim Gebrauch mehrdeutiger Symbole, die auch für totalitäre Auffassungen stehen können, darf dem Äußernden nicht unterstellt werden, dass er das Symbol im Sinne einer Identifikation mit totalitären Auffassungen gebraucht. Es ist eine sorgfältige Prüfung der Äußerung in ihrem Kontext vorzunehmen. Eine Strafnorm, die den Gebrauch mehrdeutiger Symbole pauschal untersagt, ist deshalb zu weitgehend, zumal eine einschränkende Auslegung, die nach der jeweiligen Bedeutung des Symbols unterscheidet, nicht zufrieden stellen kann: Die Unterscheidung würde so unsicher sein, dass ein Einschüchterungseffekt („chilling effect“) und Selbstzensur nicht zu vermeiden wären.
4. Einschränkungen von Menschenrechten dürfen nicht ausschließlich auf gefühlsmäßiger Ablehnung eines Verhaltens beruhen. Die demokratische Gesellschaft muss in ihrem Urteil rational bleiben. Die Äußerungsfreiheit darf nicht wegen befürchteter Gegenreaktionen von vornherein suspendiert sein.
5. Nur bei totalitaristisch motivierter, zum Beispiel nationalsozialistischer Propaganda kann die Berufung auf die Äußerungsfreiheit des Art. 10 EMRK gemäß Art. 17 EMRK wegen Missbrauchs ausgeschlossen werden.
1. Die Jahresfrist in § 93 Abs. 3 BVerfGG für eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz beginnt nicht neu zu laufen, wenn der Gesetzgeber lediglich eine Norm neu fasst und mit der Neufassung ein neuer, den Antragsteller belastender Regelungsgehalt nicht geschaffen worden ist (vorliegend § 100f StPO).
2. Eine unmittelbar gegen ein vollziehungsbedürftiges Gesetz gerichtete Verfassungsbeschwerde ist dann ausnahmsweise zulässig, wenn nicht gewährleistet ist, dass der Beschwerdeführer mindestens nachträglich innerhalb eines absehbaren Zeitraums Kenntnis von der Maßnahme erhält und wenn er darlegt, dass er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die auf den angegriffenen Rechtsnormen beruhenden Maßnahmen in seinen Grundrechten berührt wird (vgl. BVerfGE 67, 157, 169 f.; 109, 279, 307 f.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Maßnahme auf einen tatbestandlich eng umgrenzten Personenkreis zielt oder ob sie eine große Streubreite hat und Dritte auch zufällig erfassen kann (vgl. BVerfGE 109, 279, 308). (Vorliegend für § 110 Abs. 3 StPO verneint, für die §§ 100a Abs. 4 StPO und § 160a StPO bejaht.)
3. Kann nicht festgestellt werden, dass die Verfassungsbeschwerden von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind, muss also insoweit der Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens als offen angesehen werden, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerden später aber Erfolg hätten, gegen die Nachteile abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, den Verfassungsbeschwerden aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 117, 126, 135; stRspr).
4. Schafft der Gesetzgeber nachträglich zur Beschränkung von strafprozessualen Eingriffsbefugnissen Vorschriften, die den Schutz bestimmter Rechte bezwecken und existierten bisher weder Vorschriften noch eine gefestigte Rechtsprechung, die ein vergleichbares Schutzniveau gegen die Eingriffsbefugnisse gewährleisten, so kommt auf Grundlage der Rüge eines verfassungsrechtlich ungenügenden Schutzniveaus eine einstweilige Anordnung durch das BVerfG nur in Ausnahmefällen in Betracht. (Vorliegend verneint für den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung in § 100a Abs. 4 StPO und das Zeugnisverweigerungsrecht in § 160a Abs. 2 StPO.)
1. Die Erneuerung eines abgelehnten Antrags i.S.d. § 32 BVerfGG ist dann zulässig, wenn sie nicht nur in dessen bloßer Wiederholung besteht, sondern auf neue Gründe gestützt ist (vgl. BVerfGE 4, 110, 113).
2. Die Übermittlung von Daten gemäß § 113b Satz 1 Nr. 1 TKG zu Zwecken der Strafverfolgung ist bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nach Maßgabe der Entscheidung des Senats vom 11. März 2008 weiterhin zu beschränken. An den für die Folgenabwägung maßgeblichen Gesichtspunkten hat sich in der Sache nichts geändert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08, Rn. 152 bis 176).
3. Zu den einstweilen anzuwendenden Voraussetzungen für eine zulässige Datenübermittlung durch den Telekommunikationsanbieter von nach § 113a TKG gespeicherten Daten für Zwecke der Gefahrenabwehr, des Verfassungsschutzes, des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes.
1. Durch die Auslegung des § 216 StGB in der Weise, dass das Tötungsverlangen das „handlungsleitende“ Motiv des Täters gewesen sein müsse, um ihm die Privilegierung der Tötung auf Verlangen zubilligen zu können, wird der Beschuldigte nicht in verfassungswidriger Weise
gezwungen, sich selbst zu belasten, denn die Feststellung der Motivationslage des Täters ist nicht allein durch dessen geständige Einlassung möglich.
2. Die absolute Androhung einer bestimmten Strafe – wie der lebenslänglichen Freiheitsstrafe in § 211 Abs. 1 StGB - ist abstrakt betrachtet nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn dem Richter von Gesetzes wegen die Möglichkeit offen bleibt, bei der Subsumtion konkreter Fälle unter die abstrakte Norm zu einer schuldangemessenen Strafe zu kommen. Ebenso ist die Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe in konkreten Fall nur dann verhältnismäßig, wenn der zu Grunde liegenden Tat das Merkmal einer besonderen Verwerflichkeit anhaftet.
3. Die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass eine nicht in diesem Sinne besonders verwerfliche Tat auch nicht zu einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe auf der Grundlage des § 211 StGB führt, ist eine Frage der Auslegung der Strafgesetze und obliegt daher den zuständigen Strafgerichten. Das Bundesverfassungsgericht prüft allein, ob den Strafgerichten nach dem anzuwendenden Strafgesetz hierfür ein hinreichender Spielraum verbleibt, ob die Rechtsanwendung der Fachgerichte im konkreten Fall gegen das Willkürverbot verstößt und ob eine verhängte lebenslange Freiheitsstrafe von Verfassungs wegen schuldangemessen und verhältnismäßig ist.
4. Die Strafvorschrift des § 211 StGB ist als solche mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem verfassungsrechtlichen Schuldprinzip auch insofern vereinbar, als danach mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft wird, wer zur Befriedigung des Geschlechtstriebs oder um eine andere Straftat zu ermöglichen einen Menschen tötet.
5. Der verfassungsrechtliche Schutz der Selbstbelastungsfreiheit darf nicht dadurch entwertet werden, dass der Beschuldigte befürchten muss, sein Schweigen werde später bei der Beweiswürdigung zu seinem Nachteil verwendet.
1. Das Bundesverfassungsgericht prüft in Auslieferungsverfahren, ob die Rechtsanwendung oder das dazu eingeschlagene Verfahren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht. Hierbei macht eine fehlerhafte Auslegung eines Gesetzes für sich allein eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet wird.
2. Art. 54 SDÜ ist nach dem Verständnis des EuGH auf gerichtliche oder behördliche Entscheidungen anwendbar, mit denen die Strafverfolgung in einem Mitgliedsstaat endgültig beendet wird, nicht aber für eine Entscheidung, die nicht im Strafverfahren, sondern im Auslieferungsverfahren ergeht.
3. Der EuGH ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht überprüft jedoch nur, ob die Regeln zu seiner Anrufung im Wege der Vorabentscheidung gemäß § 234 EG in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt worden sind. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts beziehungsweise des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des EuGH noch nicht vorliegt, die vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet hat oder eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des EuGH nicht nur als entfernte Möglichkeit erscheint.
4. Das Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG greift nur im sachlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts; der Auslieferungsverkehr mit Drittstaaten ist aber keine Materie, die in dessen sachlichen Anwendungsbereich fällt.
1. Die Bezeichnung der Farben der Fahne der Bundesrepublik Deutschland als „Schwarz-Rot-Senf“ fällt in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. In der Bestrafung wegen dieser Äußerung liegt ein Eingriff in dieses Grundrecht.
2. Gegen den die Meinungsfreiheit einschränkenden Straftatbestand des § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken prinzipieller Art (vgl. BVerfGE 81, 278, 290, 293).
3. In öffentlichen Angelegenheiten gilt die Vermutung zugunsten der freien Rede (vgl. BVerfGE 7, 198, 208; stRspr). Die Bürger sind rechtlich nicht gehalten, die Wertsetzungen der Verfassung persönlich zu teilen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht. Die Bürger sind grundsätzlich auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen oder die Änderung tragender Prinzipien zu fordern. Die plurale
Demokratie des Grundgesetzes vertraut auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich mit Kritik an der Verfassung auseinander zu setzen und sie dadurch abzuwehren (vgl. BVerfGK 2, 1, 5).
4. Staatliche Symbole genießen nur insoweit verfassungsrechtlichen Schutz, als sie im jeweiligen Kontext versinnbildlichen, was die Bundesrepublik Deutschland grundlegend prägt (vgl. BVerfGE 81, 278, 294). Hierbei kommt es auf die Bedeutung der Äußerung in ihrem Zusammenhang an. Dabei darf der Symbolschutz nicht zur Immunisierung des Staates gegen Kritik und selbst gegen Ablehnung führen (vgl. BVerfGE 81, 278, 294).
5. Bei einer Verurteilung wegen eines Äußerungsdeliktes nach § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB müssen sich die Gerichte damit auseinander setzen, ob die Äußerung in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit fällt und, dass dieses Grundrecht für die Auslegung und Anwendung von § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB Bedeutung hat. Dazu bedarf es im Urteil Ausführungen, inwieweit es sich um eine böswillige Verächtlichmachung handelt, die über eine – Systemkritik einschließende – Polemik hinausgeht und die im konkreten Fall symbolisch in Frage stellt, was die Bundesrepublik Deutschland grundlegend prägt, als auch Erwägungen zur verfassungsrechtlich gebotenen fallbezogenen Abwägung zwischen der Schwere der Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit durch die Verurteilung einerseits und dem Grad der Beeinträchtigung des von § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB geschützten Rechtsguts durch die Äußerung andererseits.
1. Über die in § 140 Abs. 2 StPO genannten Voraussetzungen hinaus ist die Bestellung eines Verteidigers von Verfassungs wegen stets dann erforderlich, wenn seine Mitwirkung aus sonstigen Gründen rechtsstaatlich geboten ist (vgl. BVerfGE 63, 380, 391). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Würdigung aller Umstände das Vorliegen eines „schwerwiegenden Falles“ ergibt und der Beschuldigte die Kosten eines gewählten Verteidigers nicht aufzubringen vermag (vgl. BVerfGE 46, 202, 210 f.; 63, 380, 391). Ob es sich um einen schwerwiegenden Fall handelt, ist maßgeblich aus der Interessenlage des Beschuldigten heraus zu beurteilen, dessen Schutz das Gebot fairer Verfahrensführung und seine durch § 140 Abs. 2 StPO erfolgten Konkretisierungen vornehmlich bezwecken (vgl. BVerfGE 46, 202, 210 f.).
2. Entscheidendes Kriterium für die Notwendigkeit der Bestellung eines Verteidigers im Vollstreckungsverfahren ist die Schwierigkeit des Verfahrens. Für deren Bestimmung zu berücksichtigende Kriterien sind die bisherige Dauer freiheitsentziehender Maßnahmen (vgl. BVerfGK 6, 326, 332), die Dauer der noch ausstehenden Restfreiheitsstrafe (vgl. BVerfGE 86, 288, 338), oder dass es bei Besonderheiten und Schwierigkeiten im Diagnose- und Prognosebereich als evident erscheint, dass sich der Verurteilte angesichts einer Erkrankung nicht selbst verteidigen kann (vgl. BVerfGE 70, 297, 323; BVerfGK 6, 326, 331). Allein der Umstand, dass der Verurteilte zusätzlich eine Alkoholtherapie anstrebt, reicht nicht aus.
1. Zur zulässigen Erhebung der Verfassungsbeschwerde muss der Beschwerdeführer einen Sachverhalt vortragen, der die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung erkennen lässt und dem Bundesverfassungsgericht eine verfassungsrechtliche Beurteilung ermöglicht. Eine nähere Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung gehört zur notwendigen Begründung der Verfassungsbeschwerde nur insoweit, als sie erforderlich ist, um erkennbar zu machen, inwiefern der Beschwerdeführer sich in seinen Grundrechten verletzt sieht. Eine zutreffende rechtliche Einordnung des Geschehens ist dem Beschwerdeführer darüber hinaus nicht abverlangt.
2. Sehen prozessrechtliche Vorschriften ein Rechtsmittel vor, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG den Gerichten eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert. Unter anderem darf einem Rechtsschutzsuchenden der Zugang zu einer gerichtlichen Sachentscheidung nicht aufgrund einer Auslegung seines Rechtsschutzgesuchs verwehrt werden, die dem erkennbar verfolgten Rechtsschutzziel zuwiderläuft.
1. Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dies verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und
Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen. Art. 103 Abs. 2 GG sorgt zugleich dafür, dass im Bereich des Strafrechts nur der Gesetzgeber abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet.
2. Für die Rechtsprechung folgt aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit ein Verbot strafbegründender oder strafverschärfender Analogie. Dabei ist Analogie nicht im engeren technischen Sinne zu verstehen. Ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Der mögliche Wortsinn markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation.
3. Die Verwendung des Begriffs der verdeckten Gewinnausschüttung in § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist auch insoweit – nämlich gemessen am Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG – verfassungsrechtlich unbedenklich, als hieran vermittelt über § 370 AO strafrechtliche Sanktionen geknüpft sind. Denn der Gesetzgeber hat an diesem Begriff vor dem Hintergrund einer langjährigen einheitlichen Rechtsprechung zu seiner Definition festgehalten, wonach eine verdeckte Gewinnausschüttung in diesem Sinne eine Vermögensminderung ist, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.
4. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Die Entscheidung eines Gerichts, an der zuvor erfolglos abgelehnte Richter mitwirken, verletzt den Anspruch auf den gesetzlichen Richter jedoch nicht schon dann, wenn das Ablehnungsgesuch infolge fehlerhafter Anwendung einfachen Rechts zurückgewiesen worden sein sollte, sondern erst, wenn diese Zurückweisung auf willkürlichen Erwägungen beruht.
5. Von Verfassungs wegen ist es nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte der Entscheidung über ein Befangenheitsgesuch den Maßstab zugrundelegen, dass die Mitwirkung an Zwischenentscheidungen wie der Verkündung und Aufrechterhaltung eines Haftbefehls grundsätzlich nicht die Ablehnung der beteiligten Richter rechtfertigt, soweit diese Entscheidungen nicht ihrerseits völlig abwegig sind oder den Anschein der Willkür erwecken.
1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Ablehnungsrecht wegen der Besorgnis der Befangenheit jedenfalls mit Erlass der Entscheidung in der Hauptverhandlung nach § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO erlischt. Für Verfahren, in denen die abschließende Entscheidung außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, ist eine großzügigere Handhabung, die ein Ablehnungsrecht auch nach Erlass der Entscheidung einräumt, von Verfassungs wegen nicht geboten.
2. Die Namhaftmachung der zur Mitwirkung bei der Entscheidung berufenen Gerichtspersonen nach § 24 Abs. 3 Satz 2 StPO konkretisiert den Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Aufhebung einer Entscheidung im Verfassungsbeschwerdeverfahren wegen eines Verstoßes gegen diese Vorschrift und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG kommt aber nur dann in Betracht, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die vorherige Namhaftmachung im Ergebnis zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung geführt hätte; nur dann beruht die Entscheidung auf dem Gehörsverstoß (vgl. BVerfGE 7, 239, 241; 13, 132, 145).
1. Der Rechtsbehelf der Anhörungsrüge nach § 33a StPO, § 120 Abs. 1 StVollzG gehört zum Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 BVerfGG. Legte der Beschwerdeführer einen solchen Rechtsbehelf nicht ein, ist seine Verfassungsbeschwerde nicht nur hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, sondern insgesamt unzulässig.
2. Rügt ein Beschwerdeführer im Rahmen einer Rechtsbeschwerde nach § 116 Abs. 1 StVollzG substantiiert die Verletzung des rechtlichen Gehörs und wird diese Beschwerde, ohne auf die Rüge einzugehen, als unzulässig verworfen, deutet dieser Umstand darauf hin, dass das Oberlandesgericht den Vortrag des Beschwerdeführers nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und erwogen (vgl. BVerfGE 18, 380, 383) und dadurch seinerseits den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat.
1. Die Feststellung, Speicherung und (künftige) Verwendung eines DNA-Identifizierungsmusters greifen in das
durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein (vgl. BVerfGE 103, 21, 32 f.).
2. Die Gerichte sind bei der Auslegung und Anwendung des § 81g StPO gehalten, die Bedeutung und Tragweite des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung angemessen zu berücksichtigen. In den Fällen des § 81g Abs. 1 Satz 2 StPO setzt eine Anordnung der Maßnahme daher voraus, dass das Gericht einzelfallbezogen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darlegt, warum die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichsteht.
3. Zwar wird in den Fällen des § 81g Abs. 1 Satz 2 StPO keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall gefordert. Allein die Annahme, eine Rückfallgefahr eines vor langer Zeit verurteilten Betroffenen sei „nicht sicher auszuschließen“, kann indes einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht rechtfertigen. Es bedarf vielmehr positiver, auf den Einzelfall bezogener Gründe für die Annahme der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten, für die das DNA-Identifizierungsmuster einen Aufklärungsansatz durch einen (künftigen) Spurenvergleich bieten kann. Eine bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts reicht nicht aus (vgl. BVerfGE 103, 21, 35 ff.).
4. Eine rechtliche Bindung an eine von einem anderen Gericht zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung getroffene Sozialprognose besteht bei der Entscheidung nach § 81g Abs. 1 StPO nicht. Jedoch sind im Rahmen der Gefahrenprognose im Sinne des § 81g Abs. 1 StPO Umstände in den Abwägungsvorgang einzustellen, die gleichermaßen bei einer Sozialprognose für die Strafaussetzung zur Bewährung bestimmend sein können (Rückfallgeschwindigkeit, Zeitablauf, Verhalten in der Bewährungszeit oder Straferlass). Aufgrund des nach dem Gesetz unterschiedlichen Prognosemaßstabes kann die Annahme einer Wiederholungsgefahr im Sinne von § 81g StPO indes - im Einzelfall - auch dann gerechtfertigt sein, wenn zuvor eine Strafaussetzung zur Bewährung erfolgt war. In Fällen gegenläufiger Prognosen durch verschiedene Gerichte entsteht indes regelmäßig ein erhöhter Begründungsbedarf für die nachfolgende gerichtliche Entscheidung (vgl. BVerfGE 103, 21, 35 ff.).
1. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der den Vollzug der Untersuchungshaft in besonderem Maße beherrschen muss, gebietet bei der Auslegung und Anwendung des § 119 Abs. 3 StPO eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles. Beschränkungen sind danach nur zulässig, wenn sie erforderlich sind, um eine reale Gefahr für die dort genannten öffentlichen Interessen abzuwehren, und dieses Ziel nicht mit weniger eingreifenden Maßnahmen erreicht werden kann. Für eine solche Gefahr müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen.
2. Gestützt auf § 119 Abs. 3 StPO kommen besondere Sicherungsmaßnahmen namentlich in Betracht, wenn nach dem Verhalten des Gefangenen oder aufgrund seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr, die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr der Selbsttötung oder Selbstbeschädigung besteht. 3. Die fachgerichtliche Überprüfung grundrechtseingreifender Maßnahmen kann die rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten materiellen Rechte nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht. Das Rechtsstaatsprinzip, die materiell berührten Grundrechte und das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG sind verletzt, wenn Maßnahmen im Haftvollzug von den Gerichten ohne zureichende Sachverhaltsaufklärung als rechtmäßig bestätigt werden.
4. Bei der prognostischen Einschätzung der Gefährdungslage gemäß § 119 Abs. 3 StPO, Nr. 62 UVollzO wird der Vollzugsbehörde ein Beurteilungsspielraum zugebilligt, in dessen Rahmen sie bei Achtung der Grundrechte des Gefangenen eine von mehreren Entscheidungen treffen kann, die gleichermaßen rechtlich vertretbar sind. Dies entbindet die Gerichte jedoch nicht von ihrer rechtsstaatlich fundierten Prüfungspflicht, die in der Untersuchungshaft besonders strikt zu beachtende Verhältnismäßigkeit der getroffenen Anordnungen beurteilen zu können.
5. Genehmigt der Richter fernmündlich eine dringende Sicherheitsmaßnahme im Untersuchungshaftvollzug, so ist diese Genehmigung unverzüglich schriftlich niederzulegen und dem Betroffenen oder dessen Bevollmächtigtem bekannt zu geben.
6. Gibt der Vortrag des Beschwerdeführers Anlass, zu prüfen, ob die Beschwerde darüber hinaus auch auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der verfahrensgegenständlichen Maßnahmen für die Vergangenheit zielte, so verletzt das Unterlassen einer entsprechenden Prüfung den Anspruch des Beschwerdeführer auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG.
1. Es existiert kein verfassungsrechtlicher Grundsatz,
dass die Dauer einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die Dauer einer zugleich verhängten Freiheitsstrafe nicht überschreiten dürfe.
2. Die Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist auch dann zulässig, wenn sie allein oder vorrangig den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit dient. Die hinreichend konkrete Aussicht eines wenigstens zeitweiligen Therapieerfolges ist bei der Unterbringung gemäß § 63 StGB keine verfassungsrechtlich gebotene Voraussetzung.