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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2007
8. Jahrgang
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1. Auch eine nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ist nur auf die Verfahrensrüge hin zu prüfen, wenn das Urteil erneut zugestellt werden musste und der Revisionsführer dadurch die Möglichkeit hatte, die ihm bekannte Verzögerung innerhalb der neu in Gang gesetzten Frist des § 345 Abs. 1 StPO geltend zu machen. (BGH)
2. Will der Beschwerdeführer die Verletzung des Beschleunigungsgebotes geltend machen, erfordert dies grundsätzlich die Erhebung einer Verfahrensrüge. (Bearbeiter)
3. Zwar kann für Verzögerungen nach Urteilserlass ein Eingreifen des Revisionsgerichtes von Amts wegen geboten sein; dies gilt jedoch nur, wenn und insoweit der Angeklagte diese Gesetzesverletzung nicht form- und fristgerecht rügen konnte, weil die Verzögerung erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetreten ist. (Bearbeiter)
1. Die Verhandlungsführung eines Vorsitzenden gibt nicht schon dann Anlass, dessen Befangenheit zu besorgen, wenn er dem Angeklagten in nachdrücklicher Form Vorhalte macht, auf das nach dem gegebenen Sachstand zu erwartende Verfahrensergebnis hinweist oder die Bedeutung eines Geständnisses für die Strafzumessung hervorhebt.
2. Die Frage eines Vorsitzenden an einen die Tat bestrei-
tenden oder schweigenden Angeklagten, wie lange er sich das sichtbare Leiden eines Belastungszeugen „noch anhören“ wolle, kann je nach den Umständen auch bei einem verständigen Angeklagten den Eindruck erwecken, dass der Vorsitzende ihn zu einem Geständnis drängen will, weil er von seiner Schuld überzeugt ist. Die Gefahr eines solchen Verständnisses seiner Frage kann der Vorsitzende jedoch ausschließen, indem er die Frage ausdrücklich unter den Vorbehalt etwa gegebener Schuld stellt.
1. Erhebt der Revisionsführer die Sachrüge mit der Beanstandung, der Tatrichter habe bei der Strafzumessung eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung nicht berücksichtigt, so ist seine Rüge als Verfahrensrüge auszulegen.
2. Die Verfahrensrüge der Nichtberücksichtigung eines rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ist hinsichtlich der Begründungsanforderungen zulässig erhoben (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), wenn sich aus der Revisionsbegründung im Zusammenhang mit den Feststellungen des Urteils die Tatsachen ergeben, aus denen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung folgt.
3. Für einen Hang im Sinne des § 64 StGB ist eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit nicht erforderlich. Vielmehr genügt eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren, ohne dass der Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht sein muss.
1. Bei - jedenfalls nicht von langer Hand geplanten - Tötungsdelikten erweist es sich, insbesondere im Bereich des Jugendstrafrechts, in der Mehrzahl der Fälle als sachgerecht, einen psychiatrischen Sachverständigen beizuziehen. Daher ist insoweit eine fehlende oder nur knappe, allein auf gerichtliche Sachkunde gestützte Begründung für das Vorliegen uneingeschränkter Schuldfähigkeit schon sachlich-rechtlich nicht unbedenklich. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch Nichthinzuziehung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit liegt regelmäßig nicht fern (vgl. BGH NStZ 2006, 49; BGH, Beschluss vom 29. November 2006 - 5 StR 329/06).
2. Einzelfall fallbezogener Besonderheiten, die eine psychiatrische Begutachtung bei einem Heranwachsenden zusätzlich nahe legten.
In Kapitalstrafsachen besteht in der Mehrzahl der Fälle, zumal im Bereich der Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht, - wenn nicht ein länger geplantes, wenngleich verwerfliches, so doch rational nachvollziehbar motiviertes Verbrechen vorliegt - Anlass, rechtzeitig im Vorfeld der Hauptverhandlung einen psychiatrischen Sachverständigen mit der Erstattung eines Gutachtens zur Schuldfähigkeit zu betrauen.
1. Ein Zeuge kann sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nehmen und zugleich über seinen Rechtsanwalt erklären lassen, er sei mit der Verwertbarkeit seiner früheren nichtrichterlichen Vernehmung einverstanden (BGHSt 45, 203, 205 ff.; StV 2007, 401, 402 m.w.N.). Dieser Verzicht auf das Verwertungsverbot muss nicht notwendig in der Hauptverhandlung erklärt werden. Entscheidend ist, dass er eindeutig erklärt wird und sich der Zeuge zur Überzeugung des Gerichts darüber klar ist, dass ohne seine Zustimmung die in Rede stehende nichtrichterliche Vernehmung nicht verwertet werden könnte.
2. Erklärt ein, zumal anwaltlich vertretener, Zeuge schriftlich oder durch seinen Rechtsanwalt im Zusammenhang mit der Berufung auf sein Aussageverweigerungsrecht, er sei mit der Verwertung seiner früheren, z.B. vor der Polizei gemachten Aussagen einverstanden, folgt hieraus in der Regel die Kenntnis des Zeugen, dass ohne seine Einverständniserklärung auf die früheren Aussagen nicht zurückgegriffen werden könnte (BGH StV 2007, 401, 402). Bleibt dagegen zweifelhaft, dass der
Zeuge all dies erfasst hat, muss das Gericht sein Erscheinen in der Hauptverhandlung veranlassen. Der Zeuge ist dann gerichtlich, ebenso wie über sein Aussageverweigerungsrecht auch über die Rechtslage im Übrigen, insbesondere über das mit seiner Aussageverweigerung sonst notwendig verbundene Verwertungsverbot hinsichtlich der nichtrichterlichen Vernehmung zu belehren. All dies ist dann ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung und als solcher auch im Protokoll festzuhalten.
3. Ein Zeuge, dem schon anderweit bekannt ist, dass ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, kann sich auch ohne ausdrückliche Belehrung wirksam auf dieses Recht berufen. Dies kann schriftlich erfolgen (BGHSt 21, 12 f.), aber auch durch Erklärung des anwaltlichen Beistands in der Hauptverhandlung.
4. Beruft sich der Zeuge außerhalb der Hauptverhandlung auf sein Aussageverweigerungsrecht, hat das Gericht regelmäßig keine Veranlassung, gleichwohl auf seinem Erscheinen in der Hauptverhandlung zu bestehen (BGHSt 21, 12 f.). Allerdings kann sich im Einzelfall anderes aus der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) ergeben, etwa bei konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der Zeuge über die Tragweite seiner Erklärung irrt (vgl. BGHSt 21, 12), oder z.B. dafür, dass der Zeuge bei Abwesenheit des Angeklagten (§§ 247, 247a StPO) oder Ausschluss der Öffentlichkeit (§§ 171b, 172 Nr. 4 GVG) doch aussagen werde (BGH NStZ 1999, 94 f.).
§ 356a StPO dient nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutreffende Behauptung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG doch noch Geltung zu verschaffen.
Dass abgelehnte Schöffen sich über den in dem Ablehnungsgesuch geltend gemachten Ablehnungsgrund nicht dienstlich geäußert haben, steht einer Überprüfung der Entscheidung des Landgerichts über das Ablehnungsgesuch durch das Revisionsgericht (nach Beschwerdegrundsätzen) nicht entgegen. Zwar ist eine solche dienstliche Äußerung gemäß § 26 Abs. 3 StPO, der gemäß § 31 Abs. 3 für Schöffen entsprechend gilt, grundsätzlich erforderlich. Ihr Fehlen ist aber dann unschädlich, wenn der zu beurteilende Sachverhalt eindeutig feststeht. Eine Äußerung des abgelehnten Schöffen ist, ebenso wie die eines abgelehnten Richters, nur zu Tatsachen erforderlich.
1. Stützt der Tatrichter seine Überzeugung von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen auch auf die Konstanz seiner Aussagen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung, so bedarf es einer umfassenden Darlegung der jeweiligen Angaben des Zeugen in den Urteilsgründen, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Konstanz der Aussagen zu ermöglichen.
2. Wenn ein Zeuge zu einem im Zusammenhang stehenden gewichtigen Geschehen ersichtlich die Unwahrheit erzählt hat, bedarf es der nachvollziehbaren Begründung, weshalb ihm gleichwohl für das weitere Geschehen die Glaubwürdigkeit zugebilligt wird.
Eine Auslieferungsbewilligung umfasst ohne nähere Beschränkung grundsätzlich die gesamte Tat im Sinne des § 264 StPO (vgl. BGH NStZ 2003, 68; NStZ-RR 2000, 333).
Da ein Wahlverteidiger, anders als ein gerichtlich bestellter Verteidiger, Betragsrahmengebühren erhält, innerhalb derer unterschiedliche Umstände weitgehend berücksichtigt werden können, ist wesentlich seltener als bei der Vorschrift für die Pflichtverteidigervergütung (§ 51 RVG) Unzumutbarkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 RVG anzunehmen (BGH, Beschluss vom 3. April 2007 - 3 StR 486/06 m.N.). Dabei bestimmt sich die Zumutbarkeit der gesetzlich vorgesehenen Gebühren vor allem nach der vom Antragsteller selbst entfalteten Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2007 - 1 StR 579/05).