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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2006
7. Jahrgang
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Von Dr. André Hienzsch, LL.M.oec., Hamburg. *
Der Autor untersucht, wieso die Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung von börsenbezogenen Straftaten weitgehend erfolglos agieren. Mithilfe einer Expertenstudie kommt er zu dem Ergebnis, dass für den unbefriedigenden Zustand - neben qualifikations- und motivationsbezogenen Ursachen - strukturelle Bedingungen ausschlaggebend sind. Zur Lösung der Probleme regt der Verfasser deshalb die Schaffung dezentraler Kapitalmarktschwerpunktstaatsanwaltschaften an und spricht sich für die tatbestandliche Konzentration auf die Kernbereiche der Börsendelikte aus. Eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation kann schon durch eine engere Zusammenarbeit zwischen den Staatsanwaltschaften und der BaFin erreicht werden.
I. Problemstellung
Vor nahezu 12 Jahren hat der Gesetzgeber durch das Inkraftsetzen des gesetzlichen Insiderhandelsverbotes im neu geschaffenen Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) den strafrechtlichen Schutz des deutschen Kapitalmarktes komplettiert. Dieser Schritt galt als längst überfällig, da das alte Modell der freiwilligen Selbstkontrolle durch die "Insiderhandels-Richtlinien"[1] an seiner mangelnden Durchsetzungskraft gescheitert[2] war. Zudem hatten andere Industrienationen, wie die USA oder Großbritannien, schon ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf staatliche Lösungen gesetzt.
Das mit dem WpHG initiierte Konzept versprach auch für die Bundesrepublik eine effektive Insiderverfolgung. Es überließ die Untersuchung der Straftaten nicht allein den Staatsanwaltschaften, sondern schuf mit dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe)[3] eine Behörde zur permanenten Beaufsichtigung der deutschen Wertpapiermärkte und eine gesonderte Instanz für die Aufdeckung und Verfolgung von Insiderdelikten. Dementsprechend besteht die Aufgabe der Staatsanwaltschaften im Rahmen der Verfolgung von Marktmissbrauch heute weitgehend darin, von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Nachfolgerin des BAWe aufgedeckte und voruntersuchte (Marktmanipulations- und) Insidersachverhalte entgegen zu nehmen und mit ihren weitergehenden Befugnissen das strafprozessuale Ermittlungsverfahren durchzuführen. Auf diese Weise werden die Staatsanwaltschaften wesentlich entlastet. Bevor den Staatsanwaltschaften die Insidertaten angezeigt werden, haben die etwa 40 bei der BaFin damit beschäftigten Mitarbeiter intensive Voruntersuchungen vorgenommen: Sie haben dann bereits aus den Ad-hoc-Mitteilungen nach § 15 Abs. 1 WpHG Insiderinformationen herausgefiltert und diese mit den nach § 9 WpHG eingegangenen anonymen Meldungen aller Wertpapiergeschäfte abgeglichen. Bei Verdacht auf Insiderhandel haben sie von ihren weitreichenden Aufklärungsbefugnissen nach § 4 Abs. 1 bis 4 WpHG Gebrauch gemacht, um in Erfahrung zu bringen, ob sich unter den Transakteuren ein Insider befunden hat und um wen es sich handelt. Abschließend tun sie ihrer Anzeigepflicht nach § 4 Abs. 5 WpHG genüge und übermitteln die entsprechenden Akten und die personenbezogenen Daten von Verdächtigen und Zeugen an die zuständige Staatsanwaltschaft.
In Anbetracht der für die staatsanwaltlichen Ermittlungen komfortablen Ausgangsposition liegt die Annahme nahe, in Insiderverfahren würde der Tatnachweis regelmäßig gelingen und die Angezeigten entsprechend häufig sanktioniert werden. Immerhin dürften fast sämtliche nichtrelevanten Sachverhalte bereits von der BaFin aussortiert worden sein. Darauf deuten die strengen Insideruntersuchungen der BaFin hin, an deren Ende von durchschnittlich 228 des Insiderhandels verdächtigen Personen[4] nur 101 den Staatsanwaltschaften angezeigt[5] werden. In den übrigen Fällen schließt die BaFin das Vorliegen einer Straftat aus. Zudem wird jeder Insiderfall vor der Abgabe an die Staatsanwaltschaften von drei Volljuristen auf seine Stichhaltigkeit hin überprüft.
Die Statistik jedoch zeigt ein anderes Bild von der Rechtswirklichkeit. Im Zeitraum von 1999 bis 2004 haben die Staatsanwaltschaften 61 Fälle im Jahr ohne
Sanktionierung des Insiderverdächtigten eingestellt (§§ 170 Abs. 2 und 153 Abs. 1 StPO) beziehungsweise schon das Vorliegen eines Anfangsverdachtes (§ 152 Abs. 2 StPO) verneint. Dagegen wurden nur durchschnittlich zwölf Fälle jährlich gegen Geldauflage eingestellt (§ 153a Abs. 1 StPO). Lediglich drei Mal pro Jahr kam es zu einem Strafbefehl (1,3) oder zu einem Urteil (1,7)[6]. Auffällig ist, dass entgegen der Erwartungen die deutliche Mehrzahl der Fälle für den Verdächtigten folgenlos beendet wird. Die sanktionslosen Beendigungen von Ermittlungsverfahren (61) dominieren das Spektrum der 76 abgeschlossenen Verfahren zu vier Fünfteln. Ob der beschriebenen Vorfilterung der Sachverhalte durch die BaFin ist dies überraschend hoch. Angesichts dessen lässt sich schwerlich argumentieren, dass sich in der Praxis die anfängliche Annahme eines Insiderhandeldeliktes eben häufig als Fehlannahme herausstelle. Schon gar nicht vermag dies zu erklären, wieso von den Staatsanwaltschaften bisweilen sogar ein Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO) verneint wird.
II. Ursachen
Zur Untersuchung der Ursachen für die hohe Einstellungs- und niedrige Sanktionsquote der Staatsanwaltschaften[7] im Umgang mit börsenbezogenen Straftaten, in concreto des Insiderhandels, wurde eine Expertenstudie durchgeführt. In diesem Rahmen sind 15 Fachleute aus den verschiedenen Bereichen der Insiderverfolgung befragt worden. Das Probandensample setzte sich aus fünf Mitarbeitern der BaFin, drei in Kapitalmarktdelikten erfahrenen Staatsanwälten, zwei Mitgliedern von Anlegerschutzvereinigungen, einem Anlegeranwalt und vier weiteren Probanden zusammen, die mit Insiderverfolgung zu tun haben. Methode der Wahl waren semistrukturierte Befragungen in Form von leitfadengestützten Experteninterviews. Sämtliche Gespräche wurden mit technischen Hilfsmitteln aufgezeichnet, anschließend transkribiert und systematisch analysiert. Sie führten zu den folgenden Erkenntnissen.
1. Personelle Ursachen
Für eine effektive Insiderverfolgung bei den Staatsanwaltschaften fehlen die personellen Voraussetzungen. Dies gilt sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht.
a) Normakzeptanz
Erhebliche Mängel bestehen bereits bei der spezifischen Normakzeptanz der betreffenden Staatsanwälte. Die Bedeutung der Akzeptanz der Kapitalmarktstraftatbestände und insbesondere des gesetzlichen Insiderhandelsverbotes durch die Rechtsanwender liegt jedoch auf der Hand. Eine Norm, mit der die Rechtsanwender nicht einverstanden sind, werden sie auch nicht im Sinne des Gesetzgebers ausfüllen. Wie sich schon in anderen Bereichen des Strafrechtes gezeigt hat [8], kommt es dann zu Vollzugsmängeln: Die abgelehnte Norm wird wider ihre Ziele interpretiert, Normadressaten werden unzureichend kontrolliert und Normverletzungen werden nicht konsequent genug geahndet [9] . Wie sich aber aus den Angaben der befragten Insiderexperten ergab, findet das Insiderhandelsverbot und sein Schutzziel bei einem großen Teil der Staatsanwälte wenig Akzeptanz. Mitunter wird dem Insiderhandel völlig die Strafwürdigkeit abgesprochen. Die Gründe für die ablehnende Einstellung von Staatsanwälten zu dem Insiderhandelsverbot liegen in der Abstraktheit des Straftatbestandes und seines Schutzzweckes. Der Insidertatbestand ist anonym, er kennt kein personifiziertes Opfer und er setzt nicht die Entstehung eines zurechenbaren Schadens voraus. Auch das Ziel der Insidergesetzgebung ist wenig greifbar. Es besteht darin, die Attraktivität des Finanzplatzes Deutschlands zu erhöhen und damit seine Wettbewerbsfähigkeit zum Wohle der gesamten Volkswirtschaft zu stärken [10] . Darüber hinaus ist die Verbindung zwischen dem geschützten Rechtsgut und dem Tatbestand der Norm nur mittelbar und keineswegs offensichtlich. Die Brücke zwischen beiden besteht darin, dass vorgenommene Insidergeschäfte den Outsidern bekannt werden, welche dadurch das Vertrauen in den Markt verlieren und sich von ihm zurückziehen [11] ; der Verlust der dem Markt durch diesen Schritt vorenthaltenen Mittel beeinträchtigt den Kapitalmarkt, seiner volkswirtschaftlich bedeutenden Kapitalbeschaffungs- und -verteilungsfunktion nachkommen.
b) Qualifikation
Weitere Erkenntnis aus der Expertenstudie ist, dass die fachlichen Qualifikationen der bearbeitenden Staatsanwälte vielerorts ungenügend sind. Die Anforderungen an das staatsanwaltliche Personal sind vielfältig und hoch, da die Verfolgung börsenbezogener Delikte nicht nur Fähigkeiten im Bereich der Strafverfolgung, sondern auch ein Grundverständnis für die anspruchsvolle und sehr dynamische Materien Kapitalmarkt, Börse und Wertpapierhandel voraussetzt. Die genannten Fähigkeiten sind bei jenen Staatsanwälten, die in bank- und börsenspezifischen Schwerpunktstaatsanwaltschaften oder -abteilungen tätig sind, zwar durchaus vorhanden. Regelmäßig sind jedoch andere, nicht spezialisierte Staatsanwälte für die Insiderermittlungen zuständig [12] . Sie sind
daher mit den speziellen Problemen des Kapitalmarktstrafrechts überfordert. Doch selbst für spezialisierte Staatsanwaltschaften sind gut ausgebildete Staatsanwälte schwer zu halten. Die durchschnittliche Verweildauer in diesem Bereich beträgt etwa nur zwei Jahre und genügt gerade als Einarbeitungszeit. Die hohe Fluktuation verwundert jedoch nicht: Das Arbeitsaufkommen ist überdurchschnittlich hoch, die zu bearbeitende Thematik ist wenig spektakulär. Die Verfahren können oft nicht in überschaubaren Zeiträumen erledigt werden und es kommt häufig zu Frustrationserlebnissen. Hinzu tritt, dass die Beförderungschancen gering sind, weil Spezialkenntnisse nicht als beförderungswürdig erachtet werden, sondern die vielseitige Einsetzbarkeit.
c) Engagement
In der Vielzahl der Fälle, in denen Staatsanwälte nichtspezialisierter Dezernate mit Insiderstraftaten konfrontiert werden, fehlt es darüber hinaus an der erforderlichen Einsatzbereitschaft. Indiz für mangelndes Engagement ist es, wenn ein von der BaFin angezeigter Sachverhalt seitens einer Staatsanwaltschaft mit der Begründung zurückgewiesen wird, es fehle an einem Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO. Tatsächlich dürften diese Voraussetzungen regelmäßig erfüllt sein. Schließlich genügen selbst entfernte Indizien zur Bejahung eines Anfangsverdachtes [13] . Demgegenüber besteht eine bisweilen von Staatsanwälten behauptete Kluft zwischen dem von der BaFin angezeigten Sachverhalt und dem Vorliegen eines Anfangsverdachtes fast nie. Berücksichtigt man, dass ein Sachverhalt vor Abgabe an die Staatsanwaltschaften nach § 4 Abs. 5 WpHG in der Regel durch die Hände von drei BaFin-Volljuristen geht, ist das Vorliegen zumindest zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Insiderstraftat durchaus wahrscheinlich. Auch die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaften mit bekanntermaßen hoher persönlicher Einsatzbereitschaft deutet in diese Richtung. Dort hat man bezüglich des Anfangsverdachtes die Erfahrung gemacht, dass Anzeigen der Finanzaufsichtsbehörde regelmäßig zumindest einen Anfangsverdacht rechtfertigen. Da Insiderfälle aber für unbewanderte Staatsanwälte mit hohem Arbeitsaufwand verbunden sind und zudem noch andere, oft schwerere Delikte zu bearbeiten sind, lassen viele Staatsanwälte den betreffenden Vorgang jahrelang unbearbeitet [14] oder versuchen, sich seiner mit vorgeschobenen Begründungen zu entledigen [15] . Gelegentlich geschehen diese "informellen Erledigungen" aber aus weitaus profanerem Grunde: aus Faulheit. So wurde eine Staatsanwaltschaft, die häufiger mit der Verfolgung von Insiderdelikten betraut ist, von mehreren Insiderexperten übereinstimmend dafür kritisiert, "faul", "apathisch" und "teilnahmslos" zu sein.
d) Quantität
Die aufgeführten qualitativen Schwächen seitens des staatsanwaltschaftlichen Personals sind allerdings im Zusammenhang mit der Quantität des zur Verfügung stehenden Personals zu betrachten. Hier stimmten die befragten Insiderexperten darin überein, dass auch auf die geringe Zahl des staatsanwaltschaftlichen Personals die Ermittlungsqualität beeinträchtigt. Selbiges gilt für die Anzahl der Polizeibeamten, die den Staatsanwälten bei den Ermittlungen zur Seite stehen. Folge der Personalknappheit sind nicht nur die oben angeführten "informellen Erledigungswege", sondern auch Verzögerungen bei den Aufklärungsarbeiten. Diese werden noch durch den Umstand verschärft, dass gegen Insidertäter häufig auch wegen anderer Delikte, etwa wegen Insolvenzstraftaten, ermittelt wird, woraus sich zusätzlich Verzögerungen ergeben. Die Verzögerungen ihrerseits erschweren die Ermittlungen. Denn es wird im Laufe der Zeit immer schwieriger, Sachverhalte aufzuklären und, vor allen Dingen, richtig zu werten.
2. Materielle Ursachen
Die materiellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Insiderverfolgung sind bei den Staatsanwaltschaften größtenteils nicht gegeben. Deutschlands Staatsanwaltschaften sind Hinsicht für die Verfolgung börsenbezogener Straftaten überwiegend schlecht ausgestattet. Verschiedene Experten berichteten, dass in vielen Staatsanwaltschaften - selbst in Großstädten - keine Gesetzestexte vom und schon gar nicht Kommentare zum Wertpapierhandelsgesetz vorhanden seien. Zudem fehle es an Personalcomputern und Anbindungen an das Internet. Damit sind diese Staatsanwaltschaften von den vielfältigen Möglichkeiten der elektronischen Informationsbeschaffung und Onlinekommunikation abgeschnitten. Die ungenügende finanzielle Ausstattung ist im Übrigen auch für die personalen Probleme mitverantwortlich: Es werden nicht ausreichend Staatsanwälte eingestellt.
3. Ursachen in der Verfolgung
Im Rahmen ihrer Ermittlungen stehen die Staatsanwaltschaften einer Reihe von Hindernissen gegenüber, die einen erfolgreichen Abschluss der Ermittlungsverfahren erschweren [16] .
a) Persönliche Beweismittel
Ein Hauptproblem ist, dass es an persönlichen Beweis-
mitteln fehlt. Ein kritischer Punkt von börsenbezogenen Straftaten, insbesondere des Insiderstrafrechts, liegt in der Tatsache, dass die Delikte kaum wahrgenommen werden [17] . Dieses Problem hat seinen Grund aber nicht nur darin, dass Insider ihr strafbares Verhalten durch spezielle Maßnahmen wie das Handeln über das Ausland oder die Einschaltung von Mittelsmännern zu verschleiern versuchen [18] . Auch ohne besondere Verdeckungsmaßnahmen sind Insidervorgänge schlecht sichtbar. Die Vornahme von Insidergeschäften führt nämlich nicht zu materiellen Schäden und produziert deshalb keine Opfer - eigentlich ist niemand von ihr betroffen. Insidergeschäfte werden auch nicht von Zeugen beobachtet, da der Handel mit Insiderpapieren auf einem anonymen Wertpapiermarkt stattfindet [19] . Doch selbst wenn es offensichtlich wäre, würde ein Insidergeschäft als solches schwerlich erkannt werden, da die einzelnen sichtbaren Tathandlungen für sich genommen nicht strafbar sind. Die Strafbarkeit ergibt sich vielmehr aufgrund der nicht augenfälligen Tatsache, dass der Handelnde Kenntnis von einer Insiderinformation hat und das Geschäft unter Verwendung dieser vornimmt. Hinzu tritt der Umstand, dass Insiderdelikte zumeist im Umfeld von Unternehmen begangen werden. Wirtschaftsunternehmen sind für Außenstehende wegen ihrer arbeitsteiligen Organisation und der Möglichkeit der Delegation von Aufgaben aber nahezu undurchschaubar. Bei dem Nachweis von Insidergeschäften - auch hier geschehen die zu ermittelnden Abläufe in der Regel beim Emittenten - kommt es deshalb erfahrungsgemäß zu Komplikationen, da einem Insider die konkrete Kenntnis von einer Insiderinformation nicht nachzuweisen ist [20] oder sich nicht nachvollziehen lässt, ab welchem Zeitpunkt der Betreffende Kenntnis von der Insiderinformation hatte. Davon abgesehen ist man in Wirtschaftsunternehmen bemüht, zur Vermeidung von Imageschäden negative Berichterstattung fernzuhalten, weswegen die Kooperationsbereitschaft begrenzt ist [21] .
Der Mangel an persönlichen Beweismitteln beruht speziell für den Insiderhandel auch auf der tatbestandlichen Weite des Deliktes. Der Gesetzgeber hat die Grenzen der Strafbarkeit in Bereiche ausgedehnt, in denen objektive Anknüpfungspunkte für das Vorliegen einer Straftat nur sehr schwer erkennbar sind. Dies lässt sich beispielhaft an den Tatbestandsalternativen der Weitergabe und des Verleitens zeigen: Über den eigentlichen Insiderhandel hinaus untersagt das WpHG auch die unbefugte Mitteilung und Zugänglichmachung einer Insiderinformation (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) sowie das Verleiten zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG). Deren zudem völlig unspektakulären Tathandlungen finden fast immer außerhalb des öffentlich wahrnehmbaren Raumes statt und bleiben allein deswegen unbemerkt. Keine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 Abs. 1 WpHG und keine Meldung nach § 9 WpHG kann Hinweise auf diese Straftaten geben. Gleiches gilt für den nach § 38 Abs. 3 WpHG strafbaren Versuch.
b) Rechtsanwendung
Weiterhin bereitet die Anwendung des materiellen und des prozessualen Rechts Schwierigkeiten. Für die Staatsanwälte gilt dies noch mehr als für die BaFin-Beschäftigten, da sie seltener mit Kapitalmarktdelikten zu tun haben und sich bei ihnen deshalb kaum Routine bilden kann. So bestehen beim Insiderhandel für die Frage des Nachweises der inneren Tatseite Unsicherheiten, die sich daran zeigen, dass verschiedene Staatsanwaltschaften vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich beurteilen: Während die eine Staatsanwaltschaft eine bestimmte Einlassung für unwiderlegbar hält, erachtet eine andere Staatsanwaltschaft eine vergleichbare Einlassung als reine "Schutzbehauptung". Hauptursache für die unbefriedigende Situation ist fehlende Rechtsprechung. Verurteilungen und vor allem obergerichtliche Rechtsprechung sind aber notwendig, um Rechtssicherheit eintreten zu lassen, sowohl bezüglich der materiellrechtlichen Tatbestände, als auch in Fragen der Führung des Tatnachweises. Ohne gerichtliche Klärung müssen die Verfolger die Norm selbst auslegen und sich eine eigene Meinung bilden. Wer - wie viele Staatsanwälte - nur selten mit Börsenkriminalität, insbesondere Insiderhandel, zu tun hat, wird sich dabei schwer tun. Aufgrund der wenigen entdeckten und ausgeforschten Insidervorfälle sind Urteile allerdings nur schwer zu erlangen [22] .
c) Disparität der Mittel
Die Strafverfolgung von Kapitalmarktstraftätern wird des Weiteren durch die Verteidigungsmacht der Täter erschwert [23] . Die Täter sind häufig auf hervorgehobener und überdurchschnittlich vergüteter Position in Unternehmen tätig [24] . Damit verfügen sie über entsprechende finanzielle Ressourcen, die sie im Falle eines Verdachtes gegen sich auch zur Verteidigung einsetzen. Da es für diese Täter und deren berufliches Fortkommen äußerst schädlich ist, wenn sie von der Öffentlichkeit als Täter
oder Verdächtige einer Straftat wahrgenommen werden, ist es das Ziel der Verteidigung, die Vorwürfe in einem möglichst frühen Stadium abzuwehren und zumindest - selbst im Ermittlungsverfahren - eine verfahrensbeendende Verständigung [25] zu erreichen. Aus den bisher aufgeführten Gründen gelingt dies häufig auch. Unbefriedigend daran ist nicht die Wahrnehmung des Rechts auf den Beistand eines qualifizierten Strafverteidigers, wohl aber der Umstand, dass eine deutliche Disparität zwischen Anklagebehörde und Verteidigung besteht, die durch die schlechte personelle und sachliche Ausstattung der Staatsanwaltschaften bedingt ist: Im unglücklichsten Fall steht auf der einen Seite der einzelne, fachlich und mengenmäßig überforderte, mäßig vergütete und schlecht motivierte Staatsanwalt, auf der anderen Seite die in Wirtschaftsstrafsachen erfahrenen und entsprechend vergüteten Wahlverteidiger.
III. Lösungen
Wege, um die Verfolgung börsenspezifischer Straftaten bei den Staatsanwaltschaften erfolgreicher zu gestalten, werden ohne die Durchbrechung bisheriger Strukturen nicht zum Ziel führen, da strukturelle Probleme die Ursache vieler Verfolgungsmängel sind.
1. Konzentration auf Verfolgerseite
Die Probleme personellen Ursprungs können durch strukturelle Verschiebungen bei den Staatsanwaltschaften erfolgversprechend in Angriff genommen werden. Es herrschte unter den befragten Experten Einigkeit, dass die Insiderverfolgung auf staatsanwaltschaftlicher Ebene konzentriert werden muss. Ausgangspunkt solcher Überlegungen sind die Schwerpunktstaatsanwaltschaften, welche in der Bundesrepublik Deutschland ab Ende der 1960er Jahre mit dem Ziel eingerichtet worden waren, die Verfolgung von Wirtschaftskriminalität zielstrebiger und schneller zu betreiben [26] . Zu diesem Zweck sollten einerseits wirtschaftliche Sachkunde konzentriert, andererseits durch ständigen Umgang mit dieser Thematik Erfahrungsschätze geschaffen werden [27] . Kennzeichnend für die Zentralstellen zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität ist die Besetzung mit erfahrenen Dezernenten, die häufig eine wirtschaftsbezogene Zusatzausbildung genossen haben [28] . Neben diesen formal nach § 143 Abs. 4 GVG als Schwerpunktstaatsanwaltschaften ausgewiesenen Behörden gibt es bei einigen Staatsanwaltschaften noch Schwerpunktabteilungen, die auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert sind [29] . Für die Anpassung dieses Konzeptes auf die Verfolgung von Insider- und anderen Kapitalmarktdelikten stehen drei Möglichkeiten im Raume: Zum Ersten könnte die BaFin, die schon jetzt eine Art Verfolgungszentrale darstellt, mit staatsanwaltschaftlichen Befugnissen ausgestattet werden. Zum Zweiten ließe sich unabhängig von der BaFin eine zentrale Staatsanwaltschaft für Kapitalmarktstrafrecht installieren. Zum Dritten ist denkbar, flächendeckend dezentrale Kapitalmarktschwerpunktstaatsanwaltschaften und -abteilungen zu schaffen.
a) BaFin als alleinige Verfolgungsbehörde
Die Idee, die BaFin mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungs- und Anklagebefugnissen auszustatten, ist an dem Modell der US-amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) [30] orientiert. Wäre die BaFin selbst mit den weitgehenden staatsanwaltlichen Befugnissen ausgestattet, könnte sie ähnlich den Finanzbehörden im Rahmen der §§ 385 ff. AO eigene strafprozessuale Ermittlungen vornehmen und Straftaten gegebenenfalls anklagen. Dieses Konzept erscheint allerdings zweifelhaft, wenn man sich den Organisations- und Kostenaufwand vor Augen hält, der notwendig wäre, diese Kompetenzen bei der Bundesanstalt zu etablieren, obwohl diese bei den Staatsanwaltschaften und der Polizei längst bestehen und fachmännisch gehandhabt werden. Die Idee der Insiderverfolgung "aus einer Hand" läuft letztlich Gefahr, das Problem der "kapitalmarktunerfahrenen" Staatsanwaltschaften in ein Problem der "ermittlungsunerfahrenen" Finanzaufsicht umzudefinieren. Auch bei den BaFin-Beschäftigten stößt der Vorschlag auf Ablehnung, die Bundesanstalt mit staatsanwaltschaftlichen Befugnissen auszustatten. Die Mitarbeiter verstehen sich als Teil einer Behörde mit weit gestreuten Aufgaben zur Überwachung des gesamten Kapitalmarktes. Sie empfinden es - zu Recht - als systemfremd, repressiv-polizeiliche Ermittlungsaufgaben erfüllen und als Ankläger auftreten zu müssen. Überdies hat sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) [31] gezeigt, dass weitgehende strafprozessuale Rechte für die BaFin politisch nicht gewollt sind; sie werden darüber hinaus als rechtsstaatlich bedenklich angesehen (Gewaltenteilung). Nach allem ist das Konzept der Insiderverfolgung "aus einer Hand" abzulehnen.
b) Zentrale Staatsanwaltschaft Kapitalmarktstrafrecht
Die zweite strukturändernde Möglichkeit, die Installation einer zentralen Schwerpunktstaatsanwaltschaft, welche ausschließlich und deutschlandweit für Insiderhandels- und sonstige Kapitalmarktdelikte zuständig ist, zu schaf-
fen, wird seitens der BaFin gefordert und auf politischer Ebene diskutiert [32] . Man verspricht sich davon eine Kombination der positiven Eigenschaften der BaFin (Kapitalmarktkompetenz) mit denen der Staatsanwaltschaften (Strafverfolgungskompetenz). Neben den Vorteilen der Spezialisierung könnte mit einer zentralen Kapitalmarktstaatsanwaltschaft verhindert werden, dass im Einzelfall verschiedene Staatsanwaltschaften, ohne sich auszutauschen, nebeneinander agieren und mögliche Verbindungen zwischen den Verdächtigen unberücksichtigt lassen [33] . Überdies wäre auch die Zusammenarbeit mit der BaFin erleichtert, weil die Behörde nur noch eine Staatsanwaltschaft als Ansprechpartner hätte, die überdies in räumlicher Nähe zur BaFin in Frankfurt am Main zu verorten wäre.
Jedoch bestehen gegen die Schaffung einer zentralen Schwerpunktstaatsanwaltschaft wichtige Bedenken. So wurde von interviewten Staatsanwälten zu bedenken gegeben, dass die Schaffung einer einzelnen Kapitalmarktstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main die Ermittlungen erschweren würde. Denn strafprozessuale Maßnahmen wie Durchsuchungen und Vernehmungen finden am Wohnort des Verdächtigen bzw. am Sitz des betroffenen Unternehmens statt. In den wenigsten Fällen handelt es sich dabei um Frankfurt am Main. Die Ermittlungen müssten häufig mehrere hundert Kilometer von der Zentralstaatsanwaltschaft entfernt durchgeführt werden. Dies ist besonders misslich, wenn man die Erkenntnis berücksichtigt, dass bereits bei den bestehenden Schwerpunktstaatsanwaltschaften die deutliche räumliche Trennung von dem Behördenstandort und dem Ort der Ermittlungshandlungen Schwierigkeiten bei der Erledigung bedeuten [34] . Gerade in Fällen, in denen ein Kapitalmarktdelikt minderer Schwere im Raume steht, dürfte den Staatsanwälten der Aufwand, Ermittlungen über viele hunderte Kilometer Entfernung zu führen, zu hoch erscheinen. Damit wäre die Gefahr verbunden, dass solche Sachverhalte - wie es bislang geschieht - durch vorgeschobene Einstellungsgründe erledigt werden.
Weiterhin besteht das Problem, dass neben den Kapitalmarktstraftaten vielfach noch Delikte aus anderen Strafrechtsbereichen verwirklicht werden. Wollte man diese Delikte von den örtlichen Staatsanwaltschaften ermitteln lassen, wären teilweise doppelt betriebener Aufwand und gegenseitige Behinderungen Folge des Nebeneinanders beider Ermittlungsbehörden. Wollte man der zentralen Staatsanwaltschaft die Ermittlungen für alle vermuteten Straftaten überlassen, liefe dies dem Spezialisierungsgedanken der Kapitalmarktstaatsanwaltschaft zuwider.
Auch die Wahl des Ortes der Anklageerhebung bereitet bei einer Zentrallösung Schwierigkeiten. Anklagen am Ort der Tathandlung wären für eine zentrale Staatsanwaltschaft von Nachteil, zentrale Anklagen in Frankfurt am Main bedeuteten für die übrigen Prozessbeteiligten bisweilen unzumutbar weite Wege zum Gericht der Hauptverhandlung.
Letztlich ist der Gedanke an die Schaffung einer zentralen Staatsanwaltschaft für Kapitalmarktdelikte zu verwerfen. Mit ihrer Schaffung wäre die aktuelle Arbeitsteilung zwischen BaFin und den örtlichen Staatsanwaltschaften zerstört: Während die Bundesanstalt alle Untersuchungen durchführt, die Börsennähe erfordern, sind die Staatsanwaltschaften für die Durchführung konkreter Maßnahmen am Tatort zuständig. Befänden sich beide Verfolgungsorganisationen an einem Ort, würde das zwar die Zusammenarbeit zwischen beiden Institutionen verbessern, doch geschähe dies um den Nachteil, dass die Staatsanwälte nicht mehr ohne weiteres am Ort des Täters und der Tathandlung agieren könnten.
c) Dezentrale Kapitalmarktschwerpunktstaatsanwaltschaften und -abteilungen
Dritte Möglichkeit der Problemlösung ist die dezentrale Bündelung des Know-hows bei verschiedenen Kapitalmarktschwerpunktstaatsanwaltschaften und -abteilungen. Hierfür macht es Sinn, an die Konzepte der Wirtschaftsschwerpunktstaatsanwaltschaften und -abteilungen anzuknüpfen, sofern diese auch auf Kapitalmarktdelikte spezialisiert sind. Anzustreben ist mithin die flächendeckende Schaffung von Kapitalmarktschwerpunktstaatsanwaltschaften bzw. der Ausbau von Wirtschaftsschwerpunktstaatsanwaltschaften und -abteilungen um den Schwerpunkt Kapitalmarktstrafrecht. Letzteres böte den Vorteil, dass in Sachverhaltskonstellationen, in denen neben dem Börsendelikt andere Wirtschaftsstraftaten begangen wurden, diese von den Schwerpunktstaatsanwaltschaften mitbehandelt werden könnten, weil es sich ohnehin um Schwerpunktstaatsanwaltschaften für das Wirtschaftsstrafrecht handelt. In Bundesländern mit Börsenstandorten und in Bundesländern mit typischerweise hoher Zahl von Kapitalmarktdelikten sollte mindestens eine derartige Einrichtung bestehen, damit die für den Ermittlungserfolg mitentscheidende räumliche Entfernung zum Ort der Tathandlung nicht zu groß wird. Für andere Länder sind die geographisch am nächsten gelegenen Schwerpunktstaatsanwaltschaften und -abteilungen anderer Bundesländer entsprechend aufzurüsten bzw. von mehreren Ländern gemeinsam neu zu installierende Behörden zuständig. Für die praktische Umsetzung dieses Vorschlages dürfte es häufig genügen, bei den Wirtschaftsschwerpunktstaatsanwaltschaften neu einzustellende Staatsanwälte für den Wertpapierbereich auszubilden oder dergestalt vorgebildete Juristen anzuwerben. Anzuklagen wäre - nach Anpassung der Voraussetzungen des § 74c Abs. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 74 Abs. 1 GVG - jeweils bei den Wirtschaftsstrafkammern im Sinne des § 74c GVG. Besonderer Vorteil dieses Konzeptes ist die Entdiversifizierung der Kontakte der BaFin mit den
Staatsanwaltschaften. Diese Begrenztheit ist auch für die Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen von Vorteil, da alle betreffenden Staatsanwälte mit vertretbarem Aufwand geschult werden könnten.
2. Optimierung der Verfolgungsabläufe
Der Erfolglosigkeit staatsanwaltlicher Tätigkeit kann zudem durch Optimierung der Verfolgungsabläufe entgegengewirkt werden. So empfiehlt es sich bereits nach gegenwärtiger Rechtslage, informelle staatsanwaltliche Tätigkeiten auf die BaFin zu verlagern. Damit ist gemeint, dass die Mitarbeiter der BaFin jeden nach § 4 Abs. 5 WpHG abgegebenen Sachverhalt so aufbereiten, dass es dem zuständigen Staatsanwalt ohne größeren Aufwand und ohne Spezialkenntnisse im Kapitalmarktstrafrecht möglich ist, die notwendigen Ermittlungsschritte in Gang zu setzen. Inhalt jeder Anzeige an die Staatsanwaltschaften sollte deshalb eine kurze, auch mit Grafiken untermalte Sachverhaltsdarstellung, ein verständliches Rechtsgutachten sowie ein Empfehlungsblatt, auf dem konkrete weitere Ermittlungsschritte angeregt werden, sein. Optimalerweise legt die BaFin der Akte eine CD bei, auf der sich der gesamte Akteninhalt im PDF-Format und vorformulierte Schriftsätze der Staatsanwaltschaft im Textformat befinden. So kann zumindest jenen Staatsanwälten die Arbeit erleichtert werden, die über einen Arbeitsplatzcomputer verfügen. Die BaFin-Angehörigen sollten überdies regelmäßig Erkundigungen über den Fortgang der Ermittlungen anstellen und Hilfe anbieten. Außerdem könnte die BaFin Weiterbildungen der Staatsanwälte vornehmen und so ihre Spezial- und Praxiskenntnisse in Börsenfragen und Fragen des Kapitalmarktstrafrechts weiterreichen. Das bisher einmal im Jahr bei der BaFin durchgeführte "Praxisforum Wirtschaftskriminalität und Kapitalmarkt" [35], bei dem die Rechtsanwender im Bereich Kapitalmarktstrafrecht Erfahrungen über durchgeführte Ermittlungsverfahren austauschen [36], ist dafür ein wertvoller Anknüpfungspunkt, wenngleich nicht ausreichend.
Die vorgeschlagene Verlagerung staatsanwaltschaftlicher Tätigkeit in den Bereich der BaFin hat anderen kostenverursachenden Lösungen voraus, finanzierbar zu sein. Durch ihren Status als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts kann die BaFin nämlich losgelöst vom Bundeshaushalt agieren [37] . Sie deckt ihre Kosten mit eigenen Einnahmen (§ 13 Abs. 1 FinDAG [38] ) aus Gebühren und Erstattungen. Soweit die Kosten hierdurch nicht gedeckt werden können, erfolgt deren Umlage auf die Beaufsichtigten [39] . Das bedeutet, dass die BaFin die Kosten für neu zu schaffende Personalstellen in jedem Falle finanzieren könnte.
Davon unabhängig wird aber auch die personale Ausstattung der Staatsanwaltschaften vorangetrieben werden müssen. Dies betrifft in erster Linie die Akquirierung von kapitalmarktbezogenen Wissensschätzen durch die Einstellung von Wirtschaftsreferenten [40] .
3. Beschränkung des Tatbestandes
Der Nichtdurchsetzung des staatlichen Strafanspruchs in der Verfolgungspraxis sollte auch dadurch entgegengewirkt werden, dass das Ausmaß der Strafbarkeit des Insiderhandels beschränkt wird. Europäische und nationale Legislativinstanzen haben den Straftatbestand ohne Not sehr weit gefasst und ihn damit dem Problem der Unnachweisbarkeit ausgesetzt. Sind bezüglich des Insiderhandelsverbotes schon die unbefugte Weitergabe einer Insiderinformation und das Verleiten zu Insidergeschäften kaum nachzuweisen, sind mit der Pönalisierung der versuchten Begehungsweise Strafbarkeiten für Abläufe geschaffen worden, die sich fast vollkommen der Wahrnehmbarkeit und Nachweisbarkeit entziehen. Aber auch in Hinblick auf den Versuch des Handels mit Insiderpapieren fehlt es regelmäßig an nach außen sicht- und nachweisbaren Merkmalen, die Anhaltspunkte für die versuchte Straftat bieten. Aus diesem Grunde hatten sich Finanzausschuss und Bundesregierung einst gegen eine Versuchsstrafbarkeit ausgesprochen [41], zumal sie eine solche - zu Recht - für den Rechtsgüterschutz als nicht zwingend notwendig erachteten. Wünschenswert ist - und dies ist dem Gesetzgeber auch von Seiten der befragten Experten empfohlen worden - eine materiellrechtliche Konzentration auf die Kernbereiche des Straftatbestandes. Denn die Probleme des Insiderhandelsverbotes liegen in seiner wirksamen Durchsetzung und nicht in einer etwaigen tatbestandlichen Enge. Bislang hat die Politik inkonsequent gehandelt und auf der einen Seite Strafbarkeiten ausgedehnt, auf der anderen Seite aber weder die für die Durchsetzung der Kernbereiche erforderlichen personellen und sachlichen Mittel bereitgestellt, noch effiziente Verfolgungsstrukturen geschaffen. Damit ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr verbunden: Wenn Insiderstrafbarkeiten auf Bereiche ausgeweitet werden, in denen die Durchsetzung der Norm faktisch unmöglich ist, verlieren die Anleger ihr Vertrauen in die staatliche Fähigkeit, den Rechtssatz durchzusetzen und damit letztlich das Vertrauen in den Kapitalmarkt [42] .
IV. Zusammenfassung
Die Staatsanwaltschaften sind mit der Verfolgung von Börsenkriminalität überfordert. Am Beispiel des Insider-
handelsverbotes zeigt sich dies daran, dass ein großer Teil der von der Finanzaufsicht BaFin voruntersuchten Sachverhalte wegen personeller, materieller und verfolgungsspezifischer Mängel eingestellt oder anderweitig sanktionslos beendet wird. Da eine wirkungsvolle Verfolgung börsenbezogener Straftaten mit den bestehenden Organisationsstrukturen der Staatsanwaltschaften nicht zu erreichen ist, muss das staatsanwaltschaftliche Know-how in flächendeckend einzurichtenden dezentralen Kapitalmarktschwerpunktstaatsanwaltschaften bzw. durch den Ausbau von Wirtschaftsschwerpunktstaatsanwaltschaften und -abteilungen um den Schwerpunkt Kapitalmarktstrafrecht gebündelt werden. Die Ermittlungen können aber schon jetzt mehr Erfolg haben, wenn die BaFin-Mitarbeiter den Staatsanwälten entgegenkommen und ihnen möglichst viel der zu erledigenden Arbeiten abnehmen. Im Übrigen dürfte man nicht umhin kommen, die Staatsanwaltschaften personell aufzustocken. Unabhängig davon muss sich der Gesetzgeber fragen, ob die Weite der Straftatbestände nicht ein Scheitern der Verfolgung impliziert.
* Mit dem Autor kann unter AHienzsch@gmx.de Kontakt aufgenommen werden.
[1] "Empfehlungen der Börsensachverständigenkommission beim Bundeswirtschaftsministerium zur Lösung der sog. Insider-Probleme vom 13. November 1970", abgedruckt in Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, M-100 bis M-110.
[2] Hienzsch, Das deutsche Insiderhandelsverbot in der Rechtswirklichkeit (2006), S. 29 f.
[3] §§ 3-11 WpHG in seiner ursprünglichen Fassung; z u den Gründen für die Errichtung eines eigenständigen Bundesaufsichtsamtes siehe Riepe, ZfgK 1994, S. 1156, 1157.
[4] Der Wert von 228 ergibt sich aus dem Mittel der 1999 bis 2004 neu eingeleiteten Insideruntersuchungen (1999: 39, 2000: 51, 2001: 55, 2002: 69, 2003: 51, 2004: 57; Quellen: Statistik des BAWe 2001, S. 3; Jahresbericht der BaFin 2003, Teil A, S. 242; Jahresbericht der BaFin 2004, S. 188.) multipliziert mit dem Faktor der durchschnittlichen Insiderzahl von 4,25. Da die BaFin-Statistik erst seit dem Jahre 2003 zwischen den an die Staatsanwaltschaften abgegebenen "Vorgänge" einerseits und verdächtigten "Personen" andererseits unterscheidet, ist für den davor liegenden Zeitraum ein aus den Angaben der Jahre 2003 und 2004 errechneter Quotient zugrunde gelegt worden. Dieser beträgt 4,25 Insidern pro angezeigtem Sachverhalt.
[5] Der Wert von 101 wurde aus den Durchschnittswerten der an die Staatsanwaltschaften abgegebenen Vorgänge aus den Jahren 1999 bis 2004 ermittelt (Statistik des BAWe 1999, S. 3; Jahresbericht der BaFin 2003, Teil A, S. 242; Jahresbericht der BaFin 2004, S. 188: 1999: 13, 2000: 22, 2001: 25, 2002: 33, 2003: 26, 2004: 23) multipliziert mit dem Faktor der durchschnittlichen Insiderzahl von 4,25.
[6] Die Summe der Durchschnittswerte (61, 12, 3) erreicht nicht die Anzahl der Abgaben an die Staatsanwaltschaften (101), da Abgabe und Sanktion zumeist nicht im selben Jahr erfolgen, also noch Altfälle offen sind.
[7] Zu den Schwierigkeiten der Insiderverfolgung bei der BaFin siehe Hienzsch, Das deutsche Insiderhandelsverbot in der Rechtswirklichkeit (2006), S. 78 ff.
[8] Etwa Mischnick, Der Täter-Opfer-Ausgleich und der außergerichtliche Tatausgleich in der Behördenwirklichkeit (1998), S. 155.
[9] Mayntz u.a., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik (1978), S. 8.
[10] BT-Drucksache 12/6679, S. 33; BT-Drucksache 15/3174, S. 26.
[11] Zum empirischen Nachweis dieser gesetzgeberischen These siehe Hienzsch, Das deutsche Insiderhandelsverbot in der Rechtswirklichkeit (2006), S. 164 ff.
[12] Für die Bearbeitung eines Insidersachverhaltes ist die Staatsanwaltschaft aus dem Bezirk des Tatortes - üblicherweise ist dies der Wohnsitz des Täters - örtlich zuständig ist, §§ 143 Abs. 1 GVG, 7 Abs. 1, 10 StPO; Nr. 2 RiStBV; siehe auch Wittich, in: Gerke, Die Börse der Zukunft: Märkte, Plätze, Netze (1997), S. 123, 130.
[13] Plöd, in: KMR, Kommentar zur Strafprozessordnung (2004), § 152, Rn. 18; Meyer-Goßner, Strafprozessordnung (47. Auflage, 2004), § 152, Rn. 4.
[14] Auch Friedmann, in: Liebl, Internationale Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität (1987), S. 136, 140 für die US-amerikanischen Verfolgungsbehörden.
[15] Zu den hohen Einstellungsquoten nach § 170 Abs. 2 StPO in Bezug auf Wirtschaftsstraftaten siehe auch Liebl, wistra 1987, S. 13, 18.
[16] Zu den Aufklärungs- und Strafverfolgungsproblemen bei Wirtschaftsstraftaten im Allgemeinen siehe Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts (2. Auflage, 2004), S. 23 ff.
[17] Das Problem geringer Wahrnehmbarkeit und fehlender Kontrollmöglichkeit stellt sich für das gesamte Wirtschaftsstrafrecht, Bussmann, MschrKrim 2003, S. 89, 91.
[18] Dazu Hienzsch, Das deutsche Insiderhandelsverbot in der Rechtswirklichkeit (2006), S. 117 ff. und 119 ff.
[19] Auch Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel (1996), S. 581.
[20] Daran ändern die nach § 15b WpHG zu führenden Insiderverzeichnisse nichts, denn die Kenntnis muss im Konkreten nachgewiesen werden. Zu den Schwierigkeiten beim Nachweis der Kenntnis Peters, Das deutsche Insiderstrafrecht unter Berücksichtigung strafrechtlicher Konsequenzen für Kreditinstitute und prozessualer Durchsetzung (1997), S. 110 f.
[21] Dies beginnt bereits bei der Unwilligkeit, Straftaten anzuzeigen: Weniger als 7 % der Unternehmen zeigen entdeckte Straftaten an, PricewaterhouseCoopers-Studie Europäische Umfrage zur Wirtschaftskriminalität 2001, S. 19.
[22] Dreyling, in: Claussen/Schwark, Insiderrecht für Finanzanalysten (1997), S. 1, 7 bedauert etwa, dass die durchgeführten Strafbefehlsverfahren nicht zur Erhöhung der Rechtssicherheit beitragen.
[23] Für das Wirtschaftsstrafrecht allgemein Bussmann, MschrKrim 2003, S. 89, 91.
[24] Zur geringeren moralischen Bindung an das Recht der höheren Einkommensschichten siehe Bussmann/England/Hienzsch, MschrKrim 2004, S. 244, 255 f.
[25] Zu den Verständigungen (Absprachen, Vergleiche, "Deals"), siehe Pfeiffer, in: Pfeiffer, Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung (5. Auflage, 2003), Einl. Rn. 29a ff.
[26] Zu den Erfolgen der Einführung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften Liebl, in: Brusten/Malinowski, Kriminologie im Spannungsfeld von Kriminalpolitik und Kriminalpraxis (1986), S. 173, 178 ff.
[27] Liebl, wistra 1987, S. 13, 14.
[28] Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts (2. Auflage, 2004), S. 92.
[29] Kubica, in: Kube/Störzer/Timm, Kriminalistik, Band 2 (1994), Kapitel 40, Rn. 6.
[30] Zu deren Status, Aufgaben und Kompetenzen siehe Voss, Das US-amerikanische Insiderkonzept zwischen kapitalmarktpolitischem Gleichheitsideal und treurechtlicher Verhaltensdogmatik (1984), S. 66 ff.
[31] Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz - AnSVG) vom 28. Oktober 2004, BGBl. I, S. 2630 ff.
[32] Siehe etwa Plenarprotokoll 15/111 vom 27. Mai 2004, S. 10142.
[33] Zwar könnte dies auch durch die Durchführung von Sammelverfahren nach Nr. 2 Abs. 2 i.V.m. Nrn. 25 ff. der RiStBV abgewendet werden, doch zeigte sich die Rechtspraxis bei der Wahrnehmung dieser Möglichkeit sehr zurückhaltend, Jahresbericht des BAWe 2001, S. 20.
[34] Dazu Liebl, wistra 1987, S. 13, 18.
[35] Vor 2004 wurde das Forum als "Praxisdialog Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität" durchgeführt.
[36] Siehe Jahresbericht des BAWe 2001, S. 28.
[37] Hagemeister, WM 2002, S. 1773, 1774.
[38] Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz - FinDAG), vgl. BGBl. 2002 I, S. 1310.
[39] Gegen eine Finanzierung durch Umlage der Kosten auf die Beaufsichtigten Reiter/Geerlings, VuR 2002, S. 234, 238.
[40] Zu jenen Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts (2. Auflage, 2004), S. 92.
[41] BT-Drucksache 12/7918, S. 95 f.
[42] Zum empirischen Nachweis der Bedeutung eines wirksamen Insiderhandelsverbotes für das Anlegervertrauen siehe Hienzsch, Das deutsche Insiderhandelsverbot in der Rechtswirklichkeit (2006), S. 172 ff.