Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2007
8. Jahrgang
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
die Ausgabe März 2007 publiziert unter anderem bereits die CICERO-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Ebenso wird eine weitere Anmerkung zu der hoch streitigen Entscheidung des 3. Strafsenats zum Rechtsmissbrauch bei der unwahren Protokollrüge veröffentlicht, die von Lucian Krawczyk verfasst wurde. Neben zwei Rezensionen umfasst die Ausgabe sodann auch eine empirische Rechtsprechungsanalyse zur langen Untersuchungshaft, die von Axel Dessecker verfasst wurde.
Aus der Rechtsprechung des BGH sind etwa die sehr ausbildungsrelevante Entscheidung des 4. Strafsenats zur „Labello-Rechtsprechung“ (Scheinwaffen) und eine Entscheidung des 1. Strafsenats (BGHSt) zu erwähnen, mit welcher er die restriktive Linie zu § 66b StGB weiter fortführt.
Mit freundlichen Grüßen für die Redaktion
Karsten Gaede
1. Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln (Bestätigung von BVerfGE 20, 162, 191 f., 217). (BVerfG)
2. Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses im Sinne des § 353 b StGB durch einen Journalisten reicht im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht aus, um einen den strafprozessualen Ermächtigungen zur Durchsuchung und Beschlagnahme genügenden Verdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen. (BVerfG)
3. Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gegenüber Beschlagnahmen redaktionellen Materials. (BVerfG)
4. Die Pressefreiheit umfasst auch den Schutz vor dem Eindringen des Staates in die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit sowie in die Vertrauenssphäre zwischen den Medien und ihren Informanten. (Bearbeiter)
5. Die Gewährleistungsbereiche der Presse- und Rundfunkfreiheit schließen diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit ein, ohne welche die Medien ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen können. Geschützt sind namentlich die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen
Presse beziehungsweise Rundfunk und den Informanten (vgl. BVerfGE 100, 313, 365 m.w.N.). (Bearbeiter)
6. Gegen die Auslegung, dass § 97 StPO dann nicht einschlägig ist, wenn ein als Journalist an sich Zeugnisverweigerungsberechtigter selbst Beschuldigter oder Mitbeschuldigter der Straftat ist, ist verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Allerdings bleibt auch dann Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für die Auslegung und Anwendung der strafprozessualen Normen über Durchsuchungen und Beschlagnahmen, die in Redaktionen oder bei Journalisten durchgeführt werden, von Bedeutung. (Bearbeiter)
7. Es bleibt offen, ob eine Beihilfe zu einer Tat im Sinne des § 353b StGB durch die Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses, welches ein Informant einem Medienmitarbeiter anvertraut hat, über die Konstruktion der sukzessiven Beihilfe begründet werden kann. (Bearbeiter)
8. Der Presse darf das Recht, die Rechtswidrigkeit der regelmäßig prozessual überholten Eingriffe Durchsuchung und Beschlagnahme in Redaktionsräumen feststellen zu lassen, nicht verweigert werden. (Bearbeiter)
9. Gegen die Rechtsprechung nach der die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Bestätigung der Beschlagnahmeanordnung mittelbar auch die Klärung ermöglicht, ob die zur Beschlagnahme der von ihr betroffenen Gegenstände ermächtigende Anordnung rechtmäßig war, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. (Bearbeiter)
10. Werden von redaktionellen Materialien im Rahmen einer Beschlagnahme Kopien erstellt, kommt es für die Zulässigkeit eines Antrages auf nachträgliche richterliche Entscheidung bei prozessualer Überholung nicht darauf an, wie lange diese Kopien im Besitz des Staates gewesen sind. Denn maßgeblich für die Beurteilung ob ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vorgelegen hat, ist hier nicht eine Beeinträchtigung des Eigentumsgrundrechtes, sondern das der Pressefreiheit. (Bearbeiter)
1. Nach § 81a Abs. 2 StPO steht die Anordnung der Blutentnahme grundsätzlich dem Richter zu. Der Richtervorbehalt - auch der einfachgesetzliche - zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz (vgl. BVerfGE 96, 44, 51 ff.; 103, 142, 151 m.w.N.). Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen (vgl. BVerfGE 103, 142, 155 f.; BVerfGK 2, 254, 257).
2. Erfolgt eine nichtrichterliche Anordnung einer Blutentnahme gemäß § 81a StPO so muss die Gefährdung des Untersuchungserfolgs mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist (vgl. BVerfGE 103, 142, 160; BVerfGK 5, 74, 79). Das Vorliegen einer solchen Gefährdung unterliegt der vollständigen, eine Bindung an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen ausschließenden, gerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerfGE 103, 142, 156 f.).
3. Die Erledigung eines Eingriffs steht einem Rechtsschutzbedürfnis nicht von vornherein entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Notwendigkeit eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes auch in Fällen anerkannt, in denen gegen schwer wiegende Grundrechtseingriffe durch die Exekutive - z.B. Wohnungsdurchsuchungen und freiheitsentziehende Maßnahmen - oder nahe liegende Willkür eines Hoheitsträgers vor Erledigung der Maßnahme kein gerichtlicher Rechtsschutz erlangt werden kann (vgl. BVerfGE 96, 27, 40; 104, 220, 233). Jedenfalls soweit das Handeln der Exekutive auf der Inanspruchnahme einer originär gerichtlichen Eingriffsbefugnis beruht, erstreckt sich das Gebot effektiven Rechtsschutzes in diesen Fällen auch auf Dokumentations- und Begründungspflichten der anordnenden Stelle, die eine umfassende und eigenständige nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Anordnungsvoraussetzungen ermöglichen sollen. Diese Maßstäbe gelten grundsätzlich auch für Maßnahmen, die nicht - wie die Wohnungsdurchsuchung - einem verfassungsrechtlichen, sondern nur einem einfachgesetzlichen Richtervorbehalt unterliegen (vgl. BVerfGK 5, 74, 81), sind aber auf Maßnahmen, die noch vor ihrer Erledigung gerichtlich überprüft werden können, wie z.B. Beschlagnahmeanordnungen, nicht ohne weiteres übertragbar (vgl. BVerfGK 1, 65).
1. Die Verurteilung zu Strafe und die Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
schließen auch im Jugendstrafrecht einander grundsätzlich nicht aus.
2. Die Verhängung von Strafe setzt strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Angeklagten voraus. Kann diese Verantwortlichkeit bejaht werden, liegt eine rechtswidrige und schuldhafte Straftat vor, die mit der Kriminalstrafe des allgemeinen Strafrechts bzw. den Mitteln des Jugendstrafrechts, zu denen auch die Jugendstrafe gehört, zu ahnden ist.
3. Es kann offenbleiben, ob im Jugendstrafverfahren eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffes auf einen Teil des Rechtsfolgenausspruches möglich ist. Da die fachgerichtliche Rechtsprechung eine diesbezügliche Disposition eines Angeklagten über sein Rechtsmittel nicht ausdrücklich für rechtswidrig erklärt hat (vgl. BGH, NStZ-RR 1998, 188, 189), ist in einem solchen Fall ein Verstoß gegen Grundrechte ausgeschlossen.
4. Nach einfachem Recht objektiv fehlerhafte Gerichtsentscheidungen verletzen noch kein Verfassungsrecht (BVerfGE 18, 85, 92 f.). Ein mit der Verfassungsbeschwerde zu rügender Verfassungsverstoß liegt erst dann vor, wenn ein fachgerichtliches Erkenntnis auf Willkür beruht (BVerfGE 108, 282, 294), wovon nicht die Rede sein kann, wenn sich die Entscheidung eines Tatgerichts nicht in Widerspruch zu der für seinen Gerichtszweig bindenden höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt.
5. Die Grundrechtskonformität des Strafvollzugs ist nur dann gewahrt, wenn dem Betroffenen mit Blick auf eine eventuelle psychische Erkrankung eine ausreichende medizinische Behandlung und Betreuung zukommt.
Vor einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht gegen die drohende Vollstreckung eines mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffenen strafgerichtlichen Urteils ist ein vorübergehender Vollstreckungsaufschub nach den §§ 456, 458 Abs. 2 und 3 StPO zu beantragen.