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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 177

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 423/24, Beschluss v. 06.11.2024, HRRS 2025 Nr. 177


BGH 6 StR 423/24 - Beschluss vom 6. November 2024 (LG Halle)

Vergewaltigung (minder schwerer Fall: rechtsfehlerhaft unterbliebene Prüfung).

§ 177 Abs. 1, Abs. 9 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 25. März 2024

a) in den Aussprüchen über die in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe verhängten Strafen sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben, wobei die zugehörigen Feststellungen Bestand haben;

b) im Adhäsionsausspruch dahin ergänzt, dass im Übrigen von einer Entscheidung abgesehen wird.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses (II.3 der Urteilsgründe) sowie wegen sexuellen Übergriffs in zwei Fällen (II.1 und II.2 der Urteilsgründe), davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, eine Adhäsionsentscheidung getroffen und ihn im Übrigen freigesprochen. Das auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Landgericht hat der Strafzumessung in den Fällen II.1 und II.2 der Urteilsgründe jeweils den Rahmen des § 177 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt. Es hat dabei nicht erkennbar geprüft, ob minder schwere Fälle im Sinne des § 177 Abs. 9 StGB vorliegen, obwohl dazu Anlass bestand. Denn die Strafkammer hat bei der Strafzumessung im Fall II.1 ausschließlich und im Fall II.2 gewichtige strafmildernde Umstände wie die eher geringe Intensität der Tathandlung, den erheblichen Zeitablauf und die bisherige Unbestraftheit des Angeklagten aufgeführt. Ungeachtet des Tatbildes hätte sie sich daher zu einer Prüfung der Frage gedrängt sehen müssen, ob die Annahme eines minder schweren Falls in Betracht kommt.

Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass die Strafkammer einen minder schweren Fall nach § 177 Abs. 9 StGB angenommen und auf niedrigere Strafen erkannt hätte. Dies zieht die Aufhebung der Einzelstrafen und den Wegfall der Gesamtstrafe nach sich. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).

2. Der Adhäsionsausspruch bedarf entsprechend § 354 Abs. 1 StPO der Ergänzung. Die Adhäsionsklägerin hat mit ihrem Antrag nicht nur Schmerzensgeld, sondern auch die Zahlung von Zinsen ab Rechtshängigkeit eingefordert. Dazu hat die Strafkammer keine Entscheidung getroffen und dem Adhäsionsantrag damit nur teilweise entsprochen. Im Urteilstenor hätte daher nach § 406 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 StPO ausgesprochen werden müssen, dass im Übrigen von einer Entscheidung abgesehen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. April 2015 - 1 StR 133/15; vom 28. Juni 2022 - 6 StR 143/22; vom 21. März 2024 - 6 StR 33/24).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 177

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede