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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2007
8. Jahrgang
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1. Ein gegenwärtiger Angriff wird nicht nur angenommen, wenn der Angriff beginnt, sondern schon dann, wenn er unmittelbar bevorsteht. Zu den erforderlichen Verteidigungsmaßnahmen berechtigt nicht erst die Verletzungshandlung selbst, sondern bereits ein Verhalten des Gegners, das unmittelbar in eine Rechtsgutverletzung umschlagen kann, so dass durch das Hinausschieben der Abwehrhandlung entweder deren Erfolg gefährdet würde oder der Verteidiger das Wagnis erheblicher eigener Verletzungen auf sich nehmen müsste (BGHR StGB § 32 Abs. 2 Angriff 1).
2. Die Mittäterschaft ist im Wege einer gebotenen wertenden Betrachtung aller Umstände zu prüfen, die sich nicht vorschnell auf eine sukzessive Begehungsweise verengen darf. Insbesondere eine zugesagte gegenseitige Unterstützung und Schützenhilfe ist zu berücksichtigen.
Kommt dem Gedanken des Angeklagten, einen zurückgetretenen, körperlich nicht überlegenen Geschädigten von einem weiteren Angriff abzuhalten, für dessen Bevorstehen konkrete Anhaltpunkte nicht gegeben waren, bei der Tat eine allenfalls völlig untergeordnete Bedeu-
tung zu, liegt hier kein für die Rechtfertigung durch Notwehr erforderlicher Verteidigungswille.
Eine erhalten gebliebene Erinnerung an das Tatgeschehen kann nur eingeschränkt als Anhaltspunkt für intaktes Steuerungsvermögen herangezogen werden (BGHR StGB § 20 Bewusstseinsstörung 5). Es handelt sich nur um einen von vielen Aspekten, die als Indizien - nicht als Ausschlusskriterien - im Rahmen einer Gesamtbetrachtung für und gegen die Annahme eines schuldrelevanten Affekts sprechen können (vgl. BGHR StGB § 20 Bewusstseinsstörung 3 und 5; BGHR StGB § 21 Affekt 4 bis 6).
1. Von § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB sind grundsätzlich alle Gegenstände erfasst, die als Mittel zur Überwindung des Widerstands des Tatopfers mittels Gewalt oder Drohung geeignet sind, also auch so genannte Scheinwaffen, das heißt Gegenstände, die objektiv ungefährlich sind und deren Verletzungstauglichkeit lediglich vorgetäuscht wird.
2. Erfasst sind jedoch nur solche Gegenstände, die unter den konkreten Umständen ihrer geplanten Anwendung aus der Sicht des Täters ohne weiteres geeignet sind, bei dem Opfer den Eindruck hervorzurufen, der Gegenstand könne zur Gewaltanwendung verwendet werden und deshalb gefährlich sein. Jedenfalls dann, wenn der Gegenstand schon nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich ist und deshalb nicht geeignet ist, mit ihm - etwa durch Schlagen, Stoßen, Stechen oder ihn ähnlicher Weise - auf den Körper eines anderen in erheblicher Weise einzuwirken, kommt eine Anwendung des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b nicht in Betracht. Bedient sich der Täter eines solchen Gegenstandes bei der Tat zur ausdrücklichen oder konkludenten Drohung, so steht die Täuschung so sehr im Vordergrund seiner Anwendung, dass die Qualifizierung als Werkzeug oder Mittel im Sinne dieser Bestimmung verfehlt wäre. (Aufrechterhaltung der "Labello-Rechtsprechung" zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F.).
3. In welchem Verhältnis die Elemente des Einsatzes eines Gegenstandes und der Täuschung wirksam werden, kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein. Grenzfälle sind unvermeidbar, so dass sich allgemeine Abgrenzungsmaßstäbe, die allen denkbaren Fallgestaltungen voll gerecht werden, kaum finden lassen. Jedenfalls wird aber regelmäßig davon auszugehen sein, dass bei Verwendung eines objektiv ersichtlich ungefährlichen Gegenstandes, den das Opfer nicht oder nur unzureichend sinnlich wahrnehmen kann (und soll), das Täuschungselement im Vordergrund steht.
4. Die Beurteilung des äußeren Erscheinungsbildes eines Gegenstandes hat aus der Sicht eines objektiven Betrachters zu erfolgen.
5. Es genügt, dass der Täter eines Raubes ein sonstiges Mittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB erst nach der Wegnahmehandlung bei sich geführt hat, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt zu verhindern oder zu unterbinden.
Die Tatbestandsvariante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ("mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs") setzt voraus, dass die Körperverletzung durch ein von Außen auf den Körper des Tatopfers einwirkendes gefährliches Tatmittel verursacht wird. Zwar ist ein fahrendes Kraftfahrzeug, das zur Verletzung einer Person eingesetzt wird, als ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Bestimmung anzusehen. Das fahrende Kraftfahrzeug muss die Körperverletzung jedoch hierzu durch eine Einwirkung auf den Körper des Opfers verursachen. Eine Verletzung, die durch einen Sturz aus dem Kraftfahrzeug infolge eines Auffahrens verursacht wird, genügt nicht.
Zwar liegt es bei besonders gefährlichen Verhaltensweisen wie einem - zumal mit erheblicher Wucht - geführten Stich in die Brustgegend, nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, und dies, wenn er gleichwohl von der Tat nicht Abstand nimmt, auch billigend in Kauf nimmt. Anders liegt es aber dann, wenn sich aus dem Tatablauf und der Person des Täters besondere Umstände ergeben, die es zweifelhaft erscheinen lassen, ob der Angeklagte tatsächlich die Gefahr des Todeseintritts erkannt und den Tod des Opfers im Sinne billigender Inkaufnahme hingenommen hat (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2003, 603; 2006, 169).
Ein Mord durch den Einsatz gemeingefährlicher Mittel kann auch dann erfüllt sein, wenn ein Tötungsmittel eingesetzt wird, das seiner Natur nach nicht gemeingefährlich ist. Maßgeblich ist dann jedoch die Eignung des Mittels zur Gefährdung Dritter in der konkreten Situation (vgl. BGHSt 38, 353, 354; BGHR StGB § 211 Abs. 2, gemeingefährliches Mittel 2).